Amtsgericht Heidelberg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Bußgeldverfahren gegen
(...)
wegen VerkehrsOWi
Das Amtsgericht Heidelberg hat in der Hauptverhandlung vom 07.10.2022, an der teilgenommen haben:
(...)
Von der Zuziehung eines Urkundsbeamten wurde gemäß § 226 Abs. 2 StPO abgesehen.
für Recht erkannt:
1. Der Betroffene (...) wird wegen der vorsätzlichen Verkehrsordnungswidrigkeit des verbotswidrigen Mit-Sich-Führens eines betriebsbereiten technischen Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen, als Führer eines Kraftfahrzeugs
zu einer Geldbuße von 100,00 Euro
verurteilt.
2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 23 Abs. 1c, 49 StVO, § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG, 247 BKat, § 3 Abs. 1 BKatV
I.
Der verheiratete Betroffene (...) wurde am (...) geboren. Er wohnt in (...), ist (...) Staatsangehöriger und von Beruf (...).
Ausweislich des Fahreignungsregisterauszugs vom 13.07.2022 ist der Betroffene unter Fahreignungsgesichtspunkten bislang zweimal in Erscheinung getreten:
Am 13.05.2018 überschritt er in Bispingen als Führer eines PKW die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h. Es wurde vom AG Soltau am 15.11.2018 eine Geldbuße in Höhe von 430,00 Euro festgesetzt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig seit 05.12.2018.
Am 30.09.2020 um 10:55 Uhr überschritt er auf der A 66 zwischen Frankfurt und Fulda in Fahrtrichtung Fulda, auf Höhe AK 193,965 die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h. Es wurde vom Regierungspräsidium Kassel am 01.02.2021 eine Geldbuße in Höhe von 160,00 Euro festgesetzt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig seit 05.03.2021.
II.
Aufgrund der Hauptverhandlung ist folgender Sachverhalt zugrunde zu legen:
Am 31.01.2022 um 08:01 Uhr fuhr der Betroffene als Führer des Kraftfahrzeugs PKW Audi mit dem amtlichen Kennzeichen (...) von der Berliner Straße in die Mönchhofstraße in 69121 Heidelberg. Dabei fuhr er teilweise mit deutlich überhöhter, nicht genau feststellbarer Geschwindigkeit und verzichtete mehrfach auf das gebotene Einsetzen des Fahrtrichtungsanzeigers.
Bei der Fahrt führte er in der Mittelkonsole ein weißes Mobiltelefon Apple iPhone mit sich, auf dem die App "Blitzer.de" geöffnet war. Bei diesem Mobiltelefon handelte es sich um das seiner Frau, die als Beifahrerin mit ihm unterwegs war.
Der Betroffene wusste, dass das Handy mit geöffneter App in der Mittelkonsole lag.
III.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen ergeben sich aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Inhalt des Aktendeckels sowie den Angaben des Betroffenen zu seiner Person in der Hauptverhandlung.
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der Einlassung des Betroffenen in der Hauptverhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme.
Die Betroffene hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, dass sich das Mobiltelefon seiner Frau mit der geöffneten Blitzer-App in der Mittelkonsole befunden hat.
Darüber hinaus hat er sich jedoch dahin eingelassen, dass er nicht gewusst habe, dass seine Frau die App geöffnet und das Mobiltelefon mit der geöffneten App in die Mittelkonsole gelegt habe. Es habe keine Absprache gegeben und er habe es auch nicht wahrgenommen. Er habe zwar gewusst, dass seine Frau die App auf dem Mobiltelefon installiert hatte, sei aber davon ausgegangen, dass sich das Telefon nur zum Laden wegen des Kabels in der Mittelkonsole befunden habe.
Er wird insofern widerlegt durch die glaubhafte Aussage des Zeugen (...).
Der Zeuge (...), der als Polizeibeamter die Fahrweise beobachtet hatte und deshalb eine Kontrolle des Betroffenen durchgeführt hatte, hat glaubhaft und überzeugend berichtet, wie er bei der Kontrolle in der Mittelkonsole das Handy erblickte und dabei zweimal wahrnehmen konnte, wie der Betroffene versuchte, das Handy wegzuschieben. Die Frau des Betroffenen habe anschließend versucht, den Bildschirm zu verdecken. Der Zeuge hat glaubhaft berichtet, dass es sich für ihn als ein eindeutiges bewusstes Beiseiteschieben durch den Betroffenen handelte. Der Zeuge berichtete detailreich und widerspruchsfrei. Aufgrund des für den Polizeibeamten eindeutig als bewusstes Beiseiteschieben zu erkennenden Vorgehens ist davon auszugehen, dass der Betroffene von der geöffneten Blitzer-App wusste. Dass die Motivation des Wegschiebens offen bleibe und der Betroffene möglicherweise nur das Handy allgemein habe beiseite schieben wollen - wie die Verteidigerin ausführte -, hält das Gericht für fernliegend und eine Schutzbehauptung.
Für die Kenntnis des Betroffenen von der geöffneten Blitzer-App spricht auch seine Fahrweise. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen (...) fuhr der Betroffene mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Bei Kenntnis, dass eine Blitzer-App vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen warnt, ist die Motivation, sich an die zugelassenen Geschwindigkeiten zu halten, aufgrund der geringeren Sanktionsgefahr niedriger, da bei einer Warnung an der jeweiligen Stelle die Geschwindigkeit auf das zulässige Maß reduziert werden kann.
IV.
In rechtlicher Hinsicht hat sich der Betroffene deshalb wegen des verbotswidrigen Mitführens eines betriebsbereiten technischen Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen, als Führer eines Kraftfahrzeugs und damit einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1c, 49 StVO, § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG schuldig gemacht.
Der Betroffene war der Führer eines Kraftfahrzeugs.
Auf dem Mobiltelefon, das sich in der Mittelkonsole befand, war die Blitzer-App "blitzer.de" installiert und geöffnet. Es handelt sich dabei um ein betriebsbereites technisches Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen im Sinne des § 23 Abs. 1c S. 1 StVO (vgl. dazu ausführlich OLG Rostock, Beschluss vom 22.02.2017 - 21 Ss OWi 38/17 m.w.N.). Dies wird auch durch § 23 Abs. 1c S. 3 StVO deutlich.
Der Betroffene hat das Mobiltelefon auch mitgeführt. Zwar war er weder der Eigentümer noch der Besitzer des Mobiltelefons, da es sich um das Mobiltelefon seiner Ehefrau handelte und es kann ihm auch nicht nachgewiesen werden, dass er selbst die App geöffnet hat, ein Mitführen ist aber dennoch gegeben (so im Ergebnis auch Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Auflage 2022, § 23 StVO, Rn. 22h und König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, § 23 StVO Rn. 36).
Soweit ersichtlich, ist zu der Frage, ob ein Mitführen auch in dieser Konstellation vorliegt, bislang keine obergerichtliche Rechtsprechung ergangen.
Mitführen kann dem Wortlaut nach sowohl bedeuten, dass der Fahrer etwas direkt bei sich hat oder aber auch, dass er es "in dem Auto" mit sich führt. Der Wortlaut lässt es also zu, dass auch etwas, dass sich nicht unmittelbar beim Fahrer befindet oder durch den Fahrer im Fahrzeug platziert wurde, von dem Fahrer, der das Fahrzeug und damit alles an und in ihm befindliche transportiert, mit sich geführt wird.
Nach der ständigen Rechtsprechung zu § 30a BtMG, der das Merkmal "mit-sich-führen" beinhaltet, ist ein Gegenstand dann "mit-sich-geführt", wenn der Täter ihn bei der Tat bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann, er sich also in seiner Griffweite befindet (vgl. st. Rspr. zu § 30a BtMG, z.B. BGH 28.2.1997 – 2 StR 556/96). § 244 StGB enthält als Wortlaut "bei-sich-führen", auch hierbei kommt es nach ständiger Rechtsprechung aber auch die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit an. Es liegt also nahe, dass es auch im Rahmen des § 23 Abs. 1c StVO auf die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit ankommt, wobei "mitführen" eher weiter als "mit-sich-führen" ist als enger. Eine solche jederzeitige Zugriffsmöglichkeit war vorliegend gegeben. Das Mobiltelefon befand sich in der Mittelkonsole, der Betroffene konnte darauf zugreifen, unabhängig davon, ob es auf die haptische Zugriffsmöglichkeit oder nur die Nutzungsmöglichkeit in Form der Wahrnehmung der Warnungen ankommt.
Die Norm befindet sich systematisch bei den allgemeinen Verkehrsregeln, wobei sich die Norm nach der Überschrift an den Fahrzeugführenden richtet und dabei eine Auffangvorschrift darstellt, wie die Bezeichnung "sonstige Pflichten" zeigt. Eine weitere Pflicht des Fahrzeugführenden ist in der Norm zuvor, § 22 StVO, aufgeführt, bei der es um die Ladungssicherheit geht. Hier trägt der Führer auch die Verantwortung für die gesamte Ladung, unabhängig davon, wer sie deponiert und verstaut hat. Der Fahrzeugführer hat in dem Sinne die gesamte Ladung bei der Fahrt dabei. Auch das spricht dafür, die Norm auch in der vorliegenden Konstellation für greifend zu halten.
Entscheidend ist, dass es nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf die Eigentumsverhältnisse und die jeweilige vorherige Bedienung ankommen kann, auch nicht auf die haptische Zugriffsmöglichkeit, sondern nur auf die Nutzungsmöglichkeit. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, zu verhindern, dass Fahrer sich über Geschwindigkeitsbeschränkungen bewusst hinwegsetzen, weil sie vor Geschwindigkeitsmessungen gewarnt werden und damit entsprechend an den jeweiligen Stellen die Geschwindigkeit auf das zulässige Maß reduzieren können. So soll verhindert werden, dass die generalpräventive Wirkung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen unterlaufen wird. Dabei kann es aber keinen Unterschied machen, ob das in der Mittelkonsole befindliche Handy, auf dem die App geöffnet ist, von dem Fahrer oder von dem Beifahrer in Kenntnis des Fahrers dorthin gelegt wurde.
Würde diese Konstellation von der Vorschrift nicht umfasst, gäbe es eine Regelungslücke und weitreichende Möglichkeiten zur Umgehung. Zudem gäbe es dann Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung, weil von den kontrollierenden Personen oft nur schwer festgestellt werden könnte, wem das Mobiltelefon gehört und in der Regel bei mehreren Fahrzeuginsassen nicht festgestellt werden könnte, wer die App geöffnet und das Mobiltelefon dort platziert hat. Nach Sinn und Zweck kann es also nur darauf ankommen, dass das Smartphone so in dem Fahrzeug platziert ist, dass die Signale der App akustische, visuell oder auf sonstige Weise wahrnehmbar sind.
Auch in der vorliegenden Konstellation ist deshalb ein Mitführen gegeben.
Der Betroffene, der von der geöffneten App wusste, handelte dabei vorsätzlich.
V.
Diese Verkehrsordnungswidrigkeit wird gemäß Ziffer 247 der Anlage 1 der die Gerichte bei gewöhnlichen Tatumständen bindenden Bußgeldkatalogverordnung im Regelfall mit einer Geldbuße in Höhe von 75,00 Euro geahndet.
Hier liegen jedoch Umstände vor, die das Gericht zu einer Abweichung von dieser Regelbuße bewegten. Aufgrund der beiden Voreintragungen im Fahreignungsregister, die zeigen, dass der Betroffene bereits nicht unerheblich verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, hat das Gericht Veranlassung gesehen, die Geldbuße nach § 3 Abs. 1 BKatV zu erhöhen. Das Gericht hielt dabei eine Erhöhung auf 100,00 Euro für tat- und schuldangemessen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO.