VG Karlsruhe, Beschluss vom 14.06.2022 - 4 K 233/22
Rubrum

VERWALTUNGSGERICHT KARLSRUHE

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

XXX

- Antragstellerin -

prozessbevollmächtigt:

XXX

gegen

Bundesrepublik Deutschland,

vertreten durch das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, vertreten durch den Präsidenten, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe

- Antragsgegnerin -

prozessbevollmächtigt:

XXX

wegen presserechtlichen Auskunftsanspruchs, hier: Antrag gem. § 123 VwGO

hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe - 4. Kammer - durch den Richter XXX als Be-richterstatter

am 14. Juni 2022

beschlossen:

Tenor

Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache wird das Verfahren eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu ⅓ und die Antragsgegnerin zu ⅔.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 3 VwGO) einzustellen und nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Der in § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zum Ausdruck gekommene Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit das Gericht nach Erledigung des Rechtsstreits von dem Gebot, anhand eingehender Erwägungen abschließend über den erledigten Streitstoff zu entscheiden. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Verfahrensbeteiligten ist eine Klärung von durch den Prozess aufgeworfenen schwierigen Rechtsfragen allein mit Blick auf den § 161 Abs. 2 VwGO nicht mehr veranlasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1998 - 1 C 5.96 - juris, Rn. 2).

Bei Anwendung dieser Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens zu ⅓ der Antragstellerin und zu ⅔ der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen:

a) Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO dürfte bei summarischer Prüfung zulässig gewesen sein. Insbesondere dürfte das Rechtsschutzbedürfnis bestanden haben, nachdem die Antragstellerin die Antragsgegnerin vorgerichtlich erfolglos aufgefordert hatte, die streitgegenständlichen Fragen zu beantworten. Die Antragsgegnerin verwies insoweit lediglich auf die bisherige Korrespondenz, ohne auf die Fragen im Einzelnen einzugehen. Es dürfte aus der E-Mail der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Januar 2022 (11:21 Uhr) für die Antragstellerin auch nicht ersichtlich gewesen sein, dass noch eine Beantwortung der Fragen oder weitere Bearbeitung der Anfrage in Aussicht stand. Dem Rechtsschutzbedürfnis dürfte auch nicht entgegengestanden haben, dass die Antragstellerin bezüglich der Fragen 1 bis 3 bereits relevante Unterlagen einsehen konnte, die eine dritte Person von dem Bundesverfassungsgericht erhalten hatte. Denn die Antragstellerin hatte die Unterlagen unstreitig nicht vom Bundesverfassungsgericht selbst erhalten, sondern über Dritte. Sie dürfte daher über die Unterlagen – soweit sie vorhanden waren – keine eigene Verfügungsgewalt gehabt haben, da sie insoweit auf die Kooperation Dritter angewiesen gewesen sein dürfte. Der für eine Recherche und eigene zuverlässige Berichterstattung beziehungsweise zumindest einer Verifizierung/Überprüfung der Informationen erforderliche Auskunftsanspruch dürfte durch eine solche Kenntnisnahme nicht beseitigt worden sein.

b) Im Hinblick auf die Fragen 1 bis 6 dürfte der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – mit Ausnahme des Klammerzusatzes in der Frage 2 – bestanden haben. Die Antragsgegnerin ist dem in materiell-rechtlicher Hinsicht auch nicht substantiiert entgegengetreten. Es entspricht im Übrigen auch deshalb billigem Ermessen, der Antragsgegnerin insoweit die Kosten aufzuerlegen, da sie dem Antragsbegehren im Laufe des Eilverfahrens nachgekommen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. April 2012 - 2 A 5.11 - BeckRS 2012, 51091). Insbesondere dürfte auch ein Anordnungsgrund bestanden haben. Ein solcher ist in Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche anzunehmen, wenn für die begehrte Auskunft ein gesteigertes öffentliches Interesse sowie ein starker Gegenwartsbezug besteht, der dazu führt, dass bei einem Abwarten der Klärung im Hauptsacheverfahren die begehrte Auskunft ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 - juris, Rn. 22). Ein solcher starker Gegenwartsbezug und ein gesteigertes öffentliches Interesse dürften hier im Hinblick auf das Treffen vom 30. Juni 2021, welches in der Berichterstattung in direkten Bezug zu der damaligen "Coronapolitik" der Bundesregierung und anhängigen Verfahren zu dieser "Thematik" bei dem Bundesverfassungsgericht gesetzt wurde, gegeben gewesen sein; insbesondere handelte es sich um einen Sachverhalt, der mit zunehmendem Zeitablauf im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens an Bedeutung und Nachrichtenwert verloren hätte. Durch die bei Antragstellung nach wie vor bestehenden "Coronamaßnahmen" und die zeitlich noch relativ kurz zurückliegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 2021 (- 1 BvR 781/21 -, juris) sowie die damit einhergehende Berichterstattung insbesondere auch zu Befangenheitsanträgen gegen Richter am Bundesverfassungsgericht war auch ein fortdauernder Gegenwartsbezug der Informationen gewahrt.

c) Im Hinblick auf die Fragen 7 bis 9 entspricht es hingegen billigem Ermessen, die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen. Diese Fragen zielten auf eine Kommentierung/Bewertung von Tatsachen beziehungsweise Mitteilung einer Rechtsansicht. Es entspricht der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass solche Fragen grundsätzlich nicht vom presserechtlichen Auskunftsanspruch erfasst sind. Wird eine Auskunft über sogenannte innere Tatsachen wie Absichten, Motive und sonstige Überlegungen erbeten, kann die auskunftspflichtige Stelle dem im Übrigen nur nachkommen, wenn diese inneren Vorgänge sich in irgendeiner Form bei dieser manifestiert haben. Fehlt es an einer solchen Manifestation, besteht kein Auskunftsanspruch (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - juris, Rn. 19 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 - juris, Rn. 12 ff.; VG Berlin, Beschluss vom 2. November 2021 - 27 L 298/21 - juris, Rn. 46 f.). Dies dürfte hier bei summarischer Prüfung der Fall gewesen sein. Insbesondere hat die Antragstellerin eine solche Manifestation im amtlichen Raum vor Erledigung des Verfahrens weder substantiiert vorgetragen noch war diese ansonsten ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich im Hinblick auf die Kostentragung auch nicht daraus, dass die Antragstellerin das Auskunftsbegehren im Rahmen der Antragsschrift vom 24. Januar 2022 augenscheinlich in Umsetzung der oben zitierten Rechtsprechung auf "im amtlichen Raum manifestierte Gründe" beschränkt hat. Denn die vorgerichtlich gestellten Fragen in der E-Mail vom 17. Januar 2022 waren ohne diese Einschränkung gestellt worden, damit nicht von dem presserechtlichen Auskunftsanspruch gedeckt und darüber hinaus auch nicht geeignet, dem Bundesverfassungsgericht ausreichend die Gelegenheit zu geben, mitzuteilen, dass keine amtliche Manifestation gegeben war und so ein Gerichtsverfahren zu vermeiden.

d) Nachdem im Hinblick auf 6 von 9 der streitgegenständlichen Fragen bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten bestanden, entspricht es billigem Ermessen, der Antragsgegnerin ⅔ der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Aufgrund der mit dem Antrag begehrten Vorwegnahme der Hauptsache kommt eine Reduzierung des Streitwerts nach Maßgabe der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht in Betracht.