LG Berlin, Urteil vom 12.05.2022 - 67 S 30/22
Fundstelle
openJur 2022, 11941
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23. Dezember 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte - 122 C 5043/19 - unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, folgende Mängel im Hause X zu beseitigen:

a)

Stark abgenutzte Armaturen befinden sich an den Handwaschbecken im Gästebad (EG) und im Elternbad (4. OG)

b)

Im Keller befindet sich gartenseitig, linkes Fenster von innen gesehen, ein undichtes Kellerfenster.

c)

Die Haustür ist undicht und lässt sich nur sehr schwer öffnen.

d)

Die Tür zum Fitnessraum im 5. OG schleift und lässt sich nur schwer schließen. Die Dichtung der Tür sitzt nicht fest im Rahmen.

e)

Die Parkfläche vor dem Haus hat sich insbesondere zwischen den Plattenreihen 2 und 3 um bis zu 3 cm gesenkt. Außerdem ist ein unterschiedliches Absenken innerhalb der Gesamtfläche festzustellen. Daraus ergeben sich diverse Unregelmäßigkeiten im Bodenbelagsverlauf, die zu Vorsprüngen und Unebenheiten führen. Je nach Belastung verändert sich die Höhe der Vorsprünge.

f)

Im Fitnessbereich (5. OG) ist die Fußbodenfliese im Bereich des Bodenauslasses gerissen.

g)

Es fehlen die Handläufe an sämtlichen Treppen des Objekts mit Ausnahme der vom Erdgeschoss zum 1. OG und vom 1. OG zum 2. OG führenden Treppen.

II.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit der Kläger die Beseitigung folgender Mängel im Haus beantragt hatte:

Es findet sich Feuchtigkeit in der linken Kellerwand (von der Straße aus gesehen). Die Wand ist im hinteren Bereich feucht, es bildet sich Schimmel bzw. eine schwarze Substanz an der Wand.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen; von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat der Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der die Handläufe betreffenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 25.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen der Kosten kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des insoweit aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des insoweit jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen, soweit er zu Mängelbeseitigungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den Handläufen verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der klagende Mieter begehrt vom beklagten Vermieter die Beseitigung angeblicher Mängel eines an ihn für eine Nettokaltmiete von 10.000,00 EUR vermieteten Townhouses.

Das Amtsgericht hat der - teilweise für erledigt erklärten - Klage überwiegend stattgegeben. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zum erstinstanzlichen Vorbringen und zu den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen, wird auf das amtsgerichtliche Urteil (Bl. I/233-240 d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 29. Dezember 2022 zugestellte Urteil am 28. Januar 2022 Berufung eingelegt und diese nach vorheriger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 29. März 2022 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er rügt mit seiner die erstinstanzliche Verurteilung nur zum Teil anfechtenden Berufung, der Parkplatzbereich sein nicht instandsetzungsbedürftig, da seine Benutzung weiterhin gefahrlos möglich sei. Die gerügten Zuglufterscheinungen müsse er ebenfalls nicht beseitigen. Insoweit fehle es an einer hinreichenden Beeinträchtigung des Klägers und einer ordnungsgemäßen Beweiserhebung durch das Amtsgericht. Schließlich sei er auch nicht zur Ertüchtigung der Treppen verpflichtet, da sich die Parteien stillschweigend auf deren heutige Beschaffenheit vereinbart hätten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil nach Maßgabe seiner Berufungsanträge abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen. Wegen der Einzelheiten der Berufungsanträge wird auf den Schriftsatz vom 29. März 2022 (Bl. II/14-15 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger hat seine Klage mit Einwilligung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2022 teilweise zurückgenommen. Wegen des Umfangs der Rücknahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen (Bl. II/56 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.

Der Beklagte ist - anders als vom Amtsgericht erkannt - nicht gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Beseitigung der vom Kläger behaupteten und lediglich zeitweiligen Zuglufterscheinungen im Kaminbereich verpflichtet. Gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der Umfang der Pflicht des Vermieters zur Gebrauchserhaltung richtet sich danach, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart haben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 22. Februar 2022 - VIII ZR 38/20, BeckRS 2022, 12217, beckonline Tz. 13 m.w.N.). Einer Beseitigungspflicht des Beklagten im aufgezeigten Umfang steht bereits entgegen, dass die Parteien insoweit keine Vereinbarung über die Sollbeschaffenheit der Mietsache getroffen haben. Zwar kann sich eine solche auch aus einer konkludenten Vereinbarung der Parteien und einem Unterschreiten des üblichen Mindeststandards vergleichbarer Räume oder einer erheblichen Verschlechterung des Übergabezustands der Mietsache im Verlaufe des Mietverhältnisses ergeben (vgl. BGH Urt. v. 5. Dezember 2018 - VIII ZR 17/18, NJW-RR 2019, 370, beckonline Tz. 169). An diesen Voraussetzungen indes fehlt es hier hinsichtlich der vom Kläger insoweit behaupteten Bagatellbeeinträchtigungen.

Im Übrigen hat das Amtsgericht den Beklagten zutreffend zur Mangelbeseitigung verurteilt.

Den Parkplatzbereich muss der Beklagte gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB instandsetzen, da sich sein derzeitiger Zustand im Vergleich zur Übergabe der Mietsache erheblich verschlechtert hat. Insoweit kann dahinstehen, ob mit der derzeitigen Nutzung des Parkplatzbereiches Gesundheitsgefahren für den Kläger oder für Dritte verbunden sind. Denn der Vermieter ist auch zur Beseitigung nicht lediglich unerheblicher optischer Beeinträchtigungen der Mietsache verpflichtet (vgl. Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 536 Rz. 221; Selk, in: Mietmängel und Mietmängelrechte, 2. Aufl. 2018, § 536 Rz. 78). Jedenfalls um solche handelt es sich hier.

Der Beklagte ist gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenfalls verpflichtet, die im Tenor näher bezeichneten Treppenbereiche mit Handläufen zu versehen. Zwar fehlt es auch insoweit an einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien über den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache. Die Parteien eines Mietvertrages gehen im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB unter Beachtung der Verkehrsanschauung und des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben aber grundsätzlich davon aus, dass mit der vertragsgemäßen Nutzung der Mietsache keine Gesundheitsgefahren für den Mieter und für Dritte verbunden sein dürfen (vgl. Kammer, Urt. v. 17. Juni 2021 - 67 S 17/21, DWW 2021, 263, beckonline Tz. 14 m.w.N.). Dieser Grundsatz beansprucht auch für das streitgegenständliche Mietverhältnis Geltung:

Dass die Nutzung der mehrgeschossigen Mietsache mit nicht unerheblichen Gesundheitsgefahren für den Beklagten und Dritte verbunden ist, liegt auf der Hand. Denn Treppen, die - entgegen § 34 Abs. 6 BauO Bln - nicht über Handläufe verfügen, bergen ein erheblich höheres Sturzrisiko als bauordnungsgemäß mit Handläufen versehenen Treppen (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 28. Juli 2006 - 5 U 581/06, NJW-RR 2006, 1601, juris Tz. Günther, in: Guhling/Günther, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, § 536 Rz. 137).

Der den Beklagten treffenden Pflicht zur Installation der Handläufe steht eine etwaige Mangelkenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers gemäß § 536b Satz 1 und 2 BGB nicht entgegen. Insoweit kann dahinstehen, ob sich eine Kenntnis oder Unkenntnis des Klägers überhaupt auf die mit dem Fehlen der Handläufe verbundenen Gesundheitsgefahren oder lediglich auf das äußere Erscheinungsbild der Mietsache bezogen hätte. Denn § 536b Abs. 1 Satz 2 BGB beseitigt allenfalls die aus den §§ 536, 536a BGB beruhenden Ansprüche des Mieters, nicht jedoch den aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB erwachsenden Mängelbeseitigungsanspruch (vgl. BGH, Urt. v. 18. April 2007 - XII ZR 139/05, NZM 2007, 484, beckonline Tz. 28).

Soweit schließlich vertreten wird, Beseitigungsansprüche des Mieters seien ausgeschlossen, wenn die Mietvertragsparteien einen bestimmten, bei Überlassung vorhandenen schlechten Zustand der Mietsache konkret als vertragsgemäß vereinbart hätten (vgl. BGH, Urt. v. 18. April 2007, a.a.O.), verhilft auch diese Sichtweise dem Beklagten nicht zum Erfolg. Denn es fehlt bereits an einer konkreten Vereinbarung zur Beschaffenheit der Treppen. Die Parteien haben sich darüber allenfalls konkludent geeinigt. Eine solche Vereinbarung ist dem Beklagten jedoch unbehelflich. Dabei kann dahinstehen, ob der in Rechtsprechung und Literatur gängigen Annahme einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung tatsächlich - und auch hier - nicht häufig lediglich eine für spätere Gewährleistungsansprüche des Mieters unschädliche Objektbeschreibung zu Grunde liegt, genauso, ob die darüber hinausgehende Annahme einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung nicht die Grenze zwischen einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung und der bloßen Kenntnis eines Mangels bei Vertragsschluss i. S. d. § 536b BGB in unzulässiger Weise zu Lasten des Mieters verschiebt (vgl. Günther, a.a.O., Rz. 267). Denn selbst wenn sich die Parteien hier konkludent über die - äußere - Beschaffenheit der Mietsache und der Treppen verständigt haben sollten, haben sie sich ebenso konkludent darauf geeinigt, dass mit der vertragsgemäßen Nutzung der Mietsache keine Gesundheitsgefahren für den Mieter oder Dritte verbunden sein dürfen (vgl. Kammer, a.a.O., m.w.N.). Dieser - inneren - Sollbeschaffenheit indes entsprechen die an den Kläger vermieteten Räume bis zum heutigen Tage nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1, 92 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO. Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO im tenorierten Umfang wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Frage zu ermöglichen, ob die gesundheitsgefährdende Beschaffenheit der vermieteten Räume Mängelbeseitigungsansprüche des Mieters auch dann begründet, wenn er die Mietsache in Kenntnis ihrer äußeren baulichen Beschaffenheit vorbehaltlos in Gebrauch genommen hat. Im Übrigen war eine Zulassung der Revision nicht veranlasst.

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