FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2021 - 3 K 3268/18
Fundstelle
openJur 2021, 46756
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines besonderen Kirchgelds gegen die Klägerin als evangelische Kirchensteuerpflichtige, deren Ehemann keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört.

Die Klägerin wird mit ihrem Ehemann von dem Beklagten, dem Finanzamt, gemäß § 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2015 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von x.xxx EUR. In den Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG wurden x.xxx EUR Mutterschafts- und Elterngeld sowie Leistungen gemäß Tz. 15 der Lohnsteuerkarte in Höhe von x.xxx EUR einbezogen. Im Streitjahr 2016 erzielte die Klägerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von xxx EUR. In den Progressionsvorbehalt wurde Elterngeld in Höhe von x.xxx EUR einbezogen. Daneben erzielte die Klägerin nach eigenen Angaben Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von x.xxx EUR.

Die Eheleute wurden mit Einkommensteuerbescheiden vom 20. April 2017 für 2015 und vom 3. April 2018 für 2016 antragsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt. Daneben enthalten die Bescheide jeweils die Festsetzung eines Kirchgelds gegen die Klägerin, das von dem zu versteuernden Einkommen der Eheleute unter Berücksichtigung von Freibeträgen für zwei Kinder, mithin im Jahr 2015 von einer Bemessungsgrundlage von xxx.xxx EUR und im Jahr 2016 von einer Bemessungsgrundlage von xxx.xxx EUR erhoben wurde. Das Kirchgeld wurde für 2015 in Höhe von x.xxx EUR und für 2016 in Höhe von x.xxx EUR festgesetzt.

Gegen die mit den Einkommensteuerbescheiden für 2015 und 2016 jeweils verbundenen Festsetzungen eines besonderen Kirchgelds erhob die Klägerin jeweils Einspruch und beantragte die Festsetzung von Kircheneinkommensteuer nach Maßgabe ihres Einkommens gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz -KiStG BW-) in der Fassung vom 15. Juni 1978 (GBl. 1978, 369), für die Streitjahre in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kirchensteuergesetzes vom 21. Oktober 2014 (GBl. 2014, 494).

Sie ließ vortragen, sie verfüge über eigenes Einkommen, das für die Kirchensteuer maßgeblich sei. Wegen Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dürfe die Kirche nur ihre Mitglieder besteuern. Bei eigenem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten einer glaubensverschiedenen Ehe müsse die Kirche dieses Einkommen besteuern. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Dezember 1965 (1 BvR 606/60, BStBl I 1966, 196), das insoweit gemäß § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz -BVerfGG-) für alle Behörden und Gerichte bindend sei. Dementsprechend schreibe § 19 Abs. 4 KiStG BW vor, dass sich die Kirchensteuer nach dem Anteil des Kirchenmitglieds an der gemeinsamen Einkommensteuer bemesse. Diese zwingende Vorschrift gehe der "Kann-Vorschrift" des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KiStG BW über das besondere Kirchgeld vor. Das besondere Kirchgeld beruhe auf einem sog. "obiter dictum" (lat. nebenbei Gesagtes) in der genannten Entscheidung des BVerfG vom 14. Dezember 1965 (in BStBl I 1966, 196). Danach sei die kirchliche Besteuerung des Lebensführungsaufwandes des kirchenangehörigen Ehegatten einer glaubensverschiedenen Ehe nur dann möglich, wenn dieser sonst "mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei" bliebe. Bei eigenem Einkommen des Kirchenmitglieds sei dieser Besteuerungsgrund nicht gegeben. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 19. Oktober 2005 (I R 76/04, BStBl II 2006, 274) bindend, da im Bundessteuerblatt veröffentlicht, entschieden, dass die Besteuerung des Lebensführungsaufwands nur "insoweit" im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG unbedenklich sei, als sie sich auf ein einkommensloses Kirchenmitglied beziehe. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG vom 28. Oktober 2010 (Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats 2 BvR 591/06 u.a., HFR 2011, 98) habe es der BFH in seinem Beschluss vom 8. Oktober 2013 (I B 109/12, BFH/NV 2014, 182) als eindeutige Rechtslage bezeichnet, dass sich das besondere Kirchgeld "nur für diese Fallkonstellation, nämlich "mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei" am Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten orientiere. Daher seien § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 6 Abs. 4 KiStG BW, die das besondere Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe generell und unabhängig von der Einkommenssituation ermöglichten, irrelevant.

Die in den Kirchensteuerbeschlüssen vorgesehene Vergleichsberechnung, nach der der höhere Betrag aus Kirchensteuer und besonderem Kirchgeld erhoben werde, sei rechtswidrig, weil die Höhe einer Steuer kein Besteuerungsgrund sei und weil sie der Vorgabe des BVerfG widerspreche, wonach bei eigenem Einkommen des Kirchenmitglieds dieses Einkommen besteuert werden müsse. Die Kirche habe nicht das Recht, zwischen den strikt zu trennenden Steuern -Kirchensteuer oder Kirchgeld- zu wählen. Die Besteuerung durch Kirchensteuer gehe vor. Die Fiktion einer Wahlmöglichkeit, wie sie die Vergleichsberechnung voraussetze, bestehe auch nach dem KiStG BW nicht. Bei eigenem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten fehle der Belastungsgrund für das besondere Kirchgeld, sodass die Ersatzbemessung am gemeinsam zu versteuernden Einkommen unzulässig sei.

Wegen der Individualbesteuerung dürfe die Kirche nur ihre Mitglieder, nicht aber die Ehe besteuern. Wenn das besondere Kirchgeld höher sei als die Kirchensteuer auf das eigene Einkommen, werde materiell entweder das Einkommen eines Nicht-Kirchenmitglieds besteuert, was unzulässig sei, oder das Kirchenmitglied werde wegen des kirchenfremden Ehegatten mit einer erhöhten Kirchensteuer auf sein eigenes Einkommen belegt, was zu einer Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG führe.

Das Kirchgeld nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 KiStG BW widerspreche Bundesrecht, nämlich Verfassungsrecht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfe die Besteuerung des Lebensführungsaufwands nur bei einem einkommenslosen Kirchenangehörigen erfolgen. Dem sei die staatliche und kirchliche Rechtslage auf Landesebene nachgeordnet und damit unbeachtlich.

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2018 wies das Finanzamt die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gemeinsam und übereinstimmend mit ihrem Ehemann für die Streitjahre die Durchführung einer Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG beantragt. Dem sei immanent, dass nicht das jeweilige Einkommen des einzelnen Ehegatten der Besteuerung zugeführt werde, sondern das gemeinsame Familieneinkommen der Eheleute maßgebend sei. Bei Durchführung einer getrennten Veranlagung wäre bei keinem der Ehegatten Kirchensteuer festgesetzt worden. Dieser Vorteil wiege jedoch in keiner Weise den Nachteil der sich bei getrennter Veranlagung ergebenden höheren Einkommensteuer beim Ehemann auf, so dass die Durchführung der Zusammenveranlagung die Ehegatten wirtschaftlich besserstelle und wohl deshalb auch von ihnen übereinstimmend gewählt worden sei.

Nach den in den Streitjahren gültigen Kirchensteuerbeschlüssen im Land Baden-Württemberg betrage der Steuersatz der einheitlichen Kirchensteuer 8 % der Bemessungsgrundlage. Für die Erhebung des Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe der Evangelischen Landeskirche in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gelte die von den zuständigen Kirchenbehörden mit staatlicher Genehmigung festgelegte Tabelle. Bemessungsgrundlage im Sinne des KiStG BW sei die nach Maßgabe des § 51a EStG ermittelte Einkommensteuer des der Glaubensgemeinschaft angehörenden Ehegatten. Zwischen der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer (Annexsteuer) und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe werde eine Vergleichsberechnung durchgeführt. Festgesetzt werde der sich hierbei ergebende höhere Betrag. Das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe bemesse sich nach dem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei § 51a EStG anzuwenden, der als Bundesgesetz die Festsetzung und Erhebung von Zuschlagsteuern zur Einkommensteuer regle. Hiernach seien auf die Festsetzung und Erhebung von Steuern, die nach der Einkommensteuer bemessen würden (Zuschlagsteuern oder Annexsteuern), die Vorschriften des EStG entsprechend anzuwenden. Im Streitfall lägen die Voraussetzungen für die Festsetzung von Kirchgeld gegen die Klägerin vor. Sie gehöre einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft an, der Ehemann nicht. Sie lebten also in einer sog. glaubensverschiedenen Ehe. Die Klägerin habe durch den gemeinsam mit ihrem Ehemann gestellten Antrag auf Durchführung einer Zusammenveranlagung die Grundlage für die Kirchgeldfestsetzung selbst herbeigeführt.

Die Durchführung der Vergleichsberechnung benachteilige die Klägerin nicht. Darin sei auch keine Festsetzung von Kirchsteuer gegen den Ehemann zu sehen. Dass für die Bemessung des Kirchgeldes der Lebensführungsaufwand des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten herangezogen werde, sei höchstrichterlich geklärt und anerkannt. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 1965 (in BStBl I 1966, 196) hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden könne. Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensführungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen werde, sei hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (BVerfG-Beschluss in HFR 2011, 98, und BFH-Urteil in BStBl II 2006, 274). Dies gelte nicht nur für den Fall, dass der kirchenangehörige Ehegatte über kein eigenes Einkommen verfüge, sondern treffe im gleichem Maße auf die Situation eines nicht unerheblichen Eigenverdienstes des kirchenangehörigen Ehegatten zu (BFH-Urteile vom 21. Dezember 2005 I R 64/05, Juris, und vom 25. Januar 2006 I R 62/05, Juris).

Soweit die Klägerin mit dem Einspruch verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen habe, seien diese durch die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss in HFR 2011, 98) und des BFH (Urteil in BStBl II 2006, 274; Beschlüsse in BFH/NV 2014, 182, vom 20. Dezember 2006 I B 43/06, Juris; Urteile vom 21. Dezember 2005 und vom 25. Januar 2006, jeweils in Juris) geklärt. Danach bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Erhebung des besonderen Kirchgelds, weil dadurch weder die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG noch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (Glaubensfreiheit) und Art. 6 GG (Ehe und Familie) verletzt würden.

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage trägt die Klägerin ergänzend zu ihrer Einspruchsbegründung im Wesentlichen vor, das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 1965 (in BStBl I 1966, 196), entschieden, dass der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten nur dann besteuert werden dürfe, wenn er sonst "mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei" bliebe. Diese Vorgabe des obiter dictum sei Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Klärung durch das BVerfG und somit nicht disponibel. Ein Weglassen des Tatbestandes "einkommenslos" bedeute einen Verstoß gegen die tragenden Gründe der Entscheidung des BVerfG. Daher wirke dieses obiter dictum mittelbar durch § 31 BVerfGG bindend. Das BVerfG habe mit seinem obiter dictum den Kirchen eine Besteuerungsoption eröffnet, die es vor diesem Urteil nicht gegeben habe. Dabei habe es die Besteuerungsoption allerdings an Bedingungen zum vorauszusetzenden Tatbestand sowie zum Steuertarif geknüpft. Dieses obiter dictum sei die verfassungsrechtliche Grundlage für das besondere Kirchgeld und damit in seinem Kern eine Rechtsnorm.

Nach § 38 der Abgabenordnung (AO), die nach dem KiStG BW Anwendung finde, entstehe der Steueranspruch durch die Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpfe. Bei glaubensverschiedener Ehe entstehe ein Steueranspruch auf das besondere Kirchgeld, bei einem Kirchenmitglied mit eigenem Einkommen zudem einer auf Kircheneinkommensteuer. Die beiden Sachverhalte "ohne/mit eigenem Einkommen" seien nach Tatbestand und Rechtsfolge nicht vergleichbar. Bei einem Kirchenmitglied mit Einkommen entstünden daher zwei Steueransprüche, was zu einer Unbestimmtheit führe. Diese sei nach Bundesrecht dahingehend zu lösen, dass bei eigenem Einkommen des Kirchenmitglieds die Kircheneinkommensteuer zwingend und das besondere Kirchgeld unzulässig sei. Es komme also nur darauf an, ob ein Einkommen des Kirchenmitglieds vorliege, und nicht darauf, wie hoch die Kircheneinkommensteuer sei. Die Bemessung der Steuer erfolge nach § 155 AO erst bei der Festsetzung der Steuer auf Grund des Steueranspruchs. Eine Bemessung ohne Steueranspruch sei nicht möglich und könne auch nicht den Steueranspruch begründen, da dieser nach § 38 AO von der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes abhänge und eben gerade nicht von der Bemessung der Steuer. Damit seien die üblichen Behauptungen von Kirchen und Gerichten (auch des BFH), dass die Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsamen Einkommen der Ehegatten die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld begründe, als gesetzeswidrig widerlegt. Die Gleichsetzung des Falls eines Kirchenangehörigen mit eigenem Einkommen mit dem eines Kirchenangehörigen ohne eigenes Einkommen verstoße gegen Art. 3 Abs.1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz).

Das Einkommen beider Ehegatten könne nicht Besteuerungsmaßstab für die kirchliche Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe sein, weil die Kirchensteuerpflicht die wirtschaftliche Entsprechung und Folge der Kirchenzugehörigkeit sei, d.h. einer höchstpersönlichen Beziehung. Es sei systemwidrig, wenn das Einkommen des kirchensteuerpflichtigen mit dem des nicht kirchensteuerpflichtigen Ehegatten zusammengerechnet werde (BVerfG, Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvL 31/62 u.a., BStBl I 1966, 219). An diese verfassungsrechtlichen Vorgaben seien auch der Landesgesetzgeber und die Kirchen gebunden. Für die Kirchensteuer sei die staatliche Normierung konstitutiv. Wenn die Kirchen diese staatlich eröffnete Option der Besteuerung des Lebensführungsaufwandes in Anspruch nähmen, seien sie an das aus Art. 3 Abs. 1 GG fließende Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gebunden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. August 2002 2 BvR 443/01, HFR 2002, 1129).

Da im Streitfall als Bemessungsgrundlage für den Lebensführungsaufwand auch bei einem eigenen Einkommen des Kirchenmitglieds das gemeinsame Einkommen beider Ehegatten herangezogen werde, widerspreche die Kirchgeldtabelle der Rechtsgrundlage auf der sie beruhe. Bei eigenem Einkommen des Kirchenmitglieds durchbreche das besondere Kirchgeld zudem den Grundsatz der Individualbesteuerung und sei daher verfassungswidrig. Tatsächlich knüpfe das besondere Kirchgeld steuerlich an das Familieneinkommen, das heiße, die Summe der Einkünfte der Ehegatten, an und nicht an den Lebensführungsaufwand. Auch nach den Gesetzgebungsunterlagen zur Einführung des besonderen Kirchgeldes in Baden-Württemberg werde beim besonderen Kirchgeld das Familieneinkommen besteuert. In der Begründung des Gesetzentwurfes heiße es zu § 17 Abs. 1 KiStG BW: "Die Verwaltung des besonderen Kirchgelds, das schematisch nach dem an dem Familieneinkommen ausgerichteten Lebensführungsaufwand des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten anknüpft, durch die Landesfinanzbehörden ist ohne besondere Schwierigkeiten möglich" (Landtag Baden-Württemberg, Drucksache 12/1520, S. 7). Auch in der Plenardebatte werde gesagt, dass das besondere Kirchgeld auf dem Familieneinkommen aufsetze (Plenarprotokoll 12/30, S. 2208, Abg. Kleinmann), ebenso im Finanzausschuss (Drucksache 12/1702, S. 3). Die Folge sei eine unzulässige Familien- und Haushaltsbesteuerung, die zudem gegen Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) verstoße.

Die originäre Rechtsgrundlage für die Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten sei das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 18. Februar 1977 (VII C 48.73, NJW 1977, 1304), wonach das gemeinsam zu versteuernden Einkommen ein geeigneter Hilfsmaßstab sei. Das BVerwG beschränke dies unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG aber ausdrücklich auf den Fall eines einkommenslosen kirchenangehörigen Ehegatten. Zudem müsse sich der Ersatzmaßstab am Belastungsgrund der Steuer ausrichten (BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2009 1 BvL 8/05, HFR 2009, 708). Dieser sei beim besonderen Kirchgeld die Einkommenslosigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten.

Weiterhin seien die Bestimmungen im KiStG BW und im Kirchlichen Gesetz – Steuerordnung der Evangelischen Kirche in Baden (KiStO Baden) vom 28. Oktober 1971 (GVBl. 1971, 173) in der Fassung vom 19. April 2013 (GVBl. 2013, 106, 109) insoweit unbestimmt, als sie bei einer glaubensverschiedenen Ehe und einer Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer sowohl die Kircheneinkommensteuer auf das eigene Einkommen des Kirchenmitglieds als auch das besondere Kirchgeld als Besteuerung des Lebensführungsaufwands zuließen. Das KiStG BW beinhaltete insoweit nur Ermächtigungsnormen für die Kirchen, aber keine Eingriffsnorm gegenüber dem Kirchensteuerpflichtigen. Das KiStG BW und die KiStO Baden regelten nicht, welche der beiden Steuern vorgehe. Diese Unbestimmtheit werde mit der Vergleichsberechnung gelöst, nach der allein auf Grund der Betragshöhe der beiden Steuern festgelegt werde, zu welcher von zwei eigenständigen kirchlichen Steuern der kirchenangehörige Ehegatte einer glaubensverschiedenen Ehe herangezogen werde. Dies sei kein verfassungskonformer Belastungsgrund. Die Vergleichsberechnung erfolge ohne Rechtsgrundlage und entgegen Bundesrecht. Sie könne die strikte Trennung zwischen der Kircheneinkommensteuer und dem besonderen Kirchgeld nach der Rechtsprechung des BFH nicht aufheben. Die Vergleichsberechnung sei bei eigenem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten daher willkürlich und unzulässig. Es gebe keine verfassungsrechtliche Begründung für die Vergleichsberechnung, vielmehr kollidiere sie mit Bundesrecht (Art. 31 GG). Die sich aus dem obiter dictum des BVerfG (Urteil in BStBl I 1966, 196) ergebende Ermächtigungsnorm werde ohne jede Begründung ausgeweitet. Auch die Möglichkeit einer Wahl zwischen Kircheneinkommensteuer und besonderem Kirchgeld bestehe bei eigenem Einkommen des Kirchenmitglieds nicht. Es sei kein sachgerechter Besteuerungsmaßstab, einfach eine andere Steuer zu verlangen, nur weil diese höher sei. Rechtsprechung zur Vergleichsberechnung gebe es nicht. Lediglich das Finanzgericht (FG) Nürnberg habe in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 (6 K 49/2008, KirchE 53, 397) die Vergleichsberechnung nachvollzogen, ansonsten sei sie von den FG übersehen oder vermieden worden. Gleiches gelte für den BFH. Die einzige bekannte Entscheidung zur Vergleichsberechnung beim besonderen Kirchgeld sei der Beschluss des BFH vom 26. Februar 2014 (I S 24/13, BFH/NV 2016, 591), wonach die Bestimmungen zur Vergleichsberechnung nicht bewirken könnten, dass bei einem Eigenverdienst des Kirchenmitglieds das besondere Kirchgeld erhoben werde. Die Entscheidung des BVerfG vom 28. Oktober 2010 (in HFR 2011, 98) beruhe auf einem Falschzitat und sei daher willkürlich. Das FG sei befugt, die als Kirchengesetz bezeichneten Kirchenbeschlüsse wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG als unwirksam zu verwerfen (BVerwG-Urteil vom 11. Januar 2001 11 B 64.00, NVwZ 2001, 926).

Das Urteil des FG Münster vom 8. Februar 2019 (4 K 3907/16 Ki, Juris) missachte den Grundsatz der Individualbesteuerung. Das Gericht habe die maßgebliche Eingriffsnorm, nämlich die Vergleichsberechnung übersehen. Auch die Entscheidungen des BFH bildeten eine Kette, die allein auf dem Urteil vom 19. Oktober 2005 (in BStBl II 2006, 274) beruhe: Die Urteile des BFH vom 21. Dezember 2005 (I R 44/05 und I R 64/05, jeweils in Juris) und vom 25. Januar 2006 (in Juris) beriefen sich auf das Urteil vom 19. Oktober 2005 (in BStBl II 2006, 274); der Beschluss des BFH vom 20. Dezember 2006 (in Juris) berufe sich auf die vorgenannten Entscheidungen; der Beschluss des BFH vom 29. Januar 2010 (I B 98/09, BFH/NV 2010, 1123) berufe sich wiederum auf den Beschluss vom 20. Dezember 2006 (in Juris); und der Beschluss des BFH vom 12. Oktober 2011 (I B 64/11, BFH/NV 2012, 452) benenne den Beschluss vom 29. Januar 2010 (in BFH/NV 2010, 1123). In allen Entscheidungen werde das Urteil vom 19. Oktober 2005 (in BStBl II 2006, 274) zur Alleinverdienerehe auf den nicht vergleichbaren Sachverhalt der Doppelverdienerehe übertragen und der maßgebliche Heranziehensgrund zum besonderen Kirchgeld, die Vergleichsberechnung, übersehen. Wenn aber die Heranziehung zum Kirchgeld nicht geklärt sei, brauche man über die Bemessung desselben nicht zu reden. Eine Methode zur Bemessung des Lebensführungsaufwands könne keine steuerbegründende Wirkung haben.Auch eine verfassungskonforme Bemessung der Steuer könne eine verfassungswidrige Heranziehung zur Steuer nicht heilen oder begründen.

Die Beschlüsse des BFH vom 13. Februar 2019 (I B 27/18, BFH/NV 2020, 927; I B 28/18, BFH/NV 2020, 929) seien -aus den vorstehend dargestellten Gründen- willkürlich und nicht anwendbar.

Schließlich könne allein die Tatsache, dass die Zusammenveranlagung gewählt worden sei, das besondere Kirchgeld nicht begründen. Auch bei einer Zusammenveranlagung könne Kircheneinkommensteuer erhoben werden.

Es sei noch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 6. April 2017 (10138/11 u.a., NJW 2018, 3295) zu den deutschen Kirchensteuern einzugehen, da dieses gern als "Bestätigung" des besonderen Kirchgeldes herangezogen werde. Anders als Kirchen und Gerichte behaupteten, habe der EGMR in seiner Entscheidung nicht über das besondere Kirchgeld als solches entschieden oder dieses gar bestätigt, sondern lediglich die Aufrechnung der Kirchensteuerschuld der Ehefrau gegen den Lohnsteuererstattungsanspruch ihres konfessionslosen Ehemannes als eine Verletzung von dessen negativer Religionsfreiheit gewertet. Im Rahmen der Abwägung des Rechts auf negative Religionsfreiheit des Beschwerdeführers mit dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Erhebung der Kirchensteuern und angesichts der vergleichsweise geringfügigen Beeinträchtigung habe der Gerichtshof den Eingriff im Ergebnis jedoch für gerechtfertigt gehalten.Zum besonderen Kirchgeld selbst habe der EGMR dargelegt, dass dieses rechtlich auf der Voraussetzung "einkommenslos" ("no income") beruhe, und damit bestätigt, dass das besondere Kirchgeld wie vom BVerfG vorgegeben die Voraussetzung "einkommenslos" habe.

§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KiStG BW sei verfassungswidrig, weil die Vorschrift nicht verfassungsgemäß zustande gekommen sei. Sie beruhe auf einer Irreführung des Parlaments mittels einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung in den Gesetzgebungsunterlagen über ihre verfassungsrechtliche Absicherung durch das BVerfG. In der Gesetzesbegründung sei die originale Wenn-dann-Bedingung des BVerfG für die Besteuerung des Lebensführungsaufwandes "mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei" aus dem Urteil des BVerfG vom 14. Dezember 1965 (in BStBl I 1966, 196) unterschlagen worden (Landtag Baden-Württemberg, Drucksache 12/1520, S. 6). Es dürfe eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG beim BVerfG sinnvoll sein.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Festsetzungen eines besonderen Kirchgelds in den Einkommensteuerbescheiden für 2015 vom 20. April 2017 und für 2016 vom 3. April 2018, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2018, aufzuheben und jeweils Kircheneinkommensteuer nach Maßgabe ihres eigenen Einkommens gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, § 19 Abs. 4 KiStG BW festzusetzen,

2.

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung,die Klage abzuweisen,und führt ergänzend aus, eine Durchbrechung der Individualbesteuerung sei nicht gegeben. Die Festsetzung des besonderen Kirchgelds erfolge bei der Zusammenveranlagung der Ehegatten in glaubensverschiedener Ehe. Es werde von Kirchenmitgliedern der Evangelischen Landeskirche in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg erhoben. Allerdings werde die Festsetzung nur gegen die konfessionszugehörige Ehefrau vorgenommen. Gegen den nicht konfessionszugehörigen Ehegatten erfolge keine Festsetzung. Bemessungsgrundlage für die Erhebung des Kirchgeldes sei das gemeinsame zu versteuernde Einkommen unter sinngemäßer Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG. Die Festsetzung des besonderen Kirchgelds erfolge unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des konfessionszugehörigen Ehegatten. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Gegenstand der Erhebung des besonderen Kirchgelds bei glaubensverschiedenen Ehen könne auch nach dem Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten bemessen werden (BVerfG-Urteil in BStBl I 1966, 196). Angesichts der Schwierigkeiten, den Lebensführungsaufwand des jeweiligen kirchenangehörigen Ehegatten zu ermitteln, sei es im Sinn einer Typisierung verfassungsrechtlich unbedenklich, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten am Einkommen beider Ehegatten zu bemessen. Das gemeinsame Einkommen stelle so betrachtet für die Erhebung des Kirchgelds eine jedenfalls system- und sachgerechte Ausgangsgröße dar (BFH-Beschluss vom 22. Januar 2002 I B 18/01, BFH/NV 2002, 674). Die Verfassungsbeschwerde hiergegen habe das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Anknüpfungspunkt sei damit nicht -wie vorgetragen- das Familieneinkommen, sondern der Lebensführungsaufwand des konfessionszugehörigen Ehegatten, der über das Einkommen beider Ehegatten typisiert werde.

Die Ableitung einer Begrenzung auf die Festsetzung des besonderen Kirchgelds auf die Fälle einer Alleinverdienerehe aus der Entscheidung des BFH vom 19. Oktober 2005 (in BStBl II 2006, 274) sei nicht geboten. Die behauptete Verkürzung der Zitierung um die Ergänzung "mangels eigenem Einkommen kirchensteuerfrei" sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr seien auch die Fälle, in denen der konfessionszugehörige Ehegatte eigene Einkünfte erzielt hätte, bereits Gegenstand mehrerer finanzgerichtlicher Verfahren gewesen und damit hinreichend geklärt. Eine weitere Differenzierung sei nicht erforderlich. Der BFH führe in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2006 (I B 43/06 in Juris) aus, es sei nicht klärungsbedürftig, dass das besondere Kirchgeld in jenen Fällen nicht gegen Verfassungsrecht verstoße, in denen der kirchenangehörige Ehegatte einen nicht unerheblichen Eigenverdienst erzielt habe. Eine für die verfassungsrechtliche Prüfung wesentliche Abweichung zu den Fällen, in denen der konfessionszugehörige Ehegatte keine Einkünfte erzielt habe, sei für den BFH nicht gegeben gewesen (BFH-Urteile vom 21. Dezember 2005 I R 64/05 in Juris, und vom 25. Januar 2006 in Juris).

Für die Vergleichsberechnung sei anzumerken, dass -im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Anknüpfung an die Besteuerung des Lebensführungsaufwands- eine Festsetzung des besonderen Kirchgelds vorgenommen werden könne. Dies gelte auch in den Fällen, in denen der konfessionszugehörige Ehegatte eigene Einkünfte erziele. Das Kirchgeld werde festgesetzt, wenn die Festsetzung der Kirchensteuer vom Einkommen gegenüber dem konfessionszugehörigen Ehegatten geringer wäre. Aus dieser Systematik ergebe sich die Vergleichsberechnung zwischen der Kirchensteuer vom Einkommen und dem Kirchgeld. Insoweit liege lediglich eine folgerichtige Ableitung aus der Zulässigkeit der Festsetzung des Kirchgelds im Streitfall vor.

Eine Verletzung des § 38 AO sei ebenfalls nicht erkennbar. Die Festsetzung des besonderen Kirchgelds sei gesetzlich geregelt. Die Höhe des besonderen Kirchgelds in glaubensverschiedener Ehe oder glaubensverschiedener Lebenspartnerschaft werde von den zuständigen kirchlichen Organen beschlossen. Es gelte die von den zuständigen Kirchenbehörden mit staatlicher Genehmigung festgelegte Tabelle. Bemessungsgrundlage im Sinne des Kirchensteuergesetzes sei die nach Maßgabe des § 51a EStG ermittelte Einkommensteuer. Das besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe oder glaubensverschiedener Lebenspartnerschaft werde nicht neben der Kircheneinkommensteuer erhoben. Zwischen der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer und dem besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe oder glaubensverschiedener Lebenspartnerschaft werde eine Vergleichsberechnung durchgeführt. Festgesetzt werde der sich hierbei ergebende höhere Betrag. Das besondere Kirchgeld komme daher nicht ausschließlich in Fällen zur Anwendung, in denen für den kirchenzugehörigen Ehegatten keine Kirchensteuerfestsetzung erfolge. Maßgeblich für die Bemessung des Kirchgelds im Rahmen der Vergleichsberechnung sei die Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Steuerpflichtigen durch die Ehe mit einer nichtkirchenangehörigen Person, die über ein hohes Einkommen verfüge. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei es unbillig, dass der Kirchenangehörige trotz dieser eingetretenen Leistungsfähigkeitssteigerung steuerfrei bleibe, also nicht zur Finanzierung der kirchlichen Aufgaben herangezogen werde. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 (in HFR 2011, 98) habe das BVerfG zum wiederholten Male bestätigt, dass es die durch die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen verfassungsgemäß konkretisierend beantwortet habe.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der vom Finanzamt vorgelegten Akten (je ein Band Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Festsetzungen eines besonderen Kirchgelds gegen die Klägerin in den Einkommensteuerbescheiden für 2015 vom 20. April 2017 und für 2016 vom 3. April 2018, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2018, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 KiStG BW können u.a. die Kirchen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, zur Deckung ihrer Bedürfnisse von ihren Angehörigen Steuern erheben. Sie üben das Besteuerungsrecht nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Steuerordnung aus. Die Steuerordnung wird nach § 2 Abs. 1 KiStG BW von der Religionsgemeinschaft erlassen und öffentlich bekanntgemacht. Sie bedarf der staatlichen Genehmigung.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KiStG BW können die Steuern erhoben werden u.a. als Zuschlag zur Einkommensteuer (Nr. 1 Buchst. a) oder nach Maßgabe des Einkommens (Nr. 1 Buchst. b) oder als besonderes Kirchgeld von Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte oder Lebenspartner keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört (Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe oder glaubensverschiedener Lebenspartnerschaft; Nr. 5), wobei gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 KiStG BW das Kirchgeld auch in gestaffelten Sätzen nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden kann.

§ 9 Abs. 1 KiStG BW bestimmt, dass die Landeskirchensteuervertretung die Art und die Höhe der zu erhebenden Landeskirchensteuern auf Grund jährlicher Haushaltspläne beschließt. Der Beschluss kann für zwei Kalenderjahre gefasst werden. Er bedarf der staatlichen Genehmigung und ist öffentlich bekanntzumachen (Abs. 2).

Die auf der Grundlage von § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 KiStG BW erlassene KiStO Baden regelt in § 4, dass die Kirchensteuern u.a. als Zuschlag zur Einkommensteuer (Nr. 1) oder als besonderes Kirchgeld von Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört (Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe, Nr. 4), erhoben werden können.

Die Evangelische Landeskirche in Baden hat u.a. für die Streitjahre staatlich genehmigte Haushaltspläne als Haushaltsgesetz/Steuerbeschluss (vgl. § 9 Abs. 1, § 6 Abs. 1 KiStO Baden; Kirchensteuerbeschlüsse) erlassenen und im Gesetzes- und Verordnungsblatt der Evangelischen Landeskirche in Baden veröffentlicht (siehe die Bekanntmachungen des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg über die Kirchensteuerbeschlüsse im Land Baden-Württemberg für das Kalenderjahr 2015 vom 15. Mai 2015, BStBl I 2015, 482, und das Kalenderjahr 2016 vom 19. Februar 2016, BStBl I 2016, 235).

Nach den Kirchensteuerbeschlüssen betrug der einheitliche Kirchensteuersatz (§ 18 KiStG BW) in den Streitjahren jeweils 8 % der Bemessungsgrundlage (die nach Maßgabe des § 51a EStG ermittelte Einkommensteuer).

Von Kirchenmitgliedern, deren Ehefrau oder Ehemann keiner kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört und die nicht nach dem Einkommensteuergesetz getrennt oder besonders veranlagt werden, wird nach den Kirchensteuerbeschlüssen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe gemäß § 4 Nr. 4 KiStO Baden nach einer gestaffelten Tabelle mit 13 Stufen erhoben. Die Bemessungsgrundlage ist das gemeinsam zu versteuernde Einkommen unter sinngemäßer Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG (im Wesentlichen die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen).

Nach dieser Tabelle beträgt das sich progressiv erhöhende Kirchgeld bei einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen bis xxx.xxx EUR x.xxx EUR und bei einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen ab xxx.xxx EUR x.xxx EUR.

Die Kirchensteuerbeschlüsse bestimmen weiterhin, dass zwischen der Kirchensteuer vom Einkommen und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe eine Vergleichsberechnung durchgeführt wird, wobei der höhere Betrag festgelegt wird.

Auf der Grundlage dieser Vorschriften hat das Finanzamt das besondere Kirchgeld gegen die Klägerin im Jahr 2015 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von xxx.xxx EUR in Höhe von x.xxx EUR und im Jahr 2016 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 298.323 EUR in Höhe von x.xxx EUR jeweils zutreffend festgesetzt.

2. Die Einwendungen der Klägerin hiergegen bleiben ohne Erfolg.

a) Die Erhebung eines besonderen Kirchgelds ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur in den Fällen zulässig, in denen der -mit seinem nichtkirchenangehörigen Ehegatten zusammenveranlagte- kirchenangehörige Ehegatte über kein eigenes Einkommen verfügt.

aa) Das in diesem Zusammenhang von der Klägerin angeführte obiter dictum in dem Urteil des BVerfG vom 14. Dezember 1965 (in BStBl I 1966, 196) entfaltet keine Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG.

§ 31 BVerfGG bindet alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden im Geltungsbereich des Gesetzes zwar generell an die Entscheidungen des BVerfG. Soweit das BVerfG eine Gesetzesbestimmung für nichtig oder für gültig erklärt, hat seine Entscheidung nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Aber auch in anderen Fällen entfalten die Entscheidungen des BVerfG gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG eine über den Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen (BVerfG-Beschluss vom 10. Juni 1975 2 BvR 1081/74, BVerfGE 40, 88; Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Mai 2021 2 BvR 2595/16, NVwZ-RR 2021, 737). Die Bindung an den Tenor und die tragenden Gründe verfassungsgerichtlicher Entscheidungen kann sich aber nur auf den Streitgegenstand beziehen, über den das BVerfG entschieden hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. November 1968 1 BvR 727/65, BVerfGE 24, 289). Tragend für eine Entscheidung sind jene Rechtssätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele. Nicht tragend sind dagegen bei Gelegenheit einer Entscheidung gemachte Rechtsausführungen, die außerhalb des Begründungszusammenhangs zwischen genereller Rechtsregel und konkreter Entscheidung stehen. Bei der Beurteilung, ob ein tragender Grund vorliegt, ist von der niedergelegten Begründung in ihrem objektiven Gehalt auszugehen. Angesichts der besonderen Tragweite, die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nach § 31 BVerfGG zukommt, müssen ihre rechtlich bindenden Aussagen auf den auch für Außenstehende erkennbaren Gehalt beschränkt sein. Es kommt nicht darauf an, ob den Richtern bestimmte Rechtsauffassungen wichtig erscheinen, sondern ob sie erkennbar im Begründungszusammenhang für die Entscheidung des Falles erheblich geworden sind (BVerfG-Beschluss vom 12. November 1997 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94, BVerfGE 96, 375). Ein obiter dictum liegt vor, wenn eine geäußerte Rechtsauffassung für die konkrete Entscheidung des BVerfG unerheblich ist (BVerfG-Beschluss vom 22. Oktober 1997 1 BvR 307/94, BVerfGE 96, 409). Ein obiter dictum entfaltet damit weder Bindungswirkung noch hat es Gesetzeskraft.

Das Urteil des BVerfG vom 14. Dezember 1965 (in BStBl I 1966, 196) betraf eine Verfassungsbeschwerde gegen eine finanzgerichtliche Entscheidung zu einer Regelung in der Hamburgischen Kirchensteuerordnung, wonach die Kirchensteuer bei getrennt veranlagten Eheleuten nach der Hälfte der zusammengerechneten Einkommensteuer beider Ehegatten erhoben wurde, wenn nur ein Ehegatte der Kirche angehörte (Halbteilungsgrundsatz). Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Es hat einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG damit begründet, dass die Kirche nur den ihr angehörenden Ehegatten besteuern dürfe, woraus folge, dass sie bei der Wahl des Besteuerungsmaßstabes nur an Merkmale anknüpfen dürfe, die in dessen Person gegeben seien. Die Anknüpfung der Kirchensteuer an das Familieneinkommen würde zu einer Haushaltsbesteuerung führen, obwohl das Steuerverhältnis ein individuelles sei. Mit diesen tragenden Gründen entfaltet die Entscheidung Bindungswirkung.

Nicht entschieden hat das BVerfG hingegen über die Zulässigkeit der Erhebung eines besonderen Kirchgelds. Es hat vielmehr lediglich -ohne dass es darauf für die konkrete Entscheidung ankam- angemerkt, dass es unbillig erscheinen könne, wenn ein einer steuerberechtigten Kirche angehörender Ehegatte, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch die Ehe erhöht habe, weil sein -der Kirche nicht angehörender- Ehegatte ein hohes Einkommen beziehe, mangels eigenen Einkommens im Sinne des EStG kirchensteuerfrei bliebe. Gegenstand der Besteuerung dürfe dann nicht das Einkommen (im Sinne des Einkommensteuerrechts) des anderen Ehegatten sein, sondern könne etwa der "Lebensführungsaufwand" des kirchenangehörigen Ehegatten sein. Diese Ausführungen, die letztlich bei einigen Religionsgemeinschaften zur Einführung eines besonderen Kirchgelds geführt haben, entfalten als obiter dictum keine Bindungswirkung.

bb) Aus der im Bundessteuerblatt veröffentlichen Entscheidung des BFH vom 19. Oktober 2005 (in BStBl II 2006, 274) ergibt sich nichts anderes. Das Urteil betraf die Festsetzung eines besonderen Kirchgelds gegen eine kirchenangehörige Steuerpflichtige, die selbst keine eigenen Einkünfte erzielte, während der nichtkirchenangehörige Ehegatte das Familieneinkommen erwirtschaftete. Der BFH hat die Einführung des besonderen Kirchgelds im Urteilsfall für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten. Eine Einschränkung, dass dies nur in den Fällen gelte, in denen der kirchenangehörige Ehegatte sonst "mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei bliebe", enthält das BFH-Urteil nicht, darüber war auch nicht zu entscheiden.

Soweit der BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2013 (in BFH/NV 2014, 182) die (freilich unglückliche) Formulierung enthält, dass sich das besondere Kirchgeld "nur für diese Fallkonstellation", nämlich die vom BVerfG in seinem Urteil vom 14. Dezember 1965 (in BStBl I 1966, 196) benannte, der Höhe nach am "Lebensführungsaufwand" orientiere, sollte mit dieser Formulierung ebenfalls eine Einschränkung des Inhalts, dass das besondere Kirchgeld nur im Falle eines einkommenslosen Kirchenmitglieds zulässig sei, nicht gemacht werden. Vielmehr betreffen die Ausführungen die dem Kirchensteuerrecht zu Grunde liegende strikte Trennung zwischen der -in dem BFH-Fall allein streitigen- Kircheneinkommensteuer als Annexsteuer und dem besonderen Kirchgeld als eigenständiger Steuer. Damit tritt der BFH damit lediglich der Auffassung des dortigen Beschwerdeführers entgegen, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, den für das besondere Kirchgeld herangezogenen Besteuerungsmaßstab des Lebensführungsaufwandes "korrespondierend" auch auf die Kircheneinkommensteuer zu übertragen (zu diesem Verständnis vgl. auch FG Münster, Urteil vom 8. Februar 2019 in Juris).

cc) Es ist in der Rechtsprechung des BVerfG, des BFH und der FG hinreichend geklärt, dass es den Religionsgemeinschaften im Rahmen ihres Besteuerungsrechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung -WRV-) nicht verwehrt ist, für die Erhebung der Kirchensteuer neben dem Einkommen andere, nach eigenen Kriterien gestaltete Besteuerungsmaßstäbe heranzuziehen und dass der ihnen dabei eröffnete Gestaltungsspielraum grundsätzlich weit ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in HFR 2002, 1129; BFH-Urteil in BStBl II 2006, 274; FG Münster, Urteil vom 8. Februar 2019 in Juris).

Dieser Gestaltungsspielraum erlaubt es den Religionsgemeinschaften, die Kirchensteuer entweder als Zuschlag zur Einkommensteuer oder als besonderes Kirchgeld von Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, als eigenständige Steuer zu erheben. Dagegen, dass sich das Kirchgeld am Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten orientiert und dieser Aufwand -angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensführungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit- nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2011, 98; BFH-Urteil in BStBl II 2006, 274; BVerwG-Urteil in NJW 1977, 1304).

Die kirchensteuerlichen Regelungen, nach denen die Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten für die Bemessung des Kirchgelds auch dann am Einkommen beider Ehegatten gemessen wird, wenn dieser über ein eigenes Einkommen verfügt, bewegen sich ebenfalls innerhalb des den Religionsgemeinschaften eröffneten Gestaltungsspielraums. Denn die Erhebung der Kircheneinkommensteuer am Maßstab der staatlichen Einkommensteuer führt sowohl bei fehlendem als auch bei geringem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten -ohne Besteuerung des Lebensführungsaufwandes- aufgrund von Freibetragsregelungen u.a. im EStG zu dessen Kirchensteuerfreiheit. Daher kann der Lebensführungsaufwand -quantifiziert anhand der Ausgangsgröße des gemeinsamen Einkommens der Eheleute- sowohl bei fehlendem als auch bei geringem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten zulässigerweise -und ohne Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, wesentlich Ungleiches auch ungleich zu behandeln- als Maßstab für die Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgeldes gewählt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Dezember 2006 in Juris; in BFH/NV 2020, 927, und in BFH/NV 2020, 929).

dd) Schließlich lässt sich auch aus dem Urteil des EGMR vom 6. April 2017 (in NJW 2018, 3295) nicht ableiten, dass das besondere Kirchgeld nur bei einem einkommenslosen kirchenangehörigen Ehegatten erhoben werden dürfte.

Anders als die Klägerin behauptet, behandelt die Entscheidung nicht lediglich den Fall einer Verrechnung der Kirchensteuerschuld (in Form des besonderen Kirchgelds) der Ehefrau mit dem Einkommensteuererstattungsanspruch des konfessionslosen Ehemanns. Diese Problematik betraf nur den Beschwerdeführer zu 1) von insg. fünf Beschwerdeführern in vier Individualbeschwerden. Der EGMR hat in der Verrechnung auch keine Verletzung der negativen Religionsfreiheit des Beschwerdeführers zu 1) gesehen, sondern vielmehr einen Eingriff in die durch Art. 9 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) geschützte Religionsfreiheit festgestellt, der aber auf einer gesetzlichen Grundlage beruhte, einem rechtmäßigen Ziel diente und auch notwendig, insbesondere verhältnismäßig war, sodass Art. 9 EMRK nicht verletzt worden war. Die Individualbeschwerde der Beschwerdeführer zu 3) und zu 4) betraf die Festsetzung von Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer. Lediglich in den Individualbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) und zu 5) ging es um das besondere Kirchgeld und dessen Bemessung am Lebensführungsaufwand, wobei einer der Beschwerdeführer ein eigenes Einkommen erzielt hatte, der andere nicht. In beiden Fällen hat der EGMR schon einen Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer nach Art. 9 EMRK verneint und dies damit begründet, dass es sich bei der Beitragserhebung um eine autonome kirchliche Aktivität handle, die nicht dem beschwerdegegnerischen Staat zugerechnet werden könne. Angesichts der Tatsache, dass die Rolle des Staates auf Kontrollbefugnisse beschränkt sei und die Beschwerdeführer weder ihre Pflicht zur Kirchgeldzahlung noch ihr Recht auf Kirchenaustritt in Frage gestellt hätten, sei der Gerichtshof der Auffassung, dass die deutschen Stellen hinreichende Schutzmechanismen zur Wahrung der Religionsfreiheit vorgesehen hätten.

Soweit der EGMR in seiner Darstellung des Hintergrunds der Rechtssachen, der landesrechtlichen Vorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Erhebung des besonderen Kirchgelds jeweils nur die Kirchenmitglieder erwähnt, die kein eigenes zu versteuerndes Einkommen haben, so mag dies verkürzt dargestellt sein. Eine Entscheidung, dass die Festsetzung eines besonderen Kirchgelds nur in den Fällen zulässig ist, in denen der -mit seinem nichtkirchenangehörigen Ehegatten zusammenveranlagte- kirchenangehörige Ehegatte über kein eigenes Einkommen verfügt, hat der EGMR entgegen der Behauptung der Klägerin damit aber nicht getroffen.

b) § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KiStG BW und § 4 Nr. 4 KiStO Baden i.V.m. den Kirchensteuerbeschlüssen der Evangelischen Landeskirche in Baden für die Streitjahre verstoßen auch nicht gegen den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung.

Danach müssen die steuerbegründenden Tatbestände so bestimmt sein, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153; BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 571/60, BStBl I 1966, 201). Erforderlich sind mithin gesetzliche Bestimmungen über den Steuergegenstand, den Steuerschuldner, die Bemessungsgrundlage und den Steuersatz (Kirchhof in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rz. 104).

Für den Bereich des Kirchensteuerrechts folgt aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV die Verpflichtung des Staates, die Voraussetzungen für die Steuererhebung durch den Erlass von Landesgesetzen zu schaffen. Dabei kann sich der Landesgesetzgeber auf die allgemeine Ermächtigung zur Erhebung von Kirchensteuern -unter bestimmten Genehmigungsvorbehalten- beschränken und die Einzelregelung des formellen und materiellen Kirchensteuerrechts den steuerberechtigten Religionsgesellschaften innerhalb der Schranke des für alle geltenden Gesetzes überlassen. Eine Verpflichtung des Landesgesetzgebers, alle Einzelheiten der Besteuerung selbst zu regeln, lässt sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten. Das gilt auch für das landesgesetzlich zugelassene Kirchgeld, das den Kirchen eine Besteuerung nach eigenen Kriterien, die nicht oder nicht so stark an das staatliche Steuersystem anknüpfen, ermöglichen soll. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn ein KiStG insoweit auf eine nähere staatliche Normierung verzichtet und die staatliche Einflussmöglichkeit durch den entsprechenden Genehmigungsvorbehalt sichert (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23. Oktober 1986 2 BvL 7-8/84, BVerfGE 73, 388).

Nach diesen Grundsätzen muss das KiStG BW -entgegen der Auffassung der Klägerin- nicht selbst regeln, unter welchen Voraussetzungen das besondere Kirchgeld erhoben wird. Dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist vielmehr dadurch Genüge getan, dass das KiStG BW das Besteuerungsrecht, die Steuerpflicht, die Steuerarten und den Erhebungszeitraum regelt, Vorgaben für die Bemessungsgrundlagen und den Steuersatz macht und die nähere Ausgestaltung über Art und Höhe der zu erhebenden Landeskirchensteuern der steuererhebenden Religionsgemeinschaft -unter Genehmigungsvorbehalt- überlässt (vgl. auch: BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 674; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Mai 2000 9 K 131/00, EFG 2000, 1094). Die auf der Grundlage des KiStG BW ergangene KiStO Baden und die als Haushaltsgesetz erlassenen Kirchensteuerbeschlüsse der Streitjahre regeln u.a. die Bemessungsgrundlagen und den jeweiligen Steuersatz. Im Zusammenwirken landesgesetzlicher und kirchengesetzlicher Regelungen sind die steuerbegründenden Tatbestände hinreichend bestimmt (vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2000 9 K 258/00, KirchE 38, 494).

Die Regelungen in den Kirchensteuerbeschlüssen, wonach bei Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, eine Vergleichsberechnung durchgeführt wird, nach der sich entscheidet, ob die Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer mit einem festen Steuersatz oder als besonderes Kirchgeld nach einem kircheneigenen Steuertarif, der sich nach der in 13 Stufen gestaffelten Tabelle bestimmt, erhoben wird, gehören in den Bereich des Tarifrechts, dessen Ausgestaltung der Landesgesetzgeber den steuererhebenden Religionsgemeinschaften in zulässiger Weise selbst überlassen durfte. Mit der Regelung einer tariflichen Vergleichsberechnung überschreitet die Evangelische Landeskirche in Baden nicht den Rahmen der ihr in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV nach der Maßgabe der landesgesetzlichen Bestimmung des § 9 Abs. 1 KiStG BW eröffneten Befugnis, ihre Angelegenheiten durch den Erlass kirchlicher Steuergesetze selbst zu ordnen und zu verwalten. Vergleichsberechnungen in Tarifbestimmungen sind im Übrigen auch dem staatlichen Einkommensteuerrecht nicht fremd (vgl. z.B. §§ 31, 32c EStG). Sie führen nicht zu einer Verletzung des Gebots der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung.

Denn mit Hilfe der Vergleichsberechnung kann ein Kirchensteuerpflichtiger mit geringem Eigenverdienst -wie die Klägerin-, dessen Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, ohne weiteres bestimmen, ob er zur Kircheneinkommensteuer oder zu dem besonderen Kirchgeld herangezogen wird.

c) Die Festsetzung eines besonderen Kirchgelds gegen die Klägerin verstößt weiterhin nicht gegen den Grundsatz der Individualbesteuerung.

Der das Einkommensteuerrecht beherrschende Grundsatz der Individualbesteuerung bedeutet, dass die Einkommensteuer eine Personensteuer ist und die im Einkommen zu Tage tretende individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person erfasst. Die personale Anknüpfung der Einkommensteuer garantiert die Verwirklichung des verfassungsrechtlich fundierten Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608). Das gilt auch für den Fall der Zusammenveranlagung; auch hier ist Steuersubjekt der einzelne Steuerpflichtige (vgl. BFH-Beschluss vom 23. August 1999, GrS 2/97, BStBl II 1999, 782).

Diesem Grundsatz widersprechen die Regelungen über das besondere Kirchgeld nicht, weil es -wie oben dargelegt- in zulässiger Weise an den Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten und damit an die individuelle Leistungsfähigkeit anknüpft.

Soweit angesichts der Schwierigkeiten, den Lebensführungsaufwand als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bestimmen, das gemeinsame Einkommen der Ehegatten als Hilfsmaßstab herangezogen wird, führt dies nicht zu einer unzulässigen Haushaltsbesteuerung.

Denn zwischen dem Lebensführungsaufwand eines Ehegatten und dem Einkommen beider Ehegatten bestehen Abhängigkeiten. Bei der Zugrundelegung des gemeinsam zu versteuernden Einkommens der Ehegatten für die Bemessung des besonderen Kirchgeldes berücksichtigen die Kirchensteuerbeschlüsse der Evangelischen Landeskirche in Baden ausreichend, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten bei geringerem Einkommen beider Ehegatten stark eingeschränkt ist, dass ein Teil des gemeinsamen Einkommens nicht zur Erhöhung dieses Lebensführungsaufwandes führt und von einer gewissen Einkommenshöhe an der Lebensführungsaufwand nicht mehr steigt, indem sie einer in 13 Stufen gestaffelten Bemessungsgrundlage jeweils ein sich progressiv erhöhendes Kirchgeld zuordnen (dazu vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 674). Dass in einigen Fällen auf diese Weise mittelbar auch das Einkommen des konfessionslosen Ehegatten in die Kirchenbesteuerung mit einbezogen wird, ist der Anknüpfung an den Lebensführungsaufwand als eigenständigem Besteuerungsmaßstab immanent. Gerechtfertigt ist dies nicht zuletzt dadurch, dass der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des Ehegatten auf einen angemessenen Teil des gemeinsamen Einkommens gemäß § 1360a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) den Gesetzesmaterialien zufolge ausdrücklich auch der Deckung von kirchlichen Mitgliedsbeiträgen dienen soll (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2006, 274).

3. Der Anregung der Klägerin, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen, vermag der Senat nicht zu entsprechen.

Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 BVerfGG hat ein Gericht, das ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat. Das vorlegende Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen. Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtsfrage auseinandersetzen, dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des BVerfG eingehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG-Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Februar 2016 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557).

Nach diesen Maßstäben kommt eine Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht. Von der Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KiStG BW, der das besondere Kirchgeld als Art der Kirchensteuer zulässt, ist der Senat -wie zuvor dargestellt- nicht überzeugt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Dass landesgesetzliche Regelungen, die die Erhebung eines besonderen Kirchgelds erlauben, mit dem GG in Einklang stehen, haben sowohl das BVerfG als auch der BFH wiederholt entschieden (z.B. BVerfG, Dreierausschussbeschluss vom 30. August 1982 1 BvR 1109/81, HFR 1984, 73; BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 73, 388, und in HFR 2011, 98; BFH-Urteile in BStBl II 2006, 274; vom 21. Dezember 2005 und vom 25. Januar 2006, jeweils in Juris). Ebenfalls in der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH geklärt ist, dass die Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten für die Bemessung des besonderen Kirchgelds, das von Kirchensteuerpflichtigen erhoben wird, deren Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, auch dann am Einkommen beider Ehegatten gemessen werden darf, wenn dieser über ein eigenes Einkommen verfügt (BVerfG-Beschluss in HFR 2011, 98; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2020, 927, und in BFH/NV 2020, 929).

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