LG Köln, Urteil vom 05.04.2021 - 81 O 106/20
Fundstelle
openJur 2021, 26419
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Gesellschaftern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken

a.

außerhalb der Fachkreise für operative plastisch-chirurgische Eingriffe, für die keine medizinische Notwendigkeit besteht, mit vergleichenden Darstellungen vor und nach dem Eingriff zu werden, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben

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b.

außerhalb der Fachkreise für operative plastisch-chirurgische Eingriffe, für die keine medizinische Notwendigkeit besteht, zu werben, indem auf Webseiten mit vergleichenden Darstellungen vor und nach dem Eingriff verlinkt wird, wenn dies geschieht, wie nachstehend wiedergegeben

Bilddateien entfernt

2.

Die Klägerin wird unter Widerklageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Beklagte 4.466,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.11.2020 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/11 und die Beklagte zu 10/11.

4.

Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung, zu Ziffern 1a und 1 b jeweils in Höhe von 10.000 € und im Übrigen in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung von Werbung wegen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Die Beklagte beansprucht widerklagend Zahlung von Vertragsstrafe.

Die Parteien sind Agenturen, die in Deutschland Schönheitsoperationen in der Türkei vermitteln.

Die Klägerin beanstandet Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern bezüglich Schönheitsoperationen.

Die Beklagte veröffentliche auf ihrer Webseite eine Fernsehreportage, die eine Vorher-/Nachher-Gegenüberstellung bei Haartransplantation beinhaltete. Das Video ist auch auf dem YouTube-Kanal der Beklagten abrufbar.

Die Beklagte veröffentlichte ferner auf ihrer Instagram-Seite einen Post mit einem Link zur N , einer Partnerklinik der Beklagten in der Türkei. Der Link leitete auf die Instagram-Seite der Klinik. Die Klägerin beanstandet, dass dort Vorher-/Nachher-Bilder enthalten sind.

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.11.2019 wegen des Videos ab. Die Beklagte wies die Abmahnung zurück. Mit zwei Schreiben vom 18.3.2020 hielt die Klägerin an der Abmahnung fest und mahnte zudem wegen der Verlinkung auf der Instagram-Seite ab. Die Beklagte wies die Abmahnungen ebenfalls zurück.

Für die Abmahnung vom 18.3.2020 (Anlage K 8) beansprucht die Klägerin ausgehend von einer Gebühr von 1,3 und einem Gegenstandswert von 25.000 € unter Anrechnung im Klageverfahren einen Betrag von 633,32 € mit Fristsetzung zum 1.4.2020.

Die Klägerin verweist darauf, dass die Beanstandungen am 5.8.2020 noch nicht behoben waren (Anlagen K 10 und K 11).

Die Beklagte ihrerseits hatte die Klägerin wegen einer Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern am 30.7.2019 abgemahnt. Durch den damaligen Rechtsanwalt der Klägerin wurde am 10.8.2019 eine Unterlassungserklärung abgegeben, die die Beklagte nach vorheriger Korrespondenz über die Vorlage einer Originalvollmacht am 13.9.2019 annahm. Auf die Korrespondenz gemäß Anlagen B 1, B 5 bis B 11 wird verwiesen.

Wegen erneuter Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern mahnte die Beklagte die Klägerin erneut ab. Die durch einen neuen Rechtsanwalt vertretene Klägerin bestritt das Zustandekommen eines Unterlassungsvertrags. Die Beklagte nahm die Klägerin daraufhin erfolgreich vor dem Landgericht Karlsruhe auf Unterlassung in Anspruch.

Mit der Widerklage macht die Beklagte Vertragsstrafe aus Unterlassungsvereinbarung geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, es liege ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG vor. Die Beklagte habe sich das Video zu Eigen gemacht, so dass unerheblich sei, dass es sich um ein Video eines Fernsehsenders handle. Soweit die Beklagte behaupte, sie habe das Video nicht abändern dürfen, spreche dagegen, dass sie dauerhaft ihr Logo eingeblendet habe. Die Beklagte nutze das Video auch als Werbung für ihre Vermittlung.

Auch die Inhalte der Webseite der N habe sich die Beklagte durch die Verlinkung zu Eigen gemacht. Die Verlinkung über die Ortsangabe bei Instagram sei notwendig manuell durch die Beklagte erfolgt. Wie der Chat-Kommunikation der Beklagten zu entnehmen sei, verweise sie wegen der Vorher-/Nachherbilder bewusst auf die Instagram-Seite der Klinik. Unerheblich sei, ob diese Werbung in der Türkei zulässig sei. Maßgeblich sei die Verlinkung auf die deutsche Instagram-Seite der Beklagten. Die beanstandeten Bilder auf der verlinkten Seite seien auch schon zum Zeitpunkt der Verlinkung am 18.2.2020 vorhanden gewesen. Es liege jedenfalls eine Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten vor, da durch den Link die Gefahr für die Verletzung von wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen erhöht werde. Der Link befinde sich zudem unmittelbar unterhalb ihres Account-Namens, was eine unmittelbare Zugehörigkeit ausdrücke. Nach der Abmahnung habe die Beklagte jedenfalls positive Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß gehabt. Auf ein vermeintliches legitimes Informationsinteresse könne sich die Beklagte nicht berufen.

Zur Widerklage meint die Klägerin, es sei kein wirksames Vertragsstrafeversprechen abgegeben worden. Zwar sei eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben worden, diese habe die Beklagte indes zurückgewiesen. Damit sei auch das Angebot der Klägerin erloschen. Die spätere Annahmeerklärung sei ins Leere gegangen. Es liege auch kein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung - deren Wirksamkeit unterstellt - vor, da diese nicht auf die frei zugängliche Instagramseite der Klägerin, sondern auf eine geschlossene Facebookgruppe bezogen gewesen sei. Die Vertragsstrafeforderung sei unverhältnismäßig hoch.

Hilfsweise für den Fall der Abweisung der Widerklage werde Feststellung der Unwirksamkeit des Unterlassungsvertrags geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,

1.

wie erkannt,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 633,32 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 26.03.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 5.100 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen;

hilfsweise für den Fall der Abweisung der Widerklage,

5.

festzustellen, dass zwischen den Parteien kein wirksamer Unterlassungsvertrag basierend auf der Abmahnung der Beklagten vom 30.7.2019 besteht.

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit gerügt.

Die Beklagte verweist darauf, sie habe die Fernsehreportage eingebunden, sei aber nur zu einer unveränderten Wiedergabe - bis auf die Einblendung des Logos - berechtigt gewesen. Es sei auch durchgängig das Logo des Senders erkennbar. Ein Zu-Eigen-Machen liege nicht vor. Es gehe ersichtlich um den Bericht eines Dritten. Es sei der Beklagten nicht darum gegangen, Vorher-/Nachher-Bilder zu zeigen. Im Übrigen würde nur ein hartnäckiger Besucher der Seite die in Minute 46 von 48 gezeigten Bilder ansehen.

Bei Instagram sei keine aktive Verlinkung erfolgt. Die veröffentlichten Bilder seien dem Standort der Klinik und damit über Instagram automatisch der Instagram-Seite der Klinik zugeordnet worden. Die beanstandeten Bilder in der Instagram-Verlinkung seien - unstreitig - auf der in türkischer Sprache gehaltenen Instagram-Seite der Partnerklinik eingestellt. Die Beklagte wisse nicht, ob diese Bilder schon zur Zeit der Verlinkung vorhanden gewesen seien. Die Beklagte habe keinen rechtlichen Einfluss auf die Partnerklinik. Die Vorher-/Nachher-Bilder seien nach türkischem Recht nicht zu beanstanden. Sei die Seite nicht rechtswidrig, sei auch der Link nicht zu beanstanden. Es bestehe ein legitimes Interesse auf die Seite der Partnerklinik zu verlinken.

Die Widerklage sei begründet, da die Parteien wirksam eine Unterlassungsvereinbarung geschlossen hätten. Die Unterlassungserklärung werde anders als eine normale Willenserklärung unbefristet abgegeben. Wegen des Verstoßes nimmt die Beklagte auf die Ausführungen des LG Karlsruhe Bezug. Die Klägerin habe auf die nach E-Mail der Geschäftsführerin der Beklagten zugängliche Facebook-Seite mit den Bildern verwiesen. Die Höhe der Vertragsstrafe sei angemessen.

Mit der Vertragsstrafeforderung rechnet die Beklagte hilfsweise gegen die geltend gemachten Abmahnkosten auf.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Dies gilt auch für die örtliche Zuständigkeit. Zum einen ist die Unzuständigkeit nicht in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden (§ 39 ZPO). Zum anderen ergibt sich die Zuständigkeit auch aus § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG alte Fassung, wonach sich die Klägerin bei Bewerbungen im Internet auf den sogenannten fliegenden Gerichtsstand berufen kann.

II.

Die Klage ist zu Ziffer 1 begründet und war zu Ziffer 2 auf die Hilfsaufrechnung abzuweisen.

1.

Die Klage ist dem Umfang des Klageantrages zu 1a begründet.

a.

Durch die Einbindung des TV-Videos verstieß die Beklagte gegen § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG, wonach für operative plastischchirurgische Eingriffe, für die keine medizinische Notwendigkeit besteht (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG) nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor oder nach dem Eingriff geworben werden darf. Dementsprechend ist die Beklagte i.V.m. §§ 8, 3, 3a UWG zur Unterlassung verpflichtet.

Bei § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG handelt es sich auch um eine das Marktverhalten regelnde Vorschrift, da es sich um eine Form der unzulässigen Publikumswerbung handelt (vergleiche Köhler in KBF, UWG, § 3a, Rn. 1.237; OLG Koblenz WRP 2016, 1293 zu § 11 HWG alte Fassung).

b.

Kein Unterschied ergibt sich, soweit auf die erste Abmahnung vom 20.11.2019 abgestellt wird. Zwar galt zu diesem Zeitpunkt § 11 HWG in der Fassung vom 19.10.2012. Inhaltlich ergibt sich aber kein Unterschied. Dort ist das Verbot in § 11 Abs. 1 S. 3 HWG (a.F.) geregelt gewesen.

c.

Unstreitig enthält der TV-Bericht Vorher-/Nachher-Bilder von Haartransplantationen wie sie in § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG genannt sind.

d.

Insoweit handelt es sich auch um eine Werbung der Beklagten. Unerheblich ist, ob das Video bei Aussendung über den TV-Sender als ein redaktioneller Beitrag anzusehen ist, der deshalb nicht als Werbung zu bezeichnen ist. Indem die Beklagte dieses Video auf ihrer Internetseite eingebunden hat, hat sie dieses Video für ihre eigenen Zwecke als Werbung benutzt. Dabei verstärkte die redaktionelle Gestaltung im Sinne einer neutralen Berichterstattung gerade den Werbeeffekt zugunsten der Beklagten.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, sie habe keine Erlaubnis zur Bearbeitung des Videos erhalten, insbesondere also nicht zur Entfernung der Passage mit den Vorher-/Nachher-Bildern. In diesem Fall hätte die Beklagte von der Einbindung des Videos auf ihrer Internetseite absehen können und müssen.

e.

Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, der ihr vorgeworfene Rechtsbruch beeinträchtige die Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern nicht spürbar im Sinne von § 3a UWG. Es kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Bilder erst am Ende eines längeren Beitrages, also bei Minute 46 von 48 Minuten eingeblendet werden. Die Veröffentlichung des Videos ist grundsätzlich darauf angelegt, den Interessierten vollständige Kenntnis zu verschaffen. Es mag zwar zutreffen, dass nicht jeder interessierte Verbraucher sich das Video in voller Länge anschauen wird. Dies ist bei interessierten Verbrauchern andererseits aber durchaus zu erwarten, da eine Haartransplantation ein gewichtiger und kostenträchtiger gesundheitlicher Eingriff ist, bei dem anzunehmen ist, dass interessierte Verbraucher eine intensive Recherche betreiben.

2.

Die Beklagte haftet auch im Umfang des Klageantrags zu 1b gemäß §§ 8, 3, 3a UWG, 11 HWG auf Unterlassung.

a.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Instagramseite der N , auf die nach Vortrag der Klägerin verlinkt wurde, nach deutschem Recht unzulässige Vorher-/Nahe-Bilder von Haartransplantationen und sonstigen Schönheitsoperationen aufweist.

b.

Soweit die Beklagte in Abrede stellt, es handele sich um einen von ihr gesetzten aktiven Link auf ihrer Instagramseite, entlastet ihr Vortrag sie nicht. Selbst wenn bei der von der Beklagten gewählten Ortsangabe für die N aufgrund einer Funktion von Instagram ohne Zutun der Beklagten auf die Instagramseite der N verlinkt wird, ist dies im Sinne einer Verlinkung der Beklagten zuzurechnen. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte aktiv den Ort - hier N - ausgesucht haben muss. Erst dann erfolgte die Zuordnung der Instagramseite durch Instagram. Dass diese Funktion der Beklagten bekannt war, ergibt sich unter anderem aus der von der Klägerin vorgelegten Kommunikation (Schriftsatz vom 04.01.2021, dort Seite 6), wonach die Beklagte auf die Klinikseite verwies. Zudem hat die Beklagte die Verlinkung zur N auch nach der Abmahnung nicht geändert.

c.

Die Beklagte ist wettbewerbsrechtlich verantwortlich für den beanstandeten Inhalt der Seite, auf die verlinkt wurde.

Zur Verantwortlichkeit für die Haftung bei einem Link verweisen beide Parteien auf die Entscheidung BGH GRUR 2016, 209 - Haftung für Hyperlink.

aa.

Danach ist bei einem Hyperlink - anders als bei einem Deeplink, der direkt zu den beanstandeten Bildern führt - zwar nicht ohne weiteres anzunehmen, dass sich derjenige, der den Link setzt, den gesamten Inhalt der Seite, auf die verlinkt wurde, zu Eigen machen möchte, soweit es keine besonderen Anhaltspunkte dafür gibt. Auch im vorliegenden Fall dient der Link primär dazu, interessierten Verbrauchern die Möglichkeit einer weiteren Recherche bei der Partnerklinik zu ermöglichen. Daraus folgt noch nicht, dass sich die Beklagte sämtliche Inhalte der Seite zu Eigen machen wollte.

bb.

Allerdings folgt die Verantwortlichkeit der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten. Hierzu hat BGH a.a.O. ausgeführt:

Randnummer23

(1) Allerdings kann sich eine Rechtspflicht zur Prüfung und zur Abwendung einer Rechtsverletzung nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch aus dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens ergeben, insbesondere aus der Verletzung von Verkehrspflichten (vgl. BGHZ 173, 188 Rn. 36 ff. - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Ein solches gefahrerhöhendes Verhalten kann sich grundsätzlich auch aus dem Setzen eines Hyperlinks auf die Internetseite eines Dritten ergeben (vgl. OLG München, MMR 2002, 625; Volkmann, GRUR 2005, 200, 205 f.). Der Hyperlink erhöht die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte, die sich auf den Internetseiten Dritter befinden. Aus dieser Gefahrerhöhung für eine Verletzung durch das Wettbewerbsrecht geschützter Interessen von Marktteilnehmern folgt die Verpflichtung desjenigen, der den Link setzt, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Wie bei einem Telediensteanbieter (vgl. BGHZ 173, 188 Rn. 38 - Jugendgefährdende Medien bei eBay) konkretisiert sich auch für den geschäftlich einen Hyperlink setzenden Unternehmer die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte als Prüfungspflicht. Deren Bestehen und Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Damit wird einer unangemessenen Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegengewirkt.

Randnummer24

(2) Der Umfang der Prüfungspflichten, die denjenigen treffen, der einen Hyperlink setzt oder aufrechterhält, richtet sich insbesondere nach dem Gesamtzusammenhang, in dem der Hyperlink verwendet wird, dem Zweck des Hyperlinks sowie danach, welche Kenntnis der den Link Setzende von Umständen hat, die dafür sprechen, dass die Webseite oder der Internetauftritt, auf die der Link verweist, rechtswidrigem Handeln dienen, und welche Möglichkeiten er hat, die Rechtswidrigkeit dieses Handelns in zumutbarer Weise zu erkennen. Auch dann, wenn beim Setzen des Hyperlinks keine Prüfungspflicht verletzt wird, kann eine Haftung begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrechterhalten bleibt, obwohl eine nunmehr zumutbare Prüfung, etwa nach einer Abmahnung oder Klageerhebung, ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird. Wenn Hyperlinks nur den Zugang zu ohnehin allgemein zugänglichen Quellen erleichtern, dürfen allerdings im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) an die nach den Umständen erforderliche Prüfung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im Internet ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien weitgehend eingeschränkt wäre (vgl. BGHZ 158, 343, 352 f. - Schöner Wetten). Diese Haftungsgrundsätze für Hyperlinks gelten auch im Rahmen der nach der neueren Senatsrechtsprechung bei der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verhaltenspflichten maßgeblichen Haftung aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, selbst wenn die Maßstäbe im Zusammenhang mit der inzwischen im Wettbewerbsrecht aufgegebenen Störerhaftung entwickelt worden sind. Die Auswechslung der dogmatischen Grundlage der Haftung hat die Prüfungspflichten für das Setzen von Hyperlinks inhaltlich nicht verändert.

Nach diesen Grundsätzen traf die Beklagte eine gesteigerte Verantwortlichkeit zur Überprüfung der Seite, auf die verlinkt wurde. Die Verlinkung sollte interessierten Verbrauchern die Möglichkeit geben, sich über das Vermittlungsangebot der Beklagten näher zu erkundigen. Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, dass zwischen der Beklagten und der N eine geschäftliche Verbindung besteht, sodass durch den Link auch das Vermittlungsangebot der Beklagten näher konkretisiert wird. In einem solchen Fall, der zudem sensible Werbung im Gesundheitsbereich betrifft, sind erhöhte Anforderungen an die Prüfungspflicht zu stellen.

cc.

Die Beklagte genügte den Anforderungen an die Prüfungspflichten nicht.

Soweit die Beklagte in Zweifel stellte, ob die beanstandeten Vorher-/Nachher-Bilder zum Zeitpunkt der Verlinkung bereits vorhanden waren, deutet das darauf hin, dass die Beklagte eine Überprüfung der Seite, auf die verlinkt wurde, gerade nicht vorgenommen hat. Insoweit hat die Klägerin anhand der Daten des Links sowie der Daten der eingestellten Bilder belegt, dass die Bilder zum Zeitpunkt der Verlinkung bereits auf der Seite vorhanden waren.

Hinzu kommt, dass die Bilder jedenfalls zum Zeitpunkt der Abmahnung und auch noch danach vorhanden waren, ohne dass die Beklagte Veranlassung gesehen hat, die Verlinkung zu beenden.

dd.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass die beanstandeten Vorher-/Nachher-Bilder nach türkischem Recht zulässig seien und die Seite, auf die verlinkt wurde, die türkische Seite der Klinik sei. Maßgeblich für die Beurteilung ist deutsches Recht, weil die Beklagte sich auf ihrer deutschen Instagramseite an Verbraucher im Inland wendet und durch den Link die - unterstellt nach türkischem Recht zulässige türkische - Instagramseite der Klinik in ihre Bewerbung eingebunden hat. Hierfür spricht auch die von der Klägerin unwidersprochen vorgelegte Kommunikation, wonach die Beklagte Verbraucher auf Nachfrage auf ein Vorherbild auf der Klinikseite verwiesen hat.

3.

Der Klägerin standen ferner Abmahnkosten im Umfang des Klageantrages zu 2 zu. Diese auf den Antrag zu 1b bezogenen Abmahnkosten sind gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu erstatten. Die Rechnung der Klägerin ausgehend von einer Gebühr im Umfang von 1,3 und einem Gegenstandswert von 25.000 € ist nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit die Klägerin die Verfahrensgebühr bei der Berechnung angerechnet hat. Damit sind Abmahnkosten i.H.v. 633,32 € angefallen.

Der Anspruch ist indes durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit ihrer Widerklageforderung untergegangen. Zur Begründung der Widerklageforderung wird auf nachfolgende Ziffer III verwiesen.

III.

Die Widerklage ist begründet, soweit nicht eine Aufrechnung der Forderung gegen die Abmahnkosten gemäß Klageantrag zu 2 erfolgt ist.

1.

Die Klägerin hat gegen eine strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung verstoßen.

a.

Zwischen den Parteien ist eine Unterlassungsvereinbarung auf Grundlage der modifizierten Unterlassungserklärung der Klägerin vom 09.08.2019 zustande gekommen.

aa.

Die modifizierte Unterlassungserklärung vom 09.08.2019 stellte unstreitig das Angebot auf Abschluss einer Unterlassungsvereinbarung dar. Ungeachtet der fehlenden Originalvollmacht der Klägerin war der damalige Rechtsvertreter der Klägerin zur Abgabe dieser Erklärung bevollmächtigt. Dieses Angebot ist zwar sprachlich unzulänglich, allerdings einer Auslegung zugänglich. Die Verpflichtung, es in Zukunft zu unterlassen, "im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für medizinische nicht erforderliche Behandlungen d.h. medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen vor und nach der Behandlung zu werben" erfasst zwar nicht konkret die Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern. Im Zusammenhang mit der Abmahnung ist davon auszugehen, dass die Unterlassungserklärung diese Bewerbung auch umfassen sollte, zumal gemeint war, jegliche Werbung vor und nach der Behandlung zu unterlassen. Auch die Strafbewehrung gemäß Ziffer 3 der Erklärung ist sprachlich unvollkommen, bringt aber hinreichend zum Ausdruck, dass eine Strafbewehrung nach dem sogenannten neuen Hamburger Brauch gemeint war.

bb.

Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass die Korrespondenz im Nachgang zu der Unterlassungserklärung, insbesondere die Schreiben der Beklagten vom 12.08.2019, 26.08.2019 und 27.08.2019, als Zurückweisung des Angebots auf Abschluss einer Unterlassungsvereinbarung anzusehen seien, sodass das Angebot damit erloschen sei und die Annahme mit Schreiben vom 13.09.2019 nicht mehr möglich gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar hat die Beklagte die Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 12.08.2019 als nicht ausreichend zurückgewiesen. Allerdings hat die Beklagte mit Schreiben vom 26.08.2019 abweichend ihre Bereitschaft zur Annahme der Unterlassungserklärung erklärt, was jedenfalls als neues Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages anzusehen ist. Darauf hat die Klägerin durch ihren Vertreter mit Schreiben vom 26.08.2019 die Aufrechterhaltung der Unterlassungserklärung vom 9.8.2019 bestätigt. Damit hat die Klägerin ihr Angebot jedenfalls wiederholt und in der Folge aufrecht erhalten. Insoweit gilt die Besonderheit, dass regelmäßig davon auszugehen ist, dass ein Schuldner das Angebot unbefristet abgibt, um gegenüber dem Gläubiger zum Ausdruck zu bringen, dass er die Wiederholungsgefahr abwenden möchte (vergleiche hierzu Bornkamm/Feddersen, in KBF, § 13, Rn. 173). Ungeachtet der nicht vorgelegten Originalvollmacht ist sodann die endgültige Annahme durch die Klägerin mit Schreiben vom 13.09.2019 erfolgt.

b.

Der vom Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10.06.2020 - 13 U 76/19 - angenommene Verstoß unterfällt angesichts der weiten Formulierung der Unterlassungsvereinbarung auch dieser und begründet daher einen Verstoß gegen diese.

2.

Die geltend gemachte Höhe der Vertragsstrafe ist nicht zu beanstanden. Die Annahme einer Vertragsstrafe i.H.v. 5.100 € bewegt sich noch im Rahmen des billigen Ermessens der Beklagten bei Festsetzung der Vertragsstrafe und bedarf keiner Abänderung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsstrafe den Schuldner empfindlich treffen soll, um ihn zur Einhaltung seiner Verpflichtung zu veranlassen. Die Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern unter Verstoß gegen das HWG stellt auch einen gewichtigen Wettbewerbsverstoß dar, da diese Bewerbung für Verbraucher einen erhöhten Anreiz setzt, sich auf medizinisch nicht indizierte Operationen einzulassen. Dies kommt der Vermittlungstätigkeit der Beklagten zugute. Daher bestehen gegen die Höhe der Vertragsstrafe keine Bedenken.

Im Umfang der Hilfsaufrechnung gegenüber dem Klageantrag zu 2, also i.H.v. 633,32 € ist der Anspruch untergegangen und insoweit war die Klage abzuweisen. Es verbleibt der Betrag i.H.v. 4.466,68 €.

Die Nebenforderung folgt aus §§ 291, 288 BGB.

IV.

Der Hilfsantrag kommt nicht zum Tragen, da die Bedingung - Abweisung der Widerklage - nicht eingetreten ist.

V.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 55.100 € (50.000 € für die Klage, 5.100 € für die Widerklage)

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