VerfGH für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.08.2021 - VerfGH 81/21.VB-3
Fundstelle
openJur 2021, 26299
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß §§ 58 Abs. 2 Satz 1, 59 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG zurückgewiesen, weil sie unzulässig ist.

Sie ist bei verständiger Würdigung gegen die Landeszustimmungsgesetze zum Medienstaatsvertrag und zum 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gerichtet. Vom Land Nordrhein Westfalen geschlossene Staatsverträge bedürfen zur Umsetzung in Landesrecht gemäß Art. 66 Satz 2 LV der Zustimmung des Landtags. Der Landtag kann dem Vertrag entweder in Form eines Gesetzes oder durch Beschluss zustimmen. Dem Beschluss kommt Gesetzeskraft zu (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2019 - 2 A 3572/19, juris, Rn. 5 ff.; Günther/Thesling, in: Heusch/Schönenbroicher, LVerf NRW, 2. Aufl. 2020, Art. 66 Rn. 23). Gegenstand einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen Bestimmungen eines Staatsvertrags ist formell dieses Gesetz bzw. dieser Beschluss mit Gesetzeskraft. Der materiellrechtliche Gehalt ergibt sich aus dem jeweiligen Staatsvertrag (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 1955 - 1 BvF 1/55, BVerfGE 4, 157 = juris, Rn. 15 ff.).

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht - ungeachtet weiterer Fragen, insbesondere einer teilweisen Verfristung der Rechtssatzverfassungsbeschwerde - jedenfalls der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

Auch wenn es unmittelbar gegen Parlamentsgesetze keinen fachgerichtlichen Rechtsschutz gibt, folgt aus dem in § 54 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität, dass der Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz grundsätzlich die Fachgerichte mit seinem Anliegen befassen muss. Er muss in der Regel den Vollzug des Gesetzes abwarten und hiergegen dann den fachgerichtlichen Rechtsweg beschreiten. Soweit die Beurteilung einer Norm allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, bedarf es einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung hingegen nicht. Außerdem ist es zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität nicht erforderlich, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm zu verstoßen und sich dem Risiko einer entsprechenden Ahndung auszusetzen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können. Darüber hinaus gelten Ausnahmen von der Pflicht zur vorherigen Anrufung der Fachgerichte, wenn die angegriffene Regelung die Beschwerdeführenden zu gewichtigen Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können, wenn die Anrufung der Fachgerichte offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre oder sie sonst nicht zumutbar ist. Dabei ist allerdings die Anrufung der Fachgerichte nicht schon dann als von vornherein aussichtslos anzusehen, wenn Rechtsprechung zugunsten der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für die gegebene Fallgestaltung noch nicht vorliegt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 1 BvR 2771/18, juris, Rn. 71 m. w. N.; außerdem BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2012 - 1 BvR 2550/12, NVwZ 2013, 423 = juris, Rn. 4; Bethge, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL 2020, § 90 Rn. 402 f., jeweils m. w. N.).

Danach ist der Beschwerdeführer auf den fachgerichtlichen Rechtsweg zu verweisen. Neben einer Klage auf Befreiung von der Beitragspflicht insbesondere nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags steht ihm die Möglichkeit offen, gegen einen Beitragsbescheid und/oder gegen die mit angegriffene Datenübermittlung durch die für ihn zuständige Meldebehörde (sog. Meldedatenabgleich) den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten, um eine inzidente Kontrolle der von ihm angegriffenen Regelungen zu erreichen (vgl. für eine solche Inzidentkontrolle etwa OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2016 - 2 A 3058/15, juris, Rn. 32 ff.). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist weder zu entnehmen, dass er versucht hat, die von ihm gerügten Grundrechtsverletzungen in verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren zu beseitigen, noch dass ein solcher Versuch von vorneherein aussichtslos und ihm deshalb unzumutbar wäre oder dass weitere der genannten Ausnahmen von der Notwendigkeit der Befassung der Fachgerichte vorlägen. Durch die Verweisung auf den fachgerichtlichen Rechtsweg entsteht dem Beschwerdeführer kein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne von § 54 Satz 2 Halbsatz 2 VerfGHG. Eine Vorabentscheidung wegen allgemeiner Bedeutung der Verfassungsbeschwerde nach § 54 Satz 2 Halbsatz 1 VerfGHG ist nicht angezeigt.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 58 Abs. 2 Satz 4 VerfGHG).

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