OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2020 - 16 U 67/19
Fundstelle
openJur 2021, 26255
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 12 O 169/18
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.01.2019 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Unterlassung einer zwischenzeitlich gelöschten Berichterstattung im Internet (Anl. K1) und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und bezieht sich diesbezüglich auf vermeintliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Die Klägerin ist verheiratet und Mutter zweier Kinder, die 2013 und 2015 geboren wurden. Sie ist Mitglied der Partei "A.-Partei", seit dem 01.06.2017 Mitglied des nordrheinwestfälischen Landtags und stellvertretende Vorsitzende des A.-Partei Kreisverbandes F.-Stadt. Für die Landtagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen war sie auf Platz 10 der A.-Partei-Liste gewählt worden und damit die bestplatzierte Frau auf der Liste. Die Klägerin unterhielt in dem Zeitraum von 2011 bis 2014 ein Profil bei dem Internetportal "b.com" unter dem Pseudonym "c.", wobei zwischen den Parteien im Streit steht, in welchem Zeitraum die Klägerin dort aktiv war. In das Profil war auch ein Foto der Klägerin eingestellt. Das Portal wird dabei auf der Internetseite wie folgt vorgestellt (Anl. B 3):

"Ein kostenloses soziales Netzwerk für Dienstleister und Kunden aus der Escort-Branche. Sex-Kontakte mit Hobby-Huren, Studentinnen und Girlfriendsex, Escort Agenturen, Bordelle und Kunden - hier findet jeder wen er sucht, und kann jeden direkt kontaktieren."

Auf diesem Portal kann sich jede erwachsene Person anmelden und nach der Registrierung die dortigen Nutzerprofile und Forendiskussionen einsehen.

Die Beklagte zu 1 ist ein Recherchebüro, welches sich überwiegend durch Mitgliedsbeiträge sowie durch Zuwendungen von Stiftungen finanziert und verantwortlich für die auf der Website "d.org" erscheinenden Beiträge ist. Der Beklagte zu 2 ist Gründer und einer von zwei Geschäftsführern der Beklagten zu 1 und zudem einer der beiden Autoren des streitgegenständlichen Artikels.

Seit Ende April 2017 korrespondiert der Beklagte zu 2) mit der Klägerin bzw. ihren Prozessbevollmächtigten wegen einer Stellungnahme bezüglich ihrer Aktivitäten auf dem Portal "b.com". Nach einem Schriftwechsel gaben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine vierseitige Stellungnahme zu den gestellten Fragen ab, wobei sie abschließend dazu aufforderten, von einer Berichterstattung aufgrund eines von ihnen behaupteten Eingriffs in die Intimsphäre der Klägerin abzusehen (Anlagenkonvolut AST 6).

Die Beklagten veröffentlichten am 02.05.2017 unter der URL https://...d.org.../ den streitgegenständlichen Artikel über die Klägerin.

Dieser Artikel ist betitelt mit:

"EXKLUSIV: Spitzenfrau der A.-Partei in Nordrhein-Westfalen arbeitete als Prostituierte"

Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Anlage AST 1 verwiesen.

Aufgrund des vorstehend dargestellten Artikels mahnte die Klägerin die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 03.05.2017 ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld und Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Fristsetzung auf. Die Beklagten wiesen die geltend gemachten Ansprüche durch ihre Prozessbevollmächtigten zurück.

Auf Antrag der Klägerin vom 05.05.2017 hat das Landgericht mit Beschluss vom 10.05.2017 in dem Verfahren 12 O 95/17 eine einstweilige Verfügung zu ihren Gunsten erlassen und diese nach Widerspruch der Beklagten mit Urteil vom 04.01.2018 bestätigt. Im Berufungsverfahren vor dem Senat hat die Klägerin nach der mündlichen Verhandlung ihren Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgenommen mit der Folge, dass die erlassene Verfügung und das sie bestätigende Urteil mit Beschluss des Senats vom 12.07.2018 für wirkungslos erklärt worden ist.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, eine Verbindung zwischen ihrem von den Beklagten beschriebenen Sexualleben und ihrer politischen Karriere bestünde nicht, daher liege kein öffentliches Interesse an der Berichterstattung vor. Ein Informationswert ergäbe sich nicht daraus, dass sie diesen Teil ihrer Vergangenheit nicht öffentlich gemacht habe. Dies zeige sich bereits daran, dass andere Medien dieses Thema ignoriert hätten. Darüber hinaus sei die detailreiche Berichterstattung zu ihrem Sexualleben, unabhängig davon, ob sie wahr sei oder nicht, rechtswidrig, da sie in ihre Intimsphäre eingreife. Eine solche sei grundsätzlich unzulässig. Eine Rechtfertigung liege auch nicht darin, dass sie Politikerin sei. Zudem verstoße die Berichterstattung gegen den Gedanken des "Resozialisierungsinteresses".

Demgegenüber haben die Beklagten behauptet, in dem Zeitraum von 2011-2014 sei die Klägerin als Prostituierte tätig gewesen. Sie haben zudem die Ansicht vertreten, es bestünde ein öffentliches Interesse an der erfolgten Berichterstattung, da die Klägerin Kandidatin einer extrem konservativen Partei sei und das Mandat nicht erhalten hätte, wenn ihre Vergangenheit als Prostituierte bekannt gewesen wäre. Darüber hinaus würde sich die Klägerin erpressbar machen, wenn sie ihre Vergangenheit als Prostituierte geheim hielte. Weiterhin betreffe die Berichterstattung weder die Intimsnoch die Privatsphäre der Klägerin, da sich diese mit dem Angebot ihrer sexuellen Dienste selbst an eine potentiell unbegrenzte Öffentlichkeit gewandt habe.

Ergänzend wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils insoweit Bezug genommen, als diese den Feststellungen des Senats nicht widersprechen.

Das Landgericht hat den Beklagten bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt:

a) in Bezug auf die Klägerin zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

"EXKLUSIV: Spitzenfrau der A.-Partei in Nordrhein-Westfalen arbeitete als Prostituierte

... Denn nach d.-Recherchen hat sie sich auf Sexportalen im Internet für ein "Taschengeld" angeboten, wie es aus ihrem Umfeld heißt. ...

Auf der Internetseite b.com, auf der Frauen sexuelle Dienste gegen Geld anbieten, bot sich auch E. unter dem Namen "c." an. In dem Inserat heißt es, sie habe in "Swingerclubs, SM und Fetischszene" Erfahrungen gemacht. "Ich hatte bestimmt schon in den letzten 10 Jahren Ambitionen damit auch Geld zu verdienen, aber irgendwie hat es nie gepasst. Mittlerweile bin ich glücklich verheiratet, ich habe keine finanziellen Sorgen und mein Mann weiß auch Bescheid. (...) Das Taschengeld ermöglicht uns zusätzlichen Spielraum. Das finden wir beide toll."

Sexangebot über b.com

In einem weiteren Post auf b.com einige Monate später schreibt die heutige A.-Partei-Politikerin: "Ich möchte mein Nebengewerbe nicht mehr missen. Ich mag den Job. Und dass ich mein Einkommen mal eben fast verdoppeln konnte mit einer so angenehmen Tätigkeit... einfach grandios." Später diskutierte sie in dem internen Forum über die Pflicht zur Gewerbesteuerabgabe von Prostituierten. d. liegen unter anderem Screenshots der Selbstvorstellung von E.. als eine Art Nebenerwerbsprostituierte und ihre Kommentare auf verschiedenen Internetseiten vor.

In ihrer Kandidatenvorstellung für die A.-Partei finden sich dazu keine Angaben...

Aus ihrem Umfeld heißt es, sie sei bei ihrer Sextätigkeit einem Fetisch nachgegangen, zu dem auch das Spiel mit der Rolle einer Prostituierten gehörte. Sex gegen Taschengeld haben sie nur etwa ein Jahr lang angeboten - zwischen Herbst 2011 und Herbst 2012. Wie es aus ihrem Umfeld heißt, habe sie die Einnahmen aus dieser Tätigkeit, also das angebliche "Taschengeld”, auch ordnungsgemäß im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit in der Einkommenssteuererklärung angegeben.

Profil gelöscht, Polit-Karriere gestartet

Ihr Profil auf dem Kaufsexportal hat E.. im Jahr 2014 gelöscht ...

Erpressbare Kandidatin

Die Vergangenheit von E. als Nebenerwerbsprostituierte ist auch deshalb von Bedeutung, weil sich die A.-Partei gern als Saubermann-Partei darstellt. Wer auch immer intern weiß, dass E. sich über das Internet zum bezahlten Sex angeboten hat, kann sie erpressen. Egal, ob es ein Geheimdienst ist - oder ein politischer Gegner in den eigenen Reihen oder in den Reihen anderer Parteien.

... Die A.-Partei zieht deswegen nun mit einer ehemaligen Teilzeit-Prostituierten in ihren Reihen in die heiße Phase des Wahlkampfes.

b) das nachstehende Bildnis der Klägerin zu veröffentlichen:

jeweils wenn dies geschieht wie in dem am 02.05.2017 unter der URL

https://d.org/.../

veröffentlichten Artikel "EXKLUSIV: Spitzenfrau der A.-Partei in Nordrhein-Westfalen arbeitete als Prostituierte", der als Anlage K 1 beigefügt ist.

Ferner hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, der Klägerin einen Teil der geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten zu erstatten. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das Landgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Wortberichterstattung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2, Art. 1 GG gegen die Beklagten zuerkannt. Der verbreitete, beanstandete Bericht stelle einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar, weil darin Informationen aus deren Sexualleben preisgegeben und sie als Prostituierte dargestellt werde. Bei der vorzunehmenden Abwägung der gegenseitigen Interessen sei maßgeblich, ob es sich bei den Äußerungen um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handele. Hier handele es sich im Wesentlichen um Tatsachenbehauptungen, da die tatsächlichen Elemente überwögen.

In der streitgegenständlichen Berichterstattung liege ein Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin, da durch diese der Kernbereich ihrer höchstpersönlichen privaten Lebensgestaltung betroffen sei.

Die Mitgliedschaft der Klägerin bei dem Portal "b.com" sowie die geschilderten sexuellen Vorlieben und Erfahrungen der Klägerin seien ihrer Intimsphäre zuzurechnen, hinsichtlich derer eine Berichterstattung schlechthin unzulässig sei. Die Klägerin sei auf Grund der Berichterstattung für jedermann erkennbar, da ihr voller Vor- und Zuname genannt werde. Darüber hinaus werde die Berichterstattung als Ganzes angegriffen somit auch unter Berücksichtigung des dort abgebildeten Screenshots des Profils, welches ein Foto der Klägerin enthalte, auf dem diese gut erkennbar sei. Zudem habe sich die Klägerin, entgegen der Behauptungen der Beklagten, mit ihrem Sexualleben gerade nicht an die Öffentlichkeit gewandt. Vielmehr habe sie selbst ihr Sexualleben aus der Öffentlichkeit herausgehalten, so dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin ihre Mitgliedschaft und Äußerungen im dortigen Portal habe geheim halten wollen. Dabei sei nicht unbeachtet gelassen worden, dass jeder, der sich in dem Portal anmelde, das Profil einsehen könne, jedoch sei die Klägerin dort nie unter ihrem richtigen Namen aufgetreten. Zudem sei die Mitgliedschaft auf der Plattform b.com gerade nicht vergleichbar mit der von den Beklagten vorgebrachten Entscheidung des BGHs bezüglich des Sexuallebens eines Pornodarstellers. Darüber hinaus bestehe - auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ein politisches Amt bekleide - an der Berichterstattung kein öffentliches Interesse. Soweit die Beklagten vorgetragen hätten, sie hätten diesen Artikel den Wahlkampf betreffend veröffentlicht, weil die Klägerin sich durch das Verschweigen ihrer "Tätigkeit" einen Wahlkampflistenplatz quasi "erschlichen" habe, worüber die Presse aufklären dürfe und müsse, sei dem entgegenzutreten. Der Artikel prangere in erster Linie die Klägerin als Mitglied der A.-Partei an. Das private Verhalten der Klägerin stehe jedoch in keinerlei Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit. Sofern die Beklagten ausführten, dass sich ein öffentliches Interesse darin begründe, dass so das Erpressungspotenzial vermieden werde, könne dieser Argumentation nicht gefolgt werden. Die Intimsphäre genieße gerade deswegen besonderen Schutz, weil es sich um private, höchstpersönliche Rechte handele. Diesen sei immanent, dass der Rechteinhaber die Kenntniserlangung der Öffentlichkeit vermeiden möchte. Sofern aus diesem Umstand jedoch darauf geschlossen werden würde, dass eine Erpressbarkeit drohe, welche nur durch eine Veröffentlichung vermieden werden könne, so würde dieser Schutz nicht mehr greifen.

Die Klägerin habe darüber hinaus gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Fotografie aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG Art. 2, Art. 1 GG.

Die Fotografie stelle ein Bildnis im Sinne des §§ 22 S. 1 KUG dar, da die dort abgebildete Verfügungsklägerin für Dritte erkennbar sei. In der beanstandeten Veröffentlichung liege auch ein rechtswidriger Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin, da durch diese der Kernbereich ihrer höchstpersönlichen privaten Lebensgestaltung betroffen sei und kein öffentliches Interesse überwiege. Auf dem Profilbild, welches zwar teilweise geschwärzt worden sei, sei zumindest erkennbar, dass die Klägerin spärlich bekleidet auf einem Bett posiere. Dabei sei die Fotografie im Gesamtkontext mit der Berichterstattung zu sehen. Wie vorstehend ausgeführt liege durch die Wortberichterstattung ein Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin vor. Vor diesem Hintergrund sei die Veröffentlichung des Lichtbildes keinesfalls, auch nicht unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses, gerechtfertigt.

Die Beklagten haben gegen die Entscheidung form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen begründet. Sie beanstanden, dass das Landgericht die tatsächlichen Ausführungen im angegriffenen Beitrag der Intimsphäre der Klägerin zugeordnet habe. Das Landgericht habe fehlerhaft ein thematisches Totalverbot verhangen.

Das Landgericht habe die gebotene Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits vorliegend nur zum Schein durchgeführt. Das Landgericht habe sich vielmehr einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Bedeutung der in Rede stehenden Berichterstattung entzogen, indem es den Artikel pauschal und nicht eingehend begründet als Intimsphäre der Klägerin betreffend eingeordnet habe. Die Wechselwirkung dieser Einordnung auf die Meinungsfreiheit habe das Landgericht nicht geprüft. Diese Auswirkungen seien aber gerade im Bereich des politischen Meinungskampfes und zu Wahlkampfzeiten zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts komme es für die Zuordnung von Meinungsfreiheit und beschränkendem Gesetz wesentlich darauf an, ob und in welchem Ausmaß der von herabsetzenden Äußerungen Betroffene seinerseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben habe (BVerfGE 54, 129). Diesem Umstand habe das Landgericht keine Beachtung geschenkt. Darüber hinaus hätten Persönlichkeitsinteressen dann regelmäßig hinter der Meinungsfreiheit zurückzustehen, wenn die umstrittene Äußerung Tatsachen zum Gegenstand habe, die als wahr anzusehen seien. Auch dies habe das Landgericht nicht ausreichend beachtet.

Das Landgericht habe den in Rede stehenden Bericht fehlerhaft der Intimsphäre zugeordnet. Der Bereich der Sexualität gehöre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zwangsläufig und in jedem Fall zu dem Kernbereich privater Lebensgestaltung. Geschützt sei lediglich die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiraum zu erleben. Für einen Intimsphärenschutz sei nach diesen Grundsätzen kein Raum. Die Klägerin habe nicht die eigenen Ausdrucksformen ihrer Sexualität für sich behalten wollen. Im Gegenteil sie habe damit im Internet geworben, um möglichst viele Sexualpartner zu finden. Dieses Werben habe sich in nahezu unbeschränkter Öffentlichkeit vollzogen. Den Kreis der umworbenen Personen habe sie nicht begrenzt.

Sie habe auch nicht unerkannt oder anonym für ihre Vorlieben geworben. Jedenfalls sei sie durch das Foto eindeutig identifizierbar gewesen. Insofern sei die Entscheidung des Landgerichts auch widersprüchlich, da es einerseits der Klägerin zugutehalte, dass sie in der Anzeige nicht durch ihren wahren Namen identifizierbar sei, andererseits aber bei der Frage der Bildnisverletzung von der Identifizierbarkeit ausgehe.

Ihr Bericht betreffe die Sozialsphäre der Klägerin. Wahre Tatsachenbehauptungen, die Vorgänge aus der Sozialsphäre beträfen, müssten jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich hingenommen werden, denn das Persönlichkeitsrecht verleihe keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es genehm sei (BVerfGE 97, 391 (403)).

Die Forderung des Landgerichts nach einem "berechtigten Interesse" für die Berichterstattung sei schon im Ansatz vor dem Hintergrund der ihnen zustehenden Meinungsfreiheit nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet dessen bestehe ein berechtigtes Interesse an einer Berichterstattung. Hinzu komme, dass den Medien ein - den Gerichten entzogener - Entscheidungsspielraum zustehe, der nur darin seine Grenze finde, dass ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung geleistet werde. Dies sei hier der Fall. Bei einer Berichterstattung über eine Politikerin, die sich für ein Landtagsmandat bewerbe, bestehe ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an ihrer Person. Überdies bestehe auch häufig ein öffentliches Interesse an einer Bildberichterstattung, weil die Politik durch Personen geprägt sei und Bilder prägnante Informationen über deren Personen enthielten. Die Medien müssten selbst anhand publizistischer Kriterien entscheiden, was berichtet werde und ob eine Identifizierung erfolge.

Im Hinblick auf die Frage der Verletzung des Rechts am eigenen Bild der Verfügungsklägerin sei darauf hinzuweisen, dass sie selbst ihr Bildnis in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt habe.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 2019, 12 O 169/18, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Sie betont nochmals, nie beruflich und/oder gewerblich als Prostituierte gearbeitet zu haben, denn die tatsächlichen Ausführungen zum angeblichen Sexualverhalten seien nicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als wahr zu unterstellen und stimmten nicht mit dem Tatbestand des Urteils des Landgerichts überein. Es wäre widersinnig, wenn sie sich aus Gründen des Schutzes der Intimsphäre nicht auf eine Presseanfrage zu ihrer Sexualität äußern, sodann aber in der nachfolgenden Berichterstattung diese hinnehmen bzw. sich im Prozess nun doch zu den sexuellen Gesichtspunkten äußern müsste.

Es mangele auch an einer sog. Selbstöffnung, da die Verwendung der Fotografie ohne Nennung des Klarnamens in einem Profil eines absoluten Nischenportals kein bewusstes Hineintreten in die Öffentlichkeit darstelle. Über Suchmaschinen wie Google sei sie nicht auffindbar. Die Situation sei vergleichbar mit einem Besuch in einer öffentlich zugänglichen Bar, um auf Partnersuche zu gehen oder einer Anmeldung in einem sog. Sauna- oder Swinger-Club. Selbst wenn man eine solche Selbstöffnung annehmen wollte, ergäbe sich hieraus kein Automatismus einer Zulässigkeit der hiesigen Berichterstattung. Denn eine solche Selbstöffnung wäre dann lediglich ein Abwägungskriterium, das im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte zu berücksichtigen wäre. Hier seien zu nennen, die betroffene Intimsphäre, der Zeitablauf, der mangelnde Aktualitätsbezug, der mangelnde Widerspruch zu den politischen Positionen und der betroffenen Mutter-Kind-Beziehung (Art. 6 GG).

Selbst bei Wahrunterstellung dieser Äußerungen habe es keine "sexuelle Selbstöffnung" o.ä. gegeben, da sie nicht unter ihrem Klarnamen aufgetreten sei.

Das Landgericht habe entgegen der Ansicht hat der Beklagten kein "thematisches" bzw. "äußerungsrechtliches Totalverbot" ausgesprochen. Vielmehr habe das Landgericht eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz durchgeführt. Die Beklagten würden verkennen, was Streitgegenstand des Verfahrens und was damit auch (alleine) Gegenstand des Verbots sei. Es gehe hier nur um einen bestimmten Artikel in seiner konkreten Verletzungsform mit weitreichenden und tiefgreifenden Ausführungen zum Intimbereich. Nur diese konkrete Verletzungsform sei Streitgegenstand und Gegenstand des Verbots. Es gebe auch keinen Grundsatz, dass etwa über Berufspolitiker jederzeit alles berichtet werden dürfe, weil der Politiker am "Prozess der öffentlichen Meinungsbildung" teilgenommen habe. Nicht zu bemängeln sei auch, dass das Landgericht ein "berechtigtes Interesse" im Rahmen des Abwägungsvorgangs geprüft habe. Die vom Landgericht getroffene Abwägung der widerstreitenden Interessen falle richtigerweise zulasten der Beklagten aus, - auch weil der Bericht ihre Intimsphäre betreffe.

In die Abwägung zu ihren Gunsten mit einzustellen sei die mit dem Bericht verbundene Anprangerung und der Eingriff in das Mutter-Kind-Verhältnis. Der Bericht befasse sich nur vordergründig mit ihr als Politikerin, sondern diene nur der Anprangerung längst vergangener Sexualpraktiken. Der Bericht schade ihr auch als Ehefrau und Mutter zweier Kinder. Die Kinder könnten von dem Bericht erfahren. Dieser könnte ihre Entwicklung negativ beeinträchtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Parteivorbringen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat die mit dem Antrag zu 1. a) verfolgten Unterlassungsverbote hinsichtlich der Wortberichterstattung zu Unrecht ausgesprochen. Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG durchsetzbarer Anspruch auf Unterlassung der in dem Artikel vom 02.05.2017 auf correctiv.org im Internet enthaltenen Aussagen zu. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Fotografie aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22,23 KUG Art. 2, Art. 1 GG.

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht als passivlegitimiert angesehen.

Die Beklagte zu 1 ist Betreiberin der Webseite, auf der die Äußerungen dargestellt wurden. Der Beklagte zu 2 ist als Verfasser des Artikels als Störer verantwortlich.

Als Störer kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Rn. 30 = WRP 2013, 1348 - File-Hosting-Dienst, m.w.N.).

A. Unterlassungsbegehren Wortberichterstattung

Das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der im Klageantrag zu a) genannten Äußerungen ist gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 823 Abs. 1 analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG nicht begründet. Vielmehr ergibt die Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, des durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin einerseits, mit dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Publikationsinteresse und der Meinungsfreiheit der Beklagten andererseits, dass durch die Veröffentlichung des Artikels nicht in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen wird, mithin dem Publikationsinteresse der Beklagten hier der Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem Recht auf den Schutz von Ehe und Familie der Klägerin gebührt.

1.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassagen in dem Artikel der Beklagten vom 02.05.2017 in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreift. Durch die in dem verfahrensgegenständlichen Artikel enthaltenen, konkret mit dem Antrag zu a) angegriffenen Aussagen wird die Klägerin in erheblicher Weise in ihrem sozialen, aber auch in ihrem beruflichen Geltungsanspruch berührt.

Zu den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zählt die soziale Anerkennung des Einzelnen. Es umfasst den Schutz des Einzelnen vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, NJW 2014, 3154 - 3155; Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, NJW 2012, 767 - 770; Beschluss vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12, NJW 2014, 61 - 62).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insbesondere vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre. Des Weiteren schützt es vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden Äußerungen oder davor, dass einem Betroffenen Äußerungen unterschoben werden, die er nicht getan hat (BVerfG, Beschlüsse v. 14.09.2010 - 1 BvR 1842/08, 1 BvR 2538/08, 1 BvR 6/09, Juris Rn. 52).

a)

Durch die mit dem Antrag a) konkret von ihr beanstandeten, in dem verfahrensgegenständlichen Artikel enthaltenen Aussagen wird die Klägerin nicht in ihrer Intimsphäre als besonders geschützter Bereich des Persönlichkeitsrechts verletzt, die wegen ihrer besonderen Nähe zur Menschenwürde als Kernbereich privater Lebensgestaltung einer Güterabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von vornherein unzugänglich ist (vgl. BGH Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 332/09, Juris, Rn. 11; BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris Rn. 25 f.).

Zwar sind Vorgänge aus dem Sexualbereich regelmäßig dem gegen eine Darstellung in der Öffentlichkeit nahezu absolut geschützten Intimbereich einer Person zuzuordnen, allerdings nicht zwangsläufig und in jedem Fall. Geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiraum zu erleben. Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris Rn. 25 f. m.w.N.). Dabei kommt es auch darauf an, in welchem Umfang Details zur Sprache gebracht werden (BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Juris Rn. 66; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts 2012, Kap. 42 Rn. 17a). Der Schutz entfällt aber, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374; 101, 361, 385; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25; vgl. auch Erman/Klass, BGB, 15. Auflage, Anhang § 12, Rn. 121). Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre berufen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, Juris Rn 12; 24. November 1987 - VI ZR 42/87, Juris; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, a.a.O. Rn. 26 m.w.N.; BVerfGE 101, 361, 385). Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - VI ZR 284/17, Juris Rn. 14,).

Entgegen der Ansicht des Landgerichts wird die sexuelle Betätigung der Klägerin hier nicht vom Schutzbereich der Intimsphäre erfasst, nachdem sie ein Profil auf dem online-Portal "b.com", einer Plattform für sexuelle Dienstleistungen und für Nachfragende anlegte und Posts in diesem Bereich veröffentlichte. Mit dieser Maßnahme ist sie in sozialen Kontakt mit anderen getreten, um ihre Dienste anzubieten. Daher hat sie mit den Aussagen des Artikels ihre Intimsphäre verlassen, so dass allein ihre Sozialsphäre betroffen ist. Alle von der Klägerin mit ihrem Unterlassungsbegehren beanstandeten Äußerungen zu ihrem Angebot, Sex gegen ein Taschengeld anzubieten, lassen sich inhaltlich entweder aus ihrem Profil auf diesem Portal oder ihren dortigen Posts entnehmen. Zwar ist die Klägerin auf diesem Portal nicht unter Nennung ihres eigenen Namens, sondern unter einem Pseudonym in Erscheinung getreten, dennoch ist sie durch ein Foto bei ihrem Profil gut erkennbar. Sie kann nicht damit gehört werden, dass sie niemals als Prostituierte tätig gewesen sei und sich insoweit auch nicht auf die Nichtanwendbarkeit von § 138 Abs. 3 ZPO berufen, weil sie erstinstanzlich (vgl. Replik vom 15.11.2018 S. 1) wie auch im einstweiligen Verfügungsverfahren (Replik vom 25.08.2017 S. 2 dort unter Punkt II. 2.) ausdrücklich eingeräumt hat, über einen Zeitraum von mehreren Jahren ihren sexuellen Fetisch ausgelebt zu haben und damit tatsächlich wie eine Prostituierte sexuelle Handlungen gegen ein Entgelt vorgenommen zu haben. Da die Klägerin ihre sexuelle Betätigung selbst durch ihre online-Veröffentlichungen publik gemacht hat, kann sie sich nicht darauf berufen, dass ihre sexuelle Betätigung als solche Schutz genießt. Für die Frage, ob sie sich an die Öffentlichkeit gewandt hat, ist es auch nicht erheblich, ob der persönliche Grund der Klägerin dafür in einem sexuellen Rollenspiel bzw. Fetisch der Chremasistophilie (= Reiz der sexuellen Erregung durch eine gespielte Prostitution) zu sehen ist, wie die Klägerin behauptet. Die Darstellung auf dem Portal "b.com" entspricht jedenfalls nach außen hin dem Bild einer nebenberuflich tätigen Prostituierten und wurde aus diesem Grunde auch öffentlich gemacht. Der inhaltliche Schwerpunkt des Artikels der Beklagten ist auch nicht auf Sexualpraktiken oder sexuelle Vorlieben der Klägerin gerichtet, sondern auf ihre nebenberufliche Tätigkeit im Bereich der gewerblichen Prostitution. Nicht das Sexualleben der Klägerin wird in den Mittelpunkt des Artikels gestellt, sondern ihr nach außen hin ausgeübtes Gewerbe. Genau diese Tätigkeit hat die Klägerin selbst bewusst öffentlich gemacht. Auch wenn die Klägerin ihre Vorliebe im Bereich der Sexualität nicht auf einer für jeden sofort einsehbaren Plattform dargestellt hat, sondern sich eines Portals bedient hat, für dessen Nutzung eine Registrierung erforderlich ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie diesen Bereich geheim halten wollte. Die Profile auf diesem Portal sind für jeden frei einsehbar, wenn er sich hat registrieren lassen. Die Registrierung selbst ist für jeden Erwachsenen möglich. Soweit die Klägerin darauf hinweist - zuletzt ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - , dass dieses Portal nur einem kleineren Nutzerkreis überhaupt bekannt sei und genutzt werde, vermag dieser Hinweis nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin ihre sexuelle Betätigung nicht der Öffentlichkeit preisgegeben hat. Auch wenn die Plattform nicht jedem bekannt ist, bleibt es doch bei der Tatsache, dass jeder die Möglichkeit hat - wenn er sie entdeckt hat oder auch bewusst nach ihr gesucht hat - nach einer einfachen Registrierung zugelassen zu werden. Beschränkungen werden nicht auferlegt. Mithin ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin den Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Informationen beschränken wollte, zumal sie jedenfalls nach außen hin im Nebenerwerb gewerblich tätig wurde. Hier gilt, dass die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden muss (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - VI ZR 284/17, Juris Rn. 14).

Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des OLG München vom 17.03.2016 - Az.: 29 U 368/16 - steht dieser Würdigung nicht entgegen. Das Oberlandesgericht München ist in der zitierten Entscheidung gerade davon ausgegangen, dass die dortige Antragstellerin sich bei ihrem Eintrag in die sozialen Netzwerke in die Öffentlichkeit gewagt hat und sich nicht wundern dürfe, wenn bei dem von ihr gewählten Thema die Presse ihre Äußerung aufgreife und dies erlaubt sei. Das Oberlandesgericht München hat lediglich das mitabgedruckte Lichtbild nicht gestattet, weil es keinen mit Blick auf den Gegenstand der Berichterstattung weiterführenden Informationsgehalt aufweise, der seine Wiedergabe rechtfertigen könnte.

Der Einwand der Klägerin, die Veröffentlichung ihres Profils in einem Nischenportal sei vergleichbar mit dem Besuch einer Bar oder einem sog. Sauna- oder Swinger-Club; wenn dort über sexuelle Praktiken gesprochen werde oder diese im letzteren Fall angewendet würden, könnte dies auch nicht als Selbstöffnung angesehen werden, geht fehl. Der Abend in einer Bar oder einem Swinger-Club ist nur einem sehr begrenzten Personenkreis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugänglich. Zudem liegt es im Belieben des Besuchers, sich denjenigen auszusuchen, dem man sich öffnet, so dass ein privater Rahmen bleibt. Schriftliches wird dabei nicht hinterlegt, so dass die Ausführungen nicht für jedermann verfügbar und einsehbar sind. Die Tatsache, dass die Klägerin diesen Teil ihres Lebens nicht selbst an die breite Öffentlichkeit getragen hat, also nicht in allgemein zugänglichen Anzeigen für ihre politische Laufbahn erwähnt, sondern lieber dort verschwiegen hat, bedeutet nicht, dass sie diese Angelegenheit der Öffentlichkeit damit nicht zugänglich gemacht hätte. Die Öffentlichkeit ist insoweit nicht nach den Intentionen des Nutzers von Medien teilbar, in dem Sinne, dass nur ähnlich Interessierte die Informationen erhalten dürfen, andere aber nicht, obwohl sie grundsätzlich für jeden einsehbar waren, wenn auch nach einer Registrierung. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung ausführt, die Ausführungen zu ihrem angeblichen Sexualverhalten seien nicht als wahr zu unterstellen, es sei auch nicht darüber zu berichten, weil es angeblich"unnormal" sei, geht diese Argumentation an der Sache vorbei. Die Klägerin bestreitet nicht, dass es die in dem Artikel wiedergegeben Anzeigen und Posts mit diesem Inhalt gegeben hat und diese von ihr stammten. Inhaltlich ist sie ihren dortigen Ausführungen nicht entgegengetreten. Damit können die in ihren eigenen Äußerungen liegenden Tatsachen und auch ihr diesbezüglicher Umgang mit diesen Äußerungen, nämlich die Veröffentlichung auf dem Portal "b.com" als wahr unterstellt werden. Weitere Äußerungen oder Erläuterungen zu diesem Thema musste die Klägerin in der Presseanfrage der Beklagten nicht abgeben.

Auch die Löschung des Profils im Jahr 2014 ändert nichts daran, dass die Klägerin ihr Sexualleben der Öffentlichkeit preisgegeben hat. Die Öffentlichkeit hatte über Jahre hinweg die Möglichkeit, Zugriff auf das Portal zu nehmen und sich diese Informationen abzuspeichern.

b)

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562; BGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, Juris Rn 15 ff.; vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 10, 13, jeweils m.w.N.). Der Schutz der Privatsphäre ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern (BVerfGE 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten (BVerfGE 27, 344), im Bereich der Sexualität (BVerfGE 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem Verhalten (BVerfGE 44, 353) oder bei Krankheiten (BVerfGE 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. BVerfGE 101, 361, 382). Auch hier entfällt der Schutz aber, wenn der Grundrechtsträger seine Privatsphäre nach außen öffnet und bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten der Öffentlichkeit preisgibt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374; 101, 361, 385; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25; zuletzt BGH, Urteil vom 30.04.2019 - VI ZR 360/18, Juris Rn. 15; vgl. auch Erman/Klass, a.a.O.). Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Privatsphäre berufen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, Juris Rn. 16; 24. November 1987 - VI ZR 42/87, VersR 1988, 497, 498; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.; BVerfGE 101, 361, 385).

Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigen die angegriffenen Textpassagen die Privatsphäre der Klägerin nicht. Auch hier gilt, dass die Klägerin selbst mit ihrem Angebot auf sexuelle Dienstleistungen gegen ein Taschengeld an die Öffentlichkeit gegangen ist und ihre Anzeige in einem dafür vorgesehenen Internetforum veröffentlicht hat. Auch hier ist die Klägerin in einen sozialen Kontakt mit anderen getreten. Mehr Informationen als die Klägerin selbst haben die Beklagten in ihrem Artikel auch nicht preisgegeben. Es gelten auch hier die obigen Ausführungen.

c)

Die öffentliche Bekanntgabe des Umstands, dass die Klägerin als "Nebenerwerbsprostituierte" tätig gewesen ist und ihr Sexualleben der einer breiteren Öffentlichkeit preisgegeben wird, beeinträchtigt die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht jedoch deshalb, weil sie geeignet ist, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit negativ zu beeinflussen. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand besonderer Freiheitsgarantien sind, aber diesen in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Dazu gehört auch die soziale Anerkennung des Einzelnen. Aus diesem Grund umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz vor Äußerungen, die - wie die angegriffene Berichterstattung - geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BGH, Urteile vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, VersR 2009, 1085 Rn. 11; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 114/09, AfP 2011, 586 Rn. 11, 14, - VI ZR 115/09, Juris Rn. 11, 14 und - VI ZR 346/09, AfP 2011, 180 Rn. 10, 13, jeweils m.w.N.; BVerfGE 54, 148, 153; 99, 185, 193). Dies ist hier der Fall, weil die Tätigkeit als Prostituierte für eine potentielle Landtagsabgeordnete in der Öffentlichkeit nicht allgemein neutral aufgenommen wird, sondern vielfach noch auf Ablehnung stößt.

2.

Der durch das Einstellen des Artikels auf die Webseite der Beklagten zu 1 bewirkte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist jedoch nicht rechtswidrig.

a)

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Juris Rn. 9; BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, Juris Rn. 16; BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris Rn. 13). Hier kollidiert das Interesse der Klägerin an der Unterlassung der ihr Persönlichkeitsrecht berührenden Fortsetzung der Berichterstattung durch das Einstellen des Artikels über die dargestellte vormalige Tätigkeit als "Nebenerwerbsprostituierte" auf der Webseite der Beklagten zu 1 mit dem Interesse der Beklagten an der Gestaltung ihrer Webseite und an einer Berichterstattung. Im Streitfall sind daher das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Sozialsphäre, ihres Familienlebens und ihrer sozialen Anerkennung mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Diese Abwägung ergibt - anders als das Landgericht meint -, dass die geschützten Interessen der Beklagten diejenigen der Klägerin überwiegen.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris Rn. 17 ff.; BVerfG, Beschl. v. 25.06.2009 - 1 BvR 134/03, Juris Rn. 61 f.; BVerfG, Beschl. v. 09.03.2010 - 1 BvR 1891/05, Juris, Rn. 27 ff.; BVerfG, Beschl. v. 25.01.2012 - 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, Juris Rn. 33 ff., 39 ff.; ferner BGH, Urt. v. 08.05.2012 - VI ZR 217/08, Juris Rn. 37; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris Rn. 12 - jeweils m.w.N.). Danach darf die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2008 - 1 BvQ 46/08, Juris, Rn. 12 ff.; BVerfG, Beschl. v. 25.01.2012 - 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, Juris Rn. 39; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris Rn. 12).

Welche Maßstäbe für diese Abwägung gelten, hängt grundsätzlich vom Aussagegehalt der Äußerung ab, also von deren Einstufung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung. Diese Unterscheidung ist deshalb grundsätzlich geboten, weil der Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG bei Meinungsäußerungen regelmäßig stärker ausgeprägt ist als bei Tatsachenbehauptungen (BGH, Urteil vom 5. 12. 2006 - VI ZR 45/05 - NJW 2007, 686).

Während die Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert sind, werden demgegenüber Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. Urteil vom 19. Januar 2016, Az.: VI ZR 302/15, VersR 2016, 539 - 543; Urteil vom 16. Dezember 2014, Az.: VI ZR 39/14, VersR 2015, 247 - 248; Urteil vom 28. Juli 2015, Az.: VI ZR 340/14, VersR 2015, 1295 - 1297 - jeweils m.w.N.).

Danach sind - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - die verschiedenen Äußerungen der angegriffenen Mitteilung ganz überwiegend als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren, lediglich bei der geäußerten Einschätzung, die Klägerin sei eine Nebenerwerbsprostituierte gewesen, handelt es sich um ein Werturteil. Die Aussagen betreffen im Kern die von der Klägerin selbst in dem Portal "b.com" angegebenen sexuellen Dienstleistungen und ihre Erfahrungen in Swingerclubs sowie der SM- und Fetischszene und dass sie sich damit ein Taschengeld verdient habe. Diese Aussagen sind dem Beweis zugänglich und werden von der Klägerin auch nicht bestritten. Bei der Einschätzung der Beklagten, die Klägerin habe beruflich als Prostituierte gearbeitet, handelt es sich hingegen um ein Werturteil, weil sich diese Behauptung als Schlussfolgerung aus den aufgeführten Umständen darstellt.

Bei Tatsachenberichten hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 - 1 BvR 2678/10, Juris Rn. 33; BVerfG, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 BvR 901/11, Juris Rn. 19; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris Rn. 12; von Pentz, AfP 2015, 11, 14; dies., AfP 2014, 8, 11 ff.). Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.1998 - 1 BvR 131/96, Juris Rn. 45 ff.; BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris Rn. 17; BGH, Urt. v. 09.02.2010 - VI ZR 243/08, Juris Rn. 16; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris Rn. 12) oder wenn die Aussagen die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre betreffen und sich nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen (BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96, Juris Rn. 51; BVerfG, Beschl. v. 23.2.2000 - 1 BvR 1582/94, Juris Rn. 22) oder wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten drohen, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (BGH, Urt. v. 18.09.2012 - VI ZR 291/10, Juris Rn. 17; BGH, Urt. v. 22.11.2011 - VI ZR 26/11, Juris Rn. 15; BVerfG, Beschl. v. 23.02.2000 - 1 BvR 1582/94, Juris Rn. 22; von Pentz, AfP 2014, 8, 11 m.w.N.).

Werturteile sind dann unzulässig, wenn sie eine in jeder Hinsicht einer sachlichen Grundlage entbehrende böswillige oder gehässige Schmähkritik enthalten. Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen. Das gilt auch für Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind. Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für "falsch” oder für "ungerecht” halten. Auch die Form der Meinungsäußerung unterliegt der durch Art. 5 I GG geschützten Selbstbestimmung des Äußernden. Verfolgt der Äußernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung; eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Art. 5 I GG nicht vereinbar (vgl. BGH, Urteil vom 5. 12. 2006 - VI ZR 45/05 - NJW 2007, 686 m.w.N.)

Bei der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen sind also der Beitrag der in Rede stehenden Äußerung zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Bekanntheit der betroffenen Person und der Gegenstand der Berichterstattung, das frühere Verhalten der betroffenen Person, die Art der Erlangung von Informationen und ihr Wahrheitsgehalt sowie der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröffentlichung zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 18.09.2012 - VI ZR 291/10, Juris Rn. 18 f.; EGMR, Urt. v. 07.02.2012 - 40660/08, 60641/08, Juris Rn. 108 ff.; EGMR, Urt. v. 07.02.2012 - 39954/08, Juris Rn. 186 ff. - jeweils zur Wort- und Bildberichterstattung). Der Persönlichkeitsschutz des Einzelnen verlangt von der Presse zudem bei identifizierbarer Darstellung oder gar namentlicher Benennung einer Person in einer (geplanten) Berichterstattung mit besonderer Sorgfalt abzuwägen, ob dem Informationsinteresse nicht auch ohne Namensnennung genügt werden kann, weil Berichte unter Namensnennung die persönliche Sphäre des Betroffenen viel stärker und intensiver berühren als anonymisierte Berichte (BGH, Urt. v. 15.04.1980 - VI ZR 76/79, Juris Rn. 9 m.w.N). Andererseits ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass eine personalisierte oder identifizierbare Darstellung in einer Medienäußerung deren Authentizität und Glaubhaftigkeit erhöht, wobei dieses Anliegen für sich nicht schon zu einem Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses gegenüber den Belangen des Persönlichkeitsschutzes führt (BVerfG, Beschl. v. 22.03.2007 - 1 BvR 2007/02, Juris, Rn. 37). Bei der Abwägung ist weiterhin in Ansatz zu bringen, welche Persönlichkeitssphäre durch eine Berichterstattung oder mediale Darstellung betroffen wird, ob der Betroffene selbst Anlass für die Berichterstattung gegeben hat, ob und inwieweit er zuvor bereits selbst freiwillig private Details der Öffentlichkeit preisgegeben hat sowie der Grad des Informationsinteresses und der Aktualitätsbezug einer Darstellung bzw. Berichterstattung (vgl. hierzu Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 19 Rn. 41 ff.; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 39 Rn. 20 ff.; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl.§ 6 LPG Rn. 195 ff.; ferner Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 53 - jeweils m.w.N.). Je weniger eine Person zu einer medialen Darstellung oder Presseberichterstattung selbst Anlass gegeben hat, umso zurückhaltender muss sich die Presse bzw. das Internet mit dieser befassen. Dies gilt besonders dann, wenn es um ein negatives oder intimes Erscheinungsbild geht, das man wegen der belastenden oder bloßstellenden Wirkung typischerweise nicht der Öffentlichkeit vorgestellt sehen möchte (Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 196 m.w.N.). Besondere Zurückhaltung ist dabei gegenüber Personen geboten, die gegen ihren Willen "ins Scheinwerferlicht" der Öffentlichkeit geraten sind, etwa als Beschuldigte, Zeugen oder Opfer in Strafprozessen (Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 39 Rn. 24 m.w.N.; vgl. auch Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 10 Rn. 53).

In die Abwägung mit einzubeziehen ist auch der eingetretene Zeitablauf zwischen den geschilderten Geschehnissen und dem Bericht und dem weiteren Zeitablauf bis zur Entscheidung, obwohl es ein "Recht auf Vergessenwerden" in einem grundsätzlich allein von den Betroffenen beherrschbaren Sinn nicht gibt (BVerfG, Beschluss vom 06. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Juris 107 ff.). Auch die Grundrechte der Klägerin auf Achtung ihres Ehe- und Familienlebens, insbesondere die spezifische Beziehung einer Mutter zu ihren Kindern sind in die Abwägung mit einzubeziehen (BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019, 1, BVR 276/17, Juris Rn 97 ff.)

b)

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ergibt sich, dass im Streitfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie die Presse- und Medienfreiheit das durch das Einstellen des Artikels auf die Webseite der Beklagten zu 1) beeinträchtigte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin im Bereich der Sozialsphäre und deren Anonymitätsinteresse überwiegen.

Zu Gunsten der Klägerin ist in die Abwägung einzustellen, dass der auf der Webseite der Beklagten zu 1) eingestellte namentliche Bericht und insbesondere die von ihr beanstandeten Textpassagen zum einen die Beurteilung als solche, dass sich die Klägerin auf einem Sexportal im Internet im Nebengewerbe als Prostituierte angeboten hat und ihre sexuellen Einstellungen wiedergegeben werden, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat und viele private Details zu dieser Nebentätigkeit, ihren Familien- und Einkommensverhältnissen (verheiratet, keine finanziellen Sorgen, Verdopplung des Einkommens durch die Tätigkeit) preisgegeben hat, obwohl die Klägerin ihr Profil im Jahr 2014 bereits gelöscht hatte und selber ihren Namen nicht genannt, sondern stets unter einem Pseudonym gearbeitet hatte. Hinzu kommt, dass diese Art der Tätigkeit und weitere Details der Privatsphäre der Klägerin entstammen, die grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gezerrt werden dürfen. Ferner sind auf Seiten der Klägerin, worauf ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung noch einmal hingewiesen hat, die Auswirkungen in den Blick zu nehmen, die sich für diese durch ihre Benennung mit vollem Namen in dem Artikel und insbesondere in dessen Kontext ergeben. Für ihre Wahlkampftätigkeit zur Erlangung eines Landtagsmandates für eine Partei, die als konservativ eingestuft wird, waren derartige Informationen über die kommerzielle Sextätigkeit ihrer Kandidatin, nicht zuträglich, da dieser Bereich vielfach in der Öffentlichkeit als nicht seriöse Tätigkeit angesehen wird. Dies gilt auch weiterhin, da sie nach Erlangung des Landtagsmandats und ihrer Position innerhalb der Partei immer noch im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Zudem ist der Bericht dem Verhältnis der Klägerin zu ihren Kindern nicht zuträglich, wenn diese einmal alt genug sind, ihn zu entdecken und ihn lesen zu können.

Zu Gunsten der Beklagten ist demgegenüber in Ansatz zu bringen, dass der verfahrensgegenständliche Artikel unter Verarbeitung von Informationen zustande gekommen ist, die die Klägerin selbst freiwillig zur Verfügung gestellt bzw. offenbart hat. Sie dienten zu Werbezwecken, um, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, damit tatsächlich dem Beruf der Prostituierten im Nebenerwerb nachzugehen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob dieser Nebenerwerb dem sexuellen Fetisch der Chrematistophilie entspringt, wie die Klägerin behauptet oder andere Gründe hat. Unstreitig haben die Beklagten alle in ihrem Artikel wiedergegebenen Informationen im Profil der Klägerin selbst und ihren im Portal öffentlich geäußerten Posts gefunden und zusammengetragen. Da jedermann sich auf dem Portal hat registrieren lassen können, waren die Informationen öffentlich zugänglich und kein Geheimnis. Auch die Veröffentlichung ihres Namens ist angesichts der Erkennbarkeit der Klägerin anhand des von ihr selbst veröffentlichten Profilbilds möglich gewesen. Die Klägerin konnte sich entgegen den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten nicht darauf verlassen, dass die von ihr selbst öffentlich gemachten Informationen dem interessierten Kreis des Portals vorbehalten blieben, da eine Weiterverbreitung im Netz durch das Portal nicht eingeschränkt war.

Dem verfahrensgegenständlichen Artikel kam auch ein entsprechender "Öffentlichkeitswert" zu (zu diesem Aspekt vgl. Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 39 Rn. 21). Der Artikel befasst sich grundsätzlich mit einer Thematik von gesellschaftlicher bzw. politischer Relevanz von allgemeinem Interesse. In Wahlkampfzeiten, wie sie bei Erscheinen des Artikels bestanden haben, aber auch noch während der noch andauernden Legislaturperiode ist davon auszugehen, dass die Öffentlichkeit bei den zur Wahl stehenden Personen oder den Mitgliedern des Parlaments über deren Persönlichkeit, Interessen, Ausbildung und für die Ausübung des Mandats wesentlichen Eigenschaften umfassend informiert werden will. Diese Informationen dienen der Überprüfung der Glaubwürdigkeit ihrer Äußerungen im Wahlkampf und ihrer Person und ihrem Handeln schlechthin. Die seitens der Beklagten in den beanstandeten Äußerungen aufgezeigte Art der Nebentätigkeit der Klägerin, die sie nach Wiedergabe der Einzelheiten als Prostitution einschätzten, konnte daher insbesondere vor dem Hintergrund der konservativen Ansichten ihrer Partei zu Ehe und Familie zur Vervollständigung des Bildes der Kandidatin beitragen. Ungeachtet dem Vorbringen der Klägerin, dass viele Nutzer der Beklagten zu 1) diese Berichterstattung als geschmacklos abgelehnt haben und der Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, diese Art von Berichterstattung sei "sensationsgeil", ist dem Artikel dennoch der "Öffentlichkeitswert" nicht abzusprechen, da die Informationsvermittlung und Meinungsbildung auf vielfältige Weise erfolgt.

Für ein berechtigtes Publikationsinteresse der Beklagten ist weiterhin anzuführen, dass es sich bei den von der Klägerin mit dem Antrag zu a) beanstandeten Aussagen unstreitig um wahre Tatsachenbehauptungen handelt bzw. diese zumindest einen wahren Tatsachenkern aufweisen, der mit den Mitteln des Beweises auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden können (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 13.04.1994 - 1 BvR 23/94, Juris, Rn. 27; BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, Juris Rn. 8).

Wägt man all diese Aspekte gegeneinander ab, so ergibt sich, dass die namentliche Nennung der Klägerin und die konkret beanstandeten Aussagen in dem Artikel auf der Webseite der Beklagten zulässig waren. Denn es gehört auch zum Kern der Meinungs- und Medienfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses werthalten und was nicht und wie sie hierüber berichten (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 137/13, Juris, Rn. 23; BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 19 - jeweils m.w.N.). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Träger des Persönlichkeitsrechts keinen Anspruch darauf hat, von anderen nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte (BVerfG, Beschl. v. 23.10.2007 - 1 BvR 150/06, Juris Rn. 20 m.w.N.). Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass sich die Veröffentlichung mit Jahre zurückliegenden Vorgängen befasst, und ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung nochmals auf den Resozialisierungsgedanken hingewiesen hat, vermag dies das Informationsinteresse und -recht der Öffentlichkeit noch nicht zu entkräften. Die Vorgänge liegen seit der Löschung des Portals durch die Klägerin mittlerweile erst 5 Jahre zurück, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 3 Jahre. Dieser Zeitablauf ist noch nicht als so lang zu bewerten, dass er die in dem Bericht enthaltenen Informationen als Hintergrundwissen nicht mehr interessant erscheinen lassen. Vielmehr ist die Klägerin als Landtagsabgeordnete immer noch im Blickpunkt der Öffentlichkeit und muss ihre Glaubwürdigkeit als Person nun in der Debattenkultur im Parlament und bei ihren sonstigen Tätigkeiten unter Beweis stellen. Dabei verschafft der durch den streitgegenständlichen Artikel mögliche Blick in ihre nahe Vergangenheit dem Bürger einen kleinen Einblick in ihre Person und ihr Leben. Der Resozialisierungsgedanke, wie er im Bereich des Strafrechts Anwendung findet, wird davon nicht berührt oder gehindert. Auch der Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 GG rechtfertigt es nicht, die Pressefreiheit der Beklagten zu begrenzen. Die Klägerin hat das streitgegenständliche Profil auf dem Online-Portal selbst betrieben und das noch zu einer Zeit, als das erste Kind schon geboren war. Ihr Profil wurde bis zum 10.09.2014 genutzt. Der älteste Sohn wurde im März 2013 geboren. Unter diesen Umständen ist es nicht gerechtfertigt aus Familienwohlgründen der Beklagten einen Bericht zu untersagen und ihre Pressefreiheit einzuschränken. Hinzu kommt, dass die Kinder in keiner Weise genannt werden. Es ist zudem nicht ersichtlich, wie die Kinder Kenntnis von dem Artikel erlangen könnten.

B. Unterlassungsbegehren Bildberichterstattung

1.

Die Klägerin hat darüber hinaus gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Fotografie aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG Art. 2, Art. 1 GG.

a)

Grundsätzlich dürfen Bildnisse einer Person nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein dem Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (st. Rspr.; vgl. Urteile des BGH vom 06. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275-287; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83). Die Klägerin hat die nach diesen Grundsätzen erforderliche Einwilligung zur Verbreitung der streitgegenständlichen Aufnahme weder ausdrücklich noch stillschweigend erteilt. Unstreitig liegt eine ausdrückliche Einwilligung der Klägerin in die Einstellung ihres Lichtbilds in den Online-Artikel der Beklagten nicht vor. Allein durch das Einstellen der Abbildung einer Fotografie ins Internet räumt ein Berechtigter anderen Internetnutzern auch nicht stillschweigend ein Nutzungsrecht an der Fotografie oder einen schuldrechtlichen Anspruch auf Nutzung der Fotografie ein (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - I ZR 140/10, Juris Rn. 15, zum Urheberecht).

Eine stillschweigende Einwilligung kann nur angenommen werden, wenn der Betroffene ein Verhalten an den Tag legt, das für den objektiven Erklärungsempfänger als Einwilligung verstanden werden kann. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer stillschweigenden Einwilligung ist in der Regel, dass dem Betroffenen Zweck, Art und Umfang der Veröffentlichung bekannt sind (OLG München, Urteil vom 17. März 2016 - 29 U 368/16, Juris Rn. 24 m.w.N.)

Aus dem Umstand, dass die Klägerin das streitgegenständliche Bildnis auf dem Portal "b.com" eingestellt hat, kann nicht auf eine wirksame Einwilligung in eine Wiedergabe dieser Fotografie in dem streitgegenständlichen online-Artikel geschlossen werden. Wer ein Foto auf seinen Account bei einem Social Network hochlädt, ohne von möglichen Zugriffssperren Gebrauch zu machen, willigt nicht in die Weiterverbreitung des Fotos durch Dritte außerhalb des Kreises der zugriffsberechtigten Mitglieder des Netzwerks im Rahmen eines gänzlich anderen Kontextes ein (OLG München, Urteil vom 17. März 2016 - 29 U 368/16, Juris Rn 25 m.w.N.). Das streitgegenständliche Profil der Klägerin durfte von den Beklagten schon deshalb nicht als Einwilligung zur Veröffentlichung in dem online-Artikel verstanden werden, weil der Klägerin Zweck, Art und Umfang der Veröffentlichung nicht bekannt waren.

Die Beklagten haben damit durch die Verbreitung des Fotos in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin in ihrer besonderen Ausprägung als Recht am eigenen Bild eingegriffen.

b)

Die Klägerin hat die Verbreitung der streitgegenständlichen Aufnahme jedoch auch ohne Einwilligung hinzunehmen, da der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte einwilligungsfrei veröffentlicht werden dürfen, hier erfüllt ist. Berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG werden hierdurch nicht verletzt.

aa)

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. Urteile des BGH, BGHZ 171, 275; 178, 213; 180, 114; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283; vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06 - VersR 2008, 1268; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - VersR 2008, 1411 und - VI ZR 243/06 - VersR 2008, 1506; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 256/06 - VersR 2009, 76 und - VI ZR 272/06 - VersR 2009, 78 sowie - VI ZR 271/06 - VersR 2009, 513 und - VI ZR 260/06 - VersR 2009, 511; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 2009 - I ZR 8/07 - NJW 2009, 3032), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793, 1798 f.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nachfolgend: EGMR) im Einklang steht (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647 und NJW 2006, 591).

(1)

Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. Urteile des BGH, BGHZ 180, 114 Rn. 10; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957, 958 m.w.N.; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - a.a.O., S. 1413 und - VI ZR 243/06 - a.a.O., S. 1507; BVerfG NJW 2008, 1793 Rn. 55, 85). Denn die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Presse Rechnung tragen. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zu Grunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (Urteile des BGH, BGHZ 178, 213 Rn. 10; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957, 958 m.w.N.; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135, 1136 und vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - a.a.O., S. 1412 f.; BVerfG NJW 2000, 1021 Rn. 87 f.). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historischpolitischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (auch hierzu Urteile des BGH, BGHZ 178, 213 Rn. 14; 180, 114 Rn. 10; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - a.a.O., S. 1412 und - VI ZR 243/06 - a.a.O., S. 1506 f., jeweils m.w.N.; vom 09. Februar 2010 - VI ZR 243/08, Juris Rn. 33).

(2)

Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (vgl. Urteile des BGH, BGHZ 180, 114 Rn. 12; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 - a.a.O., S. 1508; vom 09. Februar 2010 - VI ZR 243/08, Juris Rn. 34; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3407; NJW 2008, 1793, 1796). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 24; BVerfG NJW 2008, 1793, 1796 Rn. 65).

bb)

Nach diesen Grundsätzen ist die Verbreitung des Fotos der Klägerin in dem auf der Webseite der Beklagten zu 1) veröffentlichten Artikel über ihre frühere Tätigkeit als sogenannte "Nebenerwerbsprostituierte" rechtlich nicht zu beanstanden. Das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hat vorliegend hinter dem von den Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückzutreten.

Auf dem Foto, das der Wortberichterstattung beigefügt war, ist die namentlich benannte Klägerin gut erkennbar abgebildet. Obwohl das Profilbild in wesentlichen Bereichen des Körpers geschwärzt wurde, ist erkennbar, dass sie spärlich bekleidet auf einem Bett posiert haben muss. Das Foto ist sachbezogen zu dem Wortbericht über ihre sexuelle Nebentätigkeit den Ausführungen des Artikels beigefügt. Die Veröffentlichung kontextbezogener Fotos ist als Visualisierung des berichteten Ereignisses aber regelmäßig zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 39; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1925). Es ist durch die Schwärzung auch nicht herabwürdigend oder ungünstig für die Klägerin. Sie wird in keiner Weise entstellt dargestellt. Es unterstreicht jedoch die Authentizität des Berichtes. Das Foto entstammt im Übrigen dem von der Klägerin selbst veröffentlichten Profil auf dem einschlägigen Portal und wurde von den Beklagten nicht heimlich aufgenommen. Eine Verletzung ihrer Intimsphäre liegt daher nicht vor, wie bereits zu der Wortberichterstattung ausgeführt wurde. Die Berichterstattung insgesamt geschieht zu einem zeitgeschichtlich relevanten Ereignis, nämlich den Landtagswahlen, für die die Klägerin von ihrer Partei als Kandidatin aufgestellt wurde und dem sie nach der Wahl nun angehört. Die Beklagten kommen mit ihrem Beitrag, dem Informationsanspruch der Leser nach, indem sie Hintergrundwissen zu der zu wählenden Landtagskandidatin und nunmehr zu ihrer Landtagsabgeordneten vermitteln.

Die Verbreitung des angegriffenen Fotos ist auch im Übrigen nicht geeignet, die Klägerin nach den Worten ihres Prozessbevollmächtigten "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise "an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", dass sie stigmatisiert wird. Durch die Schwärzung und den Kontext wird klar, dass sie die dargestellte Tätigkeit nicht mehr ausübt. Darüber hinaus handelt es sich nicht um ein entwürdigendes Foto.

Bei der gebotenen Würdigung der Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit sind keine überwiegenden berechtigten Interessen der Klägerin (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die der Verbreitung des sie zeigenden Fotos im Rahmen des angegriffenen Artikels entgegengestanden hätten.

III.

Mangels Vorliegens eines Hauptanspruches hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB sowie darauf zu entrichtende Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB

IV.

Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Das Urteil hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da der Senat seiner Entscheidung die höchstrichterliche Rechtsprechung bei den entscheidungserheblichen Fragen zugrunde gelegt hat.

Der Berufungsstreitwert beträgt bezogen auf die Beklagte zu 1) EUR 15.000 und bezogen auf den Beklagten zu 2) ebenfalls EUR 15.000, insgesamt EUR 30.000.