OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.03.2021 - 7 U 33/19
Fundstelle
openJur 2021, 23738
  • Rkr:

1. Eine rechtskräftige Feststellung der wissentlichen Pflichtverletzung kann nicht im Haftpflichtprozess erfolgen.

2. Der gezahlte Vergleichsbetrag - der zur Beilegung eines in den Vereinigten Staaten geführten Rechtsstreits dient, in welchem der Vorwurf der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen und der Verschwörung erhoben worden war - kann nicht vom D&O-Versicherer ersetzt verlangt werden mit der Begründung, hierdurch seien weitere, erhebliche Verfahrenskosten erspart worden.

Tenor

Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das am 01.02.2019 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Klägerin Erstattung der in dem Texas- und in dem Minnesota-Verfahren entstandenen Abwehrkosten - mit Ausnahme der Vergleichszahlung in Höhe von 17.000.000,-- $ - begehrt. Insoweit wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht Ansprüche aus einer Organhaftpflichtversicherung geltend.

Die Klägerin ist ein auf kardiovaskuläre Medizintechnik spezialisiertes Unternehmen. Komplementärin ist die X MT SE, deren geschäftsführende Direktoren die Herren A, B und C sind. Bei der Firma X Inc. handelt es sich um eine Schwestergesellschaft der Klägerin.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten mit Beginn zum 01.01.2014 eine Organhaftpflichtversicherung. Dem Vertrag liegen die Bedingungen der Beklagten zur D & O Plus Entscheiderhaftpflicht (im Folgenden AVB) zugrunde. Als Kontinuitätsdatum war der 11.03.2004 vereinbart. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein (Anlagen K 1 - K 4) Bezug genommen. Die Versicherung wurde von der Klägerin zum 31.12.2015 gekündigt.

Mit Nachtrag Nr. 2 vom 11.06.2014 wurde unter anderem folgendes vereinbart: "Ziffer XIII Nr. 9 wird wie folgt ergänzt: In Ergänzung von XIII 9. (versicherte Person) der D & O Plus Entscheiderhaftpflicht, Version 05.2013, gilt als versicherte Person ebenfalls Herr D, soweit er wie ein Mitglied eines Organs juristischer Personen handelt und haftet. ..." (Anlage K 5).

Auch das Unternehmen Y ist mit dem Vertrieb kardiovaskulärer Medizintechnik befasst. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Wechseln von Mitarbeitern zwischen der Klägerin und Y. Ab 2006 kam es zu mehreren Rechtsstreitigkeiten zwischen Y und verschiedenen Unternehmen der X-Gruppe, wobei Anlass immer Wechsel von Mitarbeitern der Y zu X waren. Keines dieser Verfahren war von Seiten der X-Gruppe dem jeweiligen D&O Versicherer als Versicherungsfall gemeldet worden.

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um Versicherungsschutz für zwei weitere Rechtsstreitigkeiten, in denen Y Ansprüche nach dem Wechsel einer Mitarbeiterin gegen diese (sogenanntes Texas-Verfahren) geltend machte und Forderungen im Hinblick auf die von Y X generell vorgeworfene Praxis der geschäftsschädigenden Abwerbung von Mitarbeitern (sogenanntes Minnesota-Verfahren) erhob.

Zum sogenannten Texas-Verfahren

Frau E, die vormals bei der X SE Co. & KG beschäftigt war, war ab 2012 bei Y1p BVBA und Y1q B.V. als Vice President angestellt und unter anderem zuständig für das europäische Geschäft. Sie nahm vom 02. bis 04.06.2014 an einem dreitägigen Treffen in Stadt1 (USA) teil, auf dem die Vorstellung und Einführung eines strategischen Fünfjahresplanes der Y1 Unternehmensgruppe erfolgte, der zukünftige Wettbewerbsstrategien gegenüber anderen Unternehmen im Bereich medizinischer Technik beinhaltete. Am 27.06.2014 kündigte Frau E ihre Stelle bei Y Belgien und Y Niederlande und teilte dort am 08.09.2014 mit, dass sie eine neue Stelle bei X Inc. angenommen habe. Seit dem 01.09.2014 ist Frau E President der X Inc. und zuständig für deren US-Geschäft.

Am 16.09.2014 erhob Y Klage gegen Frau E beim United District Court für den Western District von Texas und beantragte unter anderem die Verurteilung zur Zahlung eines in der Höhe nicht näher bezifferten Schadensersatzes und den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der unter anderem Frau E untersagt werden sollte, als President von X Inc. tätig zu werden. Gestützt wurden die Anträge auf den widerrechtlichen Erwerb von Geschäftsgeheimnissen bzw. von vertraulichen Informationen und insbesondere die Nutzung bzw. Weitergabe dieser Informationen unter Verstoß gegen den Texas Uniform Trade Secrets Act (UTSA) und den Wegen der Einzelheiten wird insofern auf die Klageschrift (Anlage K 6) Bezug genommen.

Mit Entscheidung vom 16.12.2014 wies das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab, da Y bislang keine hohe Wahrscheinlichkeit auf Erfolg in der Sache habe darlegen können (Anlage K 7).

Unter dem 19.12.2014 reichte Y einen Antrag auf Herausgabe von Dokumenten gegen Frau E ein (sogenannte Texas Subpoena).

Unter dem 22.12.2014 beantragte Y im Rahmen eines sogenannten Discovery-Verfahrens eine Subpoena Duces Tecum gegenüber X Inc. in Oregon mit der Aufforderung, unter anderem alle Unterlagen beizubringen, die den Einstellungsprozess von Frau E und die Kommunikation zwischen X bzw. der für diese handelnden Personen und Frau E dokumentieren (sogenannte Oregon-Subpoena, Anlage K 9).

Mit Entscheidung vom 23.03.2015 wurde X Inc. verpflichtet, die von Y angeforderten Dokumente beizubringen und die im Zusammenhang mit der Einstellung von Frau E relevanten Dokumente vorzulegen. Um die Details des Discovery-Prozesses und des Umfangs der der Gegenseite vorzulegenden Unterlagen zu regeln, setzte das Gericht einen sogenannten Special Master ein, wobei dessen Kosten von beiden Seiten jeweils hälftig zu tragen waren. Eine hiergegen von X Inc. eingereichte Motion for Reconsideration wurde am 18.05.2015 vom Gericht negativ beschieden. Vor dem Special Master wurde anschließend schriftlich und in mehreren Anhörungen ausgehandelt, welche Unterlagen entsprechend ihrer Relevanz in welchem genauen Umfang und aus welchem Zeitraum beizubringen sind. Letztlich wurden über 47.000 Seiten E-Mails, Schreiben und andere Dokumente vorgelegt.

Unter dem 31.07.2015 beantragte Y erneut den Erlass einer einstweiligen Verfügung und führte zur Begründung aus, Untersuchungen hätten ergeben, dass Frau E Geschäftsgeheimnisse von Y vor ihrem Weggang kopiert und seitdem einige dieser Geschäftsgeheimnisse während ihrer Arbeit für X Inc. auch genutzt habe. Auch diesen Antrag wies das Gericht zurück. Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte Y einen sogenannten damage report vor, wonach die Schadensersatzansprüche auf über 200.000.000,-- $ zu beziffern seien.

Zum sogenannten Minnesota-Verfahren

Am 24.07.2015 erhob Y beim United States District Court für den Distrikt von Minnesota Klage gegen die Klägerin, die X Inc. sowie die Herren D, Vorsitzender des Verwaltungsrates der X MT SE, B, ehemaliger President der X Inc., danach geschäftsführender Direkter der X MT SE, und F, vormals leitender Direktor der Personalabteilung bei X Inc. Gestützt wurde das Verfahren auf den Federal Racketeer-Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO Act) und den Minnesota Uniform Trade Secrets Act (UTSA), gerichtet auf Zahlung eines Schadensersatzes, Rückgabe der Geschäftsgeheimnisse und Beendigung der sogenannten X-Verschwörung. Y warf den dortigen Beklagten vor, sie hätten sich gegen Y verschworen mit dem Ziel, Geschäftsgeheimnisse und vertrauliche Informationen von Y zu stehlen und Führungskräfte und andere Mitarbeiter abzuwerben. Diese Verschwörung habe 2012 begonnen und sich bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung fortgesetzt (Anlage K 14).

Am 20.01.2016 schlossen Y und X Inc. mit Wirkung auch für die jeweils verbundenen Unternehmen und die beklagten Einzelpersonen einen Vergleich ohne Anerkennung einer Schuld, um sämtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Y und X abzuschließen. Ansprüche von Y und aller verbundenen Unternehmen wurden endgültig abgefunden gegen Zahlung eines Vergleichsbetrags durch X Inc. in Höhe von 17.000.000,-- $. Es wurde eine umfassende Geheimhaltungsverpflichtung hinsichtlich aller Informationen zu den Vergleichsbedingungen und den Vergleichsverhandlungen vereinbart.

Unter der Führung der Kanzlei1 (im Folgenden Kanzlei1) waren lokale Rechtsanwaltskanzleien in Texas, Oregon und Minnesota zur Prüfung des entsprechenden regionalen Rechts der jeweiligen Staaten und der Vertretung vor Gericht beauftragt worden. Die Klägerin und die anderen deutschen Betroffenen waren im Rahmen der Oregon-Subpoena und im Minnesota-Verfahren durch eigene Anwälte vertreten. Die Klägerin hatte in den USA die Kanzlei2 LLP und in Deutschland Kanzlei3 LLP mit ihrer Verteidigung beauftragt. Die Kanzlei3 hatte im Rahmen der Oregon-Subpoena die Auswahl des Datenproviders betreut, die entsprechenden Verträge geprüft und mit G den Prozess zur Vorlage der Unterlagen im vom Special Master festgelegten Umfang organisiert. Hierbei waren sie von den US-Anwälten zu ergänzenden Fragestellungen beraten worden.

X Inc. hatte die Firma H beauftragt, während die Klägerin den Datenaufbereiter G beauftragt hatte. Gegenstand war die Aufbereitung von Unterlagen. Weiter war im Texas-Verfahren von Kanzlei1 das Beratungsunternehmen I mit Datenanalysen und forensischen Untersuchungen beauftragt worden.

Die Vergleichszahlung in Höhe von 17.000.000,-- $ wurde von der X Inc. getragen, die ihre Ersatzansprüche gegenüber der Beklagten zur Geltendmachung an die Klägerin abgetreten hat.

Mit Schreiben vom 17.04.2015 hatte die Klägerin zunächst dem lokalen Versicherer in Amerika, der O American Insurance, das Texas-Verfahren im Namen von Frau E und der X Inc. angezeigt. Dem waren die Klageschrift und der Versicherungsschein beigefügt.

Anfang Mai 2015 wurde der deutsche Versicherer der Master-Police, die Beklagte, über den Versicherungsfall informiert. Mit Schreiben vom 08.06.2015 lehnte die O US die Deckung ab. Mit E-Mail vom 05.08.2015 informierte die Klägerin die Beklagte über den weiteren Versicherungsfall, das Minnesota-Verfahren, und übersandte am gleichen Tage die Klageschrift. Am 26.08.2015 fand ein Treffen in Stadt2 statt, bei dem die beiden Versicherungsfälle und das weitere Vorgehen mit der Beklagten besprochen wurden.

Mit Schreiben vom 09.09.2015 informierte X Inc. die Beklagte darüber, dass eine Extranet-Seite mit weiteren, von der Beklagten angeforderten Dokumenten eingerichtet worden sei, die der Beklagten zugänglich gemacht wurde. Dem Schreiben beigefügt war erneut die Liste der beauftragten Rechtsanwaltskanzleien und deren Stundensätze. Die Beklagte bestätigte, Zugang zum Datenraum erhalten zu haben.

Mit E-Mail vom 28.10.2015 informierte X Inc. die Beklagte über anstehende Vergleichsverhandlungen mit Y.

Mit Schreiben vom 11.11.2015 lehnte die Beklagte die Deckung zumindest vorläufig ab ("... at this time O Germany has concluded that the Master Police does not afford coverage for the Texas Action or the Minnesota Action because ...") und berief sich zur Begründung darauf, dass diese Teil eines Serienschadens und Gegenstand bereits anhängiger Verfahren seien, deren Anfang vor Beginn des Versicherungsschutzes liege (Anlage K 30).

Mit Schreiben vom 23.12.2015 wurde die Beklagte informiert, dass Y und X Inc. in Vergleichsverhandlungen eingetreten seien und eine Vergleichssumme zwischen 14.500.000,-- $ und 19.500.000,-- $ diskutiert werde. Zugleich bat die Klägerin um Deckungszusage bzw. um Zustimmung zum Vergleichsabschluss bis zum 15.01.2016. Mit Schreiben vom 14.01.2016 teilte die Beklagte mit, dass sie an ihrer Deckungsablehnung festhalte (Anlage K 32).

Mit Schreiben vom 23.03.2016 übersandte die Klägerin der Beklagten die mit Y getroffene Vergleichsvereinbarung. Mit Schreiben vom 15.04.2016 lehnte die Beklagte jedwede Deckung erneut und endgültig ab (Anlage K 34).

Die Beklagte erhielt am 12.06.2016 Zugang zu einem Datenraum mit den gesamten Detailrechnungen der beauftragten Rechtsanwaltskanzleien.

Die Klägerin hat behauptet, sämtliche von Y gegen Frau E erhobenen Vorwürfe im Texas-Verfahren seien inhaltlich unzutreffend. Y habe sich zudem in diesem Verfahren nicht auf eine bloß drohende Nutzung oder Weitergabe der Geschäftsgeheimnisse gestützt, sondern auch auf eine tatsächlich erfolgte Nutzung und Weitergabe, so dass der Versicherungsfall bereits mit Erhebung der Klage vom 16.09.2014 eingetreten und Frau E wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch genommen worden sei, die sie in ihrer Eigenschaft als versicherte Person begangen habe. Jedenfalls spätestens nach dem erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei der Versicherungsfall eingetreten.

Auch sämtliche im Minnesota-Verfahren erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Hintergrund des abgeschlossenen Vergleichs seien für X Inc. trotz guter Erfolgsaussichten ausschließlich die drohenden erheblichen Verteidigungskosten gewesen. X Inc. hätte ohne den Abschluss des Vergleichs einen deutlich über der Vergleichssumme liegenden Betrag an Rechtsanwaltskosten zahlen müssen.

Der Ausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung greife vorliegend nicht. Ob tatsächlich eine Pflichtverletzung vorgelegen habe, sei nicht zu prüfen. Die Klausel in Ziffer VI.1 AVB könne nur so verstanden werden, dass ein Leistungsverweigerungsrecht nur bei Vorliegen einer rechtskräftigen Feststellung der wissentlichen Pflichtverletzung eingreife. Daran fehle es aber vorliegend.

Der Vertragsteil "Versicherung des Finanzinteresses" sei nicht einschlägig. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, bestehe Versicherungsschutz nach Ziffer 3b) und Ziffer 4a) und 4b) AVB.

D habe als Vorsitzender des Verwaltungsrates gehandelt und sei damit als versicherte Person anzusehen. Ob tatsächlich eine Pflichtverletzung vorliege, sei unerheblich. Das Limit von 5 Mio. € betreffe nur Ziffer II.b. des Nachtrags Nr. 2.

Die Klausel in Ziffer VI.3 AVB - Ausschluss wegen bereits anhängiger Verfahren - sei nach § 307 BGB unwirksam, da sie nicht mit dem Grundgedanken des § 100 VVG vereinbar und nicht hinreichend transparent sei.

Soweit sich die Beklagte auf Ziffer IV.8 AVB - Serienschaden - berufe, handele es sich um eine Risikobegrenzungsklausel, die eng auszulegen sei. Die erhobenen Vorwürfe seien unberechtigt, es bestehe kein Zusammenhang zwischen den behaupteten Pflichtverletzungen. Zudem seien diese nicht innerhalb einer Versicherungsperiode erhoben worden. Die Anwendung sei auch nicht interessengerecht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn dem Versicherungsnehmer hätte klar sein müssen, dass eine Kausalität bestehe, d.h. die Versicherungsfälle aufeinander beruhten, was hier nicht zutreffe. Die Klausel sei zudem nach § 307 BGB wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgedanken des § 100 VVG und Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.

Bei der Abstimmungspflicht bezüglich Honorarvereinbarungen in Ziffer IV 2. AVB handele es sich um eine verhüllte Obliegenheit. Die Abstimmung gelte überdies als erfolgt, da die Beklagte über alles informiert gewesen sei. Dies gelte auch deshalb, weil die Beklagte entgegen § 100 VVG nicht die Verteidigung übernommen habe. Wegen der unberechtigten Deckungsablehnung sei die Beklagte an das Ergebnis der Verteidigung gebunden. Die Begrenzung auf Kosten nach dem RVG könne überdies nur insoweit zum Tragen kommen, als das RVG Anwendung finde. In den USA aber gebe es keine dem RVG vergleichbare Gebührenordnung. Die Abstimmungspflicht mache daher keinen Sinn, da sonst die Hauptleistungspflicht der Beklagten unter Zustimmungsvorbehalt stünde, was unvereinbar mit § 100 VVG sei.

Die geltend gemachten Kosten seien sämtlich beglichen worden (Zahlungsbestätigungen als Anlage K 37). Die Höhe der vereinbarten Stundensätze sei angemessen. Maßgeblich seien insofern die Verhältnisse des US-Rechts. Die Beklagte habe zudem vorprozessual die Gelegenheit gehabt, die Rechnungen einzusehen. Insofern sei sie zu einer substantiierten Darlegung ihrer Einwände gegen die Höhe in der Lage und verpflichtet.

Die Sublimits in Ziffer V.14 AVB - Kosten in Zusammenhang mit einem Arrestverfahren, einer Beschlagnahme oder eines Ausübungsverbotes - und Ziffer V.15 AVB - Abwehr von Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen - seien nicht einschlägig.

Die Beklagte sei an den Vergleich gebunden, da sie unberechtigt zuvor die Deckung abgelehnt habe. Die Zahlung sei zudem nicht auf berechtigte Ansprüche erfolgt, sondern allein aus prozessökonomischen Gründen im Hinblick auf die sonst drohenden Abwehrkosten. Auch wirke der Vergleich zugunsten der versicherten Personen.

Die Beklagte hat behauptet, sämtliche von Y erhobenen Vorwürfe seien inhaltlich zutreffend, und hat geltend gemacht, infolge wissentlicher Pflichtverletzung sei sie nicht zur Leistung verpflichtet. In dem Texas-Verfahren fehle es an einer versicherten Pflichtverletzung, da Y Frau E den Vorwurf gemacht habe, Geschäftsgeheimnisse zu einem Zeitpunkt gestohlen zu haben, als diese noch nicht für X Inc. tätig gewesen sei. Es fehle an einem unmittelbaren inneren und äußeren Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit und der pflichtwidrigen Schadensverursachung. Soweit Y eine tatsächliche Nutzung behauptet habe, sei dies nur zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfolgt. Auf eine tatsächliche Verwendung der Geschäftsgeheimnisse komme es im Übrigen nach US-Recht nicht an.

Die Kosten für die Abwehr der Subpoena Duces Tecum gegen X Inc. seien nicht erstattungsfähig, da X Inc. nicht gemeinsam mit Frau E in Anspruch genommen worden sei. Es handele sich zudem um einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch, und ein Mischfall im Sinne von Ziffer IV.5.c) AVB liege nicht vor.

Zudem seien Ansprüche nach dem Vertragsteil "Versicherung des Finanzinteresses" ausgeschlossen. Insofern wäre für einen Versicherungsfall erforderlich, dass es zu einer Wertminderung der Beteiligung der Klägerin an der X Inc. gekommen wäre. Dies habe die Klägerin nicht dargetan. Die Master Police sei als Hauptpolice Teil eines internationalen Versicherungsprogramms. Neben der Master Police seien auch lokale Policen Teil des internationalen Versicherungsprogramms. Für die X Inc. habe eine lokale Police für die USA bei der O US bestanden. Ausweislich der Vereinbarung in der Vorbemerkung zum Vertragsteil "Versicherung des Finanzinteresses" seien Unternehmen, die ihren Sitz in einem Staat haben, der den Betrieb des Versicherungsgeschäfts durch einen lokal nicht zugelassenen Versicherer verbiete, sowie deren Mitarbeiter im Rahmen der Hauptpolice nicht mitversichert. Insofern beziehe sich die Versicherung ausdrücklich auf reine Vermögensinteressen der Versicherungsnehmerin. Die USA seien von den Parteien als Staat vereinbart worden, in dem der Betrieb des Versicherungsgeschäfts durch einen lokal nicht zugelassenen Versicherer verboten sei.

Im Hinblick auf das Minnesota-Verfahren hat die Beklagte geltend gemacht, D sei nicht versicherte Person, da er nicht wie das Mitglied eines Organs einer juristischen Gesellschaft gehandelt habe und hafte, sondern als Unternehmensinhaber tätig geworden sei. Voraussetzung sei das objektive Bestehen seiner Haftung ("handelt und haftet"). Im Übrigen gelte hier ein Limit in Höhe von 5 Mio. €.

Die Beklagte hat sich auf den Ausschluss wegen bereits anhängiger Verfahren in Ziffer VI.3 AVB berufen, gegen dessen Wirksamkeit keine Bedenken bestünden und der zudem anhand des Verständnisses eines Organs einer Kapitalgesellschaft auszulegen sei.

Ferner sei der Versicherungsschutz wegen Serienschadens nach Ziffer IV.8 AVB ausgeschlossen. Das Texas- und das Minnesota-Verfahren seien mit dem M-Verfahren verbunden. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel bestünden nicht, zudem sei ihre Anwendung interessengerecht.

Es fehle eine Abstimmung der Stundensätze der beauftragten Rechtsanwälte im Sinne von Ziffer IV.2 AVB, so dass über die gesetzlichen Gebühren hinausgehende Kosten nicht zu erstatten seien. Überdies seien darüberhinausgehende Kosten auch nicht angemessen, insbesondere von der Klägerin nicht substantiiert dargetan. Die vereinbarten Stundensätze seien auch in den USA unüblich.

Ansprüche seien jedenfalls auf die Sublimite in Ziffer V.14., 15. und 16. AVB - Abwehr von Bereicherungs- und Herausgabeansprüchen - begrenzt.

Der Vergleich entfalte vorliegend keine Bindungswirkung. Es sei auch unzulässig, sich auf den Vergleich zu berufen, ohne diesen im Verfahren vorzulegen. Der Vergleich sehe auch keine Regelung über die Freistellung versicherter Personen vor. Die Ersparnis künftiger Abwehrkosten sei nicht Gegenstand einer Haftpflichtversicherung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Beklagte mit Urteil vom 01.02.2019 (Bl. 815 ff. der Akte) verurteilt, an die Klägerin 14.765,01 $ und 178.826,78 $ sowie an die X Inc. 98.811,99 $ und 1.196.763.85 $ zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte betreffend das sogenannte Texas-Verfahren ein Anspruch auf Zahlung von 150.000,-- € und das sogenannte Minnesota-Verfahren betreffend von 1.256.658,45 € abzüglich der Selbstbeteiligung zu.

In dem sogenannten Texas-Verfahren sei der Versicherungsfall erst mit dem erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingetreten. Zuvor habe es an dem Vorwurf einer pflichtwidrigen Handlung gefehlt, die Frau E in Ausübung ihrer Tätigkeit für X Inc. vorgenommen habe. Hinsichtlich des erneuten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei Ziffer V.15 AVB anzuwenden, so dass der Höchstbetrag von 150.000,-- € zu beachten sei.

Eine Erstattung von Kosten im Rahmen der Oregon-Subpoena sei nicht geschuldet. Auch wenn es sich bei diesem Verfahren um ein unselbständiges und von dem Hauptverfahren abhängiges Verfahren handele, sei das Hauptsacheverfahren gegen Frau E nicht die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs, sondern die Verfolgung eines Schadensersatzanspruches. Letzteres begründe aber keinen Versicherungsfall.

In Bezug auf das Minnesota-Verfahren handele es sich bei den Herren D, B und F um versicherte Personen. Diese drei seien in dem Minnesota-Verfahren auf Ersatz von Vermögensschaden wegen Pflichtverletzungen in Anspruch genommen worden, die sie in ihrer Eigenschaft als versicherte Person begangen hätten. Der Klägerin sei nicht zu widerlegen, dass Herr D in seiner Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats der K SE, der Muttergesellschaft der X Inc., an Gesprächen teilgenommen habe. Ein Ausschluss des Versicherungsschutzes wegen eines Serienschadens nach Ziffer IV.8 AVB greife nicht, da ungeachtet der Frage nach der Wirksamkeit der Klausel jedenfalls deren Voraussetzungen nicht vorlägen. Auch ein Ausschluss des Versicherungsschutzes nach Ziffer VI.3 AVB komme nicht in Betracht. Diese Regelung sei ihrer Formulierung nach bereits unverständlich. Auch auf das Vorliegen eines Leistungsausschlusses wegen wissentlicher Pflichtverletzung könne sich die Beklagte nicht berufen. Es fehle an einer rechtskräftigen Feststellung. In Bezug auf die hier von der Klägerin allein verfolgte Abwehrkomponente erschließe sich nicht, wieso der Abschluss des Haftungsprozesses nicht zugleich auch der Schlusspunkt sein sollte für die Prüfung, ob der Abwehranspruch bestehe oder nicht. Allerdings könne die Klägerin nur einen Teil der von ihr verauslagten Verfahrenskosten erstattet verlangen. Die Beklagte schulde grundsätzlich nur die Erstattung von Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage einer Abrechnung nach dem RVG. Eine Erstattung über die Gebühren nach dem RVG hinaus komme nur im Falle des Vorliegens einer zuvor mit der Beklagten abgestimmten Honorarvereinbarung in Betracht, an der es vorliegend fehle. Damit sei das RVG der alleinige Maßstab der Bemessung des Erstattungsbetrages. Davon ausgehend, dass bereits in dem Texas-Verfahren Schadensersatzansprüche von 200.000.000 $ im Raum gestanden hätten, sei bei dem Minnesota-Verfahren von einem Streitwert in mindestens dieser Höhe auszugehen. Im Hinblick auf § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG könne dies dahinstehen.

Die Erstattung der Vergleichszahlung von 17.000.000,-- $ könne die Klägerin dagegen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihnen am 12.02.2019 zugestellte Urteil haben die Klägerin am 08.03.2019 und die Beklagte am 12.03.2019 Berufung eingelegt und diese jeweils nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.06.2019 am 12.06.2019 begründet.

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung geltend, das Landgericht habe die von Y vorgebrachten Vorwürfe im Texas-Verfahren fehlerhaft in Bezug auf den Eintritt des Versicherungsfalles gewürdigt. Der Schaden, den Y geltend gemacht habe, hätte nur durch eine tatsächliche, nicht bloß drohende Verwendung der angeblich entwendeten Daten verursacht werden können. Insofern bezieht sich die Klägerin auf ein Gutachten von L, das das Landgericht fehlerhaft nicht berücksichtigt habe. Der Vorwurf der tatsächlichen Verwendung ergebe sich explizit aus den Ausführungen in der Klageschrift sowie dem weiteren Schriftsatz vom 03.12.2014 im Texas-Verfahren. Auch Mutmaßungen bzw. ein bloßes Fürmöglichhalten reichten zur Begründung des Versicherungsfalles aus. Dies müsse vorliegend auch deshalb gelten, weil Y nicht in der Lage gewesen sei, die Vorwürfe gegenüber Frau E weiter zu konkretisieren.

Darüber hinaus habe das Landgericht fehlerhaft differenziert zwischen Vortrag zur Begründung des Unterlassungsantrags und solchem zur Begründung des Schadenersatzanspruchs. Die Ansicht des Landgerichts, der Sachverhalt sei anhand der zwei Rechtsschutzziele von Y getrennt zu bewerten, sei nicht haltbar. Der Vortrag in dem erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei zudem nicht nur in Bezug auf die begehrte Unterlassung, sondern auch in Bezug auf den begehrten Schadensersatz gehalten worden.

Im Hinblick auf die Oregon-Subpoena macht die Klägerin geltend, der Vortrag der Partei sei innerhalb eines Verfahrens einheitlich zu würdigen und nicht auf verschiedene Anträge aufzuteilen. Das Hauptsacheverfahren, dessen Teil das Subpoena-Verfahren sei, habe nicht allein dem Schadensersatz, sondern auch der Unterlassung gedient. Das Ergebnis des Landgerichts sei zudem widersprüchlich.

Die Klausel über Mischfälle (Ziffer IV.5.c) AVB) habe das Landgericht fehlerhaft angewendet, indem es unzutreffend von einer Trennung des Sachverhaltes ausgegangen sei.

Auch die Klausel in Ziffer VI.2 AVB (Abstimmungserfordernis) habe das Landgericht fehlerhaft ausgelegt. Bereits nach dem Wortlaut beziehe sich das Abstimmungserfordernis nur auf die Kosten, die solche nach dem RVG oder einer vergleichbaren Gebührenordnung überstiegen. In den USA gebe es aber keine dem RVG vergleichbare Gebührenordnung. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne der Klausel nicht entnehmen, dass bei einem im Ausland verorteten Haftpflichtfall grundsätzlich das deutsche RVG als Leistungsmaßstab anzuwenden sei. Die Auslegung des Landgerichts führe dazu, dass die Hauptleistungspflicht der Beklagten unter dem Vorbehalt der freien Zustimmung durch diese stehe, was eine wesentliche Verletzung des Grundgedankens von § 100 VVG bedeute. Überdies sei eine Abstimmung durch das Verhalten der Klägerin erfüllt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne die Regelung nur so verstehen, dass dem Versicherer die Möglichkeit der Beteiligung gegeben werden müsse. Dies aber habe die Klägerin getan. Eine weitergehende Abstimmung sei an der Nichtbeteiligung bzw. Verweigerungshaltung der Beklagten gescheitert, so dass sich diese jetzt nach § 242 BGB nicht auf deren Fehlen berufen könne. Zudem müsse die Abstimmung nicht zwingend vor Abschluss der Honorarvereinbarung erfolgen, sondern könne auch nachgeholt werden.

Die Pflicht zur Abwehr der Ansprüche - die Hauptleistungspflicht der Beklagten - sei unzulässig vertraglich auf den Versicherungsnehmer übertragen worden. Zudem handele es sich bei Ziffer IV.2 AVB um eine verhüllte Obliegenheit. Die Vergleichskosten seien als ersparte Abwehrkosten erstattungspflichtig.

Im Übrigen verteidigt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil, soweit es ihr günstig ist.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt vom 01.02.2019, Az. 2-08 O 85/17,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.401.501,34 $ und 729.422,58 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die X Inc., Staße1, Stadt3, ..., USA, 28.661.581,66 $ und 68.643,41 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt ihrerseits,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 01.02.2019, Az. 2-08 O 85/17, teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt insoweit,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und macht zur Begründung ihrer Berufung geltend, das Landgericht habe fehlerhaft keine objektive Bestimmung der schadensverursachenden Pflichtverletzung auf Basis des Tatsachenvortrags von Y vorgenommen, sondern sich fehlerhaft an die von Y vorgetragenen Rechtsansichten gebunden gesehen. Bei der Prüfung, ob ein Versicherungsfall eingetreten sei, sei aber nicht auf die Rechtsansichten, sondern allein auf den zur Begründung vorgetragenen Sachverhalt abzustellen. Aus der Pflicht zur selbständigen rechtlichen Würdigung des Tatsachenvortrags folge, dass die mögliche schadensverursachende Pflichtverletzung auf der Basis des US-amerikanischen Rechts bestimmt werden müsse. Entscheidend sei danach, ob die später erfolgte Verwendung in rechtlicher Hinsicht überhaupt eine separate und schadensverursachende Pflichtverletzung darstellen könne. Nach US-amerikanischem Recht sei der Anspruch auf Schadensersatz bereits dann begründet, wenn sich ein Mitarbeiter rechtswidrig in den Besitz von Daten bringe und die Verwendung dieser Daten bei dem neuen Arbeitgeber als zwingende Folge zu qualifizieren sei. Daher könne die Verwendung der Daten keine Pflichtverletzung beinhalten, die in innerem Zusammenhang mit der Tätigkeit von Frau E als President von X Inc. stehe. Die Verwendung sei nicht in Ausübung der versicherten Tätigkeit erfolgt.

Die Voraussetzungen von Ziffer V.15 AVB - die Deckungserweiterung für die Abwehr von Unterlassungs- und Herausgabeansprüche - seien nicht erfüllt. Die Klausel setze voraus, dass noch kein Versicherungsfall im Sinne von Ziffer 1.1 AVB eingetreten sei, was sich auch aus der Überschrift "Deckungserweiterungen" ergebe. Nach US-Recht aber sei es ausgeschlossen, dass Y gestützt auf die bloße Verwendung der Daten Schadensersatzansprüche geltend mache, so dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Versicherungsfalles gegeben sei.

Das Landgericht habe den potentiellen Streitwert des Texas-Verfahrens nicht geprüft, sondern eine bloße Unterstellung der Klägerin ohne sachliche Basis übernommen.

Fehlerhaft habe sich das Landgericht auch mit dem Ausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung befasst. Frau E habe im Texas-Verfahren ein Geständnis abgegeben, so dass eine wissentliche Pflichtverletzung nicht streitig sein könne. Bezüglich der Auslegung der Klausel in Ziffer VI.1 AVB habe das Landgericht übersehen, dass die Beklagte keine Möglichkeit gehabt habe, den Vergleichsschluss zu verhindern und so die Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung zu erreichen. Die Formulierung "rechtskräftig festgestellt" könne nicht bedeuten, dass die Ausschlussklausel nur bei rechtskräftiger Verurteilung der versicherten Personen Anwendung finde. Die Auslegung des Landgerichts berge eine hohe Missbrauchsgefahr. Denn danach liege es allein in der Hand des Versicherungsnehmers, ob die Klausel zur Anwendung gelange oder nicht.

Der erneute Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei ihr bis zur Vorlage im hiesigen Verfahren nicht bekannt gewesen.

Das Landgericht habe nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Regelung in Ziffer IV.8 AVB widersprüchlich sein sollte.

Hinsichtlich des Minnesota-Verfahrens macht die Beklagte geltend, HerrF sei nicht als versicherte Person in Anspruch genommen worden. Der Vorwurf sei gewesen, dass er sich während seiner Zeit bei Y von X habe bestechen lassen und das sogenannte Logbuch entwendet habe. D habe nicht als versicherte Person gehandelt, sondern als oberster Anteilseigner der Klägerin. Das Landgericht sei zu einer eigenständigen rechtlichen Würdigung verpflichtet. Die Formulierung "nicht zu widerlegen" deute darauf hin, dass es eine solche nicht vorgenommen habe. Der Vorwurf von Y sei dahin gegangen, dass D und Herr B die Herren M und F zum Datendiebstahl angestiftet hätten. Die Haftung von D sei dabei auf seine Stellung als Gesellschafter gestützt worden.

Auch hinsichtlich der Höhe fehle es an einer hinreichenden Auseinandersetzung des Landgerichts mit dem Sach- und Streitstand. So habe es die Voraussetzungen der Kappungsgrenze nach § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG und deren Ausschlussverhältnis zu Nr. 1008 VV-RVG ebenso wenig berücksichtigt wie die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin.

Im Hinblick auf die von ihr gerügte Unangemessenheit der angefallenen Kosten sowie die Fehlerhaftigkeit der jeweiligen Abrechnung bezieht sich die Beklagte auf eine Stellungnahme der amerikanischen Kanzlei4 (Bl. 1722 ff. der Akte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zur Gerichtsakte gereicht worden sind.

II.

Die jeweils form- und fristgerecht eingereichten und begründeten Berufungen der Parteien sind zulässig und haben auch in der Sache teilweise Erfolg.

Der Senat konnte über die geltend gemachten Ansprüche durch Grund- und Teilurteil entscheiden.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils liegen vor. Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.2016 - VII ZR 168/15 - zit. n. Juris).

Vorliegend besteht Streit nach Grund und Betrag, da die Beklagte ihrer Inanspruchnahme sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach entgegentritt. Mit der Entscheidung zur Eintrittspflicht der Beklagten sind alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt. Bezogen auf die Anspruchshöhe fehlt es indes an der Entscheidungsreife.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf bedingungsgemäßen Deckungsschutz aus der zwischen ihnen bestehenden Entscheiderhaftpflichtversicherung in Bezug auf die Abwehrkosten für das Texas-Verfahren sowie in Bezug auf die Abwehrkosten für das Minnesota-Verfahren.

Weitergehende Ansprüche auf Deckungsschutz, insbesondere auf Erstattung des Vergleichsbetrages in Höhe von 17.000.000,-- Dollar, bestehen nicht. Da der Rechtsstreit insoweit zur Entscheidung reif ist und eine Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht besteht, konnte die diesbezügliche Berufung der Klägerin durch Teilurteil nach § 301 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Zwar stehen nach Ziffer X. AVB die Rechte auf Versicherungsschutz sowie deren Geltendmachung ausschließlich den versicherten Personen zu. Nach Ziffer I.2 AVB gehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag jedoch auf die Klägerin oder ihre Tochtergesellschaft über, wenn diese die versicherte Person freigestellt hat. Dies hat das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen festgestellt. Überdies hat Frau E im Umfang ihrer Freistellung die Rechte an die X Inc. abgetreten (Anlage K 41, Bl. 419 f. der Akte), die ihrerseits eine Abtretung an die Klägerin vorgenommen hat (Anlage K 42, Bl. 421 f. der Akte).

Der Versicherungsfall ist in Bezug auf das Texas-Verfahren mit Erhebung der Klage vom 16.09.2014 gegen Frau E durch Y eingetreten.

Frau E ist als "president" der X medical Inc. versicherte Person im Sinne von Ziffer XIII.9 AVB. Dies wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

Ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall liegt in Bezug auf das Texas-Verfahren vor.

Nach Ziffer I.1. AVB gewährt der Versicherer den versicherten Personen Versicherungsschutz für den Fall, dass sie erstmals während der Versicherungsperiode oder einer Nachmeldefrist wegen einer Pflichtverletzung, die sie in ihrer Eigenschaft als versicherte Person begangen haben, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen auf Ersatz eines Vermögensschadens schriftlich in Anspruch genommen werden, sofern die versicherten Personen bei Abschluss des Versicherungsvertrages von der Pflichtverletzung keine Kenntnis hatten.

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist darauf abzustellen, welche Pflichtverletzung der versicherten Person vorgeworfen wird. Maßgeblich ist dabei der äußere Tatbestand der Pflichtwidrigkeit, nicht dessen rechtliche Einordnung, da auch eine Bindungswirkung eines Haftpflichtprozesses für den Deckungsprozess sich nur auf die zugrunde gelegten tatsächlichen Elemente erstreckt, nicht aber auf dessen rechtliche Einordnung (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2010 - IV ZR 211/07 - zit. n. Juris; siehe auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.11.2019 - 4 U 182/17 - zit. n. Juris).

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat Y gegenüber Frau E in der Klageschrift vom 16.09.2014 nicht nur eine bloße drohende Nutzung ihrer Geschäftsgeheimnisse behauptet, sondern eine schon erfolgte Verwendung.

Ausweislich der Klageschrift vom 16.09.2014 im Texas-Verfahren hat Y Frau E vorgeworfen, während ihrer Zeit bei Y Geschäftsgeheimnisse entwendet zu haben und diese nach Aufnahme ihrer Tätigkeit bei X Inc. zu verwenden. Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass aus einer drohenden Verwendung der Geschäftsgeheimnisse nur ein Unterlassungsantrag hergeleitet wird, übersieht es, dass Y in der Klageschrift von 16.09.2014 auch eine tatsächliche Verwendung der Daten jedenfalls behauptet hat und dies auch zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs heranzieht.

So lautet es auf S. 8 der Klageschrift: "Gleichgültig ihrer Absicht wird Frau E mit Annahme der Position bei X unweigerlich Handelsgeheimnisse der Y für ihren eigenen Nutzen und für den Nutzen von X offenlegen und verwenden oder hat dies bereits getan. ... Als direkte und unmittelbare Folge der gedrohten und tatsächlichen Veruntreuung von Handelsgeheimnissen und vertraulichen und geschützten Informationen hat Y einen umfangreichen nicht wiedergutzumachenden Schaden, Verlust von Ansehen, Geschäftsschädigung, Verlust von Arbeitnehmern und andere Verletzungen und Schäden erlitten und wird diese weiterhin erleiden, für die es kein angemessenes Rechtsmittel gibt". Auf Seite 9 lautet es weiter: "Als Folge des Verhaltens der Frau E, also ihrer Verletzung des CFAA (= Computer Fraud and Abuse Act), hat Y Schäden und Verluste erlitten und wird diese erleiden, die sich auf mindestens $ 5.000 belaufen. Gemäß dem CFAA darf Y eine Zivilklage erheben und hat Anspruch auf Schadenersatz und Unterlassungsanspruch und andere billigkeitsrechtliche Rechtsbehelfe als Folge des Verhaltens der Frau E Als Klagebegehren wird auf Seite 10 ausdrücklich angeführt: "Gerichtliche Entscheidung darüber, dass Y Schadenersatz für unmittelbare Schäden und für Folgeschäden sowie Schadenersatz mit Strafwirkung zugesprochen wird (einschließlich Zinsen vor und nach dem Urteilsspruch) für die Verluste, die durch die tatsächliche oder gedrohte Veruntreuung durch Frau E von vertraglichen und geschützten Informationen und Handelsgeheimnissen der Y verursacht wurden".

Angesichts dieser Ausführungen ist die Aufspaltung, die das Landgericht vorgenommen hat, künstlich und nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als Y innerhalb der Begründung sowohl für das Unterlassungsbegehren als auch für den Schadensersatzanspruch nicht zwischen schon erfolgter und nur drohender Verwendung der Daten unterscheidet.

Soweit die Beklagte einwendet, dass es für die von Y geltend gemachten Ansprüche nicht auf eine tatsächliche Verwendung ankomme, sondern es bereits ausreiche, dass eine widerrechtliche Entwendung erfolge und die drohende Verwendung bei einem anderen Arbeitgeber zwangsläufige Konsequenz sei, steht dies der Annahme eines Versicherungsfalles nicht entgegen. Denn wie zuvor ausgeführt, kommt es in diesem Zusammenhang auf die tatsächlichen Behauptungen von Y an. Diese aber bestehen unter anderem auch darin, dass eine Verwendung von Geschäftsgeheimnissen unausweichlich erfolgt, worin der Vorwurf einer tatsächlichen Nutzung während ihrer Tätigkeit für X jedenfalls enthalten ist. Überdies kommt es auf die schriftliche Geltendmachung in der Klageschrift vom 16.09.2014 an, so dass dem Beweisantritt der Beklagten im Schriftsatz vom 22.12.2020 nicht nachzugehen war.

Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 13.09.2017 - 7 U 4126/13 - zit. n. Juris) lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Danach dürfe aufgrund eines zu fordernden unmittelbaren inneren und äußeren Zusammenhangs zwischen der ausgeübten Tätigkeit der versicherten Person und der pflichtwidrigen schadensverursachenden Handlung der Schaden nicht nur bei Gelegenheit der versicherten Tätigkeit verursacht worden sein, sondern müsse vielmehr bei Ausübung der versicherten Tätigkeit verursacht worden sein. Die pflichtwidrige Handlung der versicherten Person dürfe nicht aus dem Kreis oder dem allgemeinen Rahmen der ihr anvertrauten Aufgaben herausfallen, sondern es müsse sich noch um eine im Leistungsbereich liegende Fehlleistung handeln. An dem notwendigen inneren Zusammenhang fehle es, wenn sich die versicherte Person vollständig vom Auftrag bzw. ihrem Amt löse.

Der Entscheidung lag indes im Gegensatz zum vorliegenden Fall ein Innenhaftungsfall zugrunde, in dem versicherte Personen von der Versicherungsnehmerin in Anspruch genommen wurden. Zum anderen war Versicherungsschutz dort für den Fall zugesagt worden, dass die versicherten Personen "wegen einer Pflichtverletzung bei der Ausübung der versicherten Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden haftpflichtig gemacht werden". Hingegen lautet es in Ziffer I.1 AVB "wegen einer Pflichtverletzung, die sie in ihrer Eigenschaft als versicherte Person begangen haben". Überdies überzeugt die Argumentation des Oberlandesgerichts München nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob es sich - wie das Oberlandesgericht München angenommen hat - bei der Formulierung "bei Ausübung der versicherten Tätigkeit" um einen feststehenden Begriff der Rechtssprache handelt, da diese Formulierung keinen Eingang in Gesetz gefunden hat. Soweit dies doch der Fall ist, handelt es sich nicht um einen feststehenden Begriff, weil seine Bedeutung immer nur im Sinnzusammenhang mit der Vorschrift ermittelt werden kann. Der vom Oberlandesgericht München vorgenommene Schluss von der Verwendung der Formulierung in Art. 34 Satz 1 GG bzw. § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht, da eine Bezugnahme auf diese Regelungen für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer in der D&O-Versicherung nicht erkennbar sein dürfte (Koch, Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Pflichtverletzung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit" im Rahmen der D&O-Versicherung, in: ZIP 2018, S. 301 ff.).

Zwar ist unter Ziffer XIII. 4 AVB geregelt, dass als Pflichtverletzung eine tatsächliche oder behauptete fehlerhafte Handlung oder Unterlassung einer versicherten Person in Ausübung ihrer Tätigkeit für die Versicherungsnehmerin gilt. Das ändert jedoch an den oben dargestellten Erwägungen nichts. Auch der nach dem Vortrag der Klägerin gegenüber Frau E zu Unrecht erhobene Vorwurf der unberechtigten Verwendung von Geschäftsgeheimnissen stünde jedenfalls noch im Zusammenhang mit den ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit für X Inc. anvertrauten Aufgaben, so dass auch nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts München der erforderliche Zusammenhang gegeben ist.

Auch wenn zunächst Bezugspunkt der Vorwürfe von Y die Aufnahme der Tätigkeit als President beim Konkurrenzunternehmen ist, liegt dennoch eine Tätigkeit von Frau E in ihrer Eigenschaft als versicherter Person vor. Denn die Frau E vorgeworfene tatsächliche Verwendung von Geschäftsgeheimnissen erfolgte nicht bloß bei Gelegenheit, sondern das von Frau E ausgeübte Amt soll geradezu den Geheimnisverrat erzwingen.

Hinzu kommt, dass Y mit Klageschrift vom 16.09.2014 nicht nur Unterlassung, sondern auch Schadensersatz begehrt, weil nach ihrem Vortrag jedenfalls bei nicht rechtzeitiger Hinderung an der Aufnahme der Tätigkeit ein erheblicher Schaden durch Verwendung der Geschäftsgeheimnisse eintritt, den Y mit Klageschrift vom 16.09.2014 auch bereits geltend gemacht hat.

Entgegen der Darstellung des Landgerichts wird in der Klageschrift vom 16.09.2014 nicht zwischen der tatsächlich begangenen Handlung - der Entwendung - und der als bevorstehend qualifizierten weiteren Handlung - der Verwendung - differenziert. Auch werden nicht unterschiedliche Ansprüche hieraus abgeleitet. Bei der Formulierung "oder hat dies bereits getan" handelte es sich bei Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Klageschrift vom 16.09.2014 auch nicht um eine bloße Mutmaßung, sondern eine tatsächliche Behauptung, zumal die entsprechenden Beweise erst im Rahmen des eingeleiteten Verfahrens erlangt werden sollten. Da danach für den Eintritt des Versicherungsfalls auf die Klageschrift vom 16.09.2014 und den ersten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzustellen ist, kann die Beklagte auch nicht mit den Vortrag gehört werden, sie sei zur Prüfung ihrer Einstandspflicht erst mit Vorlage des erneuerten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 22.06.2018 (Anlage K 47) in der Lage gewesen.

In Bezug auf das sogenannte Minnesota-Verfahren ist ebenfalls von einem Versicherungsfall auszugehen.

In diesem Verfahren wurden neben der Klägerin und X Inc. die Herren B, F und D in Anspruch genommen. Der Vorwurf lautete dahin, dass seit Mitte 2011 ein fortlaufender Plan umgesetzt worden sei, gezielt Handelsgeheimnisse von Y durch Abwerben von deren Mitarbeitern zu stehlen. Zunächst soll Herr B sich mit Herrn M getroffen haben wegen eines Wechsels zu X. Herr M soll angeblich Herrn F angewiesen habe, vertrauliche Protokolle der Arbeitsverträge zu stehlen. HerrF soll Herrn M in Bezug auf seine Wechselabsicht unterstützt haben und habe selbst folgen wollen, was dann auch geschehen sei. Sodann soll er an der weiteren Verschwörung mitgewirkt haben.

Herr B war President von X Inc. und ist seit dem 01.01.2015 geschäftsführender Direktor der Komplementärin der Klägerin. Herr F war jedenfalls nach seinem Wechsel zu X als Senior Director of Human Ressources bei X Inc. versicherte Person im Sinne von Ziffer XIII.9.6 AVB.

Herr D ist in der Klage als "principal owner" aufgeführt und ihm wird die Teilnahme an Einstellungsgesprächen mit Herrn M und Frau E vorgeworfen. Versicherte Person ist Herr D nach dem Nachtrag Nr. 2 zwar nur dann, wenn er wie ein Mitglied eines Organs juristischer Personen handelt und haftet. Auch wenn entgegen der Ansicht des Landgerichts allein die Teilnahme an Gesprächen zur Besetzung von Top-Führungspositionen nicht dafür spricht, dass er als Organ der juristischen Person teilgenommen habe, ist weiter jedoch zu berücksichtigen, dass ihm in der Klage konkret vorgeworfen wird, einige der Führungskräfte rekrutiert zu haben, so dass sich seine Teilnahme nicht auf die eines Beobachters beschränkt hat, sondern er in seiner Funktion als Organ tätig geworden ist.

Weder für die Einstandspflicht der Beklagten in Bezug auf das Texas-Verfahren noch in Bezug auf das Minnesota-Verfahren kommt es auf die Frage an, ob die von Y gegenüber X Inc. und den weiteren Personen geltend gemachten Ansprüche tatsächlich bestanden haben.

Denn zum einen macht die Klägerin im vorliegenden Falle nicht Ansprüche auf Freistellung von dem jeweiligen Haftpflichtanspruch, sondern einen Anspruch auf Erstattung von Abwehrkosten geltend. Eine inzidente Prüfung des Haftpflichtanspruchs kommt insofern nicht in Betracht. Denn durch eine inzidente Prüfung des Haftpflichtanspruchs soll der Versicherer vor einer unberechtigten Inanspruchnahme geschützt werden, da ein Anspruch auf Deckungsschutz nur insoweit besteht, wie der Haftpflichtanspruch besteht. Ausweislich der Gesetzesbegründung bezieht sich dies aber auf die Freistellungskomponente, nicht auf die Abwehrkomponente des Versicherungsschutzes. In der Begründung zu § 105 VVG n.F. ist insofern ausgeführt: "Der Versicherungsnehmer kann durch Anerkennen oder Befriedigen einen nicht bestehenden Anspruch des Dritten nicht zu Lasten des Versicherers begründen und darüber hinaus auch nicht den Versicherungsfall herbeiführen; anderenfalls hätte der Versicherungsnehmer die Befugnis, zu Gunsten des Dritten den Versicherer zu belasten. Sowohl das Anerkenntnis als auch die Befriedigung müssen ohne Einfluss auf den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bleiben; verspricht der Versicherungsnehmer dem Dritten mehr als diesem zusteht, geht der Mehrbetrag immer zu Lasten des Versicherungsnehmers. Der Versicherer hat ihn nur von dem Anspruch freizustellen, den der Geschädigte ohne das Anerkenntnis gehabt hätte (BT-Drucks. 16/3945, S. 86)". Eine solche Situation ist aber vorliegend nicht gegeben.

Zum anderen hat die Beklagte die Deckung mit Schreiben vom 11.11.2015 (Anlage K 30) unberechtigt abgelehnt. In diesem Schreiben ist ausgeführt, dass die Beklagte zum jetzigen Zeitpunkt entschieden habe, dass sowohl für das Texas-Verfahren als auch für das Minnesota-Verfahren kein Versicherungsschutz bestehe, da beide Teil eines Serienschadens seien, dessen Beginn vor Beginn der Versicherungsperiode liege, und auf denselben Umständen wie das M-Verfahren gründeten, so dass der Ausschluss für bereits anhängige Verfahren nach Ziffer VI.3 AVB greife.

Nicht nachvollziehbar ist die Auffassung der Beklagten, das Schreiben stelle keine - endgültige - Deckungsablehnung dar. Allein aus der Formulierung "at this time" konnte die Klägerin nicht schließen, dass die in dem Schreiben dargestellten Gründe nur eine vorläufige Einschätzung, aber keine Entscheidung darstellen sollten. Dies lässt sich mit der weiteren Formulierung "does not afford coverage" (bietet keinen Versicherungsschutz) nicht in Einklang bringen, die einen Deckungsschutz gerade ausschließt. Darüber hinaus hat sie im Schreiben vom 14.01.2016 (Anlage K 32) die Ablehnungsgründe ausdrücklich aufrechterhalten, so dass sie selbst von einer vorhergehenden Ablehnung ausgegangen ist.

Die Beklagte war indes nicht berechtigt, den Deckungsschutz unter Hinweis auf die Serienschadenklausel und den Ausschluss für bereits anhängige Verfahren nach Ziffer VI.3 AVB abzulehnen.

Auf einen Ausschluss des Versicherungsschutzes wegen eines Serienschadens nach Ziffer IV.8 AVB kann sich die Beklagte nicht berufen. Die Klausel hat für den hier einschlägigen Fall folgenden Wortlaut:

Mehrere während der Versicherungsperiode oder einer Nachmeldefrist erhobene Haftpflichtansprüche gelten als ein einheitlicher Versicherungsfall, wenn die Haftpflichtansprüche auf mehreren, durch eine oder mehrere Personen begangenen Pflichtverletzungen beruhen, sofern diese Pflichtverletzungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und miteinander in zeitlichem, rechtlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Der Versicherungsfall gilt unabhängig von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Erhebung der einzelnen Haftpflichtansprüche als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste Haftpflichtanspruch der zusammengefassten Ansprüche erhoben wurde.

Liegt die erste Inanspruchnahme vor dem als Beginn der Versicherung festgelegten Zeitpunkt, ist der gesamte Serienschaden nicht versichert.

Im Falle eines Serienschadens findet der im Versicherungsschein genannte Selbstbehalt nur einmal Anwendung.

Die Beklagte beruft sich insofern darauf, dass die Inanspruchnahme im Minnesota-Verfahren mit der Inanspruchnahme im sogenannten M-Verfahren im Jahre 2012 einen Serienschaden bilde, wobei die erste Inanspruchnahme vor Versicherungsbeginn liege, so dass der gesamte Serienschaden nicht versichert sei.

Die dargestellte Serienschadenklausel fasst mehrere Versicherungsfälle zu einem Versicherungsfall zusammen (Fiktion eines Versicherungsfalls) und bestimmt den Zeitpunkt seines Eintritts (Fiktion eines Eintrittszeitpunkts; siehe hierzu Lange, Die Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung, in: VersR 2004, S. 563).

Nach dem Wortlaut der Klausel liegt indes kein Serienschaden vor. Die Regelung in Ziffer IV.8 AVB stellt ausdrücklich auf mehrere während der Versicherungsperiode erhobene Haftpflichtansprüche ab. Als Versicherungsperiode gilt nach Ziffer XIII.13 AVB der im Versicherungsschein festgesetzte Zeitraum, hier der 01.01.2014 bis 01.01.2015 bzw. nach Verlängerung der 01.01.2015 bis 01.01.2016. Voraussetzung für die Verknüpfung mehrerer Haftpflichtpflichtfälle zu einem Versicherungsfall ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel, dass ihre Erhebung innerhalb einer Versicherungsperiode erfolgt, woran es bei dem M- und dem Minnesota-Verfahren indes fehlt.

Das Abstellen auf die Versicherungsperiode ist auch nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass Zweck der Klausel ist, die Einstandspflicht des Versicherers für mehrere Schadensereignisse einer Serie auf die einmalige Bereitstellung der vereinbarten maximalen Deckungssumme zu begrenzen (Büsken, Voraussetzungen und Wirksamkeit der Serienschadenklausel der AHB, in: NJW 2003, S. 1715). Dementsprechend ordnet die Klausel an, dass im Falle eines Serienschadens der im Versicherungsschein genannte Selbstbehalt nur einmal Anwendung findet.

Von einem Serienschaden kann danach schon nach dem Wortlaut nicht ausgegangen werden. Eine ausdehnende Auslegung, wie die Beklagte sie begehrt, kommt nicht in Betracht. Es handelt sich um eine Risikobegrenzungsklausel, die grundsätzlich eng auszulegen ist, nämlich nicht weiter, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (BGH, Urteil vom 27.11.2002 - IV ZR 159/01 - zit. n. Juris). Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH, Urteil vom 17.09.2003 - IV ZR 19/03 - zit. n. Juris).

Auch liegt dem Minnesota- und dem M-Verfahren nicht derselbe Sachverhalt im Sinne der Klausel zugrunde.

Die Formulierung "derselbe Sachverhalt" ist dahin auszulegen, dass ein gleicher, vergleichbarer oder ähnlicher Sachverhalt nicht ausreichend sein soll (Finkel/Seitz, in: Seitz/Finkel/Klimke, D&O-Versicherung, 2016, Ziffer 4 AVB-AVG Rdnr. 178). Y stützt aber die geltend gemachten Ansprüche auf eine Anzahl verschiedener, wenn auch gleichartiger tatsächlicher Vorgänge, die - legt man die Maßstäbe zugrunde, die im Rahmen des § 322 Abs. 2 ZPO gelten - nicht mehr einem Lebenssachverhalt zugeordnet werden können.

Die Klausel ist ungeachtet dessen nicht hinreichend bestimmt und verstößt so gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Hiernach ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht allerdings nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist. Diese sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 04.04.2018 - IV ZR 104/17 - zit. n. Juris).

Diesen Maßstäben genügt die Serienschadenklausel nicht. Dies ergibt sich zum einen aus der Formulierung "demselben Sachverhalt". Auch am Maßstab eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einer D&O-Versicherung, auf den abzustellen ist, ist nicht zu erkennen, welche Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht vorliegen müssen, damit von "demselben Sachverhalt" gesprochen werden kann. Mit der gewählten Klausel ist eine erhebliche Unsicherheit darüber verbunden, wo die Grenzen des Versicherungsschutzes liegen. Es wird nicht auf ein punktuelles, bestimmtes Ereignis abgestellt, sondern die Frage, ob von "demselben Sachverhalt" auszugehen ist, fordert dem Versicherungsnehmer eine Wertung ab. Konkrete Maßstäbe, anhand deren der Versicherungsnehmer - auch im Vorhinein - beurteilen kann, ob von "demselben Sachverhalten" auszugehen ist, enthält die Klausel nicht. Dem Versicherungsnehmer wird keine klare Erkenntnisgrundlage geboten, welche verschiedenen Vorgänge oder Ereignisse zu einem einheitlichen Versicherungsfall kontrahiert werden (zu diesem Erfordernis Finkel/Seitz, a.a.O.). Gerade dies wäre aber im Hinblick darauf erforderlich, dass dann, wenn die erste Inanspruchnahme vor Versicherungsbeginn liegt, der gesamte Serienschaden nicht versichert ist. Insofern könnte es zu einer Lücke im Versicherungsschutz kommen, mit denen der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht zu rechnen braucht, ohne dass ihm dies hinreichend vor Augen geführt wird.

Maßstäbe ergeben sich auch nicht daraus, dass die Pflichtverletzungen in zeitlichem, rechtlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang stehen müssen. Denn damit werden Begriffe verwendet, die ihrerseits wiederum in hohem Maße unbestimmt und auslegungsbedürftig sind. Bei dem Ausdruck "rechtlicher und wirtschaftlicher" Zusammenhang handelt es sich um eine schwer zu präzisierende Klausel (BGH, Urteil vom 17.09.2003 - IV ZR 19/03 - zit. n. Juris). Jedenfalls der Begriff des zeitlichen Zusammenhangs ist zu unbestimmt. Soll damit ein Zeitraum von wenigen Tagen, wenigen Wochen, Monaten oder - wie hier - gar Jahren erfasst sein? Unter einem "zeitlichen Zusammenhang" kann man alles oder nichts verstehen; alles hängt mit allem irgendwie zeitlich zusammen (Diller, in: Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2015, § 3 AVB-V Rdnr. 91).

Überdies ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Verhältnis zwischen der Serienschadenklausel (kein Versicherungsschutz, wenn die erste Inanspruchnahme vor Versicherungsbeginn liegt), zu der Klausel in Ziffer II.2 AVB (Rückwärtsdeckung) nicht klar. Danach sind vom Versicherungsschutz während der Versicherungsperiode eingetretene Versicherungsfälle umfasst, die auf Pflichtverletzungen beruhen, welche vor Vertragsbeginn begangen wurden und von welchen die betroffene versicherte Person oder die Vernehmungsnehmerin bei Abschluss des Versicherungsvertrages keine Kenntnis hatte.

Auf einen Ausschluss wegen eines Serienschadens im Sinne von Ziffer IV.8 AVB kann sich die Beklagte nach alledem nicht berufen.

Aber auch der Ausschluss in Ziffer VI.3 AVB - bereits anhängige Verfahren - kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da er nicht hinreichend bestimmt und damit ebenfalls wegen eines Verstoßes nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam ist.

Die Klausel hat folgenden Wortlaut: "Aus diesem Versicherungsvertrag erbringt der Versicherer keine Leistungen für Versicherungsfälle aufgrund von oder im Zusammenhang mit bei Abschluss dieses Versicherungsvertrages - wobei der jeweils spätere Zeitpunkt maßgebend ist - bereits eingeleiteten, anhängigen oder abgeschlossenen Rechtsstreitigkeiten oder Ermittlungsverfahren gegen versicherte Personen und/ oder Sachverhalten, die Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten oder Verfahren sind".

Es ist völlig unklar, was mit "aufgrund von oder im Zusammenhang mit bei Abschluss des Vertrages" gemeint ist. Ein irgendwie gearteter Zusammenhang lässt sich vielfach begründen. Das Landgericht hat insofern zu Recht ausgeführt, dass anders als in Ziffer IV.8 AVB, der eine Eingrenzung dahin vornimmt, dass ein zeitlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang vorliegen muss, es in der hier zu beurteilenden Regelung keinerlei die Auslegung lenkende Einschränkung gibt. Dem Versicherungsnehmer wird nicht deutlich gemacht, in welchen Fällen eines Zusammenhangs der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist, da ihm wiederum eine Wertung abverlangt wird. Der Anwendungsbereich ist aufgrund des Wortlauts uferlos. Auch bei einer restriktiven Auslegung können ihm keine Konturen gegeben werden. Insbesondere die Verknüpfung mit "im Zusammenhang mit jenen Verfahren stehende Sachverhalte" lässt sich nicht mehr eingrenzen.

Der von der Beklagten angeführte Ausschluss nach dem Vertragsteil "Versicherung des Finanzinteresses" greift nicht ein. Denn die Klägerin macht nicht eine Wertminderung ihrer Beteiligung geltend, sondern geht aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Erstattung von Abwehrkosten vor. Der Ausschluss nach Ziffer II.6 AVB greift ebenfalls nicht, da hier ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 11.11.2015 (Anlage K 30) lokale Policen bestanden und auf dieser Basis die Master-Police Anwendung findet.

Danach ist die Deckungsablehnung durch die Beklagte zu Unrecht erfolgt und war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Versicherungsschutz in Form von Abwehrkosten zu leisten.

Dem steht der von der Beklagten erhobene Einwand wissentlicher Pflichtverletzungen nach Ziffer VI.1 AVB nicht entgegen. Danach erbringt der Versicherer keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag für Versicherungsfälle aufgrund von oder im Zusammenhang mit einer wissentlichen Pflichtverletzung.

Allerdings besteht, wenn streitig ist, ob eine versicherte Person eine Pflicht wissentlich verletzt hat, unabhängig von dem Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung vorläufig Versicherungsschutz für die Abwehr eines Haftpflichtanspruchs. Die Beklagte wäre danach verpflichtet gewesen, zunächst die Kosten für die Abwehr der gegen Frau E und X. Inc. erhobenen Ansprüche zu übernehmen. Diese Verpflichtung hat die Beklagte nicht erfüllt und kann hieraus nunmehr keine Vorteile ziehen.

Zwar sieht die Klausel weiter vor, dass der Versicherungsschutz rückwirkend wegfällt, wenn die wissentliche Pflichtverletzung rechtskräftig festgestellt ist. Die Beklagte kann sich hierauf indes nicht berufen.

Zum einen ist die Klausel nicht hinreichend transparent. Es bleibt unklar, was mit der Formulierung "rechtskräftig festgestellt" gemeint sein soll. Der um Verständnis bemühte durchschnittliche Versicherungsnehmer wird der Klausel zwar entnehmen, dass der Versicherer nur vorläufig leisten und sich die Rückforderung vorbehalten will, sofern tatsächlich ein wissentlicher Verstoß gegen Pflichten vorlag. An welche Bedingung dies konkret geknüpft wird, bleibt jedoch unklar. Eine rechtskräftige Feststellung der wissentlichen Pflichtverletzung erfolgt jedenfalls im Haftpflichtprozess nicht. Dort wird nur über den Haftpflichtfall entschieden, wobei in die Rechtskraft der dortigen Entscheidung der Versicherer nicht einbezogen ist, da er an diesem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligt ist. In welchem Rechtsverhältnis eine rechtskräftige Feststellung getroffen werden muss, um die Klausel zu erfüllen, wird auch nicht hinreichend deutlich. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer - auch einem solchen einer D&O-Versicherung - werden die verschiedenen Rechtsverhältnisse und die in diesem Zusammenhang sich stellenden - im Einzelnen auch in Rechtsprechung und Literatur streitigen - Fragen zur Bindungswirkung eines Urteils im Haftpflichtprozess, deren Reichweite und der Begriff der Voraussetzungsidentität nicht geläufig sein. Für ihn ist daher auch nicht greifbar, wann der Ausschluss greift und er gegebenenfalls mit einer Rückforderung zu rechnen hat. Da die Klausel von einem rückwirkenden Wegfall des Versicherungsschutzes im Sinne einer auflösenden Bedingung spricht, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dies nicht dahin verstehen, dass in einem gesonderten Deckungsprozess zunächst rechtskräftig der wissentliche Pflichtverstoß festzustellen ist. Infolgedessen ist auch nicht hinreichend deutlich, dass sich die rechtskräftige Feststellung nur auf das Deckungsverhältnis, nicht aber auf die abschließende Entscheidung im Haftpflichtprozess beziehen kann.

Zum anderen ist der Ausschlusstatbestand erst mit Rechtskraft einer diesbezüglichen Feststellung erfüllt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird dem Begriff "rechtskräftig" entnehmen, dass eine Entscheidung vorliegen muss, die die Wissentlichkeit feststellt und zudem mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann, also unabänderlich ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es eine solche rechtskräftige Feststellung nicht. Ob eine Entscheidung des Senats überhaupt rechtskräftig wird, ist gegenwärtig nicht abzusehen. Die Ausschlussvoraussetzungen aber müssen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2006 - 4 U 6/06 - zit. n. Juris).

Eine Auslegung dahingehend, dass auf den erkennbaren Sinn und Zweck der Klausel abzustellen ist und infolgedessen auch eine Feststellung im hiesigen Deckungsstreit ausreicht, kommt nicht in Betracht. Damit würde der Inhalt der Klausel über ihren Wortlaut hinaus in einer für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht erkennbaren Weise ausgeweitet werden. Risikoausschlussklauseln aber sind grundsätzlich eng auszulegen (BGH, Urteil vom 08.05.2013 - IV ZR 233/11 - zit. n. Juris). Die Beklagte hat sich für die Formulierung "rechtskräftig festgestellt" entschieden und muss sich daran festhalten lassen. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Behauptung der Beklagten, Frau E habe eine wissentliche Pflichtverletzung gestanden, und die diesbezüglichen Beweisantritte nicht an. Auch der Einwand der Bedingungsvereitelung durch Abschluss des Vergleichs greift nicht durch.

Danach war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Deckungsschutz in Form der Übernahme von Abwehrkosten zu gewähren.

Die Klägerin kann von der Beklagten dagegen nicht die Erstattung der an Y geleisteten Vergleichszahlung in Höhe von 17.ooo.ooo,-- $ verlangen.

Nach Ziffer IV.2 AVB erstattet die Beklagte den versicherten Personen alle notwendigen und angemessenen Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Anspruchsabwehr entstehen und zuvor mit dem Versicherer abgestimmt sind.

Die Klägerin trägt insofern vor, sie habe nicht auf die geltend gemachten Haftpflichtansprüche gezahlt, sondern den Vergleich geschlossen, um ansonsten entstehende Kosten für die Abwehr der unbegründeten Ansprüche zu ersparen. Durch diesen Vortrag aber hat die Klägerin keine begründeten Haftpflichtansprüche vorgetragen, bei deren Vorliegen die Beklagte hätte zahlen müssen. In Fällen, in denen der Versicherungsnehmer Haftpflichtansprüche Dritter leugnet und dennoch eine Zahlungsverpflichtung eingeht, um sich vor Belastungen zu schützen, besteht keine Deckung (Langheid, in: Langheid/Rixecker, VVG, 2019, § 100 Rdnr. 8, unter Hinweis auf OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.06.2011 - 5 U 553/10 - r+s 2012, S. 71). Abwehrkosten im Sinne von § 101 VVG beziehen sich auf die direkte Abwehr eines behaupteten Haftpflichtanspruchs (Brügge, in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 2020, § 19 Rdnr. 471). Nach ihrem eigenen Vortrag aber hat die Klägerin die Vergleichssumme nicht gezahlt, um den Haftpflichtanspruch abzuwehren, sondern um weitere Abwehrkosten zu sparen, wie durch die Stellungnahme von N vom 30.11.2020 (Anlage K 53) bekräftigt wird. Die Vergleichssumme ist danach nicht zur Abwehr des eigentlichen Haftpflichtanspruchs gezahlt worden.

Zwar wäre die Klägerin von der Verpflichtung aus dem Vergleich, den sie nach unberechtigter Deckungsablehnung eingegangen ist, freizustellen gewesen. Denn Folge einer unberechtigten Deckungsablehnung ist grundsätzlich, dass der Versicherer sich nicht mehr auf eine fehlende Zustimmung zu dem Vergleichsabschluss berufen kann und an den Vergleich gebunden ist, so dass der Haftpflichtanspruch nicht mehr zu prüfen ist und der Versicherer sich nur noch auf Einwände aus dem Deckungsverhältnis berufen kann. Denn mit einer unberechtigten Ablehnung des Deckungsschutzes hat sich der Versicherer vertragswidrig verhalten und dem Versicherungsnehmer die Regulierung überlassen (Klimke, Auswirkungen des Wegfalls des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbotes in der Haftpflichtversicherung, in: r+s 2014, S. 105/ 107 f.; Schimikowski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2020, § 105 Rdnr. 4). Jedenfalls bis zur Grenze der Leichtfertigkeit oder Sittenwidrigkeit ist der Versicherer gebunden, da er die Nachteile der Verletzung der ihm gegenüber dem Versicherungsnehmer obliegenden Pflichten zu tragen hat (Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 106 Rdnr. 41; Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 2021, § 106 Rdnr. 6, 10).

Im vorliegenden Falle aber ist zusätzlich die Besonderheit zur berücksichtigen, dass die Vergleichssumme unter Aufrechterhaltung der jeweiligen Standpunkte zur Abwehr eines Anspruchs gezahlt worden ist, der zugleich eine wissentliche Pflichtverletzung beinhaltete. Hätte die Beklagte vertragsgemäß Abwehrdeckung gewährt, hätte es ihr entgegen der Ansicht der Klägerin auch freigestanden, dem Vergleich nicht zuzustimmen und die Abwehr der - auch nach dem Vortrag der Klägerin - unbegründeten Ansprüche weiter zu betreiben.

Dass die "ersparten Abwehrkosten" nicht von der Beklagten zu erstatten sind, ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Die D&O-Versicherung ist eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organmitglieder juristischer Personen. Es handelt sich daher um eine Schadenversicherung in Gestalt einer Passivenversicherung. Die D&O-Versicherung richtet sich auf die Abwehr von Belastungen - in Form von Verbindlichkeiten entweder aufgrund berechtigter Ansprüche oder aufgrund von Aufwendungen für die Abwehr unbegründeter Ansprüche (Dreher, Die Rechtsnatur der D&O-Versicherung, in: DB 2005, S. 1669). Es geht um Belastungen des Vermögens des Versicherungsnehmers und um ungewollte Verbindlichkeiten bzw. Einbußen (Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, 2008 § 1 Rdnr. 55), so dass - nur - der konkret eingetretene und messbare Schaden zu ersetzen ist (Brömmelmeyer, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2020, § 1 Rdnr. 30). Bei den nach dem Vortrag der Klägerin ersparten Abwehrkosten aber handelt es sich nicht um einen konkreten Schaden, sondern es handelte sich um lediglich möglicherweise entstehende Kosten. Eine quasi fiktive Abrechnung ist aber nach den Grundsätzen der Passivenversicherung nicht zulässig.

Die weiteren Streitpunkte zwischen den Parteien betreffen den Umfang und die Höhe der zu erstattenden Kosten, so insbesondere die Frage nach Auslegung und Anwendung von Ziffer IV.2 AVB und nach der Angemessenheit der abgerechneten Kosten, und sind dem Betragsverfahren vorzubehalten. Dies gilt auch für die Kosten der Subpoena Duces Tecum gegen X Inc. in Oregon, da deren Erstattungsfähigkeit die Höhe des Deckungsanspruchs betrifft. Im Hinblick darauf, dass die Einwände der Beklagten die Grundlagen für die Ermittlung der angemessenen Kosten betreffen, konnte auch kein Mindestbetrag zugesprochen werden. Im Betragsverfahren werden beide Parteien zu diesen Punkten weiter vortragen können.

Soweit die Beklagte eine Anzeigepflichtverletzung in den Raum stellt, ist nicht ersichtlich, welche Rechte sie hieraus in Bezug auf den Anspruchsgrund herleiten will.

Die nach Ablauf der verlängerten Frist zur Stellungnahme eingereichten Schrift-sätze boten keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits war der Schlussentscheidung vorzubehalten. Das Erfordernis einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 775 Nr. 1 ZPO.

Die Revision gegen das Urteil war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO). Dies gilt auch für die Entscheidung des Senats, dass die Zahlung der Vergleichssumme nicht als ersparte Abwehrkosten gewertet werden kann, zumal es sich um einen Einzelfall handelt.

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