Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.03.2021 - 20 NE 21.353
Fundstelle
openJur 2021, 14801
  • Rkr:
Tenor

I. § 9 Abs. 2 Nr. 4 Teilsätze 1 und 2 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737) in der Fassung vom 12. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 112) werden mit Wirkung zum 4. März 2021 bis zur Entscheidung über die Hauptsache vorläufig außer Vollzug gesetzt.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Pflegedienstleiterin eines Seniorenzentrums in Bayern. Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO wendet sie sich gegen § 9 Abs. 2 Nr. 4 Teilsätze 1 und 2 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737) in der Fassung vom 24. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 149).

1. Zur Begründung trägt sie u.a. vor, die durch die angegriffenen Vorschriften begründete Pflicht, sich als Beschäftigte einer Einrichtung i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 11. BayIfSMV an mindestens drei Tagen pro Woche einer Testung auf eine SARSCoV-2-Infektion zu unterziehen, halte sich mehr nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage und führe zu einem ungerechtfertigten Eingriff in ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG. In dem Seniorenzentrum, in dem sie tätig sei, seien die Bewohner mittlerweile zweimal geimpft worden; seit der zweiten Impfung sei mehr als eine volle Woche vergangen. Auch sie selbst habe bereits beide Schutzimpfungen erhalten. Zusätzlich sei weiterhin ein umfangreiches Hygienekonzept in Kraft. Dass sich die Antragstellerin ungeachtet dessen weiterhin noch mindestens dreimal wöchentlich testen lassen müsse, stelle nicht nur einen erheblichen organisatorischen Aufwand da, sondern führe auch regelmäßig zu Verletzungen im Nasen- und Rachenbereich, die durch die immer wiederkehrenden Tests zudem nicht abheilen könnten.

Die durch die angegriffenen Bestimmungen angeordnete Beobachtung der Beschäftigten von Einrichtungen i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV überschreite die Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 IfSG, da sie keine Ausnahmen zulasse. Die Beschäftigten von Einrichtungen, die - wie die Antragstellerin - zweimal mit einem mRNA-Impfstoff geimpft worden seien, hätten nach einer Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts eine zu 95% herabgesetzte Wahrscheinlichkeit, an COVID- 19 zu erkranken. Die Anordnung einer Beobachtung nach § 29 Abs. 1 IfSG komme jedoch nur Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern gegenüber in Betracht. Wenn der Antragsgegner sämtliche Beschäftigten von Einrichtungen i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV einer Beobachtung unterwerfe, dann könne dies allenfalls auf einer Einstufung als Ansteckungsverdächtige beruhen. Eine solche Einschätzung sei aber jedenfalls bei zweimal geimpften Beschäftigten, bei denen die Ansteckungsgefahr um 95% herabgesetzt sei, nicht mehr gerechtfertigt. Unabhängig davon sei die angegriffene Maßnahme in Ermangelung von Ausnahmetatbeständen für geimpfte Beschäftigte weder erforderlich noch im Hinblick auf die mit der häufigen Testung verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen angemessen. In der fehlenden Berücksichtigung von Ausnahmemöglichkeiten für geimpfte Beschäftigte liege zudem ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz auf Art. 3 Abs. 1 GG. Schließlich falle auch eine Folgenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten zugunsten der Antragstellerin aus, da auch bei einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Bestimmungen keine erheblichen Nachteile zu befürchten wären.

2. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und führt zur Begründung insbesondere aus, dass es sich auch bei zweimal geimpften Personen weiterhin um Ansteckungsverdächtige i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG handele. Derzeit sei noch unbekannt, ob der Impfstoff auch das Risiko der Weitergabe aufgenommener Viren an Dritte verhindere. Zudem sei noch nicht geklärt, ob eine Impfung auch hinreichend Schutz vor möglichen Virusmutationen biete. Daher sei sehr wahrscheinlich, dass ein bereits geimpfter, aber möglicherweise asymptomatisch erkrankter Mitarbeiter einer Einrichtung weiterhin Bewohner anstecken bzw. infizieren könne. Im Hinblick auf das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen, müsse im Fall eines hochansteckenden Krankheitserregers eine vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts im Einzelfall genügen. Für den Personenkreis der Bewohner eines Seniorenheims stelle eine Infektion mit SARS-CoV-2 ein erhebliches und oft tödliches Risiko dar. Im Hinblick darauf seien an die Wahrscheinlichkeit eines Transmissionsrisikos geringe Anforderungen zu stellen. Mit der hierüber bestehenden Ungewissheit dürften nicht die Heimbewohner und - über den Schutz des öffentlichen Gesundheitssystems - zugleich die Allgemeinheit belastet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag, der sich gegen § 9 Abs. 2 Nr. 4 Teilsätze 1 und 2 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 737) in der Fassung vom 24. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 149) wendet, ist begründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen hinsichtlich § 9 Abs. 2 Nr. 4 Teilsätze 1 und 2 11. BayIfSMV vor.

1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12).

Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).

2. Nach diesen Maßstäben ist die angegriffene Norm einstweilen außer Vollzug zu setzen. Der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag (20 N 21.354) wird voraussichtlich Erfolg haben. Die angegriffene Bestimmung des § 9 Abs. 2 Nr. 4 Teilsätze 1 und 2 11. BayIfSMV ist bei summarischer Prüfung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Norm steht nicht in Einklang mit der Ermächtigungsgrundlage aus § 32 Satz 1 i.V.m. § 29 i.V.m. § 25 Abs. 3 IfSG (a). Ob im Hinblick auf die Anordnung einer Testungspflicht ein Rückgriff auf andere Rechtsgrundlagen in Betracht kommt, bedarf hier keiner Entscheidung (b). Der Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten (c).

a) Als Rechtsgrundlage der angegriffenen Bestimmung kommt nach der Verordnungsbegründung (vgl. insbesondere die Begründung zur Vorgängerbestimmung des § 9 10. BayIfSMV, BayMBl. 2020 Nr. 712 S. 5) und nach dem eindeutigen Wortlaut, der die Normadressaten ausdrücklich der "Beobachtung" unterwirft, nur § 29 IfSG - hier vermittelt durch die Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 IfSG - in Betracht.

Nach § 29 Abs. 1 IfSG können "Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider" einer Beobachtung unterworfen werden. Eine danach angeordnete Beobachtung unterwirft die Betroffenen verschiedenen Handlungs- und Duldungspflichten. Sie umfasst nicht nur die Verpflichtung, bestimmte Untersuchungen - wie insbesondere die hier strittige Entnahme von Untersuchungsmaterial zur Testung - an sich vornehmen zu lassen (§ 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. § 25 Abs. 3 IfSG), sondern hat auch zur Folge, dass die Betroffenen erforderliche Untersuchungen durch den Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden und den Anordnungen des Gesundheitsamtes Folge zu leisten haben (§ 29 Abs. 1 Satz 1 IfSG), den Zutritt zu ihrer Wohnung gestatten, über ihren Gesundheitszustand Auskunft geben oder einen Wechsel des Wohn- oder Aufenthaltsorts anzeigen müssen (§ 29 Abs. 2 Satz 3 IfSG).

Nachdem die Normadressaten des § 9 Abs. 2 Nr. 4 11. BayIfSMV - pauschal "die Beschäftigten" von Einrichtungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV - in dieser Allgemeinheit von vornherein weder als "Kranke", "Krankheitsverdächtige" oder als "Ausscheider" im Sinn der Legaldefinitionen nach § 2 Nr. 4 bis 6 IfSG angesehen werden können, kommt allenfalls eine Inanspruchnahme als "Ansteckungsverdächtige" i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG in Frage.

Die durch die angegriffene Norm der Beobachtung und - als Folge der Beobachtung (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 IfSG) - einer regelmäßigen Testung unterworfenen Beschäftigten von Einrichtungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV sind jedoch bei generalisierender Betrachtung nicht "ansteckungsverdächtig" i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG; dies gilt insbesondere in Ansehung dessen, dass mittlerweile ein erheblicher Teil der Normadressaten vollständig gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 geimpft wurde (vgl. auch § 2 Nr. 2 CoronaImpfV) und zumindest starke Indizien darauf hindeuten, dass die Impfung das Transmissionsrisiko deutlich senken oder sogar ausschließen dürfte (vgl. https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirusbiontechimpfstoffstopptvirusuebertragungzu-89-4-prozentaf02ef45b-00b2-412db2ad-260ad8d2ddca).

Die Frage, ob ein Ansteckungsverdacht i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG besteht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 22.3.2012 - 3 C 16/11 - juris Rn. 31 ff.) unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit zu beantworten. Die Aufnahme von Krankheitserregern i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG ist dann "anzunehmen", wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte; eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung um so geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. auch BayVGH, B.v. 3.12.2020 - 20 NE 20.2749 - juris Rn. 39 ff. m.w.N.; Kießling in Kießling, IfSG, 2020, § 2 Rn. 31; Gabriel in BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand Januar 2021, § 2 IfSG Rn. 36; Gerhardt, IfSG, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 47).

Unabhängig von dem im Einzelfall erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit einer Aufnahme von Krankheitserregern hat der Gesetzgeber den Begriff des "Ansteckungsverdächtigen" jedenfalls krankheits- und personenbezogen definiert: Maßgebend für einen Ansteckungsverdacht ist ausschließlich die Wahrscheinlichkeit eines (in der Vergangenheit liegenden) Infektionsvorgangs. Im Hinblick auf eine Infektion mit SARSCoV-2 erscheint naheliegend, einen solchen Ansteckungsverdacht jedenfalls in solchen Konstellationen zu bejahen, in denen nach Einschätzung des Bundes ein Testungsanspruch nach Maßgabe der §§ 2 und 3 TestV (BAnz AT 27.1.2021 V2) besteht (vgl. auch Kießling in Kießling, IfSG, 2020, § 2 Rn. 31). Inwiefern ein solcher Verdacht aber bei sämtlichen Beschäftigten von Einrichtungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV gerechtfertigt sein sollte, ist nicht ersichtlich und vom Antragsgegner auch nicht dargelegt worden. Dieser begründet die angegriffene Maßnahme seit der erstmaligen Anordnung der Beobachtung gegenüber den Beschäftigten von Einrichtungen durch § 9 Abs. 2 Nr. 2 10. BayIfSMV (BayMBl. 2020 Nr. 711) vielmehr durchgehend mit dem besonderen Schutzbedürfnis der in solchen Einrichtungen lebenden Menschen und der daraus folgenden Notwendigkeit, den Eintrag von Infektionen zu verhindern. So führt der Verordnungsgeber in der Begründung zur 10. BayIfSMV (BayMBl. 2020 Nr. 712 S. 5) aus:

"Alle Beschäftigten der Einrichtungen unterliegen einer Beobachtung durch das Gesundheitsamt nach § 29 IfSG und haben sich in regelmäßigen Abständen, mindestens zweimal wöchentlich, einem Test zu unterziehen. Das Risiko eines unbemerkten Eintrags von SARS-CoV-2-Infektionen durch das Personal steigt mit dem regionalen Infektionsgeschehen und diffusen Ausbruchsereignissen. Die Arbeitsbedingungen in den Pflegeeinrichtungen begünstigen eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 trotz etablierter Hygiene- und Schutzkonzepte. In Abwägung des Infektionsschutzes zur bestehenden Belastung des Personals der Pflegeeinrichtungen und der notwendigen Aufrechterhaltung der Versorgung bedeutet eine Testpflicht für Beschäftigte zweimal wöchentlich pro Person eine verstärkte Kontrolle und damit eine erhöhte Sicherheit.

Bei den insoweit getroffenen Maßnahmen handelt es sich nicht um solche, die § 28a Abs. 2 Nr. 3 IfSG unterfallen, weil das Betreten der Einrichtungen nicht vollständig untersagt wird. Vielmehr sind diese Maßnahmen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 15, § 29 IfSG unter den gegebenen Voraussetzungen zulässig."

Auch in den Begründungen zur 11. BayIfSMV (BayMBl. 2020 Nr. 738 S. 4) und zur Änderungsverordnung vom 20. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 55 S. 2) wird die Testpflicht auf das besondere Schutzbedürfnis betagter und pflegebedürftiger Menschen gegenüber einer Infektion mit SARS-CoV-2 gestützt. Die für die Rechtsgrundlage des § 29 IfSG hier nur maßgebliche Ansteckungsgefahr, die von den betroffenen Beschäftigten ausgeht, erwähnt der Verordnungsgeber nur insoweit, als das Risiko eines Infektionseintrags durch Beschäftigte "mit dem regionalen Infektionsgeschehen und diffusen Ausbruchsereignissen" ansteige. Damit wird jedoch keine Aussage zum Grad der Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung der Beschäftigten im Allgemeinen getroffen und insbesondere keine zumindest hinreichende Wahrscheinlichkeit der Aufnahme von Krankheitserregern durch die Beschäftigten im Allgemeinen prognostiziert. Dass die Bewohner der in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV genannten Einrichtungen bei generalisierender Betrachtung eines besonders effektiven Schutzes vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 bedürfen, steht nicht in Frage. Deren besonderes Schutzbedürfnis führt jedoch nicht dazu, dass bei den Beschäftigten dieser Einrichtungen die generalisierende Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen Aufnahme von Krankheitserregern gerechtfertigt wäre. Vielmehr sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für einen generellen Ansteckungsverdacht der Beschäftigten von Einrichtungen I. S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV sprechen könnten; solche ergeben sich insbesondere nicht aus der Art ihrer beruflichen Tätigkeit, da diese - anders als etwa die medizinische Behandlung von COVID-19-Patienten - im Regelfall gerade kein hohes Expositionsrisiko in Bezug auf SARS-CoV-2 mit sich bringen dürfte. Insofern dürfte die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung bei den Beschäftigten von Einrichtungen nicht höher sein als in der Gesamtbevölkerung allgemein.

Dass im konkreten Einzelfall ein die Beobachtung rechtfertigender Ansteckungsverdacht i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG vorliegen kann, wenn und soweit bestimmte Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen von Einrichtungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 I1. BayIfSMV im beruflichen oder privaten Umfeld Kontakt zu mit SARS-CoV-2 infizierten Personen hatten, bleibt hiervon unberührt.

b) Ob - soweit es nicht um die angeordnete Beobachtung insgesamt, sondern ausschließlich um eine dem Schutz der Bewohner von Einrichtungen vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 dienende Testungspflicht geht - ein Rückgriff auf andere Rechtsgrundlagen in Betracht kommt, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Testungspflicht auf eine andere Ermächtigungsgrundlage zu stützen, scheidet derzeit schon deswegen aus, weil die Testungspflicht nach bestehender Rechtslage allein aus der zuvorderst angeordneten Beobachtung der Beschäftigten abgeleitet wird und daher mit dieser in einem untrennbaren Zusammenhang steht. Der Senat kann die vom Verordnungsgeber originär zu treffende Entscheidung insoweit nicht ändern oder ersetzen. Jedenfalls aber wären - insbesondere in Abhängigkeit vom Fortschritt der Impfungen speziell der Bewohner und der Beschäftigten von Einrichtungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV - differenzierte, auf das jeweils (noch) bestehende Risiko angepasste Regelungen unter Abwägung der betroffenen Interessen zu treffen (vgl. etwa auch die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für Alten- und Pflegeeinrichtungen vom 11. Februar 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Alten_Pflegeeinrichtu ng_Empfehlung.pdf? _blob=publicationFile).

c) Der Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten, weil die Unvereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht bereits nach Prüfung im Eilverfahren anzunehmen ist und das Verbot daher außer Vollzug zu setzen ist. Bereits die offensichtliche Rechtswidrigkeit indiziert den schweren Nachteil, weil in der Regel kein Interesse am Vollzug einer rechtswidrigen Norm besteht (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 107). Unabhängig davon ist der mit der angegriffenen Norm verbundene Eingriff in die Rechte der Normadressaten auch nicht nur geringfügig. Da es sich beim Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO um ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren handelt, ist für die Frage, ob eine vorläufige Außervollzugsetzung zur Abwehr eines schweren Nachteils geboten ist, grundsätzlich auf den von der Norm unmittelbar betroffenen Personenkreis und nicht nur auf die Person des Antragstellers abzustellen (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 47 Rn. 168). Die angegriffene Norm unterwirft eine Vielzahl von Menschen der Beobachtung und einer regelmäßigen Testungspflicht, da sie für sämtliche Beschäftigten der Einrichtungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 11. BayIfSMV - unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit - im Freistaat Bayern Geltung beansprucht. Die angeordnete Beobachtung umfasst ein Bündel von - teilweise nicht nur unerheblich in die Rechte der Betroffenen eingreifenden - Maßnahmen. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Standard einer Testung auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 derzeit noch die Untersuchung einer auf der Grundlage einer mittels eines Nasen-RachenAbstrichs gewonnenen Probe darstellt (vgl. dazu https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV. html). Da selbst bei stets fachgerechter Ausführung Nasen-Rachen-Abstriche - insbesondere bei häufiger und fortlaufender Wiederholung - zu nicht nur unerheblichen Schleimhautreizungen führen können, ist jedenfalls bei Anordnung einer mehrmals wöchentlichen Testung ein Nachteil von hinreichendem Gewicht i.S.d § 47 Abs. 6 VwGO anzunehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft tritt (§ 29 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht ist.