Thüringer LSG, Urteil vom 04.07.2017 - L 6 KR 680/14
Fundstelle
openJur 2021, 11088
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Begehren insoweit fort, als er noch begehrt festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten ab dem 1. Juli 2012 ein freiwilliges Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Krankengeldanspruch in Höhe von 150 € pro Tag ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf der Mindestbindungsfrist am 31. Januar 2015 fortbestand.

Der Kläger ist als hauptberuflich Selbständiger freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen (...) Krankenversicherung bei der Beklagten. Er war dort gemäß § 58 Abs. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 66f der Satzung der Beklagten bis zum 30. Juni 2012 im Wahltarif "Krankengeld" mit einem Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld in Höhe von 150 € pro Tag ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit versichert.

Die Beklagte beendete aufgrund einer durch das Bundesversicherungsamt genehmigten Satzungsänderung zum 30. Juni 2012 diesen Wahltarif und führte zum 1. Juli 2012 Wahltarife für freiwillig hauptberuflich Selbständige mit einem Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld frühestens ab dem 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit ein.

Mit Schreiben vom 25. April 2012 kündigte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Beendigung des bestehenden Wahltarifs zum 30. Juni 2012 an und informierte ihn über die Alternativen. Hiergegen legte der Kläger am 30. Mai 2012 Widerspruch ein. Mit weiterem Schreiben vom 19. Juni 2012 wies sie den Kläger nochmals auf die Beendigung des von ihm bislang gewählten Tarifs "Krankengeld" hin, bot ihm den Abschluss eines von zwei neuen Wahltarifen an und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2012 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Beendigung des bisherigen Wahltarifs sei zu Recht aufgrund einer durch das Bundesversicherungsamt genehmigten Satzungsänderung zum 30. Juni 2012 erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 5. November 2012 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) Klage erhoben und zur Begründung die Ansicht vertreten, dass zwischen ihm und der Beklagten ab dem 1. Juli 2012 weiterhin ein freiwilliges Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Krankengeldanspruch in Höhe von 150 € pro Tag ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit bestehe, da die Satzungsänderung der Beklagten gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoße und damit rechtswidrig sei.

Mit Urteil vom 10. April 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Satzungsänderung einer gesetzlichen Krankenkasse, durch die der Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld später entstehe, rechtmäßig und verstoße nicht gegen Verfassungsrecht. Die Beklagte habe somit die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzungsänderung formell rechtlich und materiell rechtlich ordnungsgemäß durchgeführt. Als Grund für die Satzungsänderung im Jahr 2012 habe sie finanzielle Gründe genannt. Solche finanziellen Gründe berechtigten die Beklagte aber nach der Rechtsprechung des BSG jederzeit zu einer Satzungsänderung. Dabei sei von den Sozialgerichten nicht zu überprüfen, ob die Vertreterversammlung dann im Rahmen des ihr eingeräumten Gestaltungsspielraums die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen habe. Der Kläger könne sich für die Weitergeltung des bisherigen Wahltarifs auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, denn ein solcher Vertrauensschutz in die Weitergeltung eines bestimmten Wahltarifs mit einem Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld existiere nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht. Das BSG habe dazu ausgeführt, dass die bei einer Krankenkasse freiwillig versicherten Mitglieder seit jeher sowohl unter Geltung der Reichsversicherungsordnung als auch des § 44 Abs. 2 SGB V stets damit rechnen müssten, dass die gesetzliche Krankenkasse von der ihr gesetzlich eingeräumten Befugnis, autonomes Recht durch eine Satzung zu setzen, bis hin zum vollständigen Ausschluss des Krankengeldanspruchs, mit Wirkung für die Zukunft Gebrauch mache. Aus der Verwendung des Wortes "stets" gehe eindeutig hervor, dass das BSG in keinem denkbaren Fall einen Vertrauensschutz in die Weitergeltung eines bestimmten Wahltarifs mit einem Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld anerkenne.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 29. April 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Mai 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, dass die vom SG zitierte Rechtsprechung des BSG nicht auf seinen Fall übertragbar sei, da sich die den Entscheidungen zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften geändert hätten. Die §§ 44 Abs. 2 Nr. 2, 53 Abs. 6 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung eröffneten der Beklagten kein Ermessen mehr, ob sie freiwillig Versicherten eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 SGB V anbiete. Dies ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialien, wonach die Situation selbständig tätiger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung verbessert werden solle. Dem werde nicht Rechnung getragen, wenn die Beklagte berechtigt sei, binnen kürzester Frist Leistungsansprüche, auf die der selbständig Versicherte für die Sicherung seiner Existenz im Krankheitsfalle zähle, deutlich zu reduzieren. Vielmehr müsse sich diese an der Regelung des § 53 Abs. 8 SGB V festhalten lassen, wonach eine Mindestbindungsfrist für Wahltarife zum Krankengeld von drei Jahren gelte. Diese Mindestbindungsfrist gelte auch für die Beklagte, so dass er jetzt noch die Feststellung begehre, dass die Beklagte den streitigen Wahltarif "Krankengeld" bis zum Ende der Mindestbindungsfrist am 31. Januar 2015 hätte fortsetzen müssen. Sie sei zudem nicht berechtigt gewesen, die Satzung im Hinblick auf den hier streitigen Wahltarif zu ändern, weil die Voraussetzungen für eine Satzungsänderung nicht vorgelegen hätten. Gemäß § 53 Abs. 9 SGB V müssten die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus den Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesem Wahltarif auf Dauer finanziert werden. Die Beklagte habe die Änderung des Wahltarifs zum 1. Juli 2012 damit begründet. dass die Einnahmen aus dem Wahltarif die Aufwendungen aus diesem Wahltarif nicht deckten. Diese Voraussetzungen hätten jedoch nach deren eigenen Ausführungen in ihrer Mitgliederzeitschrift (Nr. 3/2012) nicht vorgelegen. Zudem stelle die Änderung des Wahltarifs dergestalt, dass ein Wahltarif mit Leistungen ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr angeboten werde, einen Fall der unechten Rückwirkung dar. Durch die Änderung werde auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Grundsätzlich ist eine unechte Rückwirkung verfassungsrechtlich zwar zulässig. Es ergäben sich jedoch aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit. Zu prüfen sei dabei insbesondere, ob die unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet oder erforderlich sei oder ob die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe überwögen. Vorliegend habe die Beklagte durch die leistungsbegrenzende Rechtsveränderung dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht Rechnung getragen. Es sei nicht erforderlich gewesen, den Wahltarif "Krankengeld ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit" zu schließen. Selbst wenn, was weiter bestritten werde, die Einnahmen aus dem Wahltarif nicht ausgereicht hätten, um die Aufwendungen des Wahltarifs zu finanzieren, habe die Beklagte die Möglichkeit gehabt, die Beiträge für den Wahltarif zu erhöhen. Die von der Beklagten durchgeführte Satzungsänderung verstoße auch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil es keinerlei Übergangsfristen für die betroffenen Versicherten gebe. Vor dem Hintergrund der oben bereits dargelegten Intention des Gesetzgebers, nämlich den Interessen der Selbständigen Rechnung zu tragen, sei es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erforderlich gewesen, den Versicherten entweder die Fortführung des Wahltarifs mit einer Beitragserhöhung anzubieten oder den Wahltarif bis zum Ablauf der Mindestbindungsfrist von drei Jahren weiter zu führen und den Mitgliedern rechtzeitig anzukündigen, dass nach Ablauf der Mindestbindungsfrist dieser Wahltarif nicht mehr angeboten werde. Auch habe die Beklagte den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt, indem sie ihm gegenüber, nachdem er erst kurze Zeit vor der streitigen Satzungsänderung nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens in den hier streitigen Wahltarif aufgenommen worden sei, den Wahltarif abgeschafft und gleichzeitig den Beitrag für eine Versicherung mit deutlich reduziertem Krankengeldanspruch erhöht. Die Beklagte sei außerdem verpflichtet gewesen, ihn bei der Erklärung zum Wahltarif darauf hinzuweisen, dass sie beabsichtige, diesen Wahltarif in Kürze zu schließen und nur noch deutlich schlechtere Bedingungen anzubieten. Er werde durch die streitige Satzungsänderung unverhältnismäßig stark in seiner Rechtsposition eingeschränkt, da durch die Satzungsänderung sein Leistungsanspruch deutlich beschränkt worden sei. Eine angemessene Absicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit, die er mit dem streitigen Wahltarif gewählt habe, sei jetzt nicht mehr möglich. Zu berücksichtigen sei dabei, dass hauptberuflich selbständige Personen im Falle der Arbeitsunfähigkeit andere finanzielle Verpflichtungen bedienen müssten als Arbeitnehmer. Auch sei er im Zeitraum der Mindestbindungsfrist arbeitsunfähig gewesen, so dass ihm noch Krankengeld zustehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 10. April 2014 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. April 2012 und vom 19. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2012 aufzuheben und festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten ab dem 1. Juli 2012 ein freiwilliges Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Krankengeldanspruch in Höhe von 150 € täglich ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf der Mindestbindungszeit (31. Januar 2015) fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor, der Wahltarif "Krankengeld" habe sich seit seiner Einführung insgesamt defizitär entwickelt. Bei den verhältnismäßig geringen Teilnehmerzahlen verbunden mit sehr hohen Ausgabenrisiken hätte es zur dauerhaften Vermeidung einer Unterdeckung einer nicht mehr vertretbaren Präminenerhöhung bedurft, die zu Sonderkündigungen von Mitgliedern geführt hätte.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 25. April und vom 19. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2012 sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den bisherigen Wahltarif "Krankengeld" des Klägers rechtmäßig zum 30. Juni 2012 beendet. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen bisherigen Wahltarif "Krankengeld" fortführt.

Der vom Kläger gewählte Wahltarif "Krankengeld" ist durch die Beklagte wirksam zum 30. Juni 2012 beendet worden. Durch Entfall der Satzungsregelung mit Wirkung zum 30. Juni 2012 endete der Wahltarif "Krankengeld". Die Satzungsänderung ist von der Aufsichtsbehörde genehmigt und ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Eine vertragliche Bindung, die dem entgegenstehen könnte, liegt nicht vor. Der Beitritt zu einem Wahltarif erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung,Stand: Oktober 2016, Band 1, SGB V, § 53 Rdnr. 4; Nolte in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 1. Juni 2015, Bd. 1, SGB V, § 53 Rdnr. 4c). Ein Vertrag kommt zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse nicht zustande, der Versicherte kann vielmehr durch Ausübung eines Gestaltungsrechts die Teilnahme am Wahltarif unmittelbar herbeiführen. Versicherten kann nur dann ein Wahltarif nach § 53 SGB V angeboten werden, wenn eine entsprechende Grundlage in der Satzung der Krankenkasse geschaffen wurde (vgl. Wagner in Krauskopf, a.a.O., § 53 Rdnr. 5). Da die Grundlage des Wahltarifs "Krankengeld" in der Satzung zum 1. Juli 2012 nicht mehr gegeben war, durfte die Beklagte die Beendigung des Tarifs gegenüber dem Kläger feststellen. Für die vom Kläger beanspruchte Weiterführung des Tarifs "Krankengeld" gibt es für die Zeit ab 1. Juli 2012 aufgrund der Änderung der Satzung keinerlei rechtliche Grundlage mehr. Gänzlich ohne Belang ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Klägers, die §§ 44 Abs. 2 Nr. 2, 53 Abs. 6 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung eröffneten der Beklagten kein Ermessen mehr, ob sie freiwillig Versicherten eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 SGB V anbiete oder nicht, da die Beklagte den Kläger mit dem angefochtenen Bescheid ja gerade darauf hingewiesen hat, dass der bestehende Wahltarif durch einen anderen Wahltarif mit grundsätzlichem Anspruch auf Krankengeld (wenn auch zu geänderten Voraussetzungen) ersetzt wird.

Die Krankenkassen sind als Versicherungsträger nach § 34 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) verpflichtet, sich eine Satzung zu geben. Die Satzung hat als autonomes Recht Bindungswirkung für die Versicherten. Hier gibt es keinen Anhalt, dass die Voraussetzungen für die Beendigung des Wahltarifs "Krankengeld" zum 30. Juni 2012 nicht bestanden.

Dem steht nicht entgegen, dass eine Kündigung durch die Beklagte (außer für den Fall von Beitragsrückständen des Versicherten) weder im Gesetz noch in der Satzung vorgesehen war. Einer solchen Regelung bedarf es nicht, denn die Möglichkeit der einseitigen Beendigung freiwilliger Krankengeld-Wahltarife ergibt sich bereits aus dem Gesetz, insbesondere aus §§ 53 Abs. 9, Abs. 6 Satz 1, 194 ff. SGB V. Bei dem Wahltarif "Krankengeld" handelte es sich nicht um einen verpflichtend vorgesehenen Krankengeldtarif, denn nach § 53 Abs. 6 Satz 1 SGB VI hat die Beklagte das Wahlrecht, den Krankengeldanspruch entweder - wie beim Wahltarif "Krankengeld" - nach § 46 Satz 1 SGB V oder zu einem späteren Zeitpunkt - wie beim neuen Wahltarif - entstehen zu lassen. Handelte es sich bei dem Wahltarif "Krankengeld" somit um ein freiwilliges Angebot der Beklagten und war sie nicht verpflichtet, den Wahltarif in dieser Form anzubieten, kann sie einen solchen Wahltarif auch wieder beenden. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte diesbezüglich nicht an die Mindestbindungsfrist des § 53 Abs. 8 SGB V gebunden. Die dort geregelten Fristen gelten erkennbar nur für Versicherte, nicht aber für die jeweilige Krankenversicherung. Dies folgt bereits aus Sinn und Zweck der Regelung, wonach ein "missbräuchlicher" Wechsel zwischen den Wahltarifen verhindert und so die Finanzierbarkeit der Tarife gesichert sowie der Verwaltungsaufwand der Krankenkassen begrenzt werden soll (vgl. Nolte in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 53 Rdnr. 56).

Soweit der Kläger vorträgt, dass die Begründung der Beklagten für die Beendigung des Wahltarifs "Krankengeld", nämlich dass die Einnahmen aus dem Wahltarif die Aufwendungen aus diesem Wahltarif nicht decken, fraglich sei, verkennt er, dass der Senat im anhängigen Berufungsverfahren angesichts der Genehmigung durch das Bundesversicherungsamt die Voraussetzungen für die Satzungsänderung nicht überprüfen kann. Im Übrigen bestehen auch keine Anhaltspunkte für diese Behauptung. Sie ergeben sich nicht, wie der Kläger meint, aus der Mitgliederzeitschrift Nr. 3/2012, wonach die Beklagte im Jahr 2011 insgesamt einen Überschuss erwirtschaftet hat. Wie er in diesem Zusammenhang selbst zutreffend ausführt, müssen die Aufwendungen für jeden Wahltarif gemäß § 53 Abs. 9 SGB V jeweils aus den Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesem Wahltarif auf Dauer finanziert werden. Es kommt folglich nicht darauf an, ob die Krankenkasse insgesamt einen Überschuss erwirtschaftet.

Grenzen für die Beendigung eines Wahltarifs ergeben sich für die Beklagte lediglich aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot, das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) hergeleitet wird. Das Verbot rückwirkender Gesetze ist auch im Bereich des autonom gesetzten Rechts, namentlich Satzungen, anwendbar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Februar 2014 - Az.: B 6 KA 10/13 R, Rdnr. 44, nach juris). Eine Regelung mit echter Rückwirkung, die in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Zeiträume betrifft, ist grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG], vgl. Urteil vom 23. November 1999 - Az.: 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239; zu Ausnahmen vgl. Beschluss vom 2. Mai 2012 - Az.: 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, S. 20). Eine echte Rückwirkung liegt nicht vor, denn die Satzungsänderung gilt mit Wirkung für die Zukunft und greift nicht in abgeschlossene Sachverhalte ein. Für eine unechte Rückwirkung, d.h. einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt (tatbestandliche Rückanknüpfung), gelten weniger strenge Beschränkungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - Az.: 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, S. 133). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht allerdings nicht soweit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - Az.: 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, S.).

Im konkreten Fall liegt entgegen der Auffassung des Klägers noch nicht einmal eine unechte Rückwirkung vor. Krankengeld wird jeweils abschnittsweise bewilligt, bei jeder Neubewilligung sind die Anspruchsvoraussetzungen erneut zu prüfen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 26. Juni 2007 - Az.: B 1 KR 8/07 R, nach juris). Eine einmal erfolgte Bewilligung vermag weder in ihrem Verfügungssatz noch in den ihr zugrundeliegenden Feststellungen eine über den im Bescheid geregelten Zeitraum hinausgehende Rechtsposition zu begründen. Ein Recht, das durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, entsteht daher frühestens mit der jeweiligen Neu- oder Weiterbewilligung von Krankengeld. Dieses Vertrauen ist jedoch durch die Übergangsregelung in § 66f Abs. 12 Satz 2 der geänderten Satzung ausreichend geschützt. Denn denjenigen Versicherten, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits Krankengeld nach dem bisherigen Wahltarif "Krankengeld" bezogen haben, wird das erhöhte Krankengeld bis zum Ende der laufenden Arbeitsunfähigkeit (höchstens 78 Wochen) weitergezahlt. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung des Versicherten, er werde bei unverändertem Fortbestand der jeweiligen Rechtslage in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht, denn die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - Az.: 1 BvR 2628/07, a.a.O., zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe).

Schließlich folgt auch aus dem Umstand, dass die Beklagte den Kläger bei Aufnahme in den Wahltarif "Krankengeld" nicht über die kurze Zeit danach erfolgte Beendigung dieses Wahltarifs informierte, nichts Gegenteiliges. Weshalb gerade hier der Vertrauensschutz des Klägers verletzt sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Wie oben ausgeführt, gibt es kein schützenswertes Vertrauen in den unveränderten Fortbestand der geltenden Rechtslage. Weshalb dies bei nur kurz bestehendem Versicherungsverhältnis anders sein soll, begründet der Kläger nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil dürfte das Vertrauen in diesem Falle noch weniger schützenswert sein, weil der Kläger nur wenige Beiträge bezahlt hat, die durch den Wegfall des bisherigen Wahltarifs "entwertet" werden. Im Übrigen kann der Senat nicht erkennen, woraus sich eine Pflicht der Beklagten ergeben soll, über künftig geplante Tarifänderungen Auskunft zu geben, solange diese noch nicht konkret beschlossen wurden. Er ist vielmehr davon überzeugt, dass die Beklagte dem Kläger diese Information mit ihrem Schreiben vom 25. April 2012 zum frühestmöglichen Zeitpunkt übersandt hatte.

Abschließend ist auf den klägerischen Vortrag, er werde durch die streitige Satzungsänderung unverhältnismäßig stark in seiner Rechtsposition eingeschränkt, da durch diese sein Leistungsanspruch deutlich beschränkt worden und eine angemessene Absicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit, die er mit dem streitigen Wahltarif gewählt habe, jetzt nicht mehr möglich sei, zu erwidern, dass diese Nachteile der für den Gesetzgeber jederzeit zulässig möglichen nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (s.o.) immanent sind. Der Kläger hat jederzeit die Möglichkeit, sich für eine für ihn günstigere Absicherung zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

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