OLG München, Beschluss vom 13.01.2021 - 20 W 1742/20
Fundstelle
openJur 2021, 3374
  • Rkr:
Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 4) gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 30.09.2020, Az. 51 OH 3148/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin zu 4) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1. Die Beschwerdeführerin ist Antragsgegnerin zu 4) in einem selbständigen Beweisverfahren. Sie wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung von insgesamt fünf Befangenheitsgesuchen gegen die Vorsitzende Richterin bzw. den gerichtlich bestellten Sachverständigen.

In dem seit November 2014 anhängigen selbständigen Beweisverfahren behaupten die Antragsteller umfangreiche Mängel bei der Errichtung ihres Einfamilienhauses, die die Gewerke Holzbau, Fliesenarbeiten, Bodendämmung und Fußbodenheizung betreffen. Außerdem behaupten sie eine fehlerhafte Heizkreisberechnung bzw. fehlerhafte Beratung. Im Verlauf des Verfahrens erweiterten die Antragsteller mehrfach ihren Antrag (Schriftsätze vom 29.01.2015, 12.02.2016, 13.10.2017). Entsprechende Beweisbeschlüsse ergingen am 05.03.2015, 18.03.2016 und 29.01.2018.

Nachdem der zunächst bestellte Sachverständige mitgeteilt hatte, dass er das Gutachten nicht zeitnah erstellen könne, wurde mit Beschluss vom 30.07.2015 der Sachverständige E. beauftragt.

Bei der Erstellung des Gutachtens kam es zu Verzögerungen. Deshalb setzte das Landgericht mit Beschlüssen vom 09.08.2017 und 15.03.2017 gegen den Sachverständigen E. jeweils ein Ordnungsgeld fest.

Am 21.03.2018 legte der Sachverständige sein Gutachten vom 13.03.2018 vor. Dieses wurde der zu jenem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin am 27.03.2018 förmlich zugestellt. Zugleich wurde den Parteien gemäß § 411 Abs. 4 ZPO eine Frist bis zum 30.04.2018 für Einwendungen bzw. die Stellung von Ergänzungsfragen gesetzt. Mit Schriftsatz vom 18.04.2018 bestellte sich der nunmehrige Prozessbevollmächtigte für die Antragsgegnerin zu 4). Mit einem vom 28.04.2018 datierenden Schriftsatz, welcher aber bereits am 24.04.2018 bei Gericht einging, stellte die Beschwerdeführerin unter acht Gliederungsziffern mehrere Ergänzungsfragen. Auch die Antragsgegnerinnen zu 1) und 5) sowie die Antragsteller richteten zahlreiche Ergänzungsfragen an den Sachverständigen. Insoweit erging am 13.12.2018 ein weiterer Beweisbeschluss, mit dem der Sachverständige mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens beauftragt wurde.

Auch die Erstellung des Ergänzungsgutachtens verzögerte sich. Deshalb erging am 04.02.2020 ein erneuter Ordnungsgeldbeschluss. Das Ergänzungsgutachten legte der Sachverständige sodann am 08.06.2020 vor. Dieses wurde der Beschwerdeführerin am 30.06.2020 zugestellt. Zugleich wurde den Parteien eine Frist bis 15.07.2020 für Einwendungen und Ergänzungsfragen gesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrensablaufs wird auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss des Landgerichts vom 30.09.2020 Bezug genommen.

2. Die Beschwerdeführerin stellte im Einzelnen folgende Befangenheitsanträge:

a) Sachverständiger E.:

aa) Mit Schriftsatz vom 20.03.2020 lehnte die Beschwerdeführerin erstmals den Sachverständigen E. wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (Bl. 451/455 d.A.). Dieses Ablehnungsgesuch wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Sachverständige sei anhaltend unzuverlässig und habe mehrere ihm gesetzte Fristen verstreichen lassen. Er habe wiederholt und ohne erkennbaren sachlichen Grund die Erstellung der angeforderten Gutachten erheblich verzögert.

Des Weiteren sei das Gutachten des Sachverständigen vom 13.03.2018 in mehreren Punkten mangelhaft. Außerdem habe er eine streitige Parteibehauptung seinem Gutachten als unstreitig zugrunde gelegt, weshalb Teile seines Gutachtens auf einer falschen Tatsachengrundlage beruhten. Dem abgelehnten Sachverständigen fehle zum Teil auch die Sachkunde (Lignatur - Holzdecke). Insoweit liege auch eine Leistungsverweigerung des Sachverständigen vor, da er zu Unrecht die Öffnung der Decke verweigere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Befangenheitsgesuchs wird auf den Schriftsatz vom 20.03.2020 Bezug genommen.

Der abgelehnte Sachverständige nahm zu dem Gesuch mit Schreiben vom 08.06.2020 Stellung.

bb) Mit Schriftsatz vom 30.06.2020 lehnte die Beschwerdeführerin den Sachverständigen E. ein weiteres Mal wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (Bl.451/455 d.A.). Dieses Ablehnungsgesuch wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der abgelehnte Sachverständige habe auf den ersten Befangenheitsantrag keine dienstliche Stellungnahme abgegeben. Die gegen ihn im ersten Befangenheitsgesuch vorgebrachten Punkte der Unzuverlässigkeit habe er nicht beantwortet. Außerdem habe er während der Karenz- und Wartezeit ein weiteres Gutachten gefertigt und vorgelegt. Dies zeige, dass er Eingaben wie auch gerichtliche Fristen nicht lese und nicht gewillt sei, das Gesetz einzuhalten.

Zu diesem Befangenheitsantrag nahm der abgelehnte Sachverständige mit Schreiben vom 27.08.2020 Stellung.

b) Vorsitzende Richterin am Landgericht S.

aa) Mit Schriftsatz vom 02.07.2020 (Bl. 543/545 d.A.) lehnte die Beschwerdeführerin die zuständige Einzelrichterin, Frau Vorsitzende Richterin am Landgericht S., zum ersten Mal wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Antrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die abgelehnte Richterin habe es versäumt, nach dem Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen dessen dienstliche Stellungnahme zu veranlassen. Sie hätte ihn auf die Karenzzeit hinweisen müssen. Außerdem sei sie auf den Antrag der Beschwerdeführerin, dem Sachverständigen den Auftrag zu entziehen, länger als ein halbes Jahr untätig geblieben. Sie übe keine Herrschaft über das Verfahren aus und habe keine Aktenkenntnis. Sie habe in dem seit Jahren dauernden Verfahren den Verspätungen des Sachverständigen nicht genügend entgegengehalten und habe die erhebliche Verzögerung des Verfahrens mitzuverantworten. Außerdem habe sie es zugelassen, dass erneut ein Gutachten mit demselben Fehler entstehe und die Notwendigkeit der Deckenöffnung verkannt.

Die abgelehnte Richterin gab dazu am 27.07.2020 eine dienstliche Stellungnahme ab (Bl. 550 d.A.).

bb) Mit Schriftsatz vom 05.08.2020 (Bl. 557/559 d.A.) lehnte die Beschwerdeführerin die zuständige Vorsitzende Richterin am Landgericht S. erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Antrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die abgelehnte Richterin verstärke den Eindruck der Befangenheit, soweit sie in ihrer dienstlichen Stellungnahme zum ersten Befangenheitsgesuch nicht in dem gebotenen Maße auf die erhobenen Vorwürfe eingehe. Ihre dienstliche Äußerung sei nichtssagend. Dies stelle einen neuen Befangenheitsgrund dar.

Die abgelehnte Richterin gab dazu am 03.09.2020 eine dienstliche Stellungnahme ab (Bl. 578/579 d.A.).

cc) Schließlich lehnte die Beschwerdeführerin Vorsitzende Richterin am Landgericht S. mit Schriftsatz vom 18.09.2020 (Bl. 582/583 d.A.) ein drittes Mal wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Antrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

Aus der am 03.09.2020 abgegebenen dienstlichen Äußerung der Richterin erschließe sich "keinesfalls, dass dies verständliche Gründe der genannten Nichtstuerei sein sollten". Soweit die Pilotierung der elektronischen Akte, "Arbeitsüberlastung, Home Office, Corona und zahlreiche weiteren Ausreden angebracht werden", erkläre dies allenfalls die Verzögerung im Jahr 2020, nicht aber die Verzögerungen in den sechs Jahren davor. Insoweit fehle es an einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin. Außerdem habe die Richterin mit Schreiben vom 16.03.2020 Honorarsätze für den Sachverständigen "freigegeben", obwohl die Voraussetzungen dazu nicht vorgelegen hätten. Die Vorsitzende habe auf die Art "Fakten schaffen" wollen, ohne auf die Anträge auf Entziehung der Gutachtensaufträge einzugehen. Die Richterin bearbeite "Anträge gegen den Sachverständigen" nicht, sondern "habe sich eine völlig eigene Verfahrensordnung" geschaffen, eine "ZPO L. Art".

Eine dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin liegt insoweit nicht vor.

3. Das Landgericht wies mit Beschluss vom 30.09.2020 die Befangenheitsanträge gegen den Sachverständigen sowie die ersten beiden Befangenheitsgesuche in Bezug auf die Vorsitzende Richterin als unbegründet zurück, den dritten Befangenheitsantrag in Bezug auf die Vorsitzende Richterin wies es als unzulässig zurück. Dies wurde wie folgt begründet:

a) Sachverständiger E.

Die lange Verfahrensdauer, die auch durch die verzögerte Bearbeitung durch den Sachverständigen verursacht worden sei, treffe alle Parteien gleichermaßen; eine einseitige Nähe des Sachverständigen zu einem Verfahrensbeteiligten sei nicht ersichtlich. Außerdem seien allein zwei Jahre der insgesamt rund sechsjährigen Verfahrensdauer der zweifachen Erweiterung des Beweisthemas durch die Parteien geschuldet. Darüber hinaus hätten die Parteien über vier Monate gebraucht, um ihre Ergänzungsfragen zu stellen. Auch weitere Verzögerungen beruhten auf dem Procedere der Parteien.

Der zweite Befangenheitsantrag sei unbegründet, weil es eine "Wartepflicht" für Sachverständige nicht gebe. Was die angeblich fehlende Stellungnahme des Sachverständigen angehe, so liege eine solche tatsächlich vor. Im Übrigen gebe es für den Sachverständigen keine gesetzliche Pflicht zur Abgabe einer solchen Äußerung.

b) Vorsitzende Richterin am Landgericht S.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die abgelehnte Richterin habe keine Stellungnahme des abgelehnten Sachverständigen veranlasst, sei unzutreffend und beruhe auf fehlender Aktenkenntnis ihres anwaltlichen Vertreters. Dies ergebe sich aus der richterlichen Verfügung vom 20.03.2020. Dass dem Sachverständigen bisher der Gutachtensauftrag nicht entzogen worden sei, begründe ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Der Vorwurf, die abgelehnte Richterin habe nicht auf eine Verfahrensbeschleunigung hingewirkt, sei schon deshalb unberechtigt, weil sie insgesamt drei Ordnungsgeldbeschlüsse gegen den Sachverständigen erlassen habe. Im Übrigen hätten die Parteien mehrfach Erweiterungen des Beweisthemas vorgenommen und mehrfach Fristverlängerungen beantragt. Für die Auslastung des Sachverständigen sei die Richterin nicht verantwortlich.

Der zweite Befangenheitsantrag sei unbegründet, weil die dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin zum ersten Befangenheitsantrag ausreichend gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe Verzögerungen der Verfahrensbearbeitung gerügt und der Verfahrensablauf ergebe sich bereits aus den Akten.

Der dritte Befangenheitsantrag sei bereits unzulässig, denn er sei rechtsmissbräuchlich gestellt, weil er nur der Verfahrensverschleppung diene. Es stehe im Übrigen zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin nach einer erneuten dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin einen weiteren Befangenheitsantrag stellen werde. Wiederum falsch sei die Behauptung der Beschwerdeführerin, die abgelehnte Richterin habe "Honorarsätze freigegeben". Aus Blatt 447 d.A. ergebe sich im Gegenteil, dass die abgelehnte Richterin mit Verfügung vom 16.03.2020 dem Sachverständigen E. mitgeteilt habe, es bleibe "bei den bisherigen JVEG-Beschlüssen". Auch insoweit beruhe der Befangenheitsantrag auf fehlender Aktenkenntnis des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin.

4. Gegen den Beschluss vom 30.09.2020, der Beschwerdeführerin zugestellt am 18.11.2020, legte die Antragsgegnerin zu 4) mit Schriftsatz vom 30.11.2020, bei Gericht eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde ein. Diese wird im Wesentlichen auf folgende Argumente gestützt:

Das Landgericht habe verkannt, dass auch bei einem Sachverständigen nach Stellung eines Befangenheitsantrags eine Wartepflicht bestehe. Im Übrigen führe der abgelehnte Sachverständige die Parteien hinters Licht. Eine Beweiserhebung ohne Bauteilöffnung gleiche einem "Zaubertrick, wo ein Ergebnis aus dem Hut gezaubert wird, wenngleich Verfahren (...) und Modus (...) im Unklaren" blieben. Im Übrigen werde auf alle schon bisher vorgebrachten Befangenheitsgründe Bezug genommen.

Das Landgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 03.12.2020 (Bl. 609/611 d.A.) nicht ab und verfügte die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Beschwerde.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 46 Abs. 2, 2.Alt., 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr.1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 S.1 ZPO erhoben worden.

2. In der Sache erweist sich die Beschwerde jedoch als unbegründet und die angefochtene Entscheidung des Landgerichts als richtig.

a) Die beiden Befangenheitsgesuche in Bezug auf den Sachverständigen hat das Landgericht zu Recht zurückgewiesen.

aa) Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 11.6.2008, X ZR 124/06 = DS 2008, 266, beck-online). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Sachverständige in näherer Beziehung zu einer der Parteien steht. Ein Mangel an Sachkunde, Lücken, Unzulänglichkeiten oder Fehler im Gutachten entwerten dieses gegebenenfalls, rechtfertigen jedoch für sich allein regelmäßig nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (vgl. BGH, Beschluss vom 5.11.2002, X ZR 178/01, BeckRS 2003, 94, beck-online; OLG München, Beschluss vom 18.08.2020, Az. 20 W 1121/20, juris; OLG München, Beschluss vom 27.10.2020, Az. 20 W 1420/20 = IBRRS 2020, 3202), denn derartige Mängel betreffen grundsätzlich nicht seine Unabhängigkeit (vgl. BGH, Beschluss v. 27. 9. 2011, X ZR 142/08 = NJW-RR 2011, 1555, beck-online).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben liegen hier keine Umstände vor, die die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründen.

(1) Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, dass die durch den Sachverständigen verursachten erheblichen Verfahrensverzögerungen nicht akzeptabel sind. Indes begründen sie noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Auch die stark verzögerte Erstellung eines Gutachtens stellt im Allgemeinen keinen Ablehnungsgrund dar (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 08.10.2013, 20 WF 402/13 = BeckRS 2014, 11482; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.1998, 11 W 9/98 = MDR 1998, 1052, zitiert nach juris). Im konkreten Fall ist es zudem so, dass der Sachverständige - zumindest, was die Verzögerung bei der Bearbeitung des Ergänzungsgutachtens angeht - dafür nachvollziehbare Gründe angegeben hat (Arbeitsauslastung bzw. -überlastung, die im Übrigen dem Gericht mitgeteilt wurde; organisatorische Umstellung des Sachverständigen-Büros auf "Home Office - Betrieb" wegen der Corona - Pandemie). Zu sehen ist auch, dass die Verzögerungen zum nicht unerheblichen Teil auch auf dem Prozessverhalten der beteiligten Parteien beruhen. Analog zu der Rechtsprechung zur Besorgnis der Befangenheit eines Richters wegen überlanger Verfahrensdauer (vgl. OLGe Dresden und Düsseldorf a.a.O.) liegt hier im Rahmen einer Gesamtschau noch nicht der Ausnahmefall vor, dass die Dauer der Bearbeitung der Gutachtensaufträge objektiv schlechthin unvertretbar erscheint und subjektiv aus der Sicht des Ablehnenden deshalb den Anschein einer auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung erwecken kann, weil sich die verzögerte Bearbeitung von dem normalerweise üblichen Verfahren so sehr entfernt, dass dies den Schluss nahelegt, dem Sachverständigen sei das nachvollziehbare Interesse der Partei an einer zeitnahen Beendigung des Verfahrens gleichgültig.

(2) Soweit die Beschwerdeführerin ihren Befangenheitsantrag auf die von ihr behauptete Mangelhaftigkeit des Gutachtens vom 13.03.2018 stützen möchte, ist er bereits unzulässig, da verspätet, und wäre im Übrigen auch unbegründet.

Der Antrag ist verspätet gestellt, denn den Parteien wurde gemäß § 411 Abs. 4 ZPO eine Frist bis zum 30.04.2018 für Einwendungen und Ergänzungsfragen gesetzt (Bl. 330/331 d.A.). Die Beschwerdeführerin nahm - ohne einen Befangenheitsantrag zu stellen - zu dem Gutachten mit Schriftsatz vom 28.04.2018 Stellung (Bl. 335/338 d.A.). Soweit ein Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen an den Inhalt seines Gutachtens anknüpft, gilt im Allgemeinen, dass er innerhalb der Frist des § 411 Abs. 4 ZPO gestellt werden muss (vgl. BGH NJW 2005, 1869; Musielak/ Voit/ Huber, 17. Aufl. 2020, ZPO § 406 Rn. 14; jeweils zitiert nach beck-online). Hier wurde der Befangenheitsantrag fast zwei Jahre nach Ablauf der Frist gemäß § 411 Abs. 4 ZPO gestellt und ist deshalb schon unzulässig, soweit er die Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des Gutachtens herleiten möchte.

Im Übrigen ist der Antrag auch unbegründet. Wie bereits oben dargelegt, betreffen Mängel des Gutachtens oder mangelnde Sachkunde des Sachverständigen grundsätzlich nicht dessen Unvoreingenommenheit (vgl. BGH, Beschluss v. 27. 9. 2011, X ZR 142/08 = NJW-RR 2011, 1555; BGH, Beschluss vom 5.11.2002, X ZR 178/01, BeckRS 2003, 94, jeweils zitiert nach beck-online; OLG München, Beschluss vom 18.08.2020, Az. 20 W 1121/20, juris; OLG München, Beschluss vom 27.10.2020, Az. 20 W 1420/20 = IBRRS 2020, 3202, juris). Mithin hat der Senat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch nicht zu überprüfen, ob dem Sachverständigen E. die Sachkunde fehlt, ob seine beiden Gutachten mangelhaft sind, ob sie der Ergänzung bedürfen oder ob gemäß § 412 Abs. 1 ZPO ein neues Gutachten in Auftrag zu geben ist. Diese Überprüfung ist ausschließlich Aufgabe des Erstgerichts.

(3) Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich hier auch nicht etwa daraus, dass der Sachverständige nach Stellung des ersten Befangenheitsantrags die "Wartezeit" nicht eingehalten habe. Eine Regelung wie § 47 Abs. 1 ZPO, die dem abgelehnten Richter nur solche Handlungen gestattet, die keinen Aufschub gestatten, gibt es für Sachverständige nicht. Dass der Sachverständige mit Schreiben vom 08.06.2020 sein Ergänzungsgutachten vorlegte und nicht etwa die Entscheidung über den Befangenheitsantrag abwartete, begründet im konkreten Fall nicht die Besorgnis der Befangenheit; dies schon deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin ihren ersten Antrag insbesondere auf die "Untätigkeit" des Sachverständigen stützte.

Die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen (BayObLG WuM 1994, 410 und OLG Rostock NJW-RR 1999, 1507) stützen die von ihr vertretene Auffassung nicht. Beide Entscheidungen befassen sich - anders als die Beschwerdeführerin meint - mit Verstößen des Richters gegen die Wartepflicht gem. § 47 ZPO, nicht aber mit einer entsprechenden für Sachverständige geltenden Pflicht.

(4) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, der Sachverständige habe zu ihrem ersten Befangenheitsantrag keine dienstliche Stellungnahme abgegeben, verkennt sie, dass es - anders als beim abgelehnten Richter - für Sachverständige eine derartige Pflicht nicht gibt. § 44 Abs. 3 ZPO gilt nicht entsprechend (vgl. MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl., § 406 Rn. 14; beck-online). Im Übrigen hat der Sachverständige - wenn auch nur sehr knapp - Stellung genommen.

b) Auch in Bezug auf die drei Befangenheitsanträge gegen die Vorsitzende Richterin ist die Beschwerde unbegründet.

aa) Die Ablehnung eines Richters findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Rein subjektive, unvernünftige oder eingebildete Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl. z.B. BVerfG NJW 1993, 2230; BGHZ 156, 269). Unerheblich ist dabei auch, ob sich der abgelehnte Richter selbst befangen fühlt (vgl. BVerfG 73, 330, 335). Ausreichend ist schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (vgl. BVerfG NJW 2012, 3228, beck-online).

bb) Nach diesen Maßstäben lässt sich im vorliegenden Fall eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin nicht begründen.

(1) Dass die abgelehnte Richterin es versäumt habe, eine dienstliche Stellungnahme des Sachverständigen zu veranlassen, begründet schon deswegen nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil es eine Pflicht des Sachverständigen zur Abgabe einer Stellungnahme nicht gibt; § 44 Abs. 3 ZPO gilt nicht entsprechend, s.o.

(2) Dass sie dem Antrag der Beschwerdeführerin, dem Sachverständigen den Auftrag zu entziehen, nicht nachkam, begründet ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Es ist Sache des erkennenden Gerichts, den Sachverständigen auszuwählen oder gegebenenfalls nach § 412 Abs. 1 ZPO ein neues Gutachten in Auftrag zu geben. Soweit letzteres unterbleibt, obwohl es geboten gewesen wäre, berührt das die Frage der Richtigkeit der Tatsachenfeststellung bzw. die Beweiswürdigung. Dieses kann (im Hauptsacheverfahren) gegebenenfalls Gegenstand der berufungsgerichtlichen Überprüfung sein. Die Frage der etwaigen Befangenheit der Richterin ist davon nicht berührt. Irrige Rechtsansichten oder eine fehlerhafte Verfahrensweise - wenn sie denn hier überhaupt vorlägen - begründen grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit, sondern erst dann, wenn sich in der Verfahrensweise eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (vgl. BVerfG NVwZ 2009, 581; BVerwG BeckRS 2012, 57311; jeweils zitiert nach beck-online). Letzteres ist hier ersichtlich nicht der Fall.

(3) Was die von der Beschwerdeführerin gerügte Untätigkeit der abgelehnten Richterin angeht, sei zunächst auf die diesbezüglichen Erwägungen zur Verfahrensverzögerung durch den Sachverständigen Bezug genommen. Selbst wenn es hier möglich und wünschenswert gewesen wäre, das Verfahren zu beschleunigen, liegt nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 08.10.2013, 20 WF 402/13 = BeckRS 2014, 11482; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.1998, 11 W 9/98 = MDR 1998, 1052, zitiert nach juris; siehe im Übrigen weiter oben), noch keiner der Ausnahmefälle vor, in denen die Verfahrensweise oder Verfahrensdauer schlechthin unvertretbar wäre.

(4) Die Besorgnis der Befangenheit wird auch nicht dadurch begründet, dass sich die abgelehnte Richterin zu dem ersten Befangenheitsantrag in nur sehr knapper Weise dienstlich äußerte. Der maßgebliche Sachverhalt, auf den der Antrag gestützt wurde, ergab sich schließlich aus den Akten. Deshalb gab es für die abgelehnte Richterin keinen Anlass für eine weitergehende Stellungnahme, zumal es ihr verwehrt ist, den Befangenheitsantrag oder dessen Gehalt in irgendeiner Weise zu bewerten.

(5) Ob der dritte Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich und damit bereits als unzulässig zurückgewiesen werden durfte, kann letztlich dahinstehen, denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

Die Beschwerdeführerin irrt insbesondere, wenn sie aus dem Inhalt der dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin schließen möchte, dass faktisch keine Stellungnahme vorliege und dies (erneut) die Befangenheit begründe. Wie bereits ausgeführt, ist es einem abgelehnten Richter grundsätzlich verwehrt, sich zur Begründetheit oder dem Gehalt eines gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrags zu äußern. Zudem stellt es keinen Befangenheitsgrund dar, wenn die abgelehnte Richterin in ihrer dienstlichen Äußerung die von der ablehnenden Partei vorgetragenen "Vorwürfe" in deren Augen nicht "entkräftet" hat.

(6) Die Beschwerde stützt sich nicht (mehr) auf die ursprüngliche Behauptung, die abgelehnte Richterin habe "Honorare freigegeben". Insoweit führt die Beschwerdeführerin selbst ausdrücklich aus, dass der Beschluss vom 30.09.2020 zur Klärung beigetragen habe.

III.

Die Pflicht zur Tragung der Gerichtsgebühren ergibt sich bereits aus dem Gesetz (Nr. 1812 KV-GKG, Festgebühr), im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. ZöllerG. Vollkommer, 32. Aufl., § 46 Rn. 20).

IV.

Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 574 Abs. 1 Nr.2, Abs. 3 S.1 i.V.m Abs. 2 ZPO zuzulassen, denn es handelt sich nur um eine Einzelfallentscheidung.

20 W 1742/20 Verfügung

1. Beschluss vom 13.01.2021 hinausgeben an: ...

2. Schlussbehandlung

3. bitte anonymisieren und an Juris etc. versenden

4. Vermerk: Streitwert der Hauptsache 30.000 €, vgl. Bl. 2 d.A.