VG Berlin, Urteil vom 26.05.2020 - 2 K 218.17
Fundstelle
openJur 2020, 75132
  • Rkr:
Rubrum

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

URTEIL

Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

der Frau Dr. G... W...

Klägerin,

Verfahrensbevollmächtigte: ...

gegen

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin,

Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2020 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ...

den Richter am Verwaltungsgericht ...

den Richter am Verwaltungsgericht ...

die ehrenamtliche Richterin ... und

die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweiligen Vollstreckungsbetrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Zugang zu amtlichen Unterlagen aus der Zeit der Kanzlerschaft von Dr. Helmut Kohl. Sie hat wiederholt Akteneinsichtsansprüche bei dem Bundeskanzleramt geltend gemacht. In dem bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängigen Verfahren OVG 12 B 4.19 / VG 2 K 178.17 begehrt sie unter anderem Einsicht in die Findmittel des Bundeskanzleramts hinsichtlich bestimmter Unterlagen des Bundessicherheitsrats.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 beantragte die Klägerin Einsicht in sämtliche bei dem Bundeskanzleramt sowie privaten Dritten vorhandenen amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl, hilfsweise aus dem Zeitraum 1982 bis Juni 1987, sowie Zugang zu den Findmitteln zu diesen Akten. Das Bundeskanzleramt bat die Klägerin mit Schreiben vom 25. August 2017 um eine Präzisierung des Antragsgegenstands hinsichtlich Thema und Art der gesuchten Unterlagen und wies darauf hin, dass eine Recherche im Akten- und Dokumentenbestand des Bundeskanzleramts nur themenbezogen erfolgen könne. Zudem bat es um Klarstellung, was mit amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl gemeint sei.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 lehnte die Klägerin eine thematische Eingrenzung ihres Antrags ab. Den Begriff der "amtlichen Unterlagen" konkretisierte sie dahingehend, dass er sämtliche Unterlagen erfasse, die von Dr. Helmut Kohl unterschrieben oder ab- bzw. gegengezeichnet worden oder über seinen Schreibtisch gegangen seien. Für den Fall, dass ihre Anträge als zu weit angesehen würden, beantragte sie weiter hilfsweise Einsicht in die amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers im Hinblick auf die Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen und/oder Südamerika und/oder Chile und/oder Argentinien und/oder Paraguay.

Am 8. Dezember 2017 hat die Klägerin Klage erhoben.

Das Bundeskanzleramt gewährte ihr mit Teilentscheidungen vom 24. Januar 2018 sowie vom 2. März 2018 Einsicht in acht bzw. 35 Unterlagen und mit Schlussentscheidung vom 26. Juni 2018 in zwei weitere Unterlagen im Zusammenhang mit den deutsch-südamerikanischen Beziehungen. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Zur Begründung führte das Bundeskanzleramt aus, ohne Benennung von Recherchebegriffen ließen sich keine weiteren einschlägigen Dokumente auffinden. Eine Recherche in den Registraturen des Bundeskanzleramts könne ausschließlich themenbezogen erfolgen. Das beruhe darauf, dass dort grundsätzlich themenbezogene Sachak-ten geführt würden und das Registratur- und Recherchesystem erst im Laufe der Zeit fortentwickelt und ausgebaut worden sei. In dem Zeitraum von Oktober 1982 bis September 1998 seien lediglich Aktentitel, nicht aber einzelne Dokumente registrato-risch mit Schlagworten erfasst worden. Eine manuelle Suche komme nicht in Betracht, da hierzu der komplette Aktenbestand des Bundeskanzleramts aus einem 16 Jahre umfassenden Zeitraum Blatt für Blatt geprüft und ausgewertet werden müsse. Weiter führte das Bundeskanzleramt aus, ihm sei nicht bekannt, dass sich amtliche Unterlagen des verstorbenen Bundeskanzlers bei Dritten befänden. Zugang zu Findmitteln könne nicht gewährt werden. Im Bundeskanzleramt würden keine Findmittel im archivarischen Sinne geführt und gepflegt. Die verschiedenen Registraturen könnten zur Recherche lediglich auf Mittel der Schriftgutverwaltung zugreifen. Diese dienten ganz vorrangig den registratorischen Aufgaben der Erfassung, des Nachweises und der Ablage von behördlichem Schriftgut. Sie unterlägen nach ihrer Zweckbestimmung nicht dem Archivrecht. Denn sie könnten nie zu Archivgut werden, da ihnen der bleibende Wert fehle. Aus dem gleichen Grund erstrecke sich auch der Informationszugangsanspruch nicht auf diese Mittel.

Die Klägerin hat ihre Klage unter Einbeziehung des Bescheids vom 26. Juni 2018 fortgeführt. Sie trägt vor, die Klage sei auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig. Für ihren Antrag auf Zugang zu den Findmitteln bestehe im Hinblick auf das Verfahren OVG 12 B 4.19 / VG 2 K 178.17 keine doppelte Rechtshängigkeit. Während das dortige Verfahren sich auf Unterlagen des Bundessicherheitsrats beziehe, gehe es hier um amtliche Unterlagen des verstorbenen Bundeskanzlers. Ihr Zugangsantrag sei auch hinreichend präzise. Ihr sei naturgemäß nicht bekannt, welche Akten dem Bundeskanzleramt vorlägen und welche bei privaten Dritten existierten. Die Beklagte könne sich nicht auf den Einwand eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands berufen, nur weil es um einen Aktenbestand aus einem Zeitraum von 16 Jahren gehe. Sie bestreite, dass die Beklagte nur themenbezogen nach Akten suchen könne. Diese müsse ihre Organisationsstruktur und ihre organisatorischen Maßnahmen möglichst so einrichten, dass sie Informationszugangsanträge gesetzeskonform reibungslos bearbeiten könne. Der tatsächliche Arbeitsaufwand lasse sich durch organisatorische Vorkehrungen verringern. Die Akten im Besitz von Frau Dr. K...-R... seien wiederzubeschaffen. Ein Anspruch auf Zugang zu den Findmitteln des Bundeskanzleramts sei aus Effektivitätsgesichtspunkten anzunehmen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundeskanzleramts vom 26. Juni 2018 zu verpflichten, ihr die Unterlagen, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat oder die an ihn adressiert wurden und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau K...-R..., ... befinden,
bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen,

2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihr die Unterlagen aus dem Zeitraum 1. Oktober 1982 bis 30. Juni 1987, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat oder die an ihn adressiert wurden und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau K...-R..., ... befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen,

3. äußerst hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihr die Unterlagen die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat oder die an ihn adressiert wurden und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau K...-R..., ... befinden und die sich auf die Themen deutsch-südamerikanischer Beziehungen und/oder Südamerika und/oder Chile und/oder Argentinien und/oder Paraguay beziehen, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen,

4. die Beklagte zu verpflichten, ihr Zugang zu den Findmitteln hinsichtlich der in Ziffer 1, hilfsweise in Ziffer 2, höchst hilfsweise in Ziffer 3 bezeichneten Akten zu verschaffen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend trägt sie vor, die Klage sei mangels Durchführung eines Widerspruchsverfahrens unzulässig, soweit sie sich gegen den Teil des Schlussbescheids vom 26. Juni 2018 richte, der auf dem Informationsfreiheitsrecht beruhe. Sofern die Klägerin Zugang zu sämtlichen an den früheren Bundeskanzler adressierten Unterlagen begehre, fehle es an einem vorgerichtlichen Antrag. Nur ein Bruchteil der zahlreichen an den Bundeskanzler adressierten Schreiben werde diesem vorgelegt. Die Klage mit dem Antrag auf Zugang zu den Findmitteln sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Der dem hiesigen Verfahren zugrunde liegende Zugangsanspruch sei von dem in dem Verfahren OVG 12 B 4.19 / VG 2 K 178.17 geltend gemachten Antrag nicht trennbar. Das Bundeskanzleramt habe vier Registraturen, die jeweils über eigene Mittel zur Schriftgutverwaltung verfügten. Zu Beginn der Recherche stehe zumeist noch nicht fest, ob sich die Recherche auf einzelne Registraturen beschränken lasse. Der anderweitig anhängige Anspruch auf Zugang zu den Findmitteln zu Akten des Bundessicherheitsrats stelle eine seltene Ausnahme dar, da das Schriftgut dieses geheim tagenden Gremiums alleine in der VS-Registratur geführt werde. Das Ziel der Klägerin sei es, selbst im kompletten Aktenbestand des Bundeskanzleramts nach potentiell einschlägigen amtlichen Unterlagen zu recherchieren. Hierzu bedürfe es eines umfassenden Zugriffs auf alle bei dem Bundeskanzleramt vorhandenen Mittel der Schriftgutverwaltung. Im Hinblick auf den Antrag zu 3. habe sie den Informationszugangsanspruch der Klägerin erfüllt. Sie habe ihre Recherchemöglichkeiten vollumfänglich ausgeschöpft und alle einschlägigen Dokumente zugänglich gemacht. Die Registraturen hätten nach Unterlagen des verstorbenen Bundeskanzlers sowie den von der Klägerin genannten Suchworten recherchiert. Der potentiell für diese Themen einschlägige Aktenbestand sei anschließend anhand der von der Klägerin genannten Kriterien auf einschlägige Dokumente überprüft worden. Ein darüber hinausgehender Zugangsanspruch begründe einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand. Sie müsste ihren gesamten Aktenbestand aus 16 Jahren Blatt für Blatt händisch darauf sichten, ob von dem Antrag erfasste Dokumente vorhanden seien, die schützenswerte Daten enthielten und zu schwärzen seien. Dies würde nicht nur den zur Bearbeitung vergleichbarer Anfragen zu leistenden Aufwand massiv übersteigen, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Bundeskanzleramts beeinträchtigen. So müsste für den Zeitraum 1982 bis 1998 allein in der VS-Registratur ein Bestand von schätzungsweise 9.200 Akten gesichtet werden, die in der Regel einen Umfang zwischen zwei und fünf Zentimetern bzw. zwischen 20 und 400 Seiten hätten. Hinzu kämen der Bestand der Hauptregistratur von ca. 80 Akten mit jeweils bis zu 100 Bänden und ein weiterer Aktenbestand im Bundesarchiv, für den noch Aufbewahrungsfristen liefen. Zu dessen Umfang könne keine auch nur ansatzweise belastbare Aussage getroffen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen ist sie zulässig, aber unbegründet (II.).

I. Die als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) erhobene und unter Einbeziehung des Schlussbescheids vom 26. Juni 2018 fortgeführte Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist unzulässig, soweit die Klägerin mit den Anträgen zu 1.-3. Zugang zu den an den Bundeskanzler "adressierten" Unterlagen begehrt. Insoweit fehlt es an einem vorgerichtlichen Antrag. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 hat die Klägerin ihren Antrag dahingehend eingeschränkt, dass er sich auf solche amtlichen Unterlagen beziehe, die von Dr. Helmut Kohl unterschrieben oder ab- bzw. gegengezeichnet wurden oder über seinen Schreibtisch gegangen seien. Das von der Klägerin vorprozessual gewählte Kriterium "über seinen Schreibtisch gegangen" ist für eine Abgrenzung indes ungeeignet. Denn dieser Vorgang manifestiert sich nicht in den Akten und ist damit für die Behörde nicht feststellbar. Das Kriterium "über seinen Schreibtisch gegangen" ist auch nicht identisch mit dem im Klageverfahren gewählten Kriterium "die an ihn adressiert wurden". Denn die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass nur ein Bruchteil der an den jeweiligen Bundeskanzler adressierten Schreiben diesem tatsächlich auch vorgelegt und vom ihm unterschrieben oder ab-bzw. gegengezeichnet wird. Der Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, ihr ursprünglicher Antrag habe sich auf sämtliche amtliche Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl bezogen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Klägerin muss sich an der Beschränkung ihres Antrags vom 24. Oktober 2017, die auch dem Bescheid des Bundeskanzleramts zugrunde gelegt worden ist, festhalten lassen.

Die Klage mit dem Antrag zu 4. ist unzulässig, soweit sie sich auf den Zugang zu Findmitteln der VS-Registratur bezieht. Insoweit steht ihr der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen. Denn die Klägerin hat in dem noch beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängigen Verfahren OVG 12 B 4.19 bereits beantragt, ihr hinsichtlich bestimmter Unterlagen des Bundessicherheitsrats Zugang zu den Find- und Recherchemitteln beim Bundeskanzleramt zu gewähren. Für die Führung der Akten des Bundessicherheitsrats ist nach dem Vortrag der Beklagten ausschließlich die VS-Registratur zuständig. Insoweit ist der beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängige Streitgegenstand - anders als die Beklagte meint - von dem hiesigen insoweit trennbar und die Klägerin an der erneuten prozessualen Geltendmachung ihres Anspruchs auf Zugang zu den Findmitteln der VS-Registratur gehindert.

II. Im Übrigen ist die Klage zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Klägerin nach Erlass des Schlussbescheids vom 26. Juni 2018 kein Widerspruchsverfahren durchgeführt hat. Denn die zulässig erhobene Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) ist durch Erlass des Bescheids vom 26. Juni 2018 nicht unzulässig geworden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1995 - BVerwG 3 C 24.94 - BVerwGE 100, 221, 224).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Bundeskanzleramts vom 26. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen bzw. Unterlagen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Der mit dem Klagantrag zu 1. verfolgte Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die Dr. Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat, richtet sich - je nach Alter der Unterlagen - nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes - IFG - bzw. nach § 11 Abs. 6 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 des Bundesarchivgesetzes - BArchG -. Der für beide Rechtsgrundlagen erforderliche Antrag der Klägerin (auf Informationszugang bzw. Archivnutzung) erweist sich in materieller Hinsicht aber als zu unbestimmt.

Sowohl der informationsfreiheitsrechtliche Zugangsanspruch als auch der archivrechtliche Nutzungsanspruch setzen einen Antrag voraus (§ 7 Abs. 1 Satz 1 IFG, § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG), der erkennen lässt, zu welchen Informationen der Zugang gewünscht wird. Das Antragserfordernis betrifft mithin nicht nur die Einleitung des Verfahrens, sondern fordert zugleich eine inhaltliche Begrenzung des Verfahrensgegenstands (BVerwG, Beschluss vom 17. November 2016 - BVerwG 6 A 1.15 -juris Rn. 13), mit dem der Rahmen der behördlichen Entscheidungsbefugnis abge-steekt wird. Die an den Antrag zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - BVerwG 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 54).

Die an den Antrag auf Informationszugang bzw. auf Nutzung amtlicher Unterlagen zu stellenden Anforderungen finden ihre Grenze dort, wo der Antragsteller mangels Kenntnis nicht in der Lage ist, die begehrten Informationen durch die Benennung von Unterlagen zu konkretisieren. Aus diesem Grund sind an die Bestimmtheit des Antrags keine hohen Anforderungen zu stellen. Der Annahme hinreichender Bestimmtheit des Antrags steht daher nicht entgegen, dass der Antragsteller nicht die begehrten Unterlagen bzw. Informationen im Einzelnen, sondern nur die Verwaltungsvorgänge bezeichnen kann, auf die sich sein Begehren bezieht. Es reicht aus, wenn er seinen Antrag in einem ersten Schritt darauf richtet, davon Kenntnis zu erlangen, dass und welche Unterlagen bzw. Informationen vorliegen, von deren Inhalt er sodann in einem zweiten Schritt im Wege der Akteneinsicht oder Auskunftserteilung Kenntnis erlangen kann. Allerdings erweist sich ein Antrag als zu unbestimmt, wenn er einen Bezug zu näher bezeichneten Informationen oder Unterlagen nicht hinreichend konkret erkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2019 - BVerwG 6 A 2.17 - NVwZ2019, 1211 Rn. 7 f.; Urteil vom 23. Februar 2017 - BVerwG 7C 31.15 - NVwZ 2017, 1775 Rn. 26) oder eine inhaltliche Begrenzung des Verfahrensgegenstandes (gegebenenfalls unter Bezugnahme auf einen konkreten Lebenssachverhalt) vermissen lässt (sog. Globalanträge). Letzteres ist hier der Fall.

Der Antrag der Klägerin lässt zwar erkennen, was sie möchte. Sie begrenzt den Verfahrensgegenstand indes nur nach formalen Kriterien (alle von Dr. Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschriebenen oder mit seinem Namen versehenen Unterlagen), ohne eine inhaltliche oder thematische Bezugnahme bzw. Eingrenzung vorzunehmen. Da die Kanzlerschaft von Dr. Helmut Kohl einen Zeitraum von über 16 Jahre umfasst und der Beklagten eine Recherche in ihrem Akten- und Dokumentenbestand nur themenbezogen möglich ist, hätte es der Klägerin oblegen, den von ihr gestellten weit ausgreifenden Antrag in einer eine praktikable Bearbeitung durch die Behörde ermöglichenden Weise zu konkretisieren (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 - BVerwG 6 B 140.18 - juris Rn. 6). Zu einer derartigen Konkretisierung hat die Klägerin sich aber nicht bereitgefunden, obwohl die Beklagte die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 25. August 2017 zur Präzisierung des Antrags nach "Thema und Art der Unterlagen" aufgefordert und auf ihre nur themenbezogene Recherchemöglichkeiten hingewiesen hatte. Konkretisierende Ansätze haben sich auch in der mündlichen Verhandlung nicht ergeben. Die Klägerin hat eine thematische Eingrenzung ihres Zugangs- bzw. Nutzungsantrags abgelehnt mit der Begründung, es sei ihr erst infolge ihrer thematisch nicht begrenzten Recherche möglich, weitere inhaltliche Recherchebegriffe zu benennen. Eine derartige Globalrecherche, deren alleiniger Zweck in der Sichtung des vorhandenen Aktenbestands zur Geltendmachung etwaiger weiterer Zugangs- bzw. Nutzungsansprüche liegt, ist weder von dem Informationszugangsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG noch von dem archivrechtlichen Nutzungsanspruch nach §11 Abs. 6 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG gedeckt.

2. Der mit dem Klagantrag zu 2. hilfsweise verfolgte Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die Dr. Helmut Kohl im Zeitraum vom 1. Oktober 1982 bis zum 30. Juni 1987 in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat, ist ebenfalls nicht gegeben. Der dem Anspruch zugrundeliegende Antrag betrifft in zeitlicher Hinsicht zwar lediglich einen Teilausschnitt der Kanzlerschaft Kohls, es fehlt jedoch auch hier an der erforderlichen inhaltlichen oder thematischen Eingrenzung des Verfahrensgegenstandes und einer entsprechenden Konkretisierung des Begehrens der Klägerin.

3. Für den mit dem Klagantrag zu 3. höchst hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die Dr. Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat und die sich auf die Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen und/oder Südamerika und/oder Chile und/oder Argentinien und/oder Paraguay beziehen, ist der Antrag hinreichend bestimmt. Denn die Klägerin hat hier die erforderliche inhaltliche bzw. thematische Begrenzung des Antrags vorgenommen. Der Anspruch steht ihr aber aus anderen Gründen nicht zu. Dies gilt sowohl für weitere Unterlagen, die bei dem Bundeskanzleramt vorliegen sollen (a.) als auch für die Unterlagen, die sich ggf. bei privaten Dritten befinden (b.).

a. Nach dem Vortrag der Beklagten gibt es - über die bereits in den Bescheiden vom 24. Januar 2018, 2. März 2018 und 26. Juni 2018 genannten 45 Unterlagen hinaus -keine weiteren Unterlagen bei dem Bundeskanzleramt mit Bezug zu den oben genannten Themen, die Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder die er mit seinem Namen versehen hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht ausreichend recherchiert hat und bei erneuter Recherche weitere Unterlagen aufgefunden werden könnten. Dem Verwaltungsvorgang ist vielmehr zu entnehmen, dass die Beklagte mit den von der Klägerin genannten Stichworten in sämtlichen Registraturen des Bundeskanzleramts recherchiert und die aufgefundenen Dokumente zur Verfügung gestellt hat. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Beklagten nachvollziehbar dargelegt, dass die vorhandenen Recherchemöglichkeiten ausgeschöpft worden seien. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Bei dieser Sachlage ist weder auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG noch § 11 Abs. 6 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG eine händische Suche nach etwaigen einzelnen Aktenstücken "ins Blaue hinein" in dem Gesamtaktenbestand des Bundeskanzleramts geboten.

b. Soweit sich der Antrag auf Unterlagen bezieht, die sich ggf. bei privaten Dritten befinden, steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch weder nach dem Informationsfreiheitsgesetz (aa.) noch nach dem Bundesarchivgesetz (bb.) zu.

aa. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Zugangsanspruch erstreckt sich, auch ohne dass dies in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ausdrücklich geregelt ist, auf die Informationen, die bei der Behörde im Zeitpunkt der Antragstellung vorhanden sind (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - BVerwG 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41). Informationen sind vorhanden, wenn die Behörde tatsächlich Zugriff auf sie hat (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - BVerwG 7 B43.12 - NJW2013, 2538 Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Mai 2019 - 15 A 873/18 - juris Rn. 87). Nach dem Vortrag der Beklagten hat das Bundeskanzleramt keinen tatsächlichen Zugriff auf etwaige Unterlagen, die sich im Besitz von privaten Dritten befinden sollen.

Aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ergibt sich auch kein Anspruch auf bzw. die Pflicht der Behörde zur Wiederbeschaffung von amtlichen Unterlagen, die vor Eingang des Antrags auf Informationszugangs von der Behörde weggegeben wurden oder ihr abhandengekommen und in den Besitz Dritter gelangt sind.

Eine solche Pflicht zur Wiederbeschaffung lässt sich weder der Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes entnehmen noch ist sie verfassungsrechtlich geboten.

(1) Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 IFG gibt keinen Hinweis auf eine Wiederbeschaffungspflicht der vorgenannten Art. Auch die Entstehungsgeschichte und die Gesetzessystematik ermöglichen keine entsprechende Schlussfolgerung. Mit § 1 Abs. 1 Satz 3, § 7 Abs. 1 Satz 2 kennt das IFG zwar Ansprüche auf Zugang zu bei Privaten befindlichen amtlichen Informationen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG steht einer auskunftspflichtigen Behörde eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. In diesem Fall ist der Antrag gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 IFG an die Behörde zu richten, die sich der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. Der Zugangsanspruch richtet sich nicht gegen das Privatrechtssubjekt; vielmehr bleibt die Behörde selbst zur Gewährung des Zugangs verpflichtet. Sie muss sich die Informationen beschaffen und dem Antragsteller den Zugang zu ihnen gewähren (BT-Drs. 15/4493 S. 8, 14). Die dort geregelte Konstellation ist jedoch mit der hier zu entscheidenden nicht vergleichbar. Den genannten Vorschriften liegt die Erwägung zugrunde, dass die informationspflichtige Stelle sich durch die Auslagerung öffentlicher Aufgaben nicht ihrer Informationszugangspflicht entledigen darf ("Flucht ins Privatrecht"). An einer solchen Aufgabenverlagerung fehlt es hier.

Auch der Zweck der Regelung deutet nicht auf eine Wiederbeschaffungspflicht. Nach der amtlichen Begründung bezweckt der Informationszugangsanspruch die Stärkung der Transparenz behördlicher Entscheidungen sowie die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Das Informationsfreiheitsgesetz dient der demokratischen Meinungsund Willensbildung. Das erfordert eine gleichgewichtige Informationsverteilung zwischen Staat und Bürger (BT-Drs. 15/4493 S. 6). Eine solche gleichgewichtige Informationsverteilung betrifft aber lediglich solche Informationen, über die der Staat tatsächlich verfügt. Nur hinsichtlich solcher Unterlagen kann der Bürger an dem Hoheitswissen des Staates partizipieren. Befinden sich die Informationen dagegen nicht mehr in seiner Hand, sondern in der Hand Privater, hat der Staat keinen durch den Zugangsanspruch zu kompensierenden Wissensvorsprung. Demzufolge ist in der Rechtsprechung geklärt, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG keine Beschaffungspflicht der informationspflichtigen Stelle hinsichtlich solcher Informationen begründet, die bei der Behörde nie vorhanden waren (vgl. BVerwG, Urteil 10. April 2019 - BVerwG 7 C 22.18 - NVwZ2019, 1840 Rn. 15), und eine Pflicht zur Wiederbeschaffung von Unterlagen, die nach Eingang des Antrags auf Informationszugangs von der Behörde weggegeben wurden, nur ausnahmsweise wegen des zuvor begründeten informationsrechtlichen Rechtsverhältnisses besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - BVerwG 7 C 2.15 - Rn. 42; zum IFG BE OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. März 2010 - OVG 12 B 41.08 - OVGE 31, 1, 3 f. - gestützt auf Treu und Glauben).

(2) Die vorstehende Auslegung ist mit Verfassungsrecht und Europarecht vereinbar.

Ein Verstoß gegen Art. 5 GG liegt nicht vor. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG verankerte Informationsfreiheit gewährleistet das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers sollen die dem Zugangsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG unterstellten Informationen grundsätzlich zugänglich sein (BVerfG, Beschluss vom 20, Juni 2017 -1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 21). Der grundrechtliche Schutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG besteht indes nur in dem durch den einfachen Gesetzgeber gewährten Umfang (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95 u.a. -BVerfGE 103, 44 Rn. 56). Die Reichweite des Schutzbereichs hängt von der Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber ab (Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Auflage 2018, Art. 5 Rn. 108). Bei § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG handelt es sich um einen einfachgesetzlichen Anspruch, der weder über Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG noch sonst - etwa über das Demokratieprinzip - verfassungsrechtlich geboten ist (BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2016 - BVerwG 7 C 3.15 - NVwZ 2016, 1820 Rn. 14 und vom 13. Dezember 2018 - BVerwG 7 C 19.17 -BVerwGE 164, 112 Rn. 20). Die hier zu entscheidende Frage, ob dieser einfachgesetzliche Zugangsanspruch auch Informationen erfasst, die sich im Besitz privater Dritter befinden, betrifft die vorgelagerte Frage der Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG. Für die Beantwortung dieser Frage ist die grundrechtliche Informationsfreiheit unergiebig.

Auch Art. 3 Abs. 1 GG zwingt - jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation - zu keinem anderen Ergebnis. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, wesentlich Gleiches ungleich und in entscheidenden Punkten Ungleiches ohne sachlich rechtfertigenden Grund gleich zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 1 BvR 999/07 - NJW 2007, 2537, 2538). Eine Ungleichbehandlung ist daher nur dann rechtfertigungsbedürftig, wenn sie Vergleichsgruppen mit übereinstimmenden Merkmalen betrifft. Dann ist sie an dem grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen, wobei die gerichtliche Prüfungsdichte je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen von einer bloßen Plausibilitätskontrolle bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung reicht (BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2013 -1 BvL 1/08- BVerfGE 134, 1, 20).

Eine Ungleichbehandlung durch das Bundeskanzleramt ist weder dargelegt noch ist sie für die Kammer ersichtlich. Das gilt zunächst für die Gruppe der Antragsteller, die beim Bundeskanzleramt Zugang zu den weggegebenen bzw. abhandengekommenen Informationen begehren. Das Bundeskanzleramt behandelt diese Antragsteller alle gleich und verweist diese darauf, dass diese Informationen nicht bei ihr vorhanden seien.

Für die von der Klägerin geltend gemachte Ungleichbehandlung von ihr und Frau Dr. K...-R... fehlt es an der für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG erforderlichen Vergleichbarkeit der Gruppen. Denn Frau Dr. K...-R... soll sich - nach Auffassung der Klägerin - im Besitz von amtlichen Unterlagen befinden, während die Klägerin sie gerade nicht besitzt, sondern den Zugang zu diesen begehrt. Frau Dr. K...-R... ist auch nicht dadurch in den Besitz etwaiger amtlicher Informationen gelangt, dass das Bundeskanzleramt ihr diesen - wie von der Klägerin begehrt -durch Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs gegenüber einem Dritten verschafft hat.

Auch hinsichtlich der Geltendmachung etwaiger Herausgabeansprüche gegenüber den privaten Dritten, die im Besitz amtlicher Unterlagen sein sollen, ist eine Ungleichbehandlung nicht dargelegt. Nach denn - unbestritten - Vortrag der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat das Bundeskanzleramt bislang in keinem Fall etwaige Ansprüche auf Herausgabe von amtlichen Unterlagen gegenüber ehemaligen Bundeskanzlern geltend gemacht. Eine Pflicht zur Geltendmachung eines etwaigen Herausgabeanspruchs folgt auch nicht aus der Dimension der Grundrechte als Schutzpflichten. Art. 3 Abs. 1 GG liefert zwar Maßstäbe für die Ausübung staatlicher Maßnahmen zum Schutz vor Grundrechtsgefährdungen durch Private. Eine Ableitung konkreter staatlicher Schutzpflichten aus dem allgemeinen Gleichheitssatz verbietet sich indes wegen seiner Maßstabsarmut. Nur im Zusammenspiel mit der drohenden Verletzung eines Freiheitsrechts kann Art. 3 Abs. 1 GG im Einzelfall eine schutzrechtliche Dimension entfalten (Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 3. Auflage 2011, § 191 Rn. 222; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Auflage 2018, Art. 3 Rn. 175 ff.).

Darüber hinaus ist eine etwaige Ungleichbehandlung verschiedener Zugangspetenten durch den privaten Dritten nicht an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Denn gemäß Art, 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte lediglich die öffentliche Gewalt. Die Entscheidung des Bundeskanzleramts, die bei privaten Dritten befindlichen amtlichen Unterlagen nicht zurückzufordern, mag im Ergebnis dazu führen, dass das Bundeskanzleramt es den Dritten überlässt, wer Zugang zu den Akten erhalten kann und wer nicht (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 30). Die unterlassene Geltendmachung von Herausgabeansprüchen führt damit allenfalls mittelbar zu einer Ungleichbehandlung durch den im Besitz der amtlichen Unterlagen befindlichen privaten Dritten. Diese Ungleichbehandlung ist dem Bundeskanzleramt indes nicht zuzurechnen. Denn die Zurechnung von Handlungen Privater ist lediglich in Fällen anerkannt, in denen der Private als Verwaltungshelfer im Auftrag und nach den Weisungen der staatlichen Behörde bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingesetzt wird (Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Auflage 2013, Art. 1 III Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: März 2019, Art. 1 Abs. 3 Rn. 115). So liegt der Fall hier aber gerade nicht. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs ist mit der Beauftragung und inhaltlichen Steuerung eines weisungsabhängigen Dritten nicht vergleichbar.

Auch Art. 10 EMRK gebietet keine Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auf amtliche Informationen, die sich im Besitz privater Dritter befinden. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte begründet Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK zwar im Einzelfall auch ein Recht auf Zugang zu Informationen (s. grundlegend EGMR, Urteil vom 8. November 2016 - 18030/11 [Magyar Helsinki Bizottssäg/Ungarn] - NVwZ2017, 1843 Rn. 149 ff.). Der Gerichtshof bezieht die Zugangsfreiheit indes in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich nur auf solche Informationen, die bei dem Anspruchsgegner bereits verfügbar sind ("ready and available", "deja disponible") (Urteile vom 14. April 2009 - 37374/05 [Tärsasäg a Szabadsägjogokert/Ungarn] - Rn. 36, vom 28. November 2013 - 39534/07 [Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes/Österreich] -Rn. 44, vom 8. November 2016 - 18030/11 [Magyar Helsinki Bizottssäg/Ungarn] -NVwZ 2017, 1843 Rn. 169 f., vom 7. Februar 2017 - 63898/09 [Bubon/Russland] -Rn. 43 f. und vom 30. Januar 2020 - 44920/09 u.a. [Studio Monitori und ande-re/Georgien) - Rn. 39). Eine Informationsbeschaffungspflicht besteht danach auch im Rahmen von Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK nicht (s. auch Engelbrecht, ZD 2018, 108, 110).

bb. Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 11 Abs. 6 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG stützen. Nach diesen Vorschriften steht jeder Person auf Antrag das Recht zu, Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und noch der Verfügungsgewalt der öffentlichen Stellen des Bundes unterliegen, zu nutzen. Der Verfügungsgewalt der öffentlichen Stellen des Bundes unterliegen solche Unterlagen, die dort tatsächlich vorhanden sind und über die sie die tatsächliche Sachherrschaft hat (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Mai 2018 - 15 A 25/17 - juris Rn. 31; Urteile der Kammer vom 20. Dezember 2018 - VG 2 K 178.17 - juris Rn. 51 und vom 11. April 2019 - VG 2 K 198.17 - juris Rn. 30). Hieran fehlt es, wenn die Behörde sich - wie hier - den Zugang zu den Unterlagen erst verschaffen müsste, indem sie gegenüber Behörden oder Privaten, die im Besitz der Unterlagen sein sollen, ein Herausgabeverlangen durchsetzen müsste (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 -BVerwG 7 B 43.12 - NJW 2013, 2538 Rn. 11).

Wortlaut, Systematik und Zweck des Gesetzes enthalten keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer Pflicht zur Wiederbeschaffung von Unterlagen, die vor Eingang des Antrags auf archivrechtliche Nutzung von der Behörde weggegeben wurden oder ihr abhandengekommen und in den Besitz privater Dritter gelangt sind. Größeren Aufschluss bietet hier aber die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 410). Der Genese von § 1 Nr. 8 und § 3 Abs. 3 BArchG ist eindeutig zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das Problem von im Besitz Privater befindlichen amtlichen Unterlagen kannte, eine Erstreckung des archivrechtlichen Nutzungsanspruchs auf diese Unterlagen aber gerade nicht beabsichtigte. Nach § 3 Abs. 3 BArchG kann das Bundesarchiv auch Unterlagen anderer als der in § 1 Nr. 8 genannten öffentlichen Stellen sowie Unterlagen nichtöffentlicher Einrichtungen und natürlicher Personen als Archivgut des Bundes übernehmen oder erwerben, wenn ihm diese Unterlagen angeboten werden und es den bleibenden Wert dieser Unterlagen festgestellt hat. Da privatrechtlich organisierte Einrichtungen und natürliche Personen nicht unter die in § 1 Nr. 8 BArchG genannten öffentlichen Stellen fallen (vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vom 15. September 2016, BT-Drs. 18/9633 S. 44), sind diese auch nicht verpflichtet, dem Bundesarchiv Unterlagen als Archivgut anzubieten.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah in § 3 Abs. 3 noch vor, dass "das Bundesarchiv auch Unterlagen anderer als der in § 1 Nr. 8 genannten öffentlichen Stellen [...] übernehmen oder erwerben [kann], wenn es den bleibenden Wert dieser Unterlagen festgestellt hat" (BT-Drs. 18/9633 S. 12). Die Regelung in § 3 Abs. 3 BArchG sollte dem umstrittenen Verhältnis zwischen dem Bundesarchiv und den parteinahen Stiftungen Rechnung tragen. Das betraf insbesondere den Umgang mit sogenannten "Mischüberlieferungen" von Spitzenpolitikern, die sich sowohl auf ihre amtliche als auch ihre Parteitätigkeit bezogen. Im Rahmen der öffentlichen Sachverständigenanhörung durch den federführenden Ausschuss für Kultur und Medien wurde der Umgang mit derartigen Mischüberlieferungen ausführlich thematisiert (vgl. die Stellungnahmen des Präsidenten des Bundesarchivs Dr. Hollmann [S. 12 und 28] und des stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses Archive und Recht Dr. Rehm [S. 28 f.] einerseits sowie des Leiters der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste, Archiv für Christlich-Demokratische Politik, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Prof. Dr. Küsters [S. 13 f,, 31], andererseits, Protokoll 18/69 der 69. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien vom 19. Oktober 2016). Der Leiter des Archivs für Christlich-Demokratische Politik äußerte die Befürchtung, dass die Parteiarchive dadurch "sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft [...] in eine Situation geraten, amtliche Unterlagen in unseren Parteiarchiven zu lagern und damit etwas Unrechtes zu tun." In der Folge empfahl der Ausschuss für Kultur und Medien in § 3 Abs. 3 nach dem Wort "wenn" die Wörter "ihm diese Unterlagen angeboten werden und" einzufügen. Dieser Einschub diene der Klarstellung. Andere als die in § 1 Nr. 8 genannten öffentlichen Stellen sowie nichtöffentliche Einrichtungen und natürliche Personen könnten dem Bundesarchiv ihre Unterlagen auf freiwilliger Basis anbieten; nur unter dieser Voraussetzung solle eine Übernahme auch solcher Unterlagen durch das Bundesarchiv möglich sein (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vom 11. Januar 2017, BT-Drs. 18/10813 S. 3, 9). Dieser Einschub hat dann Eingang in die verkündete Gesetzesfassung gefunden. Damit hat der Gesetzgeber das Problem der Existenz amtlicher Unterlagen im Privatbesitz erkannt, eine Anbietungspflicht gegenüber dem Bundesarchiv verworfen und letztlich zu Lasten des Archivnutzungsanspruchs entschieden. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht durch eine gegenläufige Auslegung des § 11 Abs. 6 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG unterlaufen werden. Der Einwand der Klägerin, die Situation von amtlichen Unterlagen in privaten Parteiarchiven sei nicht mit der hiesigen vergleichbar, überzeugt nicht. Denn hier wie dort sollen im Eigentum des Bundes stehende amtliche Unterlagen in den Besitz Privater verbracht worden sein. Bei der Gewährung von Zugang zu diesen Unterlagen sind die Parteiarchive ebenso wenig an die Grundrechte und Vorgaben des Archivrechts gebunden wie sonstige Privatrechtssubjekte.

Eine andere Auslegung ist aus den oben zum Informationsfreiheitsgesetz aufgeführten Gründen weder verfassungs- noch konventionsrechtlich geboten.

4. Soweit die Klägerin mit ihrem Klagantrag zu 4. Zugang zu den Findmitteln hinsichtlich der in Klagantrag zu 1. (hilfsweise in Klagantrag zu 2., höchst hilfsweise in Klagantrag zu 3.) bezeichneten Akten begehrt und ihre Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.

a. Auf die Vorschrift des § 11 Abs. 6 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG kann die Klägerin den geltend gemachten Annexanspruch nicht stützen. Zwar dürften Findmittel wie Findbücher oder Suchdateien, die nicht zum eigentlichen Archivgut im Sinne des § 1 Nr. 2 BArchG gehören, archivrechtlich gesehen gleichwohl vom Archivbenutzungsanspruch als dessen notwendige Voraussetzung und zu dessen Effektivierung grundsätzlich mitumfasst sein (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 17. September 2002 - 11 LB 123/02 - juris Rn. 64 zum Niedersächsischen Archivgesetz). Dieser Ansatz greift indessen nicht für die zu Aktenrecherchezwecken verwendeten internen Mittel zur Schriftgutverwaltung des Bundeskanzleramts. Denn dieses ist kein Archiv, das wie das Bundesarchiv als "Gedächtnis des Staates" selbst die Aufgabe hätte, Archivgut nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten. Das Bundeskanzleramt hält daher auch keine allgemein zugänglichen Findmittel im archivrechtlichen Sinne bereit, die Dritte mit dem Ziel der (freien) Aktenrecherche bei ihm nutzen könnten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Mai 2018 - 15 A 25/17 - juris Rn. 72 ff.; Urteil der Kammer vom 20. Dezember 2018 - VG 2 K 178.17 -juris Rn. 60 f.).

b. Auch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ergibt sich kein Anspruch auf Zugang zu den Findmitteln. Unbeschadet der Frage, ob es sich bei den Mitteln der Schriftgutverwaltung überhaupt um amtliche Informationen im Sinne der Norm handelt, vermittelt § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG nach seiner Konzeption schon keinen Anspruch auf Benutzung von Arbeitsmitteln in Form von Registraturmitteln wie Register und Verzeichnisse. Dafür spricht bereits die unterschiedliche Terminologie im Archivrecht (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG: "Archivgut ... zu nutzen") einerseits und im Informationsfreiheitsgesetz ("Zugang zu amtlichen Informationen") andererseits. Der Klägerin geht es der Sache nach auch nicht um den Zugang zu diesen Informationen, sondern um die Recherche und damit um die Benutzung der Arbeitsmittel der Behörde (Urteil der Kammer vom 20. Dezember 2018 - VG 2 K 178.17 -juris Rn. 63).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Berufung ist im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) der Fragen zuzulassen, nach welchen Maßstäben sich die hinreichende Bestimmtheit bei weit ausgreifenden Anträgen auf Informationszugang bzw. auf archivrechtliche Nutzung beurteilt, und ob sich aus § 1 Abs. 1 IFG und/oder § 11 Abs. 6 BArchG ein Anspruch auf bzw. eine Pflicht zur Wiederbeschaffung von nach Eingang des Antrags weggegebener Unterlagen ergibt.

Vielen Dank für die Einsendung der Entscheidung gilt Thomas Rechtsanwälte.