LG Aachen, Urteil vom 25.08.2020 - 10 O 183/20
Fundstelle
openJur 2020, 75103
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 97.974,15 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kraftfahrzeugs Q 4.2 TDI Euro 5 mit der FIN WP1ZZZ92ZGLA65864 nebst Winterreifen, Schlüsseln und Fahrzeugpapieren.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Q 4.2 TDI Euro 5 mit der FIN WP1ZZZ92ZGLA65864 in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der N Q3, Breite T-Straße 147-151, 50667 Köln, in Höhe von 2.348,94 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger erwarb am 22.07.2015 von der Firma G GmbH in Aachen ein Fahrzeug der Marke Q 4.2 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WP1ZZZ92ZGLA65864 zu einem Kaufpreis von 117.221,00 Euro (Anlage K1). Das Neufahrzeug wies bei der Übergabe einen Kilometerstand von 0 km auf. Am 27.11.2015 kaufte der Kläger ebenfalls bei der Firma G2 GmbH einen neuen Satz Winterreifen für das Fahrzeug zum Kaufpreis von 6.393,60 Euro.

In dem streitgegenständlichen Fahrzeug, das der EURO 5 Norm unterliegt, ist ein von der Beklagten entwickelter und hergestellter Dieselmotor verbaut. Dieser nutzt zwei Betriebsarten, den "Normalbetrieb" und die "Ladungssteuerung". Das Fahrzeug erkennt anhand verschiedener Parameter wie Motortemperatur und Geschwindigkeit oder Motordrehzahl, ob es sich auf dem Prüfstand befindet. Auf dem Prüfstand arbeitet die Abgasreinigung so, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb werden dagegen weniger Abgase in den Motor zurückgeführt und dadurch mehr Stickoxide ausgestoßen und die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaswerte um ein Vielfaches überschritten.

Ferner beinhaltet die Motorensteuerung ein sogenanntes "Thermofenster", also eine außentemperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführungsrate. Dieses funktioniert in der Weise, dass bei bestimmten Außentemperaturen die Abgasrückführung, welche der Reduktion der Stickstoffemissionen dienen soll, zurückgefahren wird, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außen-/Ladelufttemperaturen die Abgasrückführung reduziert wird.

Das Fahrzeug ist von einem amtlichen Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) vom 20.08.2018 mit der Anordnung von Nebenbestimmungen betroffen. Der Rückruf betrifft die Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Nachdem die Q AG der Aufforderung des KBA aus dem Bescheid zunächst nicht nachgekommen war, verhängte das KBA gegen die Q AG ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000,00 Euro. In der Folge entwickelte die Q AG gemeinsam mit der Beklagten ein Softwareupdate für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs, das inzwischen vom KBA freigegeben wurde.

Mit Schreiben vom 01.04.2020 (Anlage K6, Bl. 79 d.A.) teilte die Q2 GmbH dem Kläger unter dem Betreff "Ihr Q Cayenne S Diesel - Rückrufaktion ALA1" unter anderem mit, dass aufgrund einer vom KBA angeordneten Rückrufaktion ein Softwareupdate der Motor- und Getriebesteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommen werden müsse. Ziel des Softwareupdates sei es, die Motorsteuerung in Bezug auf den Stickoxid-Ausstoß zu verbessern.

Mit anwaltlichem Aufforderungsschreiben vom 23.04.2020 (Anlage K13) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 06.05.2020 erfolglos auf, den Kaufpreis des Fahrzeugs sowie den Kaufpreis für die Winterreifen in Höhe von insgesamt 123.614,60 Euro abzüglich einer Nutzungsentschädigung, die er auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km berechnete, Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und der Winterreifen zu erstatten.

Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung wies das streitgegenständliche Fahrzeug einen Kilometerstand von 54.684 Kilometern auf.

Der Kläger behauptet, durch das von Seiten der Beklagten veranlasste Inverkehrbringen eines Motors mit nicht gesetzeskonformer Motorsteuerungssoftware habe er einen Vermögensschaden erlitten, der darin bestehe, dass er in Unkenntnis dessen den streitgegenständlichen Pkw erworben und damit einen wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen habe. Einziges Ziel der Beklagten sei eine Gewinnmaximierung gewesen. Die Entscheidung zum Einsatz dieser Motorsteuerungssoftware in den zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen hätten die Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich getroffen. Insbesondere hätten die Vorstandsmitglieder der Beklagten Kenntnis von den Manipulationen gehabt und daran mitgewirkt.

Er behauptet, er hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er über die gesetzeswidrige Softwareversion und die tatsächlichen Schadstoffwerte aufgeklärt worden wäre. Nur durch die Verwendung der beanstandeten Motosteuerungssoftware habe die Beklagte die EG-Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erhalten, da diese dafür sorge, dass die Abgaswerte der Euro 5-Norm im Prüfstand eingehalten würden.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 101.609,14 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kraftfahrzeugs Q 4.2 TDI Euro 5 mit der FIN WP1ZZZ92ZGLA65864 nebst Winterreifen, Schlüsseln und Fahrzeugpapieren,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Q 4.2 TDI Euro 5 mit der FIN WP1ZZZ92ZGLA65864 in Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten der N Q3, Breite T-Straße 147-151, 50667 Köln, in Höhe von 2.348,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe den Kläger nicht sittenwidrig geschädigt, insbesondere nicht getäuscht. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte nur die Herstellerin des Motors und nicht des Fahrzeugs sei und daher weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber der Öffentlichkeit Angaben zu dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp gemacht habe. Ferner verfüge das streitgegenständliche Fahrzeug über alle erforderlichen Genehmigungen und sei deshalb nicht mangelhaft. Zudem seien dem Kläger keine ersatzfähigen Schäden entstanden. Die vom KBA freigegebene technische Maßnahme führe mit marginalem Aufwand zur vollständigen Überarbeitung des betroffenen Fahrzeuges. Auch führe das Aufspielen des Softwareupdates nicht zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch, einer niedrigeren Motorleistung, negativen Veränderungen des CO2-Ausstoßes oder einer Beeinträchtigung der Dauerhaltbarkeit von Bauteilen.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags durch den Kläger habe sie, die Beklagte, keine Kenntnis von der Verwendung der Motorsteuerungssoftware gehabt. Derzeit lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen wären, die Entwicklung oder Verwendung der Software des Motors seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten.

Die Beklagte behauptet ferner, dass das Thermofenster bereits keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, jedenfalls aber gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Richtlinie (EG) Nr. 715/2007 gerechtfertigt sei.

Sie meint, für die Anrechnung von Nutzungsvorteilen sei von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen.

Die Klage ist der Beklagten am 18.05.2020 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.

Das Landgericht Aachen ist örtlich zuständig gemäß § 32 ZPO. Vorliegend kann ausnahmsweise auf den Schadensort abgestellt werden, da dieser zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört, auf die sich der Kläger vorliegend beruft, nämlich einen Anspruch nach § 826 BGB. Für die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung kann der Schadensort sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort sein, sodass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo eine der Verletzungshandlungen (hier der nachteilige Vertragsabschluss) begangen wurde, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut (Vermögen des Klägers) eingegriffen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 28.02.1996, XII ZR 181/93, juris Rn 15; Urteil vom 13.07.2010, XI ZR 28/09, juris Rn 21). Da der Kaufvertrag in Aachen und somit im Bezirk des Landgerichts Aachen geschlossen wurde und sich der Belegenheitsort des klägerischen Vermögens an dessen Wohnsitz in Aachen befindet, ergibt sich hieraus die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Aachen.

Der Kläger hat im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 756, 765 ZPO auch ein schützenswertes Interesse im Sinne des § 256 ZPO an der mit dem Klageantrag zu 2) begehrten Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten.

Die Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus §§ 826, 249 BGB i.V.m. § 31 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 97.974,15 Euro, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nebst Winterreifen.

Denn die Beklagte hat dem Kläger vorliegend in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.

Die Beklagte hat den Kläger durch das Inverkehrbringen von Dieselmotoren zum Zwecke des Weiterverkaufs, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen waren, geschädigt. Dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war, folgt nach Auffassung der Kammer aus der Veröffentlichung des KBA vom 18.03.2020, in der ausdrücklich ausgeführt wird, Q Cayenne aus den Baujahren 2013 bis 2018 mit dem streitgegenständlichen Motor V8 4,2l TDI- Euro 5, seien mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, deren Entfernung im Rahmen einer Rückrufaktion durch das Kraftfahrt-Bundesamt überwacht werde (https://www.kbaonline.de/ gpsg/auskunftServlet). Des Weiteren wurde der Kläger mit Schreiben vom 01.04.2020 von der Q2 GmbH, bei der es sich laut der Internetseite von Q um eine 100%ige Tochtergesellschaft der Q AG handelt, darüber informiert, dass aufgrund der Rückrufaktion "ALA1", welches der Code für die oben genannte Rückrufaktion des KBA wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen ist, ein Softwareupdate der Motor- und Getriebesteuerung an dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorgenommen werden müsse, das die Motorsteuerung in Bezug auf den Stickoxid-Ausstoß verbessere. An dieser Erklärung muss sich auch die Beklagte als Herstellerin des streitgegenständlichen Motors festhalten lassen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger - von der Beklagten unwidersprochen - vorgetragen hat, dass die Beklagte das Softwareupdate zusammen mit der Q AG entwickelt hat.

Der Schaden besteht darin, dass der Kläger in Unkenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung den streitgegenständlichen Pkw erworben und damit einen für ihn wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung mangelhaft war und gerade nicht dem vertraglich geschuldeten Zweck entsprach. Der Kauf eines mangelhaften Fahrzeugs zum ungeminderten Neuwagenpreis ist grundsätzlich als wirtschaftlich nachteilig anzusehen und begründet im Hinblick auf die mit der Erforderlichkeit der Geltendmachung von Mängelrechten verbundenen Vermögensgefährdung einen Schaden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018, 27 U 10/18, juris Rn 8ff; LG Stuttgart, Urteil vom 14.08.2018, 23 O 80/18, juris Rn 29ff.). Einen solchen Vertrag hätte der Kläger in Kenntnis des Mangels unzweifelhaft nicht geschlossen.

Ein Fahrzeug entspricht nicht schon dann der üblichen und berechtigterweise von einem Käufer zu erwartenden Beschaffenheit und ist mangelfrei im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, wenn es technisch sicher und fahrbereit ist und über alle Genehmigungen verfügt. Vielmehr weicht ein Fahrzeug durch die Installation der unzulässigen Abschalteinrichtung von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit ab (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, juris Rn 5, 20ff.). Ein vernünftiger Durchschnittskäufer kann davon ausgehen, dass ein von ihm erworbenes Fahrzeug entweder zu Recht zugelassen oder aber zulassungsfähig ist. Dazu gehört, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch Täuschung erwirkt hat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018, 27 U 10/18, juris Rn 8ff.; Beschluss vom 03.01.2019, 18 U 70/18, juris Rn 31, 33). Das gilt auch, wenn sich der Käufer bis zum Bekanntwerden der Manipulationen keine konkreten Vorstellungen von den technischen Einrichtungen, den rechtlichen Voraussetzungen und den Zulassungs- bzw. Genehmigungsverfahren gemacht hat. Bei Abschluss des Kaufvertrages hat der Kläger noch davon ausgehen dürfen, dass sich die Beklagte als Herstellerin des Motors des streitgegenständlichen Wagens rechtmäßig verhalten hat. Der Argumentation der Beklagten, die Motorsteuerungssoftware habe letztlich keinen Einfluss auf das EG-Typengenehmigungsverfahren und die Schadstoffklasseneinstufung und damit auf die Zulassungsfähigkeit bzw. Betriebserlaubnis des Fahrzeugs, kann insoweit nicht gefolgt werden. Denn wenn dem so sein sollte, ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte eine solche Motorsteuerungssoftware mit vermutlich nicht unerheblichen Kosten entwickelt und letztendlich verwendet hat. Es drohte zudem unzweifelhaft die Betriebsuntersagung gemäß § 5 FVZ durch das KBA, sofern das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Softwareupdate nicht zur Adaptierung des Betriebsmodus des Pkws aufgespielt wird. Auch hätten die zuständigen Behörden das Fahrzeug bei Kenntnis von der manipulierenden Motorsteuerungssoftware nicht zugelassen.

Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt des Kaufvertrages das nunmehr zur Mängelbeseitigung angebotene Softwareupdate noch gar nicht entwickelt war und damit jederzeit eine Gefahr für die maßgebende Zulassung des Kraftfahrzeuges im Raum stand (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018, 27 U 10/18, juris Rn 11).

Die streitgegenständliche Programmierung der Motorsteuerungssoftware ist gesetzeswidrig. In der Verwendung von Vorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Nr.10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge.

Bei verständiger Auslegung muss die von der Beklagten installierte Programmierung als Abschalteinrichtung angesehen werden. Denn sie erkennt nach bisher unbestrittenem Vortrag des Klägers, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und setzt zwei verschiedene Betriebsmodi, den "Normalbetrieb" und die "Ladungssteuerung" ein mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der T-Straße höher ist als auf dem Prüfstand. Die Testzykluserkennung in Verbindung mit einer ausschließlich im Testzyklus erfolgenden Einwirkung auf die Abgasrückführung stellt einen Verstoß gegen das Verbot von Abschalteinrichtungen dar. Zudem liegt auf der Hand, dass auch eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der T-Straße gegeben ist, da ansonsten Tricks und Manipulationen jedweder Art Tür und Tor geöffnet würden und eine Vergleichbarkeit selbst unter den dem realen Fahrbetrieb fernen, genormten Prüfstandbedingungen nicht mehr herzustellen wäre. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung kann deshalb nur als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, juris Rn 6ff.). Entsprechend ist auch das KBA von einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen.

Zudem ist die schädigende Handlung der Beklagten zuzurechnen. Zwar setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Kläger hat jedoch nachvollziehbar vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis von der manipulierenden Motorsteuerungssoftware gehabt haben, die zu gesetzeswidrigen Typenbescheinigungen geführt hat. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen. Es ist davon auszugehen, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes die manipulierende Funktion der Motorsteuerung zur Verwendung auf dem NEFZ-Prüfstand zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies gilt umso mehr, als die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine strategisch wesentliche, vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass dies eine Entscheidung eines in der Hierarchie unten stehenden einzelnen Entwicklers war, wobei bereits die Motivation hierfür - im Gegensatz zu der des auf Gewinnmaximierung interessierten Konzernvorstands - nicht nachvollziehbar ist. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware vorzutragen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, 18 U 70/18, juris Rn 34ff.).

Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.1998, II ZR 266/97, juris Rn 11 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Kläger kann nicht näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die Motorsteuerungssoftware entwickelt, verwendet oder verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen hat und wie die Entscheidung wann weiter kommuniziert worden ist. Dagegen ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Der pauschale Verweis darauf, dass nach dem bisherigen Ermittlungsstand keine Erkenntnisse vorlägen, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt waren oder die Entwicklung oder Verwendung der Software seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt haben, genügt einem ordnungsgemäßen Sachvortrag nicht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, 18 U 70/18, juris Rn 38, 40; Beschluss vom 16.07.2018, 27 U 10/18, juris Rn 28). Nicht einmal die auf der nachgeordneten Ebene beteiligten Personen werden genannt, was dem Kläger unter Umständen die Möglichkeit weitergehender Ermittlungen ermöglichen würde. Indem sie ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse jedoch vollständig unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass ihr Bestreiten unbeachtlich ist und das Gericht davon ausgeht, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, was - wie dargelegt - auch naheliegend ist.

Durch das bewusste Inverkehrbringen der Motoren ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz und einer Bereicherungsabsicht auszugehen. Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer von mit den streitgegenständlichen Motoren ausgestatteten Fahrzeugen zumindest billigend in Kauf genommen. Bei der Verwendung der Manipulationssoftware kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn durch gleichzeitige Kostensenkung zu steigern. Andere Gründe sind schlicht nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern und über Tochterunternehmen nichtgesetzeskonforme bzw. - nach obigen Ausführungen - mangelhafte Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Da Mitarbeiter der Beklagten die mit der manipulativ wirkenden Software ausgerüsteten Motoren des streitgegenständlichen Typs anderen Herstellern wie vorliegend der Q AG gerade zum Zwecke der Weiterveräußerung überließen, musste die Beklagte damit rechnen und tat dies nach Auffassung des Gerichts auch, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Erwirkung der Typgenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi weiterveräußert werden würden. Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem KBA, den beteiligten Stellen und den potentiellen Kunden ergibt sich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter der Beklagten auch in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden.

Des Weiteren verstieß das Verhalten der Beklagten gegen die guten Sitten. Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Es müssen besondere V hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.2013, XI ZR 295/12, juris Rn 23 mwN).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Verhalten der Beklagten nach Auffassung des Gerichts als sittenwidrig anzusehen:

Die Täuschung durch die Beklagte diente - andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich - dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere - unter Umständen auch auf die Haltbarkeit der Motoren wegen einer dauerhaften Abgasrückführung nachteilige - Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 12.11.2019, 24 O 140/19).

Dieses Gewinnstreben erfolgte unter Manipulation gesetzlich vorgeschriebener Prüfvorkehrungen und um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung. Die Beklagte hat einen Motor, von dessen Mangelhaftigkeit infolge der Ausstattung mit der manipulativ wirkenden Software sie wusste, in der Vorstellung in den Verkehr gebracht, dass der Motor von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an einen ahnungslosen Dritten, der in Kenntnis der V von dem Geschäft B nehmen würde, veräußert werden wird, was gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, 18 U 70/18, juris Rn 30). Hinzu kommt, dass die Beklagte durch die Manipulation der Motorsteuerungssoftware einen Teil des Motors beeinflusst hat, den ein technischer Laie keinesfalls und selbst ein Fachmann nur mit Mühe durchschaut, so dass die Entdeckung der Manipulation mehr oder weniger vom Zufall abhing. Ein solches, die Verbraucher täuschendes Verhalten ist ohne weiteres als sittenwidrig und verwerflich anzusehen. Dies ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass allgemein bekannt und auf eine gesetzgeberische Entscheidung zurückzuführen ist, dass die für den Erhalt der Typengenehmigung gemessenen Emissionswerte von den Werten im Realbetrieb abweichen, der Fall. Denn der konkrete Vorwurf im vorliegenden Fall ist derjenige, dass dieses - mit Werten im Realbetrieb nicht vergleichbare - Verfahren zusätzlich manipuliert wurde, so dass auch die Prüfergebnisse als solche nicht mit dem normalen Prüfverfahren übereinstimmen. Wenn auch ordnungsgemäße Prüfergebnisse nicht die reale Abgasbelastung widerspiegeln, so bieten sie doch eine Vergleichsmöglichkeit zwischen verschiedenen Herstellern. Diese Vergleichsmöglichkeit entfällt, wenn einzelne Teilnehmer Testbedingungen manipulieren. Hierdurch ist - wie bereits ausgeführt - auch die weitere Zulassung des Pkws gefährdet. Insofern ist der Käufer des Pkws auch nicht abstrakt über eine Prüfverordnung, sondern unmittelbar in der weiteren Nutzung seines Wirtschaftsguts betroffen. Im Ergebnis erhält der Käufer mit Wissen und Wollen des Herstellers des Motors ein mangelhaftes Produkt.

Schließlich war die Täuschung der Beklagten auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers und hat damit den bei diesem eingetretenen Schaden zurechenbar ausgelöst. Da die Beklagte die potentiellen Kunden und mithin auch den Kläger über die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs vorsätzlich getäuscht hat, sind die im Rahmen des § 123 BGB aufgestellten Grundsätze zum Nachweis der Kausalität entsprechend heranzuziehen. Durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen hat die Beklagte bei den Kunden einen Irrtum erregt und diese dadurch zum Vertragsschluss bestimmt. Diese Handlungsweise begründet den Vorwurf der sittenwidrigen Vertragserschleichung (vgl. Palandt/Sprau, 78. Aufl. 2019, § 826 Rn 20; Staudinger/Oechsler, BGB (2018), § 826 Rn 149). Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt dann, dass der Geschädigte V dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein können, und die vorsätzliche Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung auszuüben pflegt. Liegen derartige Voraussetzungen vor, kann ein Beweis des ersten Anscheins dafür gegeben sein, dass die Täuschung einen Einfluss auf die Entschließung des Getäuschten ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2011, IV ZR 5/10, juris Rn 40 mwN).

So verhält es sich hier. Der Kläger hat vorgetragen, dass er zu keiner Zeit ein Kraftfahrzeug mit solch einer unzulässigen Abschaltvorrichtung erworben hätte. Dies entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach kein Käufer ein mangelhaftes Kraftfahrzeug - darüber hinaus zu einem Zeitpunkt, zu dem die erforderliche Software zur Durchführung einer Mängelbeseitigung noch nicht entwickelt war - zum ungeminderten Preis kaufen wird (s.o.). Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht greife, da das Abgasverhalten als Gegenstand der Täuschung neben andere, für den Fahrzeugkauf potenziell erhebliche Motive trete, die nicht von der Täuschung betroffen seien, berücksichtigt dieser Ansatz nicht, dass nicht das Abgasverhalten allein Gegenstand der Täuschung ist. Vielmehr erfasst die Täuschung vor allem die Zulassungsfähigkeit und insoweit die Mangelfreiheit des Fahrzeugs. Dieser Umstand ist im Rahmen des für die Kaufentscheidung relevanten Motivbündels aus Sicht des Käufers das maßgebliche Motiv für den Abschluss des Kaufvertrags. Der Käufer eines Kraftfahrzeugs geht davon aus, dass sein Fahrzeug die für die Straßenverkehrszulassung erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen besitzt und dass nicht die Gefahr einer Stilllegung des Fahrzeugs drohen kann. Den sich danach ergebenden Anscheinsbeweis für die Kausalität der Täuschungshandlung vermochte die Beklagte nicht zu erschüttern. Hinzu kommt, dass die Motoren von der Beklagten gerade für den Einbau in die für die Veräußerung bestimmten Fahrzeuge vorgesehen waren und dass das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll war, wenn man davon ausging, dass auch die Fahrzeughersteller weder die zuständigen öffentlichen Stellen, noch Händler noch Kunden informieren würden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, 18 U 70/18, juris Rn 45). Dies bedingt nach dem gewöhnlichen Lauf der Geschehnisse aber sicher den Eintritt der von dem Kläger erlittenen Schäden.

Als Rechtsfolge des Schadensersatzanspruchs ist der Kläger gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er ohne die Täuschung gestanden hätte. Insoweit ist - wie bereits ausgeführt - nach Auffassung des Gerichts ohne weiteres davon auszugehen, dass der Kläger - wie jeder verständige, Risiken vermeidende Kunde - bei Kenntnis des Sachverhalts und der damit verbundenen Risiken für den Fortbestand der Betriebserlaubnis den Vertrag nicht geschlossen und gerade keinen mangelhaften Pkw erworben hätte. Dabei ist unerheblich, dass sich das KBA später nicht zu einem Widerruf der Zulassung, sondern zu dem nachträglichen Erlass einer Auflage entschlossen hat. Maßgeblich ist insoweit auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem aufgrund der Handlung der Beklagten bei dem Kläger der Schaden eingetreten ist. Dies ist vorliegend der Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Juli 2015.

Anders als die Beklagte meint, führt das Aufspielen des Softwareupdates am streitgegenständlichen Fahrzeug nicht dazu, dass ein Schaden nicht (mehr) vorliegt. Da der Schaden - wie gezeigt - im Abschluss des ungewollten Kaufvertrags liegt, kann das nachträgliche Aufspielen des Softwareupdates diesen Schaden auch nicht mehr beseitigen. Der Kläger kann die Rückgängigmachung des ihm entstandenen Schadens in der Form des Abschlusses eines unvorteilhaften Vertrages verlangen und muss sich nicht vom Schädiger das Festhalten an dem Vertrag aufdrängen lassen.

Die Beklagte muss nach alledem die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis für das Fahrzeug und für die Winterreifen erstattet. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat der Kläger zum einen das erworbene Fahrzeug nebst Winterreifen und zum anderen auch die von ihm gezogenen Nutzungen herauszugeben, was - soweit nicht wechselseitige Geldforderungen betroffenen sind - zu der tenorierten Zugum-Zug-Verurteilung nach §§ 273, 274 BGB führt. Dabei ist der Nutzungsvorteil vom Schadensersatzanspruch abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schädigers bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2015, XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160, 3160; Palandt/Grüneberg, 78. Aufl. 2019, Vorb v § 249 Rn 71, § 387 Rn 2).

Die gezogenen Nutzungen belaufen sich vorliegend auf 25.640,45 Euro. Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2008, 1 U 152/07, juris Rn 41; OLG Köln, Urteil vom 20.02.2013, 13 U 162/09, NJW-RR 2013, 1209, 1210; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn 1756f.).

Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 21.07.2020 eine Laufleistung von 54.684 Kilometern auf. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Gesamtlaufleistung und der gefahrenen Kilometer von 54.684 ergibt sich nach der üblichen Formel (Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer: erwartbare Gesamtleistung abzüglich etwaiger zum Zeitpunkt des Kaufs bereits gefahrener Kilometer) der vorgenannte Betrag.

Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Verzinsung des zurückzuzahlenden Kaufpreises in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB ab dem 19.05.2020 (vgl. § 187 Abs. 1 BGB analog). Denn die Klage war mit der Zustellung am 18.05.2020 rechtshängig.

Die Klage ist auch hinsichtlich des mit dem Klageantrag zu 2) verfolgten Begehrens auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begründet. Die Beklagte befindet sich infolge der nicht erfolgten Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeuges gemäß §§ 298, 293, 295 BGB in Annahmeverzug. Ausweislich des Schreibens vom 23.04.2020 (Anlage K13) hat der Kläger die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung bis zum 06.05.2020 zur Rücknahme des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsersatzes aufgefordert. Im Hinblick auf die Verpflichtung der Beklagten zur Abholung des Fahrzeuges am Wohnsitz des Klägers war das wörtliche Angebot im Sinne des § 295 BGB auch ausreichend.

Auch der Klageantrag zu 3) ist überwiegend begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.348,94 Euro gemäß §§ 826, 249, 257 BGB. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind auch Teil des zu ersetzenden Schadens, da sich der Kläger angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage zur Geltendmachung seiner Ansprüche vorgerichtlicher anwaltlicher Unterstützung bedienen durfte (vgl. Palandt/Grüneberg, 78. Aufl. 2019, § 249 Rn. 57). Der Kläger hat die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zutreffend mit einer 1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 101.609,14 Euro berechnet. Die von dem Kläger begehrte Verzinsung kommt jedoch bei einem Freistellungsanspruch nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2017 - IX ZR 267/16 m.w.N.).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis 110.000,00 Euro festgesetzt.

zugleich für die wegen Abordnung an ein anderes Gericht an der Unterschriftsleistung gehinderte Richterin F