AG Landau a.d. Isar, Beschluss vom 25.07.2016 - 6 Cs 505 Js 23889/16
Fundstelle
openJur 2020, 74048
  • Rkr:
Tenor

I. Der Erlass des Strafbefehls wird abgelehnt.

II. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Dem Angeschuldigte wird mit Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Landshut vom 21.06.2016 zu Last gelegt, am 18.12.2015 nach Deutschland eingereist zu sein. Dabei soll er eine griechische Registrierungsbescheinigung mit sich geführt habe, welche er sich zuvor unter Angabe falscher Personalien beschafft haben soll. Dem Angeschuldigten wird daher von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen gem. § 276 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht zu haben.

Das Gericht geht jedoch bei gebotener vorläufiger Tatbewertung angesichts des vorliegenden Akteninhalts nicht von einer Straftat aus.

Das im Strafbefehlsantrag als "griechische Registrierungsbescheinigung" bezeichnete Dokument ist nach Akteninhalt eine sog. "griechische Anlaufbescheinigung". Nach Akteninhalt ist nicht erkennbar, dass dieses Dokument Auskunft über eine tatsächliche Registrierung des Angeschuldigten als Flüchtling in Griechenland belegen soll. Welchen inhaltlichen und formalen Status dieses Dokument in Griechenland haben sollte, wäre erst im Wege der Rechtshilfe zu ermitteln. Sollte von einer europäischen Einheitlichkeit der Dokumente ausgegangen werden, wäre auf die Bundesdrucksache (18/7834) zu verweisen, wo ausgeführt wird: "Eine gesetzlich nicht geregelte sog. Anlaufbescheinigung wird im Rahmen der Registrierung beim Erstkontakt einer hierfür zuständigen Behörde mit dem Betroffenen ausgehändigt, um vor allem den Asylsuchenden darüber zu unterrichten, in welche Aufnahmeeinrichtung er verteilt wurde und folglich, zu welcher Adresse er sich zu begeben hat". Geht man davon aus, dass ein gleichlautendes griechisches Dokument die gleiche Wirkung hat, stellt dies gerade keine "Registrierungsbestätigung" dar, sondern vielmehr eine Art "Laufzettel", die dem Flüchtling Auskunft über den Ort geben soll, wohin er sich zu begeben hat. Eine Beurkundung seiner persönlichen Verhältnisse ist darin nicht zu sehen. Damit hat die Urkunde nicht das Schutzgut, im (internationalen) Rechtsverkehr die Identität des Angeschuldigten zu belegen. Es fehlt am Identitätsfeststellungscharakter. Nach wie vor kann ein weitergehender Inhalt der Urkunde mangels Übersetzung nicht verliehen werden. Es wäre Aufgabe der Ermittlungsbehörden, eine Übersetzung bereits vor Beschuldigtenvernehmung vornehmen zu lassen, um einen evtl. Tatvorwurf erheben zu können.

Eine deklaratorische Wirkung des Papiers muss sich auf die aufenthaltsrechtliche Stellung der Person beziehen (Schönke/Schröder, StGB, 29.A., § 276a RN 3). Das vorgelegte Papier soll aber nur den Asylsuchenden über seinen künftigen Aufenthaltsort unterrichten und nicht seinen Status bezeugen. Es liegt weder eine Aufenthaltsgenehmigung iSd § 5 AusIG, eine EG-Aufenthaltserlaubnis oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nach dem AsylVfG vor, noch eine Duldung oder ein entsprechendes Ausweispapier, welches in Deutschland auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen anerkannt wäre (vgl. Schönke/Schröder a.a.O., m.w.N.). Eine "gesetzlich nicht geregelte Bescheinigung" (vgl. Bundesdrucksache 18/7834) erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Hinweise ist auszuführen:

Das Papier wurde auch bei deutschen Behörden gar nicht vorgelegt, sondern bei einer Durchsuchung durch die Ermittlungsbehörden aufgefunden. Daher greift hier Art. 31 der Genfer Konvention ein, wonach auch das Begleitdelikt des Verschaffens amtlicher Ausweise neben der unerlaubten Einreise straffrei bleiben muss (vgl. AG Kehl, BeckRS 2016, 07863). Anders als bei von der Staatsanwaltschaft zitierten Entscheidungen des OLG München (5 St RR (II) 208/12; 5 St RR (II) 79/10)) und auch der vom Bundesverfassungsgericht geprüften Sachlage (vgl. Beschluss vom 08.12.2014, 2 BvR 450/11; NVwZ2015, 361) hat der hier beschuldigte Angeschuldigte das Dokument zu keinem Zeitpunkt vorgelegt bzw. auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland benutzt. Somit wäre das Dokument nur im Rahmen der Flucht in anderen Ländern zum Einsatz gekommen. Da aber davon auszugehen ist, dass eine Flucht fast um die halbe Welt nicht ohne Dokumente möglich wäre, die zum Teil auch in dem Land gar nicht zu erlangen sind, aus dem man fliehen muss, ist aus Sicht des Gerichts eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 31 Genfer Konvention solange gerechtfertigt, als das falsche Dokument nicht im Inland verwandt wird. Wegen der schon vorliegenden mangelnden Urkundenqualität wird auf weitere Ausführungen insofern verzichtet. Der Begründung in der Entscheidung des AG Kehl wird aber inhaltlich vollumfänglich beigetreten.

Bei einer Gesamtabwägung aller Umstände ist eine Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht gegeben.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.

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