SG Aachen, Beschluss vom 06.03.2019 - S 25 AS 155/19 ER
Fundstelle
openJur 2020, 47652
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2019.

Dem am 00.00.000 geborenen Antragsteller wurden zuletzt mit Bescheid vom 23.10.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 416,00 EUR für den Zeitraum 01.12.2018 bis 30.09.2019 bewilligt. Die Leistungen werden dem Antragsteller auf Grundlage des Sanktionsbescheides vom 13.02.2019 (Zeitraum 01.03.2019 bis 31.05.2019) derzeit nicht ausgezahlt.

Am 19.12.2018 nahm der Antragsteller auf Einladung des Antragsgegners einen Beratungstermin bei diesem wahr. Im Rahmen des Gesprächs lehnte der Antragsteller den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ab. Daraufhin erließ der Antragsgegner am 19.12.2018 einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt. Dieser sieht unter anderem vor, dass sich der Antragsteller unter Auswertung von Stellenanzeigen online, in Zeitungen und anderen Medien um eine Arbeitsstelle bemüht, sich kalendermonatlich fünfmal auf eine Arbeitsstelle bewirbt (schriftlich, telefonisch, online und durch persönliche Vorsprache). Die Eigenbemühungen sind in einem Aktionsplan zu dokumentieren, welcher dem Antragsgegner jeweils bis zum 03. Des Folgemonats beginnend zum 03.02.2019 vorzulegen ist. Der Antragsgegner verpflichtete sich im Gegenzug die Übernahme von Bewerbungskosten und Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen. Weiterhin stellt der Antragsgegner beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen die Gewährung von Eingliederungszuschüssen und Einstiegsgeld in Aussicht. Die Rechtsfolgenbelehrung weist unter anderem darauf hin, dass bei wiederholter Pflichtverletzung ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II verfügt werden kann.

Der Antragsteller legte am 17.01.2019 Widerspruch gegen Eingliederungsverwaltungsakt ein. Er erklärte, dieser sei wegen des Eingriffs in seine Grund- und Menschenrechts nichtig. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2019 zurück. Er nahm auf den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 28.09.2018, Az. S 21 AS 856/18 ER und den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17.12.2018, Az. L 7 AS 1787/18 B ER Bezug und ging davon aus, dass der Eingliederungsverwaltungsakt dem Antragsteller zumutbare Eigenbemühungen auferlegt. Der Antragsteller hat am 22.02.2019 Klage gegen den Bescheid vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2019 bei dem Sozialgericht Aachen erhoben (Az. S 25 AS 154/19) und mit gleichem Schriftsatz einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Zur Begründung hat er angeführt, dass er sich verfassungsrechtlich dazu berechtigt sehe, die Erbringung von Eigenbemühungen zu verweigern und Arbeitsangebote abzulehnen. Dies folge aus Art. 2 des Grundgesetzes.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22.02.2019 gegen den Bescheid vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2019 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich, den Antrag abzulehnen.

Er verweist auf zahlreiche Widerspruchs-, Klage, Berufungs- und Beschwerdeverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet, denn die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen nicht vor. Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 86 a Abs. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung haben. Die Klage gegen den Bescheid vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2019 hat nach der Bestimmung des § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht hat in diesen Fällen nach freiem Ermessen und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden. Dabei ist die aufschiebende Wirkung in der Regel anzuordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, vorerst von der belastenden Wirkung des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben überwiegt und die Behörde keine Umständen darlegt, die ein vorrangiges Interesse der Allgemeinheit an einem sofortigen Vollzug begründen könnten (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 86 b, Rn. 12; Landesozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.03.2006, Az. L 9 B 5/06 AS ER). Zu berücksichtigen sind im Rahmen der Interessenabwägung auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen überwiegendem Aufschubinteresse ist immer dann vorzunehmen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen immer dann vor, wenn im Hauptsacheverfahren nach summarischer Prüfung ein Erfolg des Antragsteller wahrscheinlicher erscheint als ein Misserfolg (Landesozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.03.2006, Az. L 19 B 15/06 AS ER).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kommt im vorliegenden Fall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht. Es erscheint dem Gericht nach Vornahme einer summarischen Prüfung nicht wahrscheinlicher, dass der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen wird, weshalb nicht von einem übergeordneten Interesse des Antragstellers ausgegangen werden kann. Der Eingliederungsveraltungsakt vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2019 ist bei summarischer Prüfung weder als nichtig, noch als rechtswidrig anzusehen. Der Antragsgegner ist auf Grundlage der Regelung des § 15 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II zum Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes berechtigt, da eine Eingliederungsvereinbarung nicht zu Stande gekommen ist. In Fällen –wie vorliegend- in welchen leistungsberechtigte Personen sich weigern eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, ist der Erlass eines ersetzenden Verwaltungsaktes zulässig (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.02.2016, Az. L 19 AS 1536/15). Im Übrigen hält der Eingliederungsveraltungsakt vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2019 einer inhaltlichen Prüfung ebenfalls Stand. Die Kammer schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den überzeugenden Ausführungen der 9. Kammer des Sozialgerichts Aachen vom 26.02.2019, Az. S 9 AS 857/18 an, welche den nahezu inhaltsgleichen Eingliederungsverwaltungsakt vom 19.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2018 betreffen, an. Dort heißt es: "Auch der Inhalt des Eingliederungsverwaltungsaktes ist rechtmäßig. Die in dem Eingliederungsverwaltungsakt festgelegte Verpflichtung zur Vorlage eines Aktionsplans mit mindestens fünf Bewerbungsbemühungen kalendermonatlich ist nicht zu beanstanden. Der Eingliederungsverwaltungsakt ist an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden Eingliederungsvereinbarung verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der Eingliederungsvereinbarung zu wahren sind. Auch für den Eingliederungsverwaltungsakt sind die für den öffentlichrechtlichen Vertrag in § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X formulierten Maßgaben entscheidend, d.h. einem an den Hilfebedürftigen gerichteten zumutbaren Verlangen muss eine mit diesem in Zusammenhang stehende, angemessene und konkret bestimmte Gegenleistung der Behörde gegenüberstehen. Dies ist hier der Fall. Gemäß dem Vorspann des Eingliederungsverwaltungsakts dient dieser einer Eingliederung des Klägers in Arbeit und entspricht damit dem auch für den Abschluss einer möglichen Eingliederungsvereinbarung maßgeblichen Grundgedanken. Die von dem Kläger hierin abverlangten Aufgaben sind nicht zu beanstanden. Es ist ihm zumutbar, pro Kalendermonat fünf Bewerbungen zu tätigen, diese in einem Aktionsplan festzuhalten und beim Beklagten vorzulegen. Die Zahl der zu fertigenden Bewerbungen entzieht sich schematischen Betrachtungen (BSG, Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 42/15 R). Der Eingliederungsverwaltungsakt wurde dem Kläger am 21.06.2018 zugestellt. Es war ihm unter Beachtung seines Ausbildungshintergrundes als diplomierter Wirtschaftsingenieur, seinen eloquenten Ausführungen in zahlreichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren im entsprechenden Zeitraum vom 21.06.2018 bis 30.06.2018 zweifelsfrei möglich, fünf Bewerbungsbemühungen durchzuführen, zumal Bewerbungen per Telefon und Email auch ausreichend waren. Dasselbe gilt auch für die Dokumentation dieser Bewerbungsbemühungen und Vorlage des Aktionsplans bei dem Beklagten. Die von dem Beklagten angebotenen Kosten für Bewerbungen und Fahrtkosten genügen den gesetzlichen Voraussetzungen. Insoweit wird auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.09.2018, L 7 AS 2008/17, verwiesen, auf das vollumfänglich Bezug genommen wird."

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungen der §§ 2 ff. SGB II die Grundrechte des Antragstellers in verfassungskonformer Weise einschränken. Entgegen der Auffassung des Antragsstellers folgt aus den Grundrechten kein Recht auf die bedingungslose Gewährung von Leistungen zur Existenzsicherung. Die Anbindung der Leistungsgewährung an Mitwirkungspflichten ist zulässig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2015, Az. B 14 AS 19/14 R und vom 12.05.2017, Az. B 7 AY 1/16 R) und scheint auch vor dem Hintergrund des Erfordernisses eines sparsamen Umgangs mit steuerfinanzierten Leistungen geboten.

Der Bescheid vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2019 ist nicht offensichtlich rechtswidrig, so dass dem öffentlichen Vollzugsinteresse Vorrang gebührt. Daher war der Antrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG analog und trägt dem umfänglichen Unterliegen des Antragstellers Rechnung.

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