VG München, Urteil vom 02.08.2018 - M 12 K 18.3
Fundstelle
openJur 2020, 54296
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am ... ... ... geborene Kläger ist vietnamesischer Staatsangehöriger. Er ist im Besitz eines bis ... August 2022 gültigen Reisepasses und einer bis ... November 2019 gültigen ungarischen Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger reiste nach eigenen Angaben im Oktober 2017 in das Bundesgebiet ein und heiratete laut Heiratsurkunde am ... Oktober 2017 in der Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam in der Bundesrepublik Deutschland die ebenfalls vietnamesische Staatsangehörige ... ... ..., geb. ... ... ... die im Besitz einer bis 21. August 2018 gültigen Aufenthaltserlaubnis ist. Nach der Eheschließung hat er das Bundesgebiet wieder verlassen und reiste erneut am 20. November 2017 ein.

Am 26. November 2017 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei mit Frau ... ... ... seit ... Oktober 2017 verheiratet. Die Ehefrau des Klägers befinde sich in einer Ausbildung und verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von 1704,47 Euro. Die Ehegatten wohnten derzeit in einer Wohngemeinschaft in der ... ... ... (28 qm). Der Kläger lebe seit dem 20. November 2017 mit seiner Ehefrau in einem Haushalt. Er verfüge über das Sprachzertifikat A1. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 lit. d AufenthG seien erfüllt. Die Ehefrau des Klägers besitze eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 21. August 2018. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen seien erfüllt. Der Kläger sei mit Frau ... ... ... verheiratet, beide Ehegatten hätten das 18. Lebensjahr vollendet und die Ehefrau besitze eine Aufenthaltserlaubnis. Der Rechtsanspruch beruhe auf § 30 Abs. 1 Nr. 3 lit. d AufenthG, da die Ehefrau des Klägers eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG seit über vier Jahren, nämlich seit dem 25. Oktober 2013, besitze. Auch lägen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG vor, da der Lebensunterhalt bei einem Nettoeinkommen von 1704,47 Euro gesichert sei. Nach anwaltlicher Berechnung ergebe sich ein Überschuss in Höhe von 384,47 Euro. Hinzu komme, dass sich die Ehefrau des Klägers in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis befinde. Zudem verfüge die Familie aufgrund der vorliegenden Wohnungsgröße von 28 qm über ausreichenden Wohnraum. Schließlich sei die Passpflicht erfüllt, da sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau über ausreichende Passdokumente verfügten. Der Kläger erfülle die Voraussetzung des § 39 Nr. 6 AufenthV, da er einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staats, vorliegend Ungarns, besitze. Infolge dieses Aufenthaltstitels sei der Kläger berechtigt, sich im Bundesgebiet aufzuhalten. Auch sei die Antragsfrist von drei Monaten nach der Einreise mit dem Antrag gewahrt worden. Der Kläger sei berechtigt, den Aufenthaltstitel nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einzuholen.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angehört.

Mit Schreiben vom ... Dezember 2017 führte der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen aus, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 39 Nr. 6 AufenthV, da er einen gültigen Aufenthaltstitel der Republik Ungarn besitze. In Folge dieses Aufenthaltstitels sei er berechtigt, sich im Bundesgebiet aufzuhalten. Die Antragsfrist sei eingehalten und der Kläger sei somit berechtigt, nach der Einreise in die Bundesrepublik den Aufenthaltstitel einzuholen. § 5 Abs. 2 Nr.1 AufenthG sei auf die § 39 bis 41 AufenthG (gemeint wohl AufenthV) nicht anwendbar. § 39 Nr. 6 AufenthV sei aufgrund von § 99 AufenthG eine Spezialregelug und berechtige, die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise ins Bundesgebiet einzuholen.

Mit E-mail vom 28. Dezember 2017 hat der Beklagte dem Klägerbevollmächtigten seine Rechtsauffassung nochmals erläutert.

Mit Schriftsatz vom ... Dezember 2017, bei Gericht am 2 Januar 2018 eingegangen, hat der Klägerbevollmächtigte Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, streitig zwischen den Beteiligten sei lediglich, ob ein Visumverfahren vor der Aufenthaltserteilung durchgeführt werden müsse. Nach allgemeiner Rechtsprechung sei § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auf die § 99 AufenthG i.V.m. § 39 bis 41 AufenthV nicht anwendbar. § 39 Nr. 6 AufenthV sei eine Spezialregelung, die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise ins Bundesgebiet einzuholen (vgl. Nr. 5.2.1.1 der vorläufigen Anwendungshinweise AufenthG). Das VG Aachen habe sich in seinem Urteil vom 13. April 2016 (Az. 8 K 669/15) ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedsstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels, der beim Überschreiten der Staatsgrenze bereits die Absicht verfolgt habe, sich anschließend längerfristig im Bundesgebiet aufzuhalten, sich auf Art. 21 Abs. 1 SDÜ berufen könne, da die Absichten des Einreisenden bei der Anwendung des Art. 21 Abs. 1 SDÜ nicht ausschlaggebend seien. Denn der Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 SDÜ verhalte sich zu dieser Fragestellung nicht. Der Norm sei lediglich zu entnehmen, dass bei Erfüllung der weiter genannten Voraussetzungen ein Aufenthalt von maximal 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen ermöglicht werde. Dass dies voraussetze, dass der Drittausländer bei der Einreise auch lediglich einen solchen Kurzaufenthalt beabsichtige, lasse sich Art. 21 Abs. 1 SDÜ nicht entnehmen. Der Kläger erfülle alle zwingenden und regelhaften Rechtsanspruchsvoraussetzungen gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 lit. d AufenthG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 39 Nr. 6 AufenthV. Der Kläger könne sich auf eine kürzere Frist im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO berufen, da der Beklagte eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, dass der Kläger im Hinblick auf die Erteilung der ehebedingten Aufenthaltserlaubnis mit einer negativen Entscheidung rechnen müsse. Darin könne eine unbedingte behördliche Ablehnungsentscheidung gesehen werden. Ein weiteres Abwarten sei in diesem Fall völlig sinnentleert und dem Kläger nicht zumutbar. Eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs oder des Bundesverwaltungsgerichts zu Inhabern eines gültigen, von einem Schengen-Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei bisher nicht erfolgt. Es gebe in der Rechtsprechung, soweit erkennbar, nur das VG Stuttgart (B.v 7.5.2014 - Az. 5 K 4470/13), das das Visumserfordernis bejahe. Auf der anderen Seite verneinten das OVG Nordrhein-Westfahlen (B.v. 11.11.2015 - Az. 18 B 387/15), das VG Aachen (B.v. 10.6.2015 - Az. 8 L 340/14), das OVG Sachsen-Anhalt (B.v. 7.10.2014 - Az: 2 L 152/13), der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 21.06.2013 - Az. 10 CS 13.1002), das OVG Hamburg (B.v. 23.9.2013 - Az. 3 BS 131/13), der VGH Baden-Württemberg (B.v. 14.9.2011 - Az. 11 S 2438/11) und das OVG Lüneburg (B.v. 2.7.2012 - Az. 8 ME 94/12) das Visumserfordernis. Es bestehe somit die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2018 hat der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei im vorliegenden Fall noch nicht erlassen worden. Die Klage sei unbegründet, weil sie derart zeitig eingereicht worden sei, dass der Behörde der Erlass des abwägenden Bescheides gar nicht erst ermöglicht worden sei, der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt sei und die Sache nicht spruchreif sei. Entgegen der Auffassung des Klägers liege im vorliegenden Fall kein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vor. Die hinsichtlich des Lebensunterhalts gemachten Angaben widersprächen der Lebenswirklichkeit. Den vorgelegten Unterlagen nach absolviere die Ehefrau des Klägers seit dem 1. August 2017 eine Berufsausbildung zur ...fachfrau im ... ... ... ... Hierbei handele es sich um eine körperlich sehr anstrengende und stressige Tätigkeit, zu der auch Schichtdienste gehörten. Neben ihrer Ausbildung arbeite die Ehefrau seit dem 1. August 2017 noch als Semmelbelegerin bei der Firma ... ... ... Laut Arbeitgeberbescheinigung vom 30. Juli 2017 betrage die wöchentliche Arbeitszeit ca. 40 Stunden. Dies entspräche einem Vollzeitarbeitsverhältnis, das unmöglich parallel zur Ausbildung betrieben werden könne. Den Angaben in der Arbeitgeberbescheinigung widersprächen die Angaben in den drei vorgelegten Gehaltsabrechnungen (August bis Oktober 2017) zum Teil. Demnach hätte die Ehefrau des Klägers jeden Monat stets 90 Stunden gearbeitet und zwar offenbar immer nachts. Von den 90 Stunden seien stets 30 Stunden mit einem Nachtzuschlag von 25% (Arbeitszeit 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr bzw. 04:00 Uhr bis 06:00 Uhr) und 60 Stunden mit einem Nachtzuschlag von 40% (Arbeitszeit 00:00 Uhr bis 04.00 Uhr) vergütet worden. Es sei unrealistisch bzw. nur für sehr kurze Zeiträume leistbar, nach einem ca. achtstündigen Arbeitstag noch täglich etwa 4 ½ Stunden nachts Semmeln zu belegen. Rechne man die Pendelzeiten hinzu (Wohnort ... zum ...: ca. 47 bis 60 min mit dem Auto; 1 h 40 min bis 2 h mit öffentlichen Verkehrsmitteln) sei die Situation noch unvorstellbarer. Deshalb werde seitens des Beklagten davon ausgegangen, dass die Ehefrau des Klägers entweder eine von beiden Beschäftigungen zwischenzeitlich aufgegeben habe oder hinsichtlich der Nebentätigkeit falsche Angaben gemacht worden seien und es sich lediglich um die Gefälligkeitsbescheinigung eines weiteren Landsmannes handele. In beiden Fällen wäre der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert. Darüber hinaus ergäben sich Zweifel an den hinsichtlich des Wohnraums gemachten Angaben, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass kein ausreichender Wohnraum vorhanden sei (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Des Weiteren sei fraglich, ob es sich überhaupt um eine schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft handele. Ferner lägen Ausweisungsinteressen vor, weil der Kläger von vornherein einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigt, zuvor jedoch nicht das erforderliche nationale Visum eingeholt habe. In Anbetracht der schnellen zeitlichen Abfolge von Einreise, Eheschließung und Beantragung der Aufenthaltserlaubnis werde deutlich, dass im vorliegenden Fall gerade keine begründete, spontane Umentscheidung nach einem eigentlich geplanten visumfreien Kurzaufenthalt vorliege, sondern vielmehr eine unerlaubte Einreise im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Eine unerlaubte Einreise stelle regelmäßig keinen nur geringfügen Verstoß gegen Rechtsvorschriften dar. Ob auch aufgrund von Falschangaben bezüglich der Lebensunterhaltssicherung und des Wohnraums ein schwerwiegendes Ausweiseinteresse vorliege, solle dahingestellt bleiben. Schlussendlich stehe noch der Visumverstoß an sich dem Vorliegen des Rechtsanspruchs entgegen. Obwohl der Kläger ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt habe, habe er kein nationales Visum zum Familiennachzug beantragt. Es liege weder ein Anspruch auf Absehung vom Visumerfordernis vor noch seien Gründe vorgetragen worden, aufgrund derer die Nachholung des Visumverfahrens unmöglich oder unzumutbar wäre. Das Visum sei ein unverzichtbares Steuerungsinstrument zur Erfüllung der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern. Die Einhaltung der Einreisevorschriften solle somit der Regelfall bleiben. Eine Aushebelung durch Schaffung von Tatsachen solle nicht toleriert werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien Ausnahmen von der Visumpflicht eng auszulegen, damit dem Ausländer kein Anreiz gegeben werde, nach einer illegalen Einreise durch Schaffung neuer Tatsachen Bleibegründe zu erwirken, die mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis belohnt würden. Bei der Nachholung des Visumverfahrens handele es sich nicht um eine Ausnahmesituation, sondern um einen ganz gewöhnlichen Fall des Ehegattennachzugs. Es sei nicht erkennbar, warum der Kläger nicht für den zeitlich eng überschaubaren Zeitraum des Visumverfahrens nach Ungarn zurückkehren könne. Sein ungarischer Aufenthaltstitel sei noch bis zum ... November 2019 gültig. Die Reise dürfte weder finanziell noch organisatorisch einen größeren Aufwand darstellen. Auch die allenfalls kurzfristige Trennung von seiner Ehefrau sei mit dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie vereinbar. Von daher werde ein etwaig eingeräumtes Ermessen nicht zugunsten des Klägers ausgeübt. § 39 Nr. 6 AufenthV greife nicht, weil der hierfür erforderliche strikte Rechtsanspruch nicht vorliege.

Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2018 teilte der Beklagte weiter mit, dass die Ehefrau des Klägers am 24. Mai 2018 zunächst nach unbekannt verzogen sei und sich am 1. Mai 2018 in ... angemeldet habe. Auch der Kläger habe sich zu diesem Zeitpunkt dort angemeldet. Die ausländerrechtliche Zuständigkeit für den Kläger habe sich das Landratsamt München gem. Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG übertragen lassen.

Mit Schriftsatz vom * Juni 2018 hat der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen ausgeführt, die Ehefrau des Klägers habe mittlerweile die Ausbildung zugunsten einer zweiten Arbeitsstelle abgebrochen. Sie sei nunmehr im ... ... Restaurant in der ... ... ... beschäftigt. Soweit der Beklagte bemängele, dass die Ehefrau einen überfüllten Stundenplan in ihrer Vergangenheit gehabt habe, werde darauf hingewiesen, dass in der Privatwirtschaft eine 50 bis 60 Stundenwoche nicht unüblich sei. Nach der anwaltlichen Bedarfsberechnung ergebe sich vorliegend ein Überschuss abzüglich aller Ausgaben in Höhe von 474,51 Euro. Nach dem Mietvertrag vom 1. Mai 2018 bewohnten der Kläger und seine Ehefrau eine Zweizimmerwohnung in ... (Wohnfläche ca. 50 qm, Miete 755 Euro). Der Umstand, dass die Ehe am Wohnort der Ehefrau geschlossen worden sei, sei kein ungewöhnlicher Umstand. Der kurze Zeitraum zwischen der Eheschließung und der Antragstellung sei Ausfluss der gesetzlichen Vorschrift, wonach ein erforderlicher Aufenthaltstitel innerhalb von 90 Tagen nach Einreise zu beantragen sei. Ein Ausländer sei bei einer wirksam geschlossenen Ehe zu einer näheren Darstellung hinsichtlich seines Willens, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen, nur verpflichtet, wenn Umstände vorlägen, die berechtigten Anlass zu einer Prüfung gäben. Höchstvorsorglich werde daraufhin gewiesen, dass die Ehegatten seit über sechs Monaten zusammen in einem Haushalt lebten und regelmäßig Geschlechtsverkehr praktizierten. Beide Eheleute empfänden füreinander größte gegenseitige Zuneigung und hätten die ernsthafte Absicht, in einer dauerhaften und durch enge Verbundenheit und gegenseitigen Beistand geprägten Beziehung in der Bundesrepublik zusammen zu leben. Eine Scheidung sei nicht anhängig und nicht beabsichtigt. Die behauptete unerlaubte Einreise stehe im Widerspruch zur geltenden Rechtslage und der allgemeinen Rechtsprechung. Die Annahme, dass es sich bei dem von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel um einen bestimmten Aufenthaltstitel handeln müsse, etwa einen EU-Daueraufenthalt, sei offensichtlich contra legem und rechtsmissbräuchlich. § 39 Nr. 6 AufenthV schaffe die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel ohne vorheriges Visumverfahren in Fällen zu beantragen, in denen der Antragsteller einen Anspruch auf den beantragten Aufenthaltstitel habe und er bereits einen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates besitze (BR-Drs. 659/05 S. 6). § 39 Nr. 6 AufenthV knüpfe letztlich an einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an, der schon während des gemeinschaftsrechtlich zulässigen Aufenthalts im Bundesgebiet bestehe. Er begünstige denjenigen, der vor Beendigung seines rechtmäßigen Aufenthalts einen materiellen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis habe. In dieser Konstellation würde sich eine Nachholung des Visumverfahrens aus Sicht des Verordnungsgebers als bloße Förmelei darstellen. Eine unerlaubte Einreise scheide nach allgemeiner Rechtsprechung bei Inhabern eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Schengen-Mitgliedstaates aus. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Einreise könne es nur auf objektive Kriterien ankommen (BR-Drs. 22/03 S.164). Es sei daher allein darauf abzustellen, dass der betroffene Ausländer über eine wirksame Einreisegenehmigung verfügt habe. Auf die Motivation bei seiner Einreise komme es für die Frage eines strafbaren Verhaltens nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht an.

Mit Schriftsatz vom ... Juli 2018 hat der Klägerbevollmächtigte den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Februar 2011 (Az. 10 CS 10.3149) vorgelegt.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 2018 im Wesentlichen weiter ausgeführt, die Sicherstellung des Lebensunterhalts sei nicht ausreichend nachgewiesen. Weder sei eine Kündigung des Ausbildungsverhältnisses vorgelegt worden noch die neuen Arbeitsverträge oder eine Arbeitgeberbescheinigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage gem. § 75 Satz 1 VwGO zulässig, da über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Dass der Beklagte der Auffassung ist, dass ein Visumverfahren durchzuführen ist, in dem sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geprüft werden, entbindet ihn ebenso wenig wie das laufende verwaltungsgerichtliche Verfahren von seiner Verpflichtung, den gestellten Antrag zu verbescheiden.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Zwar erfüllt der Kläger die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug scheitert jedoch an § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.

a) Der Kläger bedarf als vietnamesischer Staatsangehöriger gem. § 4 Abs. 1 AufenthG für die Einreise in das Bundesgebiet grds. eines Aufenthaltstitels. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist für längerfristige Aufenthalte ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Der Aufenthalt des Klägers stellt einen längerfristigen Aufenthalt i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dar, da er unbestritten am 20. November 2017 eingereist ist, um eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu seiner kurz zuvor geehelichten Frau zu beantragen und mit dieser auf Dauer die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen. Dies ergibt sich sowohl aus den Angaben der Klagepartei im Verwaltungs- und Klageverfahren als auch aus der zeitlichen Nähe der Beantragung des Aufenthaltstitels am 26. November 2017 zur Einreise am 20. November 2017.

b) Entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten entfällt das Visumerfordernis nicht gem. § 39 Nr. 6 AufenthV. Danach kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und aufgrund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind.

Zwar ist der Kläger im Besitz einer bis 14. November 2019 gültigen ungarischen Aufenthaltserlaubnis und damit einer Aufenthaltserlaubnis eines anderen Schengen-Staates. Er war jedoch aufgrund dieses Aufenthaltstitels am 20. November 2017 nicht berechtigt, in das Bundesgebiet einzureisen und sich in der Folge hier aufzuhalten. Ein derartiges Recht ergibt sich nicht aus Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ). Danach können Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, c und e Schengener Grenzkodex (SGK) [jetzt: Art. 6 SGK] aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.

Einreise und Aufenthalt ohne nationales Visum sind gem. Art. 21 Abs. 1 SDÜ aber nicht rechtmäßig, wenn der Drittstaatsangehörige bereits in der Absicht einreist, sich dauerhaft und nicht nur für maximal 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet aufzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 - 10 CS 18.350, 10 C 18.351 - juris; VGH Kassel, B.v. 4.6.2014 - 3 B 785/14 - juris; OVG Hamburg, B.v. 1.6.2018 - 1 Bs 126/17 - juris; VG Stuttgart, B.v. 7.5.2014 - 5 K 4470/13 - juris; a.A. VG Aachen, U.v. 13.4.2016 - 8 K 669/15 - juris).

Dies ergibt sich systematisch aus dem Verweis von Art. 21 Abs. 1 SDÜ auf Art. 6 Abs. 1 SGK, der bereits im Einleitungssatz von einem "geplanten" Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen spricht. Ebenso bezieht sich Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) SGK ausdrücklich auf einen "beabsichtigten" Aufenthalt, dessen Zweck und Umstände belegt und für dessen Dauer ebenso wie für die Rückreise ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorliegen müssen. Nach Art. 6 Abs. 2 SGK enthält zudem der Anhang I eine nicht abschließende Liste von Belegen, die sich der Grenzschutzbeamte von dem Drittstaatsangehörigen vorlegen lassen kann, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) SGK erfüllt sind. Zu diesen Belegen gehören bei touristischen oder privaten Reisen etwa Belege betreffend den Reiseverlauf und die Rückreise (Anhang I, Buchst. c) ii) und iii)). Art. 6 Abs. 3 Satz 1 SGK sieht zudem eine Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts anhand der Dauer des Aufenthalts, insbesondere der "Zahl der Aufenthaltstage" vor. Diese Regelungen ergeben nur Sinn, wenn sie sich auf einen von vornherein als solchen beabsichtigten Aufenthalt von begrenzter Dauer beziehen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 1.6.2018 - a.a.O.; B.v. 23.9.2013 - 3 Bs 131/13 - juris). Nicht überzeugend und in sich widersprüchlich ist im Hinblick darauf im Übrigen die Auffassung des VG Aachen (U.v. 13.4.2016 - a.a.O.), das bzgl. der Voraussetzung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c SGK lediglich die Sicherung des Lebensunterhalts für einen Kurzaufenthalt zur Voraussetzung des Aufenthaltsrechts aus Art. 21 Abs. 1 SDÜ erklärt, andererseits aber einen von vornherein beabsichtigten Daueraufenthalt von Art. 21 Abs. 1 SDÜ als gedeckt ansieht.

Auch Sinn und Zweck der durch Art. 21 Abs. 1 SDÜ gewährten Privilegierung von Drittausländern, die Inhaber eines mitgliedstaatlichen Aufenthaltstitels sind, gebieten ihre Beschränkung auf Fälle, in denen die Einreise nicht von vornherein zum Zweck des Daueraufenthalts erfolgt. Art. 21 Abs. 1 SDÜ dispensiert lediglich für Kurzaufenthalte vom Erfordernis des Visumverfahrens; bei derartigen Aufenthalten ist das Interesse der Mitgliedstaaten an einer präventiven Einreisekontrolle nicht in dem Maße betroffen wie bei einem längerfristigen Aufenthalt im Sinne von § 6 Abs. 3 AufenthG. Beabsichtigt der Ausländer indes bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt, so ist das Interesse des Mitgliedstaates, mit dem Instrument des Visumverfahrens die Zuwanderung in sein Gebiet wirksam zu steuern und zu begrenzen, bereits zum Zeitpunkt der Einreise und nicht erst nach Ablauf eines Aufenthalts von 90 Tagen berührt. Denn das nationale Visumverfahren kann seine Kontrollfunktion nur erfüllen, wenn es vor der Einreise des Ausländers durchgeführt wird. So ist Sinn und Zweck des Visumverfahrens u.a. auch die Prüfung der vorliegend strittigen Frage der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts.

Diesem Verständnis der Reichweite des Art. 21 Abs. 1 SDÜ steht § 39 Nr. 6 AufenthV nicht entgegen. Zwar ermöglicht diese Vorschrift einem Drittstaatsangehörigen, aus einem durch Art. 21 Abs. 1 SDÜ gewährten "Besuchsaufenthalt" heraus einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Dies impliziert, dass es Fälle geben kann, in denen nach der Einreise die Erlaubnis auch für einen längerfristigen Aufenthalt erstrebt werden darf. Daraus folgt jedoch nicht, dass Art. 21 Abs. 1 SDÜ auch dann eine rechtmäßige Einreise und einen rechtmäßigen Aufenthalt ermöglicht, wenn der längerfristige Aufenthalt bereits bei der Einreise beabsichtigt war. Zum einen kann die Reichweite einer nationalen Vorschrift wie § 39 Nr. 6 AufenthV schon im Ansatz nicht den Anwendungsbereich einer Vorschrift des SDÜ, das zum unionsrechtlichen Schengen-Besitzstand zählt, bestimmen. Zum anderen verbleibt für die Regelung des § 39 Nr. 6 AufenthV auch dann ein hinreichender Anwendungsbereich, wenn der Aufenthalt bei von vornherein beabsichtigtem Daueraufenthalt nicht aufgrund des Art. 21 Abs. 1 SDÜ "berechtigt" im Sinne von § 39 Nr. 6 AufenthV ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.1.2011 - 1 C 23/09 - juris). Dieser erfasst insbesondere die Fälle eines nachträglichen Wechsels des Aufenthaltszwecks (vgl. zum Ganzen OVG Hamburg, B.v. 1.6.2018 - a.a.O.). Etwas anderes ergibt sich weder aus der vom Klägerbevollmächtigten zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung noch aus der Begründung zu § 39 Nr. 6 AufenthV (BR-Drs. 659/05). Vielmehr wird darin explizit darauf verwiesen, dass dieselbe Möglichkeit der Einholung eines Aufenthaltstitels ohne vorheriges Visumverfahren bereits nach § 39 Nr. 3 AufenthV für Drittstaatsangehörige besteht, die für Besuchsaufenthalte visumfrei in das Gebiet der Schengen-Staaten einreisen können, und kein Grund besteht, die Gruppe der nach Art. 21 SDÜ grds. zur Einreise berechtigten Drittausländer abweichend zu behandeln. Für die visumfreie Einreise aus einem Drittstaat in das Gebiet der Schengen-Staaten nach Art. 20 SDÜ ist aber gerade anerkannt, dass von Anfang an beabsichtigte Daueraufenthalte nicht von der Privilegierung umfasst sind (vgl. OVG Hamburg, B.v. 23.9.2013 - 3 Bs 131/13 - juris; OVG Magdeburg, B.v. 7.10.2014 - 2 L 152/13 - juris; VGH Mannheim, B.v. 14.9.2011 - 11 S 2438/11 - juris; OVG Münster, B.v. 11.11.2015 - 18 B 387/15 - juris). Nach alledem ist das Visumverfahren nicht gem. § 39 Nr. 6 AufenthV entbehrlich.

c) Zwar kann von dem Visumerfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind. Ein Anspruch auf die Erteilung ist aber nur dann gegeben, wenn das Aufenthaltsgesetz oder ein anderes Gesetz einen strikten Rechtsanspruch verleihen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat. Eine Ermessenreduzierung auf null reicht dazu nicht aus. Auch bei einer "Soll"-Regelung fehlt es daran. Die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls beruht auf einer wertenden Einzelfallbetrachtung und stellt ebenfalls keinen strikten Rechtsanspruch dar. Das Visumverfahren dient dem Zweck, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können. Ausgehend von diesem Zweck sind Ausnahmen von der Visumpflicht prinzipiell eng auszulegen. Das bedeutet für die Auslegung des Ausnahmetatbestands des Vorliegens eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis, dass sich ein solcher aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben muss und Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssen (Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 5 AufenthG Rn. 140, beck-online; BVerwG, U.v. 10.12.2014 - 1 C 15/14 - juris).

Unabhängig von der im Verfahren umstrittenen Frage der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) liegt im vorliegenden Fall bereits deshalb kein gesetzlicher Anspruch i.d.S. vor, da ein Ausweisungsinteresse gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht und somit nicht alle regelhaften Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Der Kläger ist am 20. November 2017 in das Bundesgebiet eingereist, ohne den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen. Er ist somit unerlaubt i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in das Bundesgebiet eingereist ist und hat damit einen nicht nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen, der ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründet.

Nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ ist eine Einreise mit einem von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitel in die Bundesrepublik nur dann erlaubt i.S.v. § 14 Abs. 1 AufenthG, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt i.S.v. Art. 21 Abs. 1 SDÜ gerichtet ist (BayVGH, B.v. 14.2.2018 - a.a.O.). Dies widerspricht auch nicht der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, ein Ausländer mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG reise nicht unerlaubt i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in das Bundesgebiet ein, auch wenn er schon im Zeitpunkt der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt anstrebte (vgl. BVerwG, U.v. 11.1.2011 - 1 C 23/09 - juris Rn. 20). Denn in diesem Fall existiert mit dem Schengen-Visum eine wirksame verwaltungsbehördliche Erlaubnis zur Einreise, von der bis zu ihrer Aufhebung Tatbestandswirkung ausgeht (vgl. auch BGH, U.v. 27.4.2005 - 2 StR 457/04 - juris). Eine solche Erlaubnis fehlt bei der hier zu beurteilenden visumfreien Einreise unter Inanspruchnahme der Privilegierung des Art. 21 Abs. 1 SDÜ gerade, weshalb die Strafbarkeit der Einreise in derartigen Fällen - etwa vom LG Hof (U.v. 20.4.2017 - 5 KLs 354 Js 1442/16 - juris) - bejaht wurde (vgl. zum Ganzen: OVG Hamburg, B.v. 1.6.2018 - a.a.O.).

Zwar kann gem. § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden. Dies stellt jedoch wiederum eine Ermessensentscheidung dar und schließt eine gesetzlichen Anspruch auf Erteilung gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG aus.

d) Dafür, dass die Nachholung des Visumverfahrens aufgrund besonderer Umstände im Fall des Klägers unzumutbar sein könnte (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG), ist nichts ersichtlich. Weder die vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau noch der mit einer Reise nach Ungarn verbundene Aufwand stellen im Fall des jungen, gesunden Klägers derartige Umstände dar.

3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.