OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.05.2019 - 6 U 98/18
Fundstelle
openJur 2020, 44144
  • Rkr:

Die Wiedergabe bekannter Kraftfahrzeugmarken auf Spielzeug- oder Modellautos stellt grundsätzlich eine unzulässige Ausnutzung der Wertschätzung dieser Marken dar. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn es sich bei dem Modell um eine detailgetreue Nachbildung des Originalfahrzeugs handelt. Eine originalgetreue Nachbildung in diesem Sinn liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die Form des Modells vom Original abweicht, wenn die wiedergegebenen Marken abweichend gestaltet sind oder wenn dem Modell weitere Marken hinzugefügt werden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.05.2018 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das im Tenor des angefochtenen Urteils unter I. 1. e) befindliche Wort "insbesondere" entfällt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 280.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 280.000 EUR leistet.

Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die Beklagte zu 1) ist Herstellerin von Spielzeugmodellautos und der Beklagte zu 2) ist ihr Vorstand. Die Klägerin geht gegen die Beklagten wegen des Vertriebs diverser Modellautos aus ihren berühmten, für Automobile eingetragenen Unionsbildmarken sowie ihre Unions-Wort-/Bildmarke Ferrari vor. Außerdem verlangt sie von der Beklagten zu 1) wegen Verstoßes gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot es zu unterlassen, auf Spielzeug- und/oder Modellrennwagen, die mit Zeichen versehen sind, welche den Union-Bildmarken der Klägerin ähneln, das Zeichen "Cartronic" aufzubringen.

Das Landgericht hat erkannt wie folgt:

(Von der Darstellung wird aus technischen Gründen abgesehen - die Red.)

Die Zuerkennung der auf Markenrecht gestützten Ansprüche hat das Landgericht damit begründet, bei den Fahrzeug-Klagemarken handele es sich um in der Union bekannte Marken im Sinne von Artikel 9 Abs. 2 Nr. 3 UMV. Die Beklagten hätten die Wertschätzung dieser Marken in unlauterer Weise und ohne rechtfertigenden Grund ausgenutzt. Ein berechtigtes Interesse an der Verwendung der streitgegenständlichen Zeichen ergebe sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Opel-Blitz-II". Danach habe die Markeninhaberin das mit einer wirklichkeitsgetreuen Nachbildung möglicherweise verbundene Maß an Verwechslungsgefahr hinzunehmen. Auf diese Rechtfertigung könnten sich die Beklagten bereits deswegen nicht berufen, weil auf dem Verletzungsmodell mehrfach die eigene Marke der Beklagten zu 1) "Cartronic" aufgebracht sei. Im Übrigen wichen die streitgegenständlichen Modellautos teilweise auch in ihrer äußeren Gestaltung von den Original-Kraftfahrzeugen, die mit den Klagemarken gekennzeichnet seien, ab.

Die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche seien begründet, weil zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe und das Anbringen der eigenen Marke "Cartronic" auf einem Teil der Modelle anstelle der Marke des Hauptsponsors X bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise die irrige Vorstellung hervorrufe, die Beklagte zu 1) sei offizieller Sponsor der Klägerin.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagten vertreten die Auffassung, das Landgericht interpretiere die Entscheidung "Opel-Blitz-II" des BGH zu eng. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob ein Spielzeugmodellauto sich bis ins kleinste Detail als eine verkleinerte Ausgabe des Original-Rennwagens darstelle. Entscheidend sei vielmehr, ob es sich bei dem Spielzeugauto nach der Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers um eine wirklichkeitsgetreue Nachbildung handele. Auf den Umstand, dass die Beklagte zu 1) auf einigen Modellen ihrer Spielzeugautos ihre eigene Marke "Cartronic" aufbringe, könne es schon deshalb nicht ankommen, weil hierdurch die Markenrechte der Klägerin nicht beeinträchtigt werden könnten. Die auf Wettbewerbsrecht gestützten Ansprüche bestünden nicht, weil es an einer Irreführungsgefahr fehle und das insoweit begehrte Verbot bereits durch die Zuerkennung der markenrechtlichen Ansprüche realisiert sei.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Es war lediglich das Wort "insbesondere" aus dem Tenor des angefochtenen Urteils (I. 1. e) zu streichen, weil das Verbot andernfalls zu weit gereicht hätte.

Die auf Markenrecht gestützten Unterlassungsansprüche sind begründet gemäß Artikel 9 Abs. 2 UMV. Bei den Klagemarken handelt es sich um in der Union bekannte Marken im Sinne von Artikel 9 As. 1 lit. c) UMV. Die Beklagten haben die Wertschätzung dieser bekannten Unionsmarken ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt. Mit einem Spielzeugmodell, welches ein Kraftfahrzeug nachbildet und auch die Originalmarken in identischer oder ähnlicher Form verwendet, ist zwangsläufig eine Ausnutzung des Rufs der bekannten Marke verbunden. Die Frage, ob die Nachbildung als unlauter zu qualifizieren ist, hängt davon ab, ob es sich bei dem Spielzeugmodellauto um eine wirklichkeitsgetreue Nachbildung des Rennwagens handelt. Ist dies der Fall, stellt sich die Rufausnutzung ausnahmsweise nicht als unlauter dar, weil sie angesichts der Erwartungen, welche die angesprochenen Verbraucher an ein derartiges Spielzeug stellen, und der darauf beruhenden jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen gerechtfertigt ist (BGH, Urteil vom 14.01.2010, I ZR 88/08, Rdz. 30 bei juris). Die Voraussetzungen der Originaltreue war bei dem Spielzeugauto, um welches es in der Entscheidung "Opel-Blitz II" ging, erfüllt (BGH a.a.O., Rdz. 11).

Es genügt nicht, dass der Verkehr das betreffende Spielzeugauto für eine wirklichkeitsgetreue Nachbildung hält. Aus der Entscheidung "McLaren" (BGH, Urteil vom 9. Juli 1994, I ZR 272/91, BGHZ 126, 208) folgt nichts Abweichendes. Dort ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Nachbildung eines Formel 1-Rennwagens in Gestalt eines Spielzeugautos unlauter sein kann, wenn dies ohne ausdrückliche Nennung des Namens des Inhabers geschieht. Hier hingegen geht es um die Frage, ob die Rufausnutzung einer bekannten Marke ausnahmsweise vom Markeninhaber hinzunehmen ist, weil es an der Unlauterkeit fehlt. Dies kann nur bei einer originalgetreuen Nachbildung der Fall sein, weil die Verwendung der bekannten Marke nur dann von dem Bemühen des Herstellers getragen ist, die Originaltreue in allen Details zu erreichen.

Zu den im Einzelnen angegriffenen Modellen gilt folgendes:

1.

Das Modell A (Ferrari F 310 E) weist an der Stelle, wo sich bei dem Original-Rennwagen der Schriftzug des Hauptsponsors X befindet die Marke "Cartronic" auf. An einer originalgetreuen Nachbildung fehlt es mithin. Die Beklagten können nicht damit gehört werden, dass Zigarettenwerbung auf Spielzeug verboten ist. Dies rechtfertigt es jedenfalls nicht, den Schriftzug der Zigaretten-Marke durch die eigene Marke zu ersetzen. Die Unlauterkeit folgt insoweit auch daraus, dass die Beklagte zu 1) sich mit dem Anbringen ihrer Marke direkt über der Marke des Sponsors Y geriert, ebenfalls Sponsor der Klägerin zu sein und damit den Ruf der bekannten Unionsmarke auch insofern ausnutzt.

2.

Das Modell B (Formel 1 Typ F) wird zwar nach den Angaben der Beklagten nicht so ausgeliefert, wie im angefochtenen Urteil unter I. 1. b) wiedergegeben, aber unstreitig im Internet beworben wie im Tenor des angefochtenen Urteils abgebildet. Es handelt sich überhaupt nicht um die Nachbildung eines von der Klägerin hergestellten Rennwagens, sondern um einen Phantasie-Rennwagen, weshalb das Anbringen der Unions-Bildmarke der Klägerin ohne weiteres eine unlautere Rufausnutzung darstellt.

3.

Das Modell C - (Ferrari 250 GTO) ist wiederum bereits im Hinblick auf seine äußere Form keine originalgetreue Nachbildung. Im Übrigen befindet sich auf dem Heck des Spielzeugautos der Schriftzug "Ferrari" in Gestalt der Unions-Wort-/Bildmarke der Klägerin. Auch dies stellt eine unlautere Rufausnutzung dar. Zu einer originalgetreuen Nachbildung gehört es, dass die Marken, wie im Fall Opel-Blitz II (BGH a.a.O., Rdz. 11) an vorbildgetreuer Stelle angebracht werden.

4.

Auch das Modell D (Ferrari Dino 206 S) stellt keine originalgetreue Nachbildung dar. Der vordere Teil der Karosserie wirkt hochgestellt, was dem Umstand geschuldet ist, dass dieses Spielzeugauto eine Vorrichtung aufweisen muss, mit der es in die Führungsschiene einer Spielzeugrennbahn eingebaut werden kann. Diese technische Notwendigkeit hindert allerdings nicht die Annahme der Unlauterkeit, weil der Markeninhaber es nicht hinnehmen muss, dass seine Marken aufgrund dieses Umstandes auch auf nichtoriginalgetreuen Nachbildungen verwendet werden. Im Übrigen befindet sich bei diesem Modell hinter dem Vorderrad ein der Unions-Bildmarke der Klägerin sehr ähnliches Zeichen, das sich bei dem Rennwagen weder an dieser Stelle noch proportional betrachtet in dieser Größe befindet. Auch hieran besteht kein berechtigtes Interesse der Beklagten.

Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe der Firma Z eine Lizenz für ein Spielzeugauto erteilt, welches genauso aussehe wie das hier streitgegenständliche Modell, verfängt nicht. Es ist der Markeninhaberin unbenommen, einem Lizenznehmer eine Lizenz für ein bestimmtes Modell zu erteilen, dies schränkt den Umfang der ihr gesetzlich zustehenden Markenrechte gegenüber Dritten nicht ein.

5.

Zu beanstanden ist schließlich auch das unter I. 1. unter e) wiedergegebene und sich auf einer von der Beklagten zu 1) verwendeten Verpackung befindliche Bildzeichen. Zwar wird hier offensichtlich kein sich aufbäumendes Pferd wiedergegeben sondern ein drachenähnliches Wesen, welches ein Vorderbein in die Höhe streckt. Aufgrund der Gesamtaufmachung der Verpackung und der Farbgebung des Bildzeichens wird aber zweifellos eine Assoziation zu der Unionsbildmarke der Klägerin hergestellt und darüber hinaus ihr Ruf in unlauterer Weise ausgenutzt.

6.

Auch der unter II. 3. im Tenor des angegriffenen Urteils wiedergegebene Unterlassungsanspruch ist begründet gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG.

Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Klägerin selbst vertreibt über ihren Onlineshop auch Modellautos. Die Beklagte zu 1) erweckt durch das Anbringen der eigenen Marke "Cartronic" auf den Modellen A und B anstelle der Marke X des Hauptsponsors den irreführenden Eindruck, in vertraglichen Beziehungen zur Klägerin zu stehen. Diese Fehlvorstellung ist geeignet, die Wertschätzung der angesprochenen Verkehrskreise für die beklagtenseits vertriebenen Spielzeugautos zu erhöhen und daher für ihre geschäftliche Entscheidung relevant.

Auf die Begründetheit und Durchsetzbarkeit des Anspruchs hat es keinen Einfluss, dass den Beklagten der Vertrieb der Modellautos A und B bereits aus markenrechtlichen Gründen untersagt ist. Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch bildet einen eigenen Streitgegenstand. Es besteht auch ein berechtigtes Interesse, beide Ansprüche titulieren zu lassen, da ihre künftige Durchsetzbarkeit durchaus unterschiedliche Wege gehen kann.

7.

Da die Beklagten die Markenrechte der Klägerin verletzen und auch ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, sind die vom Landgericht titulierten Annexansprüche gegeben. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung nicht.

8.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.