KG, Urteil vom 23.11.2017 - 23 U 124/14
Fundstelle
openJur 2020, 38272
  • Rkr:

Die Angabe einer E-Mail-Adresse im Impressum einer Webseite genügt den Anforderungen von § 5 I Nr. 2 TMG nicht, wenn an diese Adresse gerichtete E-Mails mit automatisch generierten E-Mails beantwortet werden, welche nach der Mitteilung, dass an die im Impressum angegebene Adresse gerichtete E-Mails nicht gelesen und zur Kenntnis genommen werden könnten, auf weitere Internetseiten des Diensteanbieters und dort vorhandene Informations- und Kontaktmöglichkeiten verweisen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.08.2014 verkündete Urteil der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist fortan ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des insgesamt beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Impressum ihrer Webseite nur eine E-Mail-Adresse anzugeben, bei der die an diese Adresse gerichteten E-Mails mit automatisch generierten E-Mails beantwortet werden, welche nach dem Hinweis, dass an die im Impressum angegebene Adresse gerichtete E-Mails nicht gelesen und zur Kenntnis genommen werden könnten, auf weitere Internetseiten der Beklagten und dort vorhandene Informations- und Kontaktmöglichkeiten verweisen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 28.08.2014 antragsgemäß verurteilt. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den vollständigen Wortlaut der Urteilsformel des Landgerichts wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 09.09.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.10.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat am 10.12.2014 begründet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die vom Kläger angegriffene Gestaltung ihres Impressums die gesetzlichen Anforderungen gemäß § 5 TMG erfülle; über die in der automatisch generierten E-Mail gegebenen Hinweise sei eine schnelle und unmittelbare Kommunikation mit der Beklagten gewährleistet; den Verbraucherinteressen sei damit besser gedient als mit der Eröffnung einer individuellen Kommunikationsmöglichkeit, bei der die eingehenden E-Mails wegen ihrer Vielzahl unbeantwortet bleiben müssten. Die Beklagte weist ferner darauf, dass die Fassung des Impressums ausdrücklich von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig Holstein gebilligt worden sei.

II.

Die Berufung der Beklagten wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig.

III.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UKlaG (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Witt: AGB, § 4a UKlaG Rn. 7).

2. Für die vom Kläger beanstandete Zuwiderhandlung gegen ein Verbraucherschutzgesetz ist kollisionsrechtlich die für unerlaubte Handlungen universell geltende allgemeine Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-Verordnung) heranzuziehen. Vorrangige Übereinkommen (Art. 28 Rom-II-Verordnung) mit den Vereinigten Staaten von Amerika oder dem Staat Kalifornien bestehen nicht (vgl. Art. 29 Rom-II-Verordnung sowie das Verzeichnis der Übereinkommen im Amtsblatt der Europäischen Union 2010/C 343, S. 7).

Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Rom-II-Verordnung ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Da die behauptete Verletzung von Verbraucherschutzgesetzen auch in Deutschland stattfindet, ist deutsches Recht und damit § 2 UKlaG anwendbar.

3. Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Unterlassungsanspruch aus § 2 Abs. 1 UKlaG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG zuerkannt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze). Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UKlaG sind Verbraucherschutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift insbesondere auch die Vorschriften zur Umsetzung der Artikel 5, 10 und 11 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr", ABl. EG Nr. L 178 S. 1). Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG, der zur Umsetzung von Art. 5 der Richtlinie 2000/31/EG ergangen ist, haben Diensteanbieter für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten.

a) Bei dem Angebot der Beklagten handelt es sich um einen geschäftsmäßigen Telemediendienst, auch wenn weite Teile des Internetangebots der Beklagten kostenlos angeboten werden. Das Normelement "geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien” beschränkt den Anwendungsbereich der Regelung des § 5 TMG nicht auf kostenpflichtige Telemediendienste. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass mit diesem Tatbestandselement lediglich Internetangebote von privaten Anbietern und von Idealvereinen, mithin nicht-kommerzielle Angebote, aus dem Anwendungsbereich der Impressumspflicht ausgenommen werden sollten. Ansonsten sollten die allgemeinen Informationspflichten der Dienstanbieter, die zuvor in § 6 TDG geregelt waren, unverändert übernommen werden (BR-Drucksache 556/06, S. 15, 20 und BT-Drucksache 16/3078 S. 14). Somit ist die Norm dahingehend auszulegen, dass sämtliche kommerziellen Telemediendienste den Anforderungen des § 5 TMG unterliegen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 03. April 2007 - 3 W 64/07 Rn. 7). Im übrigen verwendet die Beklagte das vom Kläger beanstandete Impressum unterschiedslos auch im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern, die kostenpflichtige Dienste in Anspruch nehmen.

b) Die Beklagte hat § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG zuwidergehandelt, indem sie im Impressum ihrer Webseite keine E-Mail-Adresse angibt, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihr ermöglicht. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des OLG Koblenz an, das mit Urteil vom 1. Juli 2015 - 9 U 1339/14 (Rn. 6) ausgeführt hat:

§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG soll eine individuelle unmittelbare Kommunikation auf elektronischem Wege über die angegebene E-Mail-Adresse ermöglichen. Die Vorschrift verlangt nicht, dass Mitteilungen oder Anfragen von Seiten des Anbieters in jedem Fall beantwortet werden. Es werden auch keine Prüfpflichten statuiert. Entscheidend ist, dass die E-Mail-Adresse die Kontaktaufnahme mit dem Anbieter auf diesem Weg ermöglicht und der Anbieter seine Erreichbarkeit nicht einschränkt, indem er etwa von vornherein durch Regeln zur Behandlung der E-Mail ausschließt, dass eingehende Mails zur Kenntnis genommen werden oder die Kommunikationsmöglichkeiten der Kunden auf bestimmte Fragen inhaltlich eingeschränkt, oder dem Kunden nur anderweitige Möglichkeiten der Kommunikation mitgeteilt werden. Eine solche unzulässige Einschränkung der Kommunikation stellt es auch dar, wenn das System so angelegt ist, dass auf Kundenanfragen ausschließlich mit einem für alle Fälle von Anfragen vorformulierten Standardschreiben reagiert wird. Denn bei einer solchen Reaktion handelt es sich nicht um eine individuelle Antwort, sondern letztlich nur um ein generelles Zurückweisen des Kommunikationsanliegens des Kunden. Andererseits überlässt § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG es dem Anbieter, wie er ohne die zuvor dargestellten Beschränkungen mit seinen Kunden kommuniziert. Ebenso, wie er auf dem Postweg an ihn gerichtete Anfragen im Einzelfall unbeantwortet lassen kann, ohne dadurch wettbewerbswidrig zu handeln, braucht er auch nicht jede an ihn gerichtete E-Mail zu beantworten (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - C-298/07 - , juris; KG, Urteil vom 7. Mai 2013 - 5 U 32/12 -, juris; LG Berlin, Urteil vom 28.8.2014 - 52 O 135/13).

Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen richtig erkannt, dass mit der Angabe einer E-Mail-Adresse, bei der es erklärtermaßen ausgeschlossen ist, dass die Beklagte vom Inhalt der eingehenden E-Mails Kenntnis erlangt, keine Kommunikation ermöglicht, sondern diese im Gegenteil gerade verweigert wird. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG eindeutig verletzt wäre, wenn die Beklagte im Impressum statt der angegebenen E-Mail-Adresse sogleich den vollständigen Inhalt der automatisch generierten Antwort wiedergeben würde, weil dort (außer der E-Mail-Adresse eines Jugendschutzbeauftragten) keine E-Mail-Adresse genannt wird, über die der Verbraucher unmittelbar mit der Beklagten Kontakt aufnehmen kann. Dann kann es aber, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch nicht ausreichen, wenn pro forma eine automatisierte E-Mail zwischengeschaltet wird, die genau diese Informationen enthält.

c) Es mag zutreffen, dass mit dem von der Beklagten praktizierten Verfahren den Verbraucherinteressen im Ergebnis besser gedient ist als mit der Eröffnung einer individuellen Kommunikationsmöglichkeit, bei der viele, die meisten oder alle eingehenden E-Mails unbeantwortet bleiben. Das ändert aber nichts daran, dass nach dem eindeutigen Wortlaut von § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG die Angabe einer E-Mail-Adresse, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation ermöglicht, zwingend vorgeschrieben ist. Die Beklagte kann sich nicht als Ersatzgesetzgeber gerieren und unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Vorschrift eine zwingend vorgeschriebene Angabe durch eine ihr geeigneter erscheinende Angabe ersetzen (vgl. KG, Urteil vom 07.05.2013 - 5 U 32/12 Rn. 47).

d) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie die vom Kläger beanstandete Verfahrensweise mit dem stellvertretenden Direktor der Landesmedienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein abgesprochen sei und eine Mitarbeiterin der Anstalt ihr per E-Mail bestätigt habe, dass die Anbieterkennzeichnung den Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG gerecht werde.

Es kann dahinstehen, ob dieser formlosen Mitteilung einer Mitarbeiterin der Landesmedienanstalt die Qualität eines Verwaltungsakts zukommt. Denn ein Verwaltungsakt, der verbindlich festlegte, dass das Impressum der Beklagten den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG entspreche, könnte die ordentlichen Gerichte nur binden, wenn er von der hierfür allein zuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 03.04.1985 - I ZR 29/83 Rn. 14; Urt. v. 28.01.1969 - VI ZR 231/67). Das wäre hier nicht der Fall, weil die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien (§ 59 Abs. 2 RStV) zwischen verschiedenen Organen der Landesmedienanstalt aufgeteilt ist und jedes Organ verbindliche Entscheidungen nur innerhalb seiner Zuständigkeit treffen kann.

Der Direktor der Landesmedienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein ist zwar gemäß § 47 Abs. 4 Nr. 11 des Staatsvertrags über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein (Medienstaatsvertrag HSH) vom 13. Juni 2006 (HmbGVBl. 2007 S. 47, GVOBl. Schl.-H. 2007 S. 108) zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Telemediengesetzes und damit auch für die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen § 5 Abs. 1 TMG. Für Entscheidungen über Aufsichtsmaßnahmen über Telemedien nach § 38 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz des Medienstaatsvertrags HSH, also solche, die die Anstalt als Aufsichtsbehörde über Telemedien gemäß § 59 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) trifft, ist aber gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 13 des Medienstaatsvertrags HSH der Medienrat der Anstalt zuständig.

Die (mit dem Direktor der Landesmedienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein abgesprochene) Mitteilung einer Mitarbeiterin der Landesmedienanstalt könnte daher allenfalls als verbindliche Erklärung der Anstalt angesehen werden, dass diese das Verhalten der Beklagten nicht als Ordnungswidrigkeit ansehe und nicht als solche verfolgen werde. Eine verbindliche Entscheidung des für Aufsichtsmaßnahmen (§ 59 RStV) zuständigen Medienrats der Landesmedienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein, dass die Beklagte mit der Angabe der E-Mail-Adresse die Bestimmungen für Telemedien, namentlich die des § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG einhält, läge damit nicht vor.

IV.

Ob der Kläger den Unterlassungsanspruch auch auf §§ 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 3a UWG und § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG stützen kann, bedarf keiner Entscheidung. Es ist daher auch nicht zu prüfen, ob die Zuwiderhandlung der Beklagten die Interessen von Verbrauchern spürbar beeinträchtigen kann.

V.

Hinsichtlich der vom Landgericht zuerkannten Nebenforderung kann auf die zutreffenden, mit der Berufung nicht angegriffenen Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden.

VI.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG und damit die Anforderungen an das Impressum im Internet für eine unbestimmte Vielzahl gewerblicher Diensteanbieter von Bedeutung und höchstrichterlich bisher ungeklärt ist. Die wenigen bisher bekannt gewordenen erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen reichen nicht aus, um eine einheitliche gefestigte Rechtsprechung feststellen können.