LG Duisburg, Urteil vom 18.02.2019 - 2 O 31/15
Fundstelle
openJur 2020, 32244
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 16 U 88/19
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.09.2014 zu zahlen.

Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 2.084,40 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.10.2014 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Forderung auf einer vorsätzlichen, unerlaubten Handlung beruht.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Online-Bezahlsystem, welches für die Bezahlung an Internet-Leistungserbringer zwischengeschaltet wird. Sowohl der Empfänger als auch der Leistende müssen ein Konto bei der Klägerin haben. Das Konto bei der Klägerin kann sodann für Zahlungen im Rahmen einer Guthaben- und einer Durchlaufzahlung genutzt werden. Bei der Guthabenzahlung lädt der Leistende ein Guthaben auf sein Konto bei der Klägerin und kann anschließend mit diesem Guthaben Zahlungen erbringen. Bei der Durchlaufzahlung wird der Zahlbetrag sofort dem Empfängerkonto gutgeschrieben, der Ausgleich des Kontos des Leistenden erfolgt im Wege einer elektronischen Lastschrift von dem regulären Bankkonto des Kunden.

Am 08.08.2012 wurde auf den Namen des Beklagten ein Konto bei der Klägerin eingerichtet.

Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 13.08.2014 auf, einen Saldo seines Kontos i.H.v. 117.164,26 € bis spätestens zum 20.08.2014 auszugleichen. Eine Zahlung erfolgte darauf nicht. Die Klägerin beauftragte daraufhin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung, der sodann versuchte, die Forderung außergerichtlich beizutreiben.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe das streitgegenständliche Konto eröffnet und bei der Konto-Eröffnung die AGB der Klägerin akzeptiert, da es technisch unmöglich sei, ohne deren Akzeptanz ein Konto zu eröffnen. Hinsichtlich der AGB wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 20.02.2017, Bl. 191 - 199 der Gerichtsakte, verwiesen. Der Beklagte habe sodann die einzelnen Zahlungen autorisiert, die zu dem Gesamtsaldo i.H.v. 147.164,26 € geführt hätten. Hinsichtlich der einzelnen Zahlungen wird auf die Anlage K 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 30.03.2016, Bl. 91 - 95 der Gerichtsakte, und die Tabelle auf Seite 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 19.09.2016, Bl. 139 der Gerichtsakte, verwiesen.

Der Beklagte habe bei den einzelnen Autorisierungen der Zahlungen von der fehlenden Deckung auf seinem Referenzkonto gewusst und die Klägerin daher betrogen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie insgesamt 102.084,40 € nebst Zinsen in Höhe von je fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 100.000,00 € seit dem 04.09.2014 sowie aus weiteren 2.084,40 € seit dem 03.10.2014 zu zahlen;

festzustellen, dass die Klageforderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, da es sich um eine Teilklage handele und nicht erkennbar sei, welche Teilbeträge geltend gemachten würden.

Der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil sie den Beklagten nicht ordnungsgemäß über das ihm zustehende Widerrufsrecht belehrt habe und sie keine Erlaubnis habe, in Deutschland Zahlungsdienstleistungen zu erbringen. Darüber hinaus habe die Klägerin offensichtlich auf nicht bestehende Forderungen gezahlt, so dass ihr auch deswegen kein Erstattungsanspruch zustehe.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A.

Die Klage ist zulässig.

I.

Der Klägerin steht es frei, nur einen Teil ihres Gesamtanspruchs zum Gegenstand der Klage zu machen. Dies ist unter Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, wenn die Klägerin ihren Anspruch hinreichend individualisiert hat, damit sich der Umfang der Rechtskraft genau bestimmen lässt. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn die Klägerin deutlich gemacht hat, welchen Teil eines Anspruches oder welche von mehreren selbstständigen Einzelforderungen sie zum Gegenstand der Klage macht. Dies hat sie in ausreichender Weise getan, indem sie angab, von der ihr zustehenden Forderung aus dem Saldo des Kontos des Beklagten einen Betrag in Höhe von 100.000,00 € geltend zu machen. Bei dem Saldo des Kontos handelt es sich lediglich um eine Kontokorrentforderung, auch wenn sich diese Forderung ursprünglich aus zahlreichen Einzelforderungen und -zahlungen zusammensetzt. In dem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten sollten und wurden die gegenseitigen Zahlungen regelmäßig miteinander verrechnet, so dass im Ergebnis nur noch der vorhandene Saldo existiert und nicht mehr die Einzelforderungen. Inwieweit monatliche Abrechnungen erstellt wurden, ist entgegen der Auffassung des Beklagten für die Kontokorrentverrechnung unerheblich. Insbesondere ergibt sich aus § 355 HGB keine Pflicht zur monatlichen Erstellung und Übersendung von Kontoauszügen.

II.

Darüber hinaus steht der Klägerin auch das für ihren Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO zu. Durch die Feststellung könnte die Klägerin den bestehenden Titel auch nach einem etwaigen Verbraucherinsolvenzverfahren des Beklagten und einer etwaigen Restschuldbefreiung weiter vollstrecken.

B.

Die Klage ist begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch in Höhe von 100.000,00 € aus dem abgeschlossenen Zahlungsdienstevertrag zu.

1.

Die Klägerin und der Beklagte haben einen Zahlungsdienstevertrag abgeschlossen. Der Beklagte gab in seiner informatorischen Anhörung vom 23.01.2017 an, bei der Klägerin ein Konto eröffnet zu haben und hierfür bei der Klägerin sein T-Konto und sein D-Konto hinterlegt zu haben.

2.

Die Klägerin hat für den Beklagten zahlreiche Zahlungsdienste i.S.d. § 675c Abs. 1 BGB durchgeführt, weswegen ihr ein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Beträge zusteht.

a)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus einem Saldoanerkenntnis, also einem abstrakten Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.1987, Az. II ZR 270/79 - juris), da zwischen den Parteien ein solches auch bei Einbeziehung der AGB der Klägerin nicht vereinbart wurde. Selbst wenn die AGB der Klägerin in das Vertragsverhältnis einbezogen wurden, ergibt sich an keiner Stelle eine Abrede dahingehend, dass ein Saldoanerkenntnis besteht, wenn der Beklagte binnen einer bestimmten Frist Kontoauszügen oder dergleichen nicht widerspricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den gerichtlichen Hinweis vom 25.07.2016, Bl. 113 - 114 der Gerichtsakte, verwiesen.

b)

Zwischen den Parteien besteht dennoch lediglich eine Kontokorrentforderung, da in dem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten die gegenseitigen Zahlungen regelmäßig miteinander verrechnet werden sollten und wurden, so dass im Ergebnis nur noch der vorhandene Saldo existiert und nicht mehr die Einzelforderungen. Dieser übersteigt die geltend gemachte Forderung von 100.000,00 €.

Die Klägerin war daher für einen schlüssigen Vortrag bezüglich der ihr zustehenden Forderung verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass sie Zahlungsdienste in entsprechender Höhe für den Beklagten ausgeführt hat. Erst danach lag es am Beklagten substantiiert zu bestreiten, dass es entsprechende Zahlungsdienste gegeben hat oder substantiiert darzulegen, dass es eine (Rück-)Zahlung der verauslagten Beträge gegeben hat.

Die Klägerin hat auf den gerichtlichen Hinweis vom 25.07.2016 substantiiert dargelegt, dass von dem Beklagten an die Firma F Zahlungen im Gesamtwert von 172.500,00 € autorisiert wurden. Sie hat zudem in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2017 dargelegt, was die eigentlichen Zahlströme in der Anlage K 5 und was interne technische Verbuchungen in dieser Darstellung sind. Diesen Vortrag hat der Beklagte nicht ausreichend bestritten, so dass er nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Der Beklagte hat lediglich bestritten, dass die Zahlungsempfängerin die Beträge erhalten hat und ausgeführt, dass die Auflistung nichtssagend sei und über keinerlei Beweiswert verfüge. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den im Einzelnen vorgetragenen Zahlungsautorisierungen erfolgte nicht. Soweit der Beklagte die einzelnen Autorisierungen pauschal bestritten hat, genügt dies ebenfalls nicht für einen substantiierten Vortrag, da die Klägerin unbestritten vorgetragen hat, dass die Autorisierung der Zahlung nur nach Eingabe des nur dem Beklagten bekannten und zugänglichen Benutzernamens und Passworts erfolgen konnten. Einen Vortrag dahingehend, dass die Beträge an die Klägerin (zurück-)gezahlt wurden, hat er nicht geliefert.

Dass die Forderungen der Firma F dem Beklagten gegenüber eventuell nicht bestanden haben, weil es sich um Forderungen aus einem Glücksspiel handeln könnte, ist unerheblich. Dies betrifft lediglich das Valutaverhältnis zwischen dem Beklagten und der Firma F und ist für das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht relevant. Dies hat auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 05.02.2016 erkannt (vgl. Seite 5, 2. Absatz).

c)

Die Klägerin hätte den Beklagten auch nicht über ein Widerrufsrecht belehren müssen, da ein solches nicht besteht. Die Klägerin und der Beklagte haben insbesondere keine Verbraucher-Darlehensverträge miteinander geschlossen sondern einen Zahlungsdienstevertrag. Für diesen sieht das Gesetz aber keine Widerrufsmöglichkeit vor. Deswegen kann auch dahinstehen, ob die Klägerin ein Kreditinstitut i.S.d. § 1 KWG ist.

d)

Selbst wenn die Klägerin über keine Erlaubnis für die Erbringung von Zahlungsdiensten haben sollte, führt dies nicht zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Zahlungsdienstevertrages. Bei dem ZAG handelt es sich um kein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. 1 StR 368/14, Rn. 57 ff. - juris.

e)

Dass der Beklagte ggf. spielsüchtig ist, wie er vorträgt, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Insbesondere ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass er deswegen bei den einzelnen Autorisierungen geschäftsunfähig i.S.d. § 104 Nr. 2 BGB war.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.084,40 € aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.

Der Beklagte war verpflichtet, den ausstehenden Betrag nach Ziffer 8.5 der AGB sofort an die Klägerin zurückzuzahlen. Die AGB wurden auch wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass es technisch unmöglich sei, ein Konto bei ihr zu eröffnen, ohne dass ihre AGB akzeptiert werden. Dies hat der Beklagte nicht bestritten und gilt daher als zugestanden. Soweit er pauschal bestritten hat, dass die AGB nicht einbezogen wurden, ist sein Bestreiten daher unerheblich.

Die Klägerin hat den Beklagten auch gemahnt. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 13.08.2014 auf, den vorgenannten Saldo bis spätestens zum 20.08.2014 auszugleichen. Eine Zahlung erfolgte darauf nicht.

Die Klägerin beauftragte daraufhin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung, der sodann versuchte, die Forderung außergerichtlich beizutreiben. Die hierdurch entstandenen Kosten betragen bei einem Gegenstandswert von 117.164,26 € insgesamt 2.084,40 €. Die 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG beträgt 2.064,40 €. Hinzu kommt die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG i.H.v. 20,00 €.

III.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB. Der Beklagte befindet sich spätestens seit dem 20.08.2014 in Verzug.

Der Beklagte war aufgrund der Ziffer 8.5 der AGB der Klägerin verpflichtet, die von ihr verauslagten Beträge sofort an diese zurück zu zahlen. Durch das Schreiben vom 13.08.2014 wurde der Beklagte auch gemahnt. Verzug bestand daher spätestens mit Ablauf der in dem Schreiben genannten Frist. Das Gericht war jedoch nach § 308 Abs. 1 ZPO gehindert, Zinsen vor dem beantragten Datum zuzusprechen.

IV.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263a Abs. 1 4. Fall StGB. In Anbetracht der Funktionsweise der von der Klägerin angebotenen Guthaben- und Durchlaufzahlungen fehlt es an einem für die Tatbestandverwirklichung erforderlichen Irrtums eines Menschen. Die gesamte Abwicklung eines Zahlungsvorgangs geschieht auf der Seite der Klägerin offensichtlich computergesteuert, wie aus der Anspruchsbegründungsschrift folgt. Durch die Anweisung an die Klägerin, die streitgegenständlichen Zahlungen zu erbringen, hat der Beklagte aber unbefugt Daten verwendet, da er hiermit schlüssig vorgespiegelt hat, dass er zur (Rück-)Zahlung der von der Klägerin verauslagten Beträge in der Lage wäre. Hierdurch hat er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsprogramms beeinflusst. Das Computerprogramm der Klägerin hat nur aufgrund der Autorisierung des Klägers die Zahlungen veranlasst. Dies hatte zur Folge, dass bei der Klägerin ein Vermögensschaden eingetreten ist. Sie hat für die verauslagten Kosten keinen Ersatz bekommen und mangels Vermögens des Beklagten auch keinen werthaltigen Ersatzanspruch. Der Beklagte handelte zudem vorsätzlich und mit der für einen Computerbetrug erforderlichen rechtswidrigen Bereicherungsabsicht. In Anbetracht der erheblichen Summen, die der Beklagte an die Firma F autorisiert hat, musste er zum Zeitpunkt der Zahlungsautorisierungen davon ausgehen, dass sein Konto keine ausreichende Deckung aufweist und die Klägerin daher keinen werthaltigen Gegenanspruch für die von ihr erbrachten Zahlungen erhält. Der schriftsätzliche Vortrag des Beklagten, dass er davon ausging, nur mit Guthaben auf seinem Konto spielen zu können, ist insoweit lebensfremd und nicht nachvollziehbar. Dafür, dass der Beklagte nicht schuldhaft gehandelt hat, ist nichts ersichtlich oder vorgetragen. Insbesondere genügt dafür der Vortrag, dass er spielsüchtig sei, nicht.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 102.000,00 € festgesetzt (Zahlungsantrag: 100.000,00 €; Feststellungsantrag 2.000,00 €).

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