OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.09.2019 - 8 B 891/18
Fundstelle
openJur 2020, 32461
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 L 664/18
Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 4. Juni 2018 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag der Beigeladenen auf Abänderung des Beschlusses des Senats vom 26. Februar 2018 - 8 B 1348/17 - wird abgelehnt.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte mit der Maßgabe, dass zwischen ihnen ein Ausgleich ihrer außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 22.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Antrag der Beigeladenen auf Abänderung des Beschlusses des Senats vom 26. Februar 2018 - 8 B 1348/17 - wegen veränderter Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO hat keinen Erfolg. Die mit diesem Beschluss wiederhergestellte aufschiebende Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 27. August 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2017 zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen bleibt bestehen.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, der gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO bei Drittanfechtungen entsprechend gilt, kann jeder Beteiligte bei dem Gericht der Hauptsache die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Die insoweit gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus. Bei summarischer Prüfung ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung weiterhin rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Trotz der "Ergänzung der Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3c Satz 1 UVPG" durch den Antragsgegner unter dem 28. März 2018 besteht weiterhin ein absoluter Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG.

I. Nach dieser Vorschrift, die gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfe natürlicher Personen - wie hier - anwendbar ist, steht eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit, die nicht dem in § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG in der aktuellen Fassung (im Folgenden: n. F.) genannten Maßstab genügt, einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) UmwRG gleich. Statt § 5 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 7 UVPG n. F. ist nach § 74 Abs. 1 UVPG n. F. vorliegend § 3a Satz 4 i. V. m. § 3c UVPG in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94; im Folgenden: UVPG a. F.) anwendbar, weil das Verfahren vor dem 16. Mai 2017 eingeleitet worden ist. Hiernach ist die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.

1. Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben und das Ergebnis darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Die nach § 3a Satz 4 UVPG a. F. nur eingeschränkte gerichtliche Prüfung einer durchgeführten UVP-Vorprüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat. Diese Beschränkung verdeutlicht, dass der zuständigen Behörde für ihre prognostische Beurteilung ein Einschätzungsspielraum zusteht. Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist. Die Behörde darf einerseits nicht bereits im Rahmen der Vorprüfung mit einer der UVP vergleichbaren Prüftiefe "durchermitteln" und damit die eigentliche UVP unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt. Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen.

Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, juris Rn. 20 ff. m. w. N.

Hinsichtlich der Ermittlung von artenschutzrechtlichen Betroffenheiten lassen sich Art und Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe der erforderlichen fachgutachtlichen Untersuchungen mangels normativer Festlegung nur allgemein umschreiben und hängen maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Sie werden sich regelmäßig aus zwei wesentlichen Quellen speisen: der Bestandserfassung vor Ort sowie der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur, die sich wechselseitig ergänzen können. Zum einen wird in der Regel eine Bestandsaufnahme vor Ort durch Begehung des Untersuchungsraums mit dabei vorzunehmender Erfassung des Arteninventars erforderlich sein. Wie viele Begehungen zur Erfassung welcher Tierarten zu welchen Jahres- und Tageszeiten erforderlich sind und nach welchen Methoden die Erfassung stattzufinden hat, lässt sich nicht für alle Fälle abstrakt bestimmen, sondern hängt von vielen Faktoren ab, z. B. von der Größe des Untersuchungsraums, von der (zu vermutenden) Breite des Artenspektrums sowie davon, ob zu dem Gebiet bereits hinreichend aktuelle und aussagekräftige Ergebnisse aus früheren Untersuchungen vorliegen. Zum anderen wird die Behörde regelmäßig gehalten sein, bereits vorhandene Erkenntnisse und Literatur zum Vorhabengebiet und den dort nachgewiesenen oder möglicherweise vorkommenden Arten, zu deren artspezifischen Verhaltensweisen und den für diese typischen Habitatstrukturen auszuwerten. Solche Erkenntnisse können sich - stets unter Berücksichtigung ihrer Validität und der Art ihres Zustandekommens - ergeben aus vorhandenen Katastern, Registern und Datenbanken öffentlicher Stellen, in denen über größere Zeiträume hinweg Erkenntnisse zusammengetragen werden, aus Abfragen bei den Fachbehörden und bei Stellen des ehrenamtlichen Naturschutzes, durch Auswertung von gutachtlichen Stellungnahmen aus Anlass anderer Vorhaben oder aus Forschungsprojekten, schließlich aus der naturschutzfachlichen Literatur im Allgemeinen. Dabei ist hinsichtlich der Bestandsaufnahme vor Ort zu berücksichtigen, dass es sich um eine Erhebung zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem aufgrund vielfältiger Einflüsse ständigem Wechsel unterliegenden Naturraum handelt. Bestandsaufnahmen vor Ort, so umfassend sie auch angelegt sein mögen, stellen daher letztlich nur eine Momentaufnahme und aktuelle Abschätzung der Situation von Fauna und Flora im Vorhabengebiet dar. Sie werden den Bestand nie vollständig abbilden können. Deshalb sind Erkenntnisse aus langjährigen Beobachtungen und aus früheren Untersuchungen oder aus der allgemeinen ökologischen Literatur eine nicht gering zu schätzende Erkenntnisquelle, die verbleibende Unsicherheiten, Erkenntnislücken oder ein Manko im Rahmen der Bestandsaufnahme vor Ort ausgleichen kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274 = juris Rn. 59 ff. m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2018 - 8 B 718/18 -, n. v., S. 9 f. des Beschlussabdrucks.

In Bezug auf methodisches Vorgehen und Ermittlungstiefe bei artenschutzrechtlichen Untersuchungen steht der Genehmigungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, weil sich ihre Beurteilung auf außerrechtliche Fragestellungen richtet, für die weithin allgemein anerkannte fachwissenschaftliche Maßstäbe und standardisierte Erfassungsmethoden fehlen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 -, juris Rn. 14, und vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 -, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 1. April 2019 - 8 B 1013/18 -, juris Rn. 14 ff., m. w. N.

Der von sachkundigen Fachbehörden (Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV) und Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV)) erstellte Leitfaden "Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen" (im Folgenden: Leitfaden 2017) vom 10. November 2017 ist grundsätzlich als maßgebliche Erkenntnisquelle für die Anforderungen an den Arten- und Habitatschutz bei der Genehmigung von Windenergieanlagen zugrundezulegen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2019 - 8 B 409/18 -, juris Rn. 34.

Dies gilt auch für die darin ausdrücklich in Bezug genommenen weiteren fachlichen Empfehlungen etwa zur Erfassung von Vögeln.

2. Hat eine erforderliche UVP-Vorprüfung nicht stattgefunden, kann sie nach Erteilung der Genehmigung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (in erster Instanz) nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b), Abs. 1b Satz 2 Nr. 1 UmwRG i. V. m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW nachgeholt werden. Eine solche Nachholung ist bereits in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - hier nach § 80 Abs. 7 VwGO - zu berücksichtigen. Gleiches gilt auch für die Heilung von gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG relevanten Verfahrensfehlern einer Vorprüfung des Einzelfalls.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 146 ff. und - zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht - Rn. 165 f., sowie Beschlüsse vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, juris Rn. 17 f., und vom 8. Februar 2018 - 8 B 1620/17 -, juris Rn. 12 ff., jeweils m. w. N.

3. Aus dem Erfordernis einer an der Begründung der Behörde ausgerichteten gerichtlichen Plausibilitätskontrolle folgt, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 -, BVerwGE 151, 138 = juris Rn. 30.

Ist dementsprechend grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Vorprüfung bestehende Sach- oder Rechtslage abzustellen, dürfte bei Nachholung einer fehlenden oder bei vollständiger Wiederholung einer fehlerhaft durchgeführten UVP-Vorprüfung der Zeitpunkt der aktuellen Vorprüfung maßgeblich sein. Handelt es sich - wie hier - um einen sachlich selbstständigen, mit anderen Prüfungsgesichtspunkten nicht unmittelbar in Verbindung stehenden Prüfungsteil, dürfte ebenfalls die aktuelle Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Ergänzung maßgeblich sein.

Vgl. allgemein zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage im ergänzenden Verfahren nach dem UmwRG Seibert, NVwZ 2018, 97 (102).

Ungeachtet dessen sind Änderungen der Sach- und Rechtslage seit Erteilung des Ausgangsbescheids jedenfalls zugunsten des Genehmigungsinhabers zu berücksichtigen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2017 - 8 A 975/15 -, juris Rn. 53 f.; Seibert, NVwZ 2018, 97 (102).

II. Dies zugrunde gelegt genügt die vom Antragsgegner durchgeführte UVP-Vorprüfung nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 i. V. m. § 3c UVPG a. F. Insoweit kann offen bleiben, ob das genehmigte Vorhaben keiner allgemeinen, sondern lediglich einer standortbezogenen UVP-Prüfung bedurft hätte, da die hier verfahrensgegenständlichen artenschutzrechtlichen Belange in beiden Prüfungsarten mit einzubeziehen sind (dazu 1.). Die vom Antragsgegner vorgenommene Vorprüfung des Einzelfalls leidet jedenfalls hinsichtlich des Rotmilans auch nach ihrer unter dem 28. März 2018 dokumentierten Ergänzung unter Mängeln bei der Erfassung des Sachverhalts (dazu 2.).

1. Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob das genehmigte Vorhaben lediglich einer standortbezogenen UVP-Prüfung bedurft hätte, weil nur drei Windenergieanlagen zur Genehmigung standen und die nächsten Anlagen eine Mindestentfernung von etwa 4 km aufweisen.

Denn die hinsichtlich der artenschutzfachlichen Belange des § 44 Abs. 1 BNatSchG in Bezug auf den Rotmilan anzunehmenden Mängel der Sachverhaltsermittlung (dazu 2.) würden nicht nur bei einer erforderlichen allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls zu deren Fehlerhaftigkeit im Sinne von § 3a Satz 4 UVPG a. F. führen, sondern auch bei einer bloß erforderlichen standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung des Senats sind artenschutzfachliche Belange des § 44 BNatSchG auch in eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls mit einzubeziehen, da sie unter Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG a. F. fallen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2017 - 8 A 975/15 -, juris Rn. 81 ff.

2. Hinsichtlich der Auswirkungen des Vorhabens auf die Brutvogelart Rotmilan genügt die vom Antragsgegner vorgenommene UVP-Vorprüfung jedoch auch weiterhin nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG a. F. Die vom Senat mit Beschluss vom 12. April 2017 - 8 B 1245/16 - hinsichtlich dieser Vogelart festgestellten Fehler der ursprünglichen allgemeinen UVP-Vorprüfung vom 12. August 2015 sind durch die Ergänzung vom 28. März 2018 nicht geheilt worden.

Der Antragsgegner nimmt in der Dokumentation seiner ergänzenden Prüfung zur UVP-Vorprüfung Bezug auf die avifaunistische Zusatzuntersuchung über Rotmilan und Schwarzstorch zum Windpark L. des Büros für Artenschutz und Avifaunistik von Dr. B. T. (im Folgenden: Büro Dr. T. ) aus Juli 2017 und auf die gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. (FH) und Dipl.-Ökologen V. N. (im Folgenden: Planungsbüro N. ) vom 17. Juli 2017. Da es sich um eine Ergänzung handelt, hat der Antragsgegner daneben auch die in seiner ursprünglichen Vorprüfung herangezogenen Erkenntnisse, insbesondere die Antragsunterlagen, in seine Neubewertung der Auswirkungen auf den Rotmilan einfließen lassen (vgl. S. 8, vierter und sechster Absatz, und S. 9, vierter Absatz). Zu den Antragsunterlagen gehören insbesondere die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls des Planungsbüros N. mit Stand Dezember 2014 und die von diesem Büro im Jahr 2014 gefertigte Artenschutzprüfung sowie das avifaunistische Gutachten zum Windpark L. der NEULAND plan und rat - planungsgruppe grün GmbH (im Folgenden: Planungsgruppe H. ) vom 24. September 2014.

Diesen Untersuchungen liegt bezogen auf den hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Belange des Rotmilans maßgeblichen Zeitpunkt der ergänzenden Prüfung (28. März 2018) weiterhin keine hinreichende Sachverhaltsermittlung zugrunde. Zwar dürfte sich die Annahme des Verwaltungsgerichts als zutreffend erweisen, dass aufgrund des Vorliegens der aktuellen Fassung des Leitfadens 2017 im Zeitpunkt der Ergänzung der Vorprüfung hier für eine vertiefende Prüfung ein Radius um die geplanten Anlagen von 1.000 m ausreichend gewesen wäre (dazu a). Jedoch ist auch unter Zugrundelegung dieses Untersuchungsgebiets der in der ergänzenden Prüfung hinsichtlich des Rotmilans zugrunde gelegte Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden, um das vom Antragsgegner getroffene Ergebnis nachvollziehbar erscheinen zu lassen (dazu b).

a) Eine Orientierung an den Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW) von April 2015 (im Folgenden: Abstandsempfehlungen) als gegenüber der früheren Fassung vom 12. November 2013 des vorgenannten nordrheinwestfälischen Leitfadens (im Folgenden: Leitfaden 2013) aktuellerer fachlicher Erkenntnisquelle, die hinsichtlich des Rotmilans einen Mindestabstand von 1.500 m zwischen Brutplatz und Windenergieanlage empfiehlt, war im hinsichtlich des Rotmilans maßgeblichen Zeitpunkt der Ergänzung der UVP-Vorprüfung nicht mehr geboten. Denn bei Abschluss der vom Antragsgegner vorgenommenen ergänzenden Prüfung durch die Dokumentation vom 28. März 2018 lag die aktuelle Fassung des vorgenannten Leitfadens von November 2017 vor. Dieser beruht auf naturschutzfachlichen Einschätzungen und sieht in Ansehung der insoweit abweichenden Abstandsempfehlungen der LAG-VSW hinsichtlich des Rotmilans in - wie hier - kontinentalen Regionen weiterhin einen Radius des Untersuchungsgebiets um die geplante Windenergieanlage für die vertiefende Prüfung von 1.000 m vor (S. 42, 48). Dass von diesem Regel-Abstand abgewichen werden sollte, weil sich vorliegend die Nahrungssituation abweichend darstellt, hat der Antragsteller mit seinem bloßen Hinweis auf diese nach dem Leitfaden 2017 bestehende Möglichkeit nicht substantiiert dargelegt; solche Umstände sind auch sonst nicht ersichtlich.

b) Auch unter Zugrundelegung eines kleineren Untersuchungsgebietes erweist sich die ergänzte UVP-Vorprüfung hinsichtlich des Rotmilans als unzureichend. Zwar deuten eventuelle Brut- bzw. Nistplätze des Rotmilans im Bereich des M. aufgrund ihrer Entfernung von über 1.000 m für sich genommen nach den vorstehenden Ausführungen nicht zwingend darauf hin, dass der Betrieb der Windenergieanlagen das Tötungsrisiko i. S. v. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG für dort brütende bzw. nistende Rotmilane signifikant erhöht. Gleichwohl bedurfte es hinsichtlich dieser windkraftsensiblen Art ungeachtet der Relevanz fachlicher Empfehlungen hinsichtlich Mindestabständen und Untersuchungsradien vorliegend einer vertiefenden Prüfung. Denn sowohl aus dem Umweltbericht zum Entwurf der 21. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt G. von März 2015 (S. 17) als auch aus der Feststellung in dem avifaunistischen Gutachten der Planungsgruppe H. (S. 29 f., 40), dass Nahrungsflüge des Rotmilans bis an das die Windenergieanlagen erfassende Waldgebiet erfolgten, ergeben sich ernst zu nehmende Hinweise auf Raumnutzungen des Vorhabengebiets durch diese windkraftsensible Vogelart,

vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - 8 B 1245/16 -, juris Rn. 26,

die durch die bereits im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren geltend gemachten zahlreichen Sichtungen aus dem Jahr 2017 erhärtet werden.

Eine ausreichende vertiefende Prüfung liegt der UVP-Vorprüfung des Antragsgegners aber auch nicht im Zeitpunkt ihrer Ergänzung zugrunde. Die hierzu herangezogene avifaunistische Zusatzuntersuchung des Büros Dr. T. genügt nicht den fachlichen Vorgaben, die der Leitfaden 2017 (wie auch der Leitfaden 2013) an Raumnutzungskartierungen von Vögeln stellt. Der Leitfaden 2017 (S. 26 f.) sieht wie zuvor der Leitfaden 2013 (S. 20) unter Nr. 6.3 mindestens acht bis zehn Erfassungstage (artspezifisch, in jedem Fall zur Reviergründungs-/Balzphase, Jungenaufzucht und nach Ausfliegen der Jungtiere) vor. An diesen sollen von mindestens zwei Fixpunkten mindestens zwei Beobachter, deren Verständigung untereinander gewährleistet sein muss, für eine Dauer von jeweils drei bis fünf Stunden zu den täglichen Hauptaktivitätszeiten der betroffenen Art deren Flugbewegungen und Verhalten beobachten. Dem wird die im Jahr 2017 vom Büro Dr. T. vorgenommene Raumnutzungskartierung nicht gerecht. Zwar haben nach der avifaunistischen Zusatzuntersuchung hinsichtlich des Rotmilans an zwölf Terminen je zwei Personen an jeweils zwei von vier Fixpunkten für mindestens drei Stunden das mit einem Umkreis von 1.500 m um die korrekt erfassten Anlagenstandorte gewählte Untersuchungsgebiet beobachtet. Diese Erfassung erstreckt sich aber nicht auf alle Phasen, in denen nach den Vorgaben des Leitfadens "in jedem Fall" eine Erfassung stattfinden muss. Die Beobachtungen von Rotmilanen durch das Büro Dr. T. vom 7. Mai 2017 bis zum 15. Juli 2017 lagen lediglich mit vier Terminen im dritten der drei für den Rotmilan fachlich empfohlenen Erfassungszeiträume (Anfang Juni bis Anfang Juli). Die Zeiten der Balz, des Nestbaus und des Territorialverhaltens (Mitte bis Ende März sowie Anfang bis Mitte April) sind mit den weiteren im Mai und Juli durchgeführten Beobachtungen überhaupt nicht erfasst worden.

Vgl. zu den fachlichen Erfassungsempfehlungen nur Südbeck u. a., Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands, 2005, S. 243; Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV), Leitfaden "Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in Nordrhein-Westfalen - Bestandserfassung und Monitoring -", 2017, Anhang 5a (abrufbar unter http://artenschutz. naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/ unter "Downloads").

Der Antragsgegner war sich dieses Umstands zwar bewusst, wie sich aus der Dokumentation seiner Ergänzung der UVP-Vorprüfung vom 28. März 2018 ergibt. Die dort angeführte Erwägung, dass in dem genutzten Zeitfenster vor allem die nach dem Schlüpfen folgende Nestlingszeit mit allen damit zusammenhängenden Aktivitäten (Nahrungsbeschaffung, Ausflug des Nachwuchses) erfasst worden sei, trägt aber nicht nachvollziehbar seine Annahme, dass allein anhand der bei der Kartierung festgestellten horst- und nahrungshabitatbezogenen Aktivitäten ein dem Zweck der Untersuchung hinreichend genügender und fachlich bewertbarer Überblick über Reviere und Vorkommen im Raum vorliegt. Es ist nicht plausibel, dass sich aus dem Raumnutzungsverhalten flügger Jungvögel und Beute eintragender Altvögel belastbare Rückschlüsse auf das gesamte Raumnutzungs- und Territorialverhalten der Art auch in der Zeit der Balz und des Nestbaus ergeben könnten. Ungeachtet eines sich möglicherweise in diesen Zeiten unterscheidenden Raumnutzungsverhaltens muss auch in Betracht gezogen werden, dass es nach der Reviergründungsphase zur Aufgabe von Brut- oder Nistplätzen gekommen sein kann, so dass das Verhalten hiervon betroffener Rotmilane bei einer erst später erfolgenden Erfassung zwangsläufig nicht berücksichtigt werden kann. Die pauschale Erwägung in der Dokumentation zur ergänzenden Prüfung, dass sich die nur von Mai bis Juli erfassten Flugbewegungen den bekannten Horststandorten zuordnen ließen und sich mit den in der Fachwelt allgemein anerkannten artspezifischen Verhaltensweisen der Art deckten, rechtfertigt es vor diesem Hintergrund nicht, die Bewertungen allein auf Erfassungen in diesem Zeitraum zu stützen.

Dementsprechend ist auch die Erwägung in der für die ergänzende Prüfung herangezogenen avifaunistischen Zusatzuntersuchung des Büros Dr. T. , wonach Flüge während der Reviergründungs- und Balzphase in über 2.000 m von späteren Brutplätzen entfernte Gebiete, die sich in einem großen Wald auf einer Höhe befinden, als unwahrscheinlich gesehen würden, nicht nachvollziehbar. Ungeachtet dessen, ob die nächstgelegenen Brutplätze tatsächlich über 2.000 m von den Anlagen entfernt sind, zeigt der Gutachter mit dieser pauschalen Abschätzung nicht auf, dass ein Abweichen von den Erfassungsvorgaben vorliegend fachlich vertretbar und das Ergebnis der unzureichenden Beobachtungen belastbar wäre.

Andere Gründe, aus denen die vom Antragsgegner vorgenommene Bewertung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls gleichwohl nachvollziehbar sein könnte, lassen sich der Dokumentation und den zugrunde liegenden Unterlagen nicht entnehmen. Das vom Antragsgegner bei seiner Ergänzung ohnehin nicht ausdrücklich erwähnte avifaunistische Gutachten der Planungsgruppe H. kann zur Schließung der Lücken der ergänzenden Prüfung aus dem Jahr 2017 nicht herangezogen werden. Es beinhaltet keine den fachlichen Anforderungen genügende Erfassung der Raumnutzung durch den Rotmilan, weil Uhrzeiten und Dauer der Geländebegehungen nicht dokumentiert sind, wohl nur eine Person kartiert hat und die Sichtachsen von den Beobachtungspunkten keinen vollständigen Blick auf das Untersuchungsgebiet ermöglichten. Außerdem stammen die Beobachtungen aus den Jahren 2013 und 2014. Sie können wegen der großen zeitlichen Unterbrechung keine Untersuchungen aus dem Jahre 2017 zu der erforderlichen mehrmonatigen Beobachtung im Laufe eines Jahres ergänzen.

3. Ob, wozu sich die Beschwerde nicht ausdrücklich verhält, das Ergebnis der ergänzten UVP-Vorprüfung des Antragsgegners hinsichtlich des Schwarzstorchs nunmehr nachvollziehbar ist, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. Auch die weitere Frage, ob die Auswirkungen des Vorhabens auf die Erhaltungsziele des Vogelschutzgebiets Westerwald ausreichend in die Vorprüfung einbezogen worden sind, muss vorliegend nicht abschließend erörtert werden. Ebenfalls offen bleiben kann, ob die insoweit bereits im Jahr 2015 abgeschlossene UVP-Vorprüfung hinsichtlich des Haselhuhns im maßgeblichen Zeitpunkt nachvollziehbar gewesen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat orientiert sich in Fällen der vorliegenden Art an Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013 und setzt bis zum Erreichen einer Obergrenze in Höhe von 30.000 Euro im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für jede streitgegenständliche Windenergieanlage einen Streitwert in Höhe von 7.500 Euro fest.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).