LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2015 - 6 Sa 141/14
Fundstelle
openJur 2020, 26785
  • Rkr:

Einzelfallentscheidung betr. Verzugslohn nach Suspendierung

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 17.01.2014 - 8 Ca 202/13 - wird - soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist (Tenor Ziff. 2) - auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Prozesszinsen erst seit dem 31.07.2013 (Tenor Ziff. 3) bzw. dem 08.08.2013 (Tenor Ziff. 4) von der Beklagten zu zahlen sind.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten, nachdem sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 02.10.2015 den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend hinsichtlich der von dem Kläger zunächst noch begehrten Weiterbeschäftigung für erledigt erklärt haben, noch über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten vorgenommenen Suspendierung sowie Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug.

Der zu 50% schwerbehinderte Kläger war seit 01.11.1993 bei der Beklagten als Vertriebsingenieur, zunächst im Außendienst und seit 01.03.2012 im Innendienst beschäftigt. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden die Tarifverträge der Niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie, u.a. der Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) Anwendung. Der Kläger erhielt Vergütung nach Entgeltgruppe (EG) 12 Stufe C ERA-TV.

Mit Schreiben vom 07.01.2013 (Bl. 5 d.A.) erklärte die Beklagte eine "Suspendierung/Freistellung" gegenüber dem Kläger. Sie stützt diese auf ihrer Auffassung nach vorliegende schwerwiegende, sie - nach Zustimmung des Integrationsamtes - zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzungen des Klägers, insbesondere einen versuchten Arbeitszeitbetrug. Die Beklagte hat die Suspendierung mit der Absicht ausgesprochen, den Kläger bis zur Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes bzw. bis zu einem für sie erfolgreichen Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betr. die Zustimmung zur Kündigung von der Arbeit freizustellen.

Der Kläger hat - unstreitig - für den 24.09.2012 einen fehlerhaften Arbeitszeitnachweis ausgestellt. Er hat anstatt des tatsächlichen Arbeitsbeginns um 09.00 Uhr für jenen Tag in die hierfür vorgesehene Spalte einer Excel-Tabelle "08.15 Uhr" eingetragen. Hiervon hat die Beklagte seit 01.10.2012 Kenntnis. Ihr anschließend bei dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt/Integrationsamt gestellter, auch auf weitere Pflichtverletzungen gestützter Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung hatte ebenso wie im Anschluss gestellte weitere Anträge auch im nachfolgenden Widerspruchsverfahren keinen Erfolg. Die hierauf vor dem Verwaltungsgericht Halle erhobene Verpflichtungsklage hat dieses mit Urteil vom 26.06.2014 abgewiesen.

Im Anschluss hat die Beklagte erneut - diesmal bei dem für ihren Hauptsitz zuständigen Integrationsamt in H - Anträge auf Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist gestellt und nach Erteilung der Zustimmung das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19.11.2014 außerordentlich fristlos, hilfsweise zum 30.06.2015 sowie mit weiterem Schreiben vom 15.06.2015 ebenfalls außerordentlich, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist gekündigt. Der Kläger hat gegen beide Kündigungen vor dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau Kündigungsschutzklage erhoben. Die Rechtsstreite sind erstinstanzlich noch nicht abgeschlossen.

Vor Ausspruch der Suspendierung befand sich der Kläger zunächst vom 27.09. bis 12.10.2012 in Urlaub. Anschließend war er bis 09.01.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Am 08.01.2013 leitete er der Beklagten per E-Mail ein Attest des ihn behandelnden Facharztes Dr. T vom selben Tage zu, in dem dieser dem Kläger das Bestehen einer Arbeitsfähigkeit attestierte. Diese Aussage wiederholte Dr. T in einem weiteren Attest vom 08.01.2013 (Bl. 105 d.A.) sowie vom 25.07.2013 (Bl. 110 d.A.) und bestätigte mit Attest vom 13.01.2014 (Bl. 346 d.A.) die weiterhin bestehende Arbeitsfähigkeit des Klägers. Darüber hinaus existiert ein Attest des Dr. T vom 23.04.2013 (Bl. 87 d.A.). in dem es heißt:

"...

Es ist aus fachärztlicher Sicht zu bestätigen, dass es bei Herrn C im Rahmen seiner Grunderkrankung unter Belastung zu cognitiver Ermüdung kommen kann und in diesem Zusammenhang auch Handlungsfehler vorkommen können.

..."

Bei der Grunderkrankung des Klägers handelt es sich um eine Depression. Das Attest wurde von ihm im Rahmen des Verfahrens vor dem Integrationsamt eingereicht.

Die Beklagte nahm dieses Attest zum Anlass, mit Beginn des Monats Juni 2013 die Vergütungszahlungen an den Kläger einzustellen. Nach ihrer Auffassung sei aus dieser ärztlichen Bescheinigung zu entnehmen, dass der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt sei. Die Beklagte hat daher die Auffassung vertreten, sie schulde dem Kläger ungeachtet des Inhalts des Schreibens vom 07.01.2013 jedenfalls seit Juni 2013 keine Vergütung (mehr).

Der Kläger hält die von der Beklagten einseitig verfügte Freistellung/Suspendierung für rechtswidrig. Ein Grund, ihn gegen seinen Willen im laufenden Arbeitsverhältnis von der Arbeitsleistung freizustellen, sei nicht gegeben. Darüber hinaus sei die Beklagte verpflichtet ihm auch für den Zeitraum ab Juni 2013 Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges aufgrund der fortgesetzten Suspendierung zu gewähren.

Den Umfang dieser Vergütungsansprüche beziffert der Kläger - unbestritten - auf 4.772,00 EUR brutto für den Monat Juni 2013 bzw. auf 4.924,05 EUR brutto für den Monat Juli 2013, worauf er sich erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von 1.816,00 EUR netto anrechnen lässt.

Der Kläger hat beantragt,

1.

festzustellen, dass die Weisung/Suspendierung/Freistellung der Beklagten vom 07.01.2013 unwirksam ist.

2.

Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu ungeänderten Arbeitsbedingungen als Vertriebsingenieur im Innendienst mit der Entgeltgruppe E12 Stufe C des ERA Tarifvertrages der Niedersächsischen Metallindustrie zu beschäftigen.

3.

Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 31.07.2013 hinaus seine vertragliche Bruttovergütung nach der Entgeltgruppe E12 Stufe C des ERA Tarifvertrages der Niedersächsischen Metallindustrie zu zahlen.

4.

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Juni 2013 4.772,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den diesbezüglichen Nettobetrag zu zahlen.

5.

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Juli 2013 4.924,05 EUR brutto abzüglich geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.816,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe vorsätzlich falsche Angaben betreffend seine Arbeitszeit am 24.09.2012 getätigt. Darüber hinaus habe er weitere Schlechtleistungen erbracht, nämlich insgesamt 12 Angebote fehlerhaft erstellt. Angesichts dieser Sachlage - so hat die Beklagte gemeint - sei sie berechtigt gewesen, den Kläger bis zum Abschluss des Verfahrens auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung von der Arbeitsleistung zu suspendieren. Eine Weiterbeschäftigung während des laufenden Verwaltungsverfahrens hätte den Kündigungsgrund konterkariert.

Hinsichtlich der Vergütungsansprüche hat die Beklagte weiter behauptet, der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitsfähig gewesen. Die gegenteilige Aussagen enthaltenden ärztlichen Atteste des Dr. T seien als Gefälligkeitsatteste einzustufen. Dies folge insbesondere aus dem inhaltlich im Widerspruch zu den Attesten vom 08.01., 25.07.2013 und 13.01.2014 stehenden Attest vom 23.04.2013, welches der Rechtfertigung des Klägers im Verfahren vor dem Integrationsamt dienen sollte.

Der Kläger hat hierzu entgegnet, er habe keineswegs vorsätzlich falsche Angaben auf dem Arbeitszeiterfassungsformular getätigt. Die fehlerhaften Angaben beruhe - wie sich dem Attest vom 23.04.2013 entnehmen lasse - auf dem bei ihm bestehenden Grundleiden, das sich an jenem Tag manifestiert habe. Darüber hinaus hat der Kläger die weiter von der Beklagten behaupteten Pflichtverletzungen bestritten.

Seit 10.01.2013 sei er wieder in vollem Umfang arbeitsfähig gewesen, wie sich aus den Attesten des ihn behandelnden Facharztes entnehmen lasse. Hierbei handele es sich keineswegs um Gefälligkeitsatteste. Auch das Attest vom 23.04.2013 enthalte keine gegenteilige Aussage. Die dortige Aussage des ihn behandelnden Arztes beziehe sich auf die Situation im September 2012.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.01.2014 festgestellt, dass die Suspendierung vom 07.01.2013 rechtsunwirksam ist, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers sowie zur Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate Juni und Juli 2013 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits den Parteien anteilig auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, der von der Beklagten vorgenommenen Suspendierung komme keine Rechtswirksamkeit zu. Ein überwiegendes Interesse an einer Nichtweiterbeschäftigung des Klägers im laufenden Arbeitsverhältnis lasse sich aus den von ihr behaupteten Pflichtverletzungen nicht ableiten. Weiter stehe dem Kläger für die Monate Juni und Juli 2013 die geltend gemachte Arbeitsvergütung zu. Eine in diesem Zeitraum andauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe die Beklagte nicht hinreichend substantiiert darlegen können. Ihr Vorbringen sei nicht geeignet, den Beweiswert der von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste, die eine Arbeitsfähigkeit bescheinigen, in Zweifel zu ziehen. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 351 - 370 d.A. verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 17.03.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.04.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.06.2014 am 16.06.2014 begründet.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag unter Vertiefung ihres Sachvortrages weiter.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 17.01.2014 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Die Beklagte hat die Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG gewahrt.

Die Berufungsbegründung entspricht auch den Vorgaben aus § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Zwar hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung keinen ausformulierten Antrag angekündigt. Ihr Begehren, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage - soweit ihr das Arbeitsgericht entsprochen hat - abzuweisen, wird aber aus dem Inhalt der Berufungsbegründung hinreichend deutlich (vgl. Zöller/Heßler ZPO 30. Aufl. § 520 Rn. 28).

B.

Die Berufung der Beklagten ist - soweit der Rechtsstreit von den Parteien nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt worden ist - mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsforderung nicht begründet.

I.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die von der Beklagten angeordnete Suspendierung/Freistellung des Klägers gemäß Schreiben vom 07.01.2013 rechtsunwirksam ist.

1. Die Feststellungsklage ist (nach wie vor) zulässig. Für den Kläger besteht ungeachtet der zwischenzeitlich von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen eine Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Die Frage, ob dem Kläger bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ein Beschäftigungsanspruch zugestanden hat, ist für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses von Bedeutung.

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht (Entscheidungsgründe Seite 13) die mit Schreiben vom 07.01.2013 erklärte Suspendierung/Freistellung als rechtsunwirksam angesehen, weil dem Kläger aus dem zum damaligen Zeitpunkt unbestritten fortbestehenden Arbeitsverhältnis gemäß § 611 BGB i.V.m. § 242 BGB auch ein Beschäftigungsanspruch zustand. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand für sie kein das Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiegendes Interesse an einer zeitlich unbegrenzten Suspendierung. Die von ihr hierzu vorgetragenen Tatsachen, aus denen sie einen Arbeitszeitbetrug des Klägers bezogen auf die Arbeitszeiterfassung am 24.09.2012 herleitet, reichen hierfür nicht aus. Selbst wenn der Kläger zumindest bedingt vorsätzlich falsche Angaben zur Arbeitszeit gemacht haben sollte, so wäre dieser Vorfall nicht geeignet, eine Freistellung auf unbestimmte Zeit - die Beklagte trägt selber vor, die Suspendierung sollte bis zu der ggf. vor dem Verwaltungsgericht zu erstreitenden Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers andauern - zu rechtfertigen. Durch eine weitere Tätigkeit des Klägers wären schutzwürdige Interessen der Beklagten nicht derart gravierend beeinträchtigt worden, dass es ihr unzumutbar war, den Kläger tatsächlich zu beschäftigen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Fall einer Weiterbeschäftigung erneut vorsätzlich falsche Arbeitszeitaufzeichnungen vorgelegt hätte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen spricht für eine Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers auch der Umstand, dass die Beklagte die Suspendierung nicht zeitnah nach Aufdeckung des Vorfalls am 01.10.2012, sondern weit außerhalb der in § 626 Abs. 2 BGB vorgegebenen Frist ausgesprochen hat. Der in dieser Norm enthaltene Rechtsgedanke ist auch im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Schlussendlich vermag das Argument der Beklagten, im Fall einer sich ggf. über mehrere Jahre hinziehenden Weiterbeschäftigung des Klägers werde der Kündigungsgrund "entwertet", nicht zu verfangen. Vielmehr geht der Gesetzgeber in Fällen, in denen der Ausspruch einer Kündigung von einer vorab einzuholenden behördlichen Zustimmung abhängt, hiervon gerade nicht aus, wie § 91 Abs. 5 SGB IX zeigt, wonach die Kündigung auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB wirksam erfolgen kann, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird. Schlussendlich spricht für ein überwiegendes Interesse des Klägers an einer Weiterbeschäftigung der für schwerbehinderte Menschen bestehende Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX.

II.

Weiter steht dem Kläger für die Monate Juni und Juli 2013 ein Anspruch auf die vereinbarte Vergütung nebst Zinsen - mit Ausnahme je eines Zinstages - zu.

Der Anspruch folgt aus § 615 BGB, wonach der Arbeitgeber auch dann die vereinbarte Vergütung zu leisten hat, wenn der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht hat, sich der Arbeitgeber jedoch gem. §§ 293 ff BGB insoweit in Annahmeverzug befand. Hingegen besteht für den Kläger aufgrund der von der Beklagten ausgesprochenen Suspendierung kein von den Voraussetzungen des Annahmeverzuges unabhängiger Vergütungsanspruch eigener Art. Die Begründung eines solchen ist regelmäßig mit einer angeordneten Freistellung nicht verbunden. Hierfür bedarf es eindeutiger Erklärungen des Arbeitgebers (BAG 29.09.2004 - 5 AZR 99/04).

1. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr in dem Schreiben vom 07.01.2013 angeordneten Freistellung des Klägers in Annahmeverzug, ohne dass es eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebotes des Klägers (§§ 294 f BGB) hinsichtlich seiner Arbeitsleistung bedurft hat (BAG 23.02.2008 - 5 AZR 309/07).

2. Die Wirkungen des Annahmeverzuges sind nicht gemäß § 297 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung liegt kein Annahmeverzug vor, wenn der Arbeitnehmer bezogen auf seine vertragliche Arbeitsleistung nicht leistungsfähig oder -willig war.

Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zur Beweislastumkehr, sondern zur Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Nichtaufnahme der Arbeit nach erfolgreichem Betreiben der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG 17.08.2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17).

Die Beklagte hat nach dem sich bietenden Sachverhalt keine ausreichenden Indizien vorgetragen, die auf eine fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum Juni und Juli 2013 schließen lassen. Der von ihr insoweit angezogenen ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. T vom 23.04.2013, wonach es aufgrund des Grundleidens des Klägers zu kognitiver Ermüdung kommen kann, kommt ein solcher Indizcharakter nicht zu. Die Aussage in dieser Bescheinigung bezieht sich nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten auf den dem Kläger zur Last gelegten Arbeitszeitbetrug am 24.09.2012, also auf einen Zeitpunkt, der rund ein 3/4 Jahr vor dem hier maßgeblichen Zeitraum liegt. Weiter enthält dieses Attest auch nicht die Aussage, dass bei dem Kläger permanent kognitive Störungen auftreten, sondern verweist auf eine insoweit bestehende Möglichkeit ("können"). Die dem am 24.09.2012 fehlerhaft erstellten Arbeitszeitnachweis zeitlich nachfolgenden Atteste vom 08.01.2013, 25.07.2013 und vom 13.01.2014 bestätigen demgegenüber durchgehend eine Arbeitsfähigkeit des Klägers. Ärztlichen Bescheinigungen über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers kommt regelmäßig ein hoher Beweiswert zu (BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 25 und BAG 11.10.2006 - 5 AZR 755/05 - Rn. 35 betr. den Beweiswert von ärztlichen Arbeitsfähigkeitsbescheinigungen). Berücksichtigt man weiter, dass auch die Bundesagentur für Arbeit - die Zahlung von Arbeitslosengeld I setzt Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt voraus (§ 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) - zumindest von einer generell bestehenden Arbeitsfähigkeit des Klägers ausgegangen ist, so reicht die "punktuelle" ärztliche Bescheinigung vom 23.04.2013 nicht aus, eine (auch noch) im Juni und Juli 2013 bestehende Arbeitsunfähigkeit zu indizieren.

3. Die Höhe des Vergütungsanspruchs sowie der Umfang der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche (§ 115 SGB X) ist zwischen den Parteien nicht streitig.

4. Die Zinsforderung folgt aus § 291 BGB. Allerdings setzt die Pflicht zur Zahlung von Prozesszinsen gem. § 187 Abs. 1 BGB erst nach Ablauf des Tages, an dem die Klage zugestellt wird, ein (BAG 19.02.2014 - 5 AZR 1048/12 - Rn. 37); vorliegend also am 31.07. bzw. 08.08.2013.

IV.

Nach alledem konnte das Rechtsmittel der Beklagten ganz überwiegend keinen Erfolg haben. Der Einräumung einer weiteren Schriftsatzfrist für die Beklagte bedurfte es nicht, weil es auf das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 29.09.2015 nicht entscheidungserheblich ankam. Insbesondere konnte dahinstehen, ob die Parteien durch den Schriftwechsel vom 17.08./16.09.2015 einen außergerichtlichen Vergleich hinsichtlich der hier streitigen Vergütungsansprüche dahin geschlossen haben, dass die Beklagte diese erfüllt. Wie vorstehend ausgeführt besteht für den Kläger der streitgegenständliche Vergütungsanspruch (gemäß § 615 BGB) auch dann, wenn die Parteien insoweit keinen Vergleich geschlossen haben sollten.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1; 91a, 91; 92 Abs. 2 ZPO. Der Beklagten waren auch soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Weiterbeschäftigungsantrag) die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil dem Kläger bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses (Ausspruch einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung seitens der Beklagten) ein solcher Anspruch zugestanden hat. Auf die Ausführungen unter B. I. 2. wird Bezug genommen.

D.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.