VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 30.06.2017 - 5 K 902/16.NW
Fundstelle
openJur 2020, 18877
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid der Beklagten.

Er ist Halter des Fahrzeugs .. T... mit dem amtlichen Kennzeichen ..-...... Dieses Fahrzeug war am 1. Oktober 2015 in L in der X...straße/Ecke Y-Straße auf dem Gehweg abgestellt. Die Hilfspolizeibeamtin der Beklagten stellte dies um ca. 10:00 Uhr fest und verständigte um ca. 10:18 Uhr den Abschleppdienst Z...

Ausweislich des Protokollauszugs traf das Abschleppfahrzeug um 10:27 Uhr ein. Um 10:29 Uhr kam der Fahrer hinzu, weshalb der Abschleppvorgang abgebrochen wurde. Im Protokollauszug ist als Betroffener ein Herr K.... K....., geboren am .. ......, wohnhaft in der L...straße ... in L....., genannt.

Der Abschleppdienst Z..... stellte der Beklagten am 6. Oktober 2015 für den abgebrochenen Abschleppvorgang bzw. die Leerfahrt einen Betrag in Höhe von 120,00 € in Rechnung. In dieser Rechnung ist das Fahrzeug des Klägers unter Angabe des amtlichen Kennzeichens genannt, zudem ist als Leistungsdatum der 1. Oktober 2015 angegeben.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 173,75 € (Entgelt für das Abschleppunternehmen 120,00 € zuzüglich Verwaltungsgebühr von 51,00 € und Zustellungskosten von 2,75 €) zu zahlen. Zur Begründung wurde angegeben, dass das Fahrzeug am 1. Oktober 2015 verkehrsordnungswidrig abgestellt gewesen sei, weil es auf dem Gehweg geparkt gewesen sei und dadurch andere Verkehrsteilnehmer behindert worden seien.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 16. November 2015 Widerspruch und gab zu dessen Begründung an, dass es zwar zutreffend sei, dass er am 1. Oktober 2015 in der X straße geparkt habe. Er habe zum Be- bzw. Entladen angehalten, wobei dies nicht lange gedauert habe. Eine Abschleppmaßnahme sei hingegen zu keinem Zeitpunkt erfolgt.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 26. November 2015 mit, dass es sich um eine sog. Leerfahrt gehandelt habe, d. h. der Abschleppunternehmer sei beauftragt und unterwegs gewesen. Auch für diese Kosten habe der Verursacher einzustehen.

Der Kläger trug daraufhin mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 vor, dass die Beamtin vor Ort mitgeteilt habe, sie wäre kurz davor gewesen, das Abschleppunternehmen zu beauftragen. Diese Aussage bedeute, dass die Beauftragung gar nicht erfolgt sei.

In den Verwaltungsakten der Beklagten findet sich eine Stellungnahme der Hilfspolizeibeamtin XY..... vom 4. Februar 2016. Dort heißt es, dass sie bei der Einsatzleitstelle einen Abschleppdienst angefordert habe, welcher um 10:27 Uhr eingetroffen sei. Um 10:29 Uhr sei der Betroffene hinzugekommen, so dass nur eine Leerfahrt berechnet worden sei. Der Betroffene habe zuerst die Angabe der Personalien verweigert und später nach längerer Diskussion mit dem Abschleppdienst diese dann doch freiwillig genannt.

Unter dem 19. Februar 2016 trug der Kläger schließlich vor, dass die Angaben von Frau XY nicht mit den Tatsachen übereinstimmten. Er benenne Herrn Y....K.... als Zeugen, der zum besagten Zeitpunkt auch anwesend gewesen sei und bezeugen könne, dass kein Abschleppwagen vor Ort gewesen sei.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2016 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. In den Gründen des Widerspruchsbescheids wird im Wesentlichen ausgeführt: Das Fahrzeug des Klägers sei auf dem Gehweg geparkt gewesen, was nach § 12 Abs. 4 StVO verboten sei. Die Einleitung der Abschleppmaßnahme sei erforderlich gewesen, da die Funktion des Gehwegs durch das geparkte Fahrzeug erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Die Angabe des Klägers, dass kein Abschleppfahrzeug vor Ort gewesen sei, widerspreche zum einen dem in der Akte befindlichen Protokollauszug, zum anderen den Angaben der Hilfspolizeibeamtin vom 4. Februar 2016. Zudem liege die Rechnung des Abschleppunternehmens Z... vom 6. Oktober 2015 vor, in welcher das Fahrzeug aufgeführt sei.

Der Widerspruchsbescheid wurde am 21. September 2016 zugestellt.

Der Kläger hat am 13. Oktober 2016 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage wiederholt er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Es werde bestritten, dass die Hilfspolizeibeamtin das Abschleppunternehmen beauftragt habe. Sie habe vor Ort mitgeteilt, dass sie kurz davor gewesen sei, das Abschleppunternehmen zu beauftragen. Im Übrigen habe auch keine Funktionsbeeinträchtigung des Gehwegs vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 22. Oktober 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe der angegriffenen Bescheide und zudem nochmals ausdrücklich auf die Rechnung des Abschleppunternehmens vom 6. Oktober 2015. Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2017 hat sie zudem ein Schreiben des Herrn M.... K.....vom 23. Juni 2017 übersandt, in dem es heißt, dass er und sein Mitarbeiter P..... W..... am 1. Oktober 2015 gegen 10:18 Uhr von der Einsatzleitstelle einen Auftrag erhalten hätten, einen .... T.... in der X straße/Ecke Y-Straße abzuschleppen. Der Fahrer bzw. Halter des Fahrzeugs sei sehr unfreundlich und aufbrausend gewesen.

Zu dem Geschehen am 1. Oktober 2015 hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2017 sowohl die Hilfspolizeibeamtin XY als auch den Vater des Klägers, Herrn Y.... K....., als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (zwei Hefte) sowie die Sitzungsniederschriften vom 9. Juni 2017 und vom 30. Juni 2017 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der Kostenbescheid vom 22. Oktober 2015 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der sog. Leerfahrt findet ihre Rechtsgrundlage in der Bestimmung des § 6 Abs. 2 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG -. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 POG sind die nach den §§ 4 oder 5 POG Verantwortlichen zum Ersatz verpflichtet, wenn den allgemeinen Ordnungsbehörden oder der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten entstehen. § 6 Abs. 1 POG bestimmt, dass die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen können, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 4 oder 5 POG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann.

Vorliegend hat die Beklagte rechtlich einwandfrei eine Maßnahme unmittelbar gemäß § 6 Abs. 1 POG ausgeführt, weshalb der Kläger als nach § 5 POG Verantwortlicher zum Ersatz der entstandenen Kosten verpflichtet ist. Die hierfür erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit war gegeben. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 POG können die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Durch die unerlaubte Inanspruchnahme des grundsätzlich dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Gehweges als Parkraum verursachte das Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkt des Einschreitens durch die Beklagte unmittelbar eine Störung der öffentlichen Sicherheit. Nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsverordnung - StVO - ist das Parken auf Gehwegen grundsätzlich verboten (vgl. § 12 Abs. 4 und Abs. 4a StVO) und im Falle einer Zuwiderhandlung der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO).

Zwar darf ein Fahrzeug aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht schon immer dann zum Zweck der Gefahrenbeseitigung abgeschleppt werden, wenn es ordnungswidrig auf einem Gehweg geparkt worden ist. Es genügt nämlich zur Rechtfertigung der Maßnahme nicht, unter dem Gesichtspunkt einer sog. "negativen Vorbildwirkung" auf den Rechtsverstoß als solchen zu verweisen, hinzukommen muss vielmehr ein konkretes, über die Generalprävention hinausgehendes öffentliches Interesse am Abschleppen des Fahrzeugs (vgl. OVG RP, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 7 A 10895/98.OVG -). Auch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschluss vom 18. Februar 2002, DVBl. 2002, S. 1560) hat zum bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusammenfassend dargelegt, dass ein bloßer Verstoß gegen das Verbot des Gehwegparkens allein nicht ohne weiteres eine Abschleppmaßnahme rechtfertige und auch allein eine Berufung auf eine bloße Vorbildwirkung des fehlerhaften Verhaltens und auf den Gesichtspunkt der Generalprävention nicht ausreichend sei, auf der anderen Seite aber auch nicht zweifelhaft sein könne, dass regelmäßig ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern geboten erscheine. Hierbei ist ausreichend, dass das Verhalten des rechtswidrig Parkenden dazu geeignet ist, zu Behinderungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs zu führen (vgl. VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 28. August 2007 - 5 K 621/07.NW -; VGH BW, Urteil vom 13. Juni 1995, NVwZ-RR 1996, S. 150).

Vorliegend war die Funktion des Gehwegs durch das geparkte Fahrzeug erheblich beeinträchtigt. Der Rechtsausschuss hat zutreffend ausgeführt, dass eine Funktionsbeeinträchtigung nicht dadurch ausgeschlossen werde, dass die Fußgänger auf die Straße ausweichen können. Können somit - wie hier Fußgänger, insbesondere Passanten mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer, aufgrund eines abgestellten Fahrzeugs den Gehweg nicht nutzen, so ist die Maßnahme als Gefahrenabwehrmaßnahme gerechtfertigt.

Das Gericht hat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und nach dem Inhalt der ihm vorliegenden Akten auch keinen Zweifel daran, dass die Hilfspolizeibeamtin der Beklagten einen Abschleppdienst verständigt hat, so dass die angeforderten Kosten entstanden sind.

Für die Verständigung eines Abschleppdienstes sprechen zunächst die genauen Angaben in dem sog. Protokollauszug. Danach hat die Hilfspolizeibeamtin XY um 10:18 Uhr die Abschleppfirma Z..... verständigt, welche um 10:27 Uhr eingetroffen ist. Erst danach, nämlich um 10:29 Uhr, ist eine Person erschienen, die sich als Fahrer zu erkennen gegeben hat. Die Hilfspolizeibeamtin hat dies zunächst in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 4. Februar 2016 bestätigt und in diesem Zusammenhang auch mitgeteilt, dass die erschienene Person ihr gegenüber zunächst die Angabe der Personalien verweigert habe und diese erst später nach längerer Diskussion mit dem Mitarbeiter des Abschleppdienstes genannt habe. Diese Angaben hat Frau XY bei ihrer Zeugenvernehmung am 30. Juni 2017 wiederholt und hierbei glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass sie seinerzeit den Abschleppdienst gerufen habe, der auch gekommen sei. Das Gericht hat aufgrund des persönlichen Eindrucks der Zeugin keinerlei Zweifel daran, dass diese Angaben der Wahrheit entsprechen.

Die Angaben der Hilfspolizeibeamtin XY decken sich auch mit den Angaben der Firma Z . Diese hat zum einen in ihrer Rechnung vom 6. Oktober 2015 das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ..-.. ... unter dem Leistungsdatum 1. Oktober 2015 aufgeführt. Es wäre nicht verständlich, wieso die Firma in einer Rechnung an die Beklagte ein Autokennzeichen nennen sollte, für welches sie von der Beklagten keinen Abschleppauftrag erhalten hat. Im Übrigen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Juni 2017 ein Schreiben des Herrn M.... K... vom 23. Juni 2017 vorgelegt, in welchem dieser bestätigt, am 1. Oktober 2015 von der Einsatzleitstelle den Auftrag erhalten zu haben, ein Fahrzeug der Marke .... T....in der X straße/Ecke Y-Straße abzuschleppen. Zudem heißt es, bezogen auf die Person des Fahrers, dass dieser sehr unfreundlich und aufbrausend gewesen sei.

Die Angaben von Frau XY stehen auch nicht in Widerspruch zu den Angaben des ebenfalls als Zeugen vernommenen Y... K...., dem Vater des Klägers. Zwar hat dieser, bezogen auf einen Vorgang des Falschparkens, angegeben, kein Abschleppfahrzeug gesehen zu haben und zudem gehört zu haben, dass die Politesse seinem Sohn gesagt habe, er habe Glück und komme mit 20,00 € oder 30,00 € davon. Indes hat der Zeuge Y.... K.... - auch auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts - nicht angeben können, ob es sich bei diesem Vorfall wirklich um den 1. Oktober 2015 gehandelt hat, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich seine Angaben auf diesen Tag beziehen. Er hat im Übrigen des Weiteren angegeben, dass das Fahrzeug sicherlich schon öfter an dieser Stelle oder auf der Straße zum Be- und Entladen gestanden habe, was damit zusammenhänge, dass seinerzeit Umbauarbeiten in dem Haus X straße stattgefunden hätten.

Hat das Fahrzeug des Klägers mithin verbotswidrig auf dem Gehweg geparkt und hat die Bedienstete der Beklagten deshalb zu Recht eine Abschleppfirma verständigt, die auch zum Abschlepport gekommen ist, so können dem Kläger die Kosten dieser Maßnahme auferlegt werden. Zwar ist das Fahrzeug nicht abgeschleppt worden, die beauftragte Firma, die bis zu dem Abstellort des Fahrzeugs gefahren ist, kann aber ihre bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten von der Beklagten ersetzt verlangen und diese kann sie wiederum auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 Satz 1 POG dem Kläger als nach § 5 POG Verantwortlichem auferlegen.

Der Kostenerstattungsanspruch für eine Abschleppmaßnahme eines verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs nach § 6 Abs. 2 POG darf nämlich grundsätzlich gegenüber dem Halter als in der Regel Zustandsverantwortlichem (§ 5 POG) erhoben werden. Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger selbst behauptet, sogar Fahrer des abgestellten T gewesen zu sein, somit Verhaltensverantwortlicher i. S. d. § 4 POG. Zwar bestehen insoweit Zweifel, da die Person, die seinerzeit zu dem Vorgang hinzugekommen ist, sich als K.... (richtig: K....) K...., geb. am ... .. ..., ausgegeben hat, was möglicherweise auch zutreffend gewesen sein könnte. Indes kann dahingestellt bleiben, wer tatsächlich Fahrer des .... T.... gewesen ist, ebenso kann dahingestellt bleiben, ob der Fahrer vielleicht falsche Angaben hinsichtlich seiner Personalien gemacht hat, da jedenfalls der Kläger als Halter des Fahrzeugs und damit als Verantwortlicher nach § 5 POG in Anspruch genommen werden kann.

Stellt sich der Bescheid mithin als rechtmäßig dar, so ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 173,75 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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