LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.03.2020 - 5 TaBV 9/19
Fundstelle
openJur 2020, 12237
  • Rkr:

1. Die unerwünschte Zusendung pornografischer Videos über einen Messenger-Dienst (WhatsApp) an eine Arbeitskollegin ist als Grund "an sich" geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

2. Unerwünscht ist die Zusendung, wenn dies objektiv erkennbar ist. Wie der Belästiger sein eigenes Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte, ist unerheblich. Eine sexuelle Belästigung ist bereits kraft Gesetzes untersagt; einer ausdrücklichen vorherigen Ablehnung durch die oder den Betroffene/n bedarf es nicht. Es ist Sache des Versenders pornografischer Videos, sich eines Einverständnisses des Empfängers zu versichern.

3. Eine vorherige Abmahnung kann bei einer unerwünschten Zusendung pornografischer Videos entbehrlich sein.

Tenor

1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 09.01.2018 – 4 BV 2/17 – werden zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die beteiligte Arbeitgeberin begehrt die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden wegen Übersendung pornografischer Videoclips an eine Arbeitskollegin.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) stellt verschiedene Kartoffelprodukte her und beschäftigt in S. etwas mehr als 200 Arbeitnehmer. Der Betriebsrat (Beteiligter zu 2) besteht aus 9 Mitgliedern. Der im Februar 1971 geborene Beteiligte zu 3 nahm am 01.08.1996 bei der Arbeitgeberin eine Beschäftigung als Anlagen- und Mischerfahrer auf. Seit 1997 gehört er dem Betriebsrat an, zeitweise als Ersatzmitglied. Der Beteiligte zu 3 absolvierte eine betriebliche Meisterausbildung und arbeitete zeitweise als Schichtmeister. Im Jahr 2004 übernahm er die Aufgaben des Bereichsleiters Grundproduktion. Seit 2008 ist er als Administrator für sämtliche IT-Anlagen im Betrieb zuständig. Im Zuge der Betriebsratswahl 2014 wurde er zum Vorsitzenden des Betriebsrats gewählt. Eine Freistellung nach § 38 BetrVG erfolgte nicht. Der Beteiligte zu 3 ist Mitglied des Konzernbetriebsrats. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.

Die betroffene Arbeitskollegin, Frau G., geboren im Juli 1961 und somit rund 10 Jahre älter als der Beteiligte zu 3, trat bereits am 01.09.1978 in die Dienste der Arbeitgeberin bzw. ihrer Rechtsvorgänger. Frau G. ist verheiratet; der Ehemann ist ebenfalls bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Mit Gründung des Betriebsrats im Jahr 1990 wurde Frau G. in den Betriebsrat gewählt, dem sie fortan ununterbrochen angehörte. Ab dem Jahr 2002 stellte der Betriebsrat sie zu 50 % ihrer Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeiten frei. Im August 2013 wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Im Jahr 2014 wurde Frau G. zur Vertrauensfrau der Schwerbehinderten gewählt. Ihre Arbeitsaufgabe bestand zuletzt darin, die Einstellung von Auszubildenden für alle Werke des U.-Konzerns in Deutschland zu organisieren.

Frau G. war für den Betriebsrat als Schriftführerin tätig. Sie richtete für die Betriebsratsmitglieder und die Ersatzmitglieder eine WhatsApp-Gruppe ein, um die Kommunikation zu vereinfachen. Der Beteiligte zu 3 wurde Anfang 2016 in die WhatsApp-Gruppe aufgenommen, nachdem er sich ein Smartphone zugelegt hatte. Im September 2016 erhielt er neben Frau G. einen Administratorenzugang für die WhatsApp-Gruppe. In der WhatsApp-Gruppe wurden auch Inhalte mit sexueller Ausrichtung ausgetauscht. Derartige Nachrichten kamen jedoch zu keiner Zeit von Frau G. noch kommentierte sie diese in irgendeiner Weise.

Ende Juni/Anfang Juli 2016 zog der Beteiligte zu 3 auf Anweisung der Arbeitgeberin in das Büro von Frau G., das sie bislang allein genutzt hatte. Schon kurze Zeit später bat Frau G., die aufgrund einer Erkrankung des Kopfes geräuschempfindlich ist und häufig unter starken Kopfschmerzen leidet, die Personalleiterin darum, wieder ein eigenes Büro beziehen zu können. Zu diesem Zweck hatte sie auch Kontakt zum Integrationsfachdienst aufgenommen.

Am 20.10.2016 verunfallte der ebenfalls bei der Arbeitgeberin beschäftigte Ehemann von Frau G. beim Apfelpflücken und musste stationär im Krankenhaus behandelt werden.

Ab dem 21.10.2016 schickte der Beteiligte zu 3 WhatsApp-Nachrichten direkt an Frau G., zunächst mit lustigen Clips und Bildern. Nach ca. 10 Tagen enthielten seine Nachrichten auch zweideutige Bilder. Ab dem 11.11.2016 sandte er Frau G. verschiedene Nachrichten mit sexuellem Inhalt, die sie jeweils ignorierte und löschte.

Am Montag, 21.11.2016, betrat der Beteiligte zu 3 morgens das gemeinsame Büro und wandte sich an Frau G. mit einem Satz, der jedenfalls wie folgt begann:

"Ich hab ‘nen steifen ..."

Am Abend des 22.11.2016, dem Dienstag, übersandte der Beteiligte zu 3 zwischen 19:33 und 19:35 Uhr an Frau G. direkt, also nicht über die WhatsApp-​Gruppe des Betriebsrats, insgesamt acht verschiedene WhatsApp-​Nachrichten, darunter die Dateien:

22.11.16, 19:34 - VID-20161122-WA0009.mp4

22.11.16, 19:34 - VID-20161122-WA0008.mp4

22.11.16, 19:35 - VID-20161122-WA0005.mp4

22.11.16, 19:35 - VID-20161122-WA0007.mp4

22.11.16, 19:35 - IMG-20161122-WA0006.jpg

Die Datei VID-20161122-WA0009.mp4 ist ein Video mit einer Länge von 53 Sekunden. Es zeigt musikuntermalt einen sog. Horrorclown, der eine Axt hinter sich herzieht und einen anderen Mann bedroht. Dieser öffnet die Heckklappe eines Autos, aus dem ein bissiger Hund herausspringt, der den Clown am Arm fasst und zu Fall bringt. Der Mann befreit schließlich den Clown von dem Hund.

Das Video VID-20161122-WA0008.mp4 hat eine Länge von 13 Sekunden und zeigt einen Mann, der den Hodensack aus seiner eingerissenen Hose heraushängen lässt. Bei Berührung durch eine Hand von außen schrumpft der Hodensack mit einem entsprechenden Laut untermalt stark zusammen und leert sich. Das wiederholt sich einmal.

Die Datei VID-20161122-WA0005.mp4 ist ein mit Musik und Stöhnen untermaltes Video mit einer Länge von 53 Sekunden. Der Vorspann enthält den Hinweis "FUCKNDRIVE.com production". Zu sehen ist eine nackte junge Frau, die auf ein Auto zugeht und sich vornüber bückt, wobei die Vagina und die daran reibenden Finger mehrfach bildfüllend erscheinen. Sodann begibt sich die Frau ins Innere des Pkw, leckt den Schaltknüppel ab und führt sich diesen bildfüllend dargestellt in die Vagina ein. Anschließend führt sie sich, ebenfalls im Vollformat gefilmt, die Finger vaginal und rektal ein.

Die Datei VID-20161122-WA0007.mp4 ist ein Video mit einer Länge von 44 Sekunden. Es zeigt bildfüllend eine Vagina, an der die Frau entsprechend der stakkato-artigen Musikuntermalung reibt, bis schließlich eine milchige Flüssigkeit herausfließt.

Die Bilddatei IMG-20161122-WA0006.jpg zeigt eine farbige Frau mit entblößtem Gesäß, die vor einem zeitunglesenden weißen Mann kniet und diesen oral befriedigt. Die Unterschrift dazu lautet "... immer mehr Schwarzarbeit in deutschen Haushalten!".

Die übrigen Dateien enthielten Berichte aus dem Bundestag oder sonstige Inhalte.

Noch am selben Abend kontaktierte Frau G. die Mitarbeiterberatungshotline des U.-​Konzerns. Auf Empfehlung des Beraters schrieb sie dem Beteiligten zu 3 dann um 21:32 Uhr per WhatsApp:

"STOP! Ich fordere dich auf mir ab sofort keine Nachrichten dieser Art mehr zu senden. Ich möchte das nicht!“

Der Beteiligte zu 3 antwortete am nächsten Morgen, dem 23.11.2016, um 5:52 Uhr per WhatsApp:

"Sorry, die solltest du gar nicht alle bekomme[n].“

Als der Beteiligte zu 3 an diesem Tag das gemeinsame Büro betrat, sagte er zu Frau G. jedenfalls folgende Worte:

"... musst schon entschuldigen ...“

Daraufhin erwiderte Frau G.:

"Halt, Stopp! So arbeiten wir beide hier nicht zusammen und für dieses Gespräch hole ich mir jetzt einen Zeugen.“

Anschließend ging Frau G. in die Personalabteilung und berichtete Frau J., Prokuristin, von den ihr übersandten Dateien. Sie kehrte in Begleitung von Frau J. kurz in ihr Büro zurück, um persönliche Sachen abzuholen. Anschließend fuhr sie zusammen mit Frau J. zu ihrem Wohnort, um das Smartphone mit den WhatsApp-Nachrichten des Beteiligten zu 3 zu holen. Im Betrieb wurden die Dateien sodann auf einem USB-Stick gesichert. Frau G. hielt sich danach im Personalbereich auf. Gegen Mittag schickte Frau J. sie nach Hause, nachdem sie im Beisein von Frau J. ihre restlichen Sachen aus ihrem Büro geholt und den PC ausgeschaltet hatte.

Der Beteiligte zu 3 verfasste um 11:36 Uhr die folgende WhatsApp-​Nachricht, diesmal in der Gruppe des Betriebsrates:

"Ich habe einen Fehler begangen, der mir persönlich sehr leid tut. Um zukünftig nicht ähnliche Fehler zu machen verlasse ich hiermit die Gruppe. Ich entschuldige mich nochmal für mein Fehlverhalten und bitte um euer Verständnis für meine Entscheidung. Danke.“

Ab dem Donnerstag, 24.11.2016, war Frau G. sodann aufgrund der Diagnose F 33.2 G (Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome) arbeitsunfähig, zunächst bescheinigt von ihrem Hausarzt. An diesem Tag rief Frau G. einen Rechtsanwalt an, den sie bei einer Betriebsratsschulung kennengelernt hatte, und bat ihn um eine rechtliche Einschätzung zur Wirksamkeit einer evtl. Kündigung des Beteiligten zu 3. Der Rechtsanwalt sah gute Chancen für den Beteiligten zu 3, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern und eine Weiterbeschäftigung durchzusetzen.

Am 26.11.2016 und 01.12.2016 telefonierte Frau G. erneut mit der Konzern-Hotline. Gleichzeitig kümmerte sie sich auf Empfehlung ihres Hausarztes um einen Termin bei einer Psychologin, die sie am 05.12. und am 13.12.2016 aufsuchte. Im Anschluss an das letzte Gespräch mit der Psychologin entschied sich Frau G., das Gefühl der eigenen Hilflosigkeit zu überwinden und aktiv zu werden. Sie bat daraufhin Frau P., Coordinator U. European Works Council, den Vorgang der Ethikkommission zur Prüfung zu übergeben. Mit E-Mail vom 14.12.2016 informierte Frau P. offiziell die Personalleiterin der Arbeitgeberin, Frau I., über den Entschluss von Frau G.. Unter dem 15. Dezember 2016 übermittelte Frau G. per E-Mail einen dreiseitigen Bericht zu dem Geschehen.

Am Freitag, 16.12.2016, führte die Arbeitgeberin mit dem Beteiligten zu 3 ein Personalgespräch zu den Vorwürfen. An dem Gespräch nahm auf Wunsch des Beteiligten zu 3 auch der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats teil. Die Arbeitgeberin verhandelte mit dem Beteiligten zu 3 über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses und räumte ihm eine Bedenkzeit bis zum Montag, 19.12.2016, ein. Der Beteiligte zu 3 lehnte eine Aufhebung des Arbeitsvertrages ab.

Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 19.12.2016 und, nachdem Frau G. ihre vorherige Auflistung am 20.12.2016 ergänzt hatte, nochmals mit Schreiben vom 21.12.2016 beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. Sie unterrichtete den Betriebsrat über die Sozialdaten sowie die Einzelheiten des Sachverhalts. In der Betriebsratssitzung am 21.12.2016 wurden die Videoclips vorgespielt und das übersandte Bild gezeigt. Der Betriebsrat hörte den Beteiligten zu 3 ebenso wie Frau G. zu den Vorwürfen und dem Hergang an. Der Betriebsrat versagte seine Zustimmung mit Beschluss vom 21.12.2016 unter Hinweis auf die Versäumung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB, was er der Arbeitgeberin am 22.12.2016 mitteilte. Daraufhin hat die Arbeitgeberin am 23.12.2016 das vorliegende Verfahren eingeleitet. Der Beteiligte zu 3 wurde von seinen Arbeitsaufgaben freigestellt und nahm nur noch Betriebsratstätigkeiten wahr.

Frau G. besuchte ab dem 04.01.2017 fünf Wochen lang die Tagesklinik der Ev. Krankenhaus Bethanien gGmbH, ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Dem lag die Diagnose Anpassungsstörung (F 43.2) zugrunde. Bei der Entlassung am 07.02.2017 empfahl das Krankenhaus eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell und eine (evtl. zeitlich begrenzte) Niederlegung der Betriebsratstätigkeit. Die am 14.02.2017 und erneut am 08.03.2017 aufgenommenen Wiedereingliederungsversuche hatten keinen Erfolg und mussten abgebrochen werden. Frau G. begann am 01.11.2017 nochmals mit einer Wiedereingliederung, die nur die Tätigkeit als Sachbearbeiterin in der Personalabteilung beinhaltete und die Betriebsratstätigkeit ausdrücklich ausnahm. Nach Ende dieser Wiedereingliederung am 13.12.2017 konnte Frau G. ihre Arbeit wiederaufnehmen.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Beteiligten zu 3 zu Unrecht verweigert habe. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Der Beteiligte zu 3 habe Frau G. in schwerwiegender Weise sexuell belästigt und damit nicht nur gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, sondern sich darüber hinaus strafbar gemacht. Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, derartige sexuelle Belästigungen zu verhindern. Die außerordentliche Kündigung sei auch angesichts der bei Frau G. eingetretenen gesundheitlichen Folgen angemessen. Für den Beteiligten zu 3 sei erkennbar gewesen, dass Frau G. eine Zusendung von anzüglichen Nachrichten und erst recht von frauenverachtenden pornografischen Inhalten nicht gewollt habe. Sie habe solche Nachrichten stets ignoriert und keinesfalls signalisiert, hiermit einverstanden zu sein. Zwar habe der Beteiligte zu 3 die Nachrichten außerhalb der Arbeitszeit geschickt. Das ändere aber nichts an den betrieblichen Auswirkungen, wie die langfristige Erkrankung von Frau G. zeige. Von einer ernsthaften Reue fehle jede Spur. Der Beteiligte zu 3 grüße Frau G. nicht mehr und versuche, die Geschehnisse herunterzuspielen.

Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen. Die Pflichtverletzung wiege so schwer, dass selbst eine einmalige Hinnahme ausgeschlossen sei. Frau G. sei seit dem Vorfall langfristig arbeitsunfähig und in psychologischer Behandlung gewesen. Das hänge zwar auch mit ihrem Gesundheitszustand und ihrer Schwerbehinderung zusammen. Die eingeschränkte physische und psychische Belastbarkeit sei dem Beteiligten zu 3 jedoch bekannt gewesen.

Der Dialog am Vormittag des 21.11.2016 sei wie folgt verlaufen:

Beteiligter zu 3: "Ich hab ‘nen Steifen!“

Frau G.: "Pfui!“

Beteiligter zu 3: "Ach, ich wollte sagen, ich hab ‘ne steife Schulter!“

Frau G. habe dem Beteiligten zu 3 damit eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie Anspielungen sexueller Art ablehne.

Der Beteiligte zu 3 habe schon mit seinen früheren Bürogenossen Streit gehabt. Frau B., ebenfalls langjähriges Mitglied des Betriebsrats, habe sich durch seine privaten Telefonate mit sexuellem Inhalt massiv gestört gefühlt. Zudem habe er sich in ihre Arbeit eingemischt, indem er in ihre Buchungen eingegriffen habe. Später habe der Beteiligte zu 3 das Büro dann mit Herrn H. geteilt. Der habe sich ebenfalls durch die Privattelefonate mit sexuellem Inhalt gestört gefühlt. Zudem habe er Herrn H. wiederholt gedrängt, in die Gewerkschaft einzutreten.

Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten. Die Frist habe erst mit der Anhörung des Beteiligten zu 3 begonnen. Da Frau G. um eine vertrauliche Behandlung des Vorfalls gebeten habe, sei es, um sie zu schützen, nicht möglich gewesen, vorher tätig zu werden.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich, soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Beteiligten zu 3 zu ersetzen.

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie haben die Ansicht vertreten, dass ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht vorliege. Die Belästigung sei dem Umfang und der Intensität nach als geringfügig einzustufen.

Der damalige Umzug des Beteiligten zu 3 in ein anderes Büro sei erforderlich geworden, da der vorherige Büropartner, Herr H., nicht Mitglied des Betriebsrats gewesen sei und deshalb eine vertrauliche Behandlung der Telefonate und Anfragen in Betriebsratsangelegenheiten schwierig gewesen sei. Persönliche Differenzen habe es nicht gegeben. Des Weiteren habe er nicht in Buchungen von Frau B. eingegriffen, sondern nur seine Aufgaben als Systemadministrator erledigt, bis diese Aufgaben dann später anders verteilt worden seien. Obwohl die Arbeitgeberin den Gesundheitszustand von Frau G. gekannt habe, habe sie es nicht für nötig gehalten, Frau G. zu entlasten und ihr ein anderes Büro zuzuweisen, was durchaus möglich gewesen wäre.

Am 21.11.2016 habe der Beklagte zu 3 lediglich gesagt: "Ich hab 'nen steifen – Nacken.“ Der Äußerung von Frau G. "Pfui" habe er nicht entnehmen können, dass er solche Bemerkungen zukünftig unterlassen solle, da ihre Äußerung dem Tonfall nach eher bagatellisierend als ablehnend zu verstehen gewesen sei.

Strafbar sei das Verhalten nicht. Der Beteiligte zu 3 habe sich sogleich bei Frau G. entschuldigt. Eine Wiederholungsgefahr sei ausgeschlossen, da er sich zu seinem Fehler bekannt habe. Der Beteiligte zu 3 habe Frau G. nicht schaden wollen. Er habe die Videoclips auch an andere Frauen weitergeleitet, z. B. G. K.. Beschwerden von anderen Frauen habe es nicht gegeben. Letztlich liege es am Empfänger, ob er sich übersandte Videos ansehe. Frau G. hätte die Videos ebenso löschen können.

Der Beteiligte zu 3 habe zu Frau G. stets ein offenes und ausgesprochen gutes Verhältnis gehabt. Deshalb habe ihn Frau G. auch über ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen informiert, was von einem Vertrauensverhältnis zeuge. Er habe nicht beabsichtigt, die Würde von Frau G. zu verletzen. Es sei für ihn auch nicht erkennbar gewesen, dass sein Verhalten unerwünscht gewesen sei. Er habe keinerlei sexuelle Motive gehabt. Der Beteiligte zu 3 sei mehr als 20 Jahre bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Abmahnungen habe es nicht gegeben.

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben bestritten, dass Frau G. gerade aufgrund der übersandten Videos arbeitsunfähig erkrankt und deshalb in psychologischer Behandlung sei. Dass Frau G. von anderen Beschäftigten nicht mehr gegrüßt werde, habe nichts mit dem Beteiligten zu 3 zu tun. Im Übrigen habe Frau G. ihm anwaltlich untersagt, mit ihr in Kontakt zu treten.

Unabhängig davon sei die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Der Prokuristin, Frau J., seien bereits am 23.11.2016 alle maßgeblichen Umstände bekannt gewesen. Die "Konzernbetriebsvereinbarung zum Schutz der Beschäftigten vor Diskriminierung", die eine vertrauliche Behandlung solcher Angelegenheiten vorsehe, könne die Frist nicht verlängern. Die Beteiligten zu 2 und 3 bestreiten, dass Frau G. gegenüber der Prokuristin J. oder der Personalleiterin I. um eine vertrauliche Behandlung der Angelegenheit gebeten habe.

Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit Beschluss vom 09.01.2018 die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3 ersetzt. Es liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung bedurft habe. Eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG sei an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Betroffene müsse nicht erst erklären, dass er nicht sexuell belästigt werden wolle. Es reiche, wenn die Unerwünschtheit objektiv erkennbar sei. Das treffe auf Frau G. zu, da sie selbst niemals solche Bilder oder Videos verschickt habe. Zudem habe der Beteiligte zu 3 die gesundheitliche Verfassung und ihre persönliche Situation nach dem Unfall ihres Ehemanns gekannt. Eine Abmahnung sei entbehrlich, da der Beteiligte zu 3 zum einen wenig Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines eigenen Verhaltens gezeigt und stattdessen versucht habe, dieses zu verharmlosen. So habe er Frau G. sogar noch im Prozess vorgeworfen, die Videos überhaupt abgespielt zu haben, und damit die Rolle von Opfer und Täter vertauscht. Dass der Beteiligte zu 3 die Dateien außerhalb der Arbeitszeit an Frau G. gesandt habe, ändere nichts an dem betrieblichen Bezug. Ihre Handynummer habe der Beteiligte zu 3 nur aus betrieblichen Gründen, nämlich aufgrund der gemeinsamen Mitgliedschaft im Betriebsrat, erhalten, nicht aber für private Zwecke. Zum anderen wiege die Pflichtverletzung so schwer, dass auch eine einmalige Hinnahme durch die Arbeitgeberin ausgeschlossen sei. Der Beteiligte zu 3 habe die Persönlichkeitsrechte und die Intimsphäre von Frau G. massiv beeinträchtigt und Grenzen weit überschritten.

Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Die Frist sei erst mit der Anhörung des Beteiligten zu 3 am 16.12.2016 in Gang gesetzt worden. Erst mit der Freigabe des Materials durch Frau G. habe die Arbeitgeberin die notwendigen Kenntnisse erlangt, um den Beteiligten zu 3 ordnungsgemäß anhören zu können.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 16.10.2018 – 5 TaBV 7/18 – die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es sich darauf gestützt, dass die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt sei. Die Frist laufe zwar erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Kündigungsberechtigte Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen erlangt habe. Wenn weitere Ermittlungen bzw. eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich seien, müsse der Arbeitgeber jedoch mit der gebotenen Eile vorgehen. Im Allgemeinen sei der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von 1 Woche anzuhören. Die beteiligte Arbeitgeberin habe in Person der kündigungsberechtigten Prokuristin J. bereits am 23.11.2016 alle für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen gekannt. Dennoch habe sie den Beteiligten zu 3 nicht zeitnah angehört, sondern erst mehr als 3 Wochen später. Die Konzernbetriebsvereinbarung, welche dem Arbeitnehmer Vertraulichkeit zusichere, hemme den Ablauf der gesetzlichen Kündigungserklärungsfrist nicht, da diese nicht abdingbar sei.

Auf die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 27.06.2019 – 2 ABR 2/19 – die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nach dem von der Arbeitgeberin vorgetragenen Sachverhalt zum Zeitpunkt des Eingangs des Zustimmungsersetzungsantrags beim Arbeitsgericht möglicherweise noch gewahrt gewesen. Die Arbeitgeberin habe zunächst den Beteiligten zu 3 zu den Vorwürfen anhören dürfen. Allerdings müsse ein Arbeitgeber den Kündigungssachverhalt, um eine umfassende und zuverlässige Kenntnis hiervon nebst Beweismitteln zu erlangen, mit der gebotenen Eile ermitteln. Die Anhörung sei innerhalb einer kurzen Frist, die im Allgemeinen nicht mehr als 1 Woche betrage, durchzuführen.

Der Arbeitgeberin könne es jedoch nicht zumutbar gewesen sein, den Beteiligten zu 3 schon früher anzuhören. Trotz einer Vertraulichkeitsabrede müsse der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer grundsätzlich eine angemessen kurze Frist setzen, innerhalb derer sich dieser über die Beibehaltung der Vertraulichkeit zu erklären habe. Zugleich sei der Arbeitgeber aber auch verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des betroffenen Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und ihn vor Gesundheitsgefahren auch psychischer Art zu schützen. Angesichts der Nähe der Zusammenarbeit – sowohl am Arbeitsplatz als auch im Betriebsrat – sowie des Vorwurfs einer sexuellen Belästigung, der vielfach die Gefahr einer Bloßstellung berge und für die sich offenbarende Person regelmäßig eine große Belastung darstelle, habe die betroffene Arbeitnehmerin zunächst ein berechtigtes Interesse daran gehabt, dass die Arbeitgeberin vorerst keine Anhörung des Beteiligten zu 3 durchführe. Aufgrund der Erkrankung unmittelbar im Anschluss an den Vorfall habe die Arbeitgeberin möglicherweise wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls davon absehen dürfen, von der betroffenen Arbeitnehmerin eine Erklärung zur Aufhebung der Vertraulichkeit einzufordern.

Die Beteiligten zu 2 und 3 halten die erstinstanzliche Entscheidung weiterhin für fehlerhaft. Das Arbeitsgericht sei zwar von den zutreffenden rechtlichen Grundlagen ausgegangen, habe jedoch die den Kläger entlastenden Umstände ergebnisorientiert ignoriert. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts handele es sich nicht um eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige und eine Abmahnung entbehrlich mache. Es habe keine körperlichen Übergriffe gegeben. Frau G. habe ebenfalls einen legeren Umgangston gepflegt und zuvor keine Einwände gegen die Übersendung von Dateien mit sexuellen Inhalten erhoben. Die Unerwünschtheit sei nicht objektiv erkennbar gewesen. Der Beteiligte zu 3 habe sich darüber hinaus ausdrücklich für sein Fehlverhalten entschuldigt.

Zudem sei die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB offensichtlich nicht eingehalten. Die Arbeitgeberin hätte den Beteiligten zu 3 unverzüglich anhören müssen, was sie unterlassen habe. Diese Frist könne weder durch Tarifvertrag noch durch eine sonstige Vereinbarung gehemmt oder verlängert werden. Ohnehin sei die Konzernbetriebsvereinbarung insgesamt unwirksam. Der Konzernbetriebsrat sei für den Abschluss dieser Betriebsvereinbarung nicht zuständig gewesen.

Der beteiligte Betriebsrat trägt weiter vor, dass der Ehemann von Frau G. zwar, soweit bekannt, beim Obstpflücken von der Leiter gefallen sei, sich aber nur wenige Tage im Krankenhaus habe aufhalten müssen. Schwerwiegende Auswirkungen des Unfalls auf die persönliche Verfassung von Frau G. seien nicht feststellbar gewesen.

Die Sexualethik habe sich seit den 60er-Jahren erheblich geändert. Eine Erklärung, solche Nachrichten nicht erhalten zu wollen, sei kein Ausdruck irgendeiner Sexualvorstellung. Frau G. habe sich an dem legeren Umgangston beteiligt. Es gebe auch feministische Pornografie. Die irrtümliche Übersendung der Videos rein im privaten Bereich habe keinen betrieblichen Bezug entwickeln und damit eine Belästigung darstellen können.

Frau G. sei am 23.11.2016 noch arbeitsfähig gewesen, als eine Kündigung des Beteiligten zu 3 schon im Raum gestanden habe. Dass ihre Arbeitsunfähigkeit ab 24.11.2016 auf eine angebliche Belästigung zurückgehe, werde weiterhin bestritten. Es gebe auch einen Zusammenhang mit dem von der Arbeitgeberin abgelehnten Umzug in ein eigenes Büro. Jedenfalls hätte die Arbeitgeberin Frau G. schon am 23.11.2016 auffordern können, sich binnen einer kurzen Frist zu erklären, ob sie als Zeugin für den Fall einer Kündigung des Beteiligten zu 3 zur Verfügung stehe. Ihre angebliche Angst habe nicht auf einer Offenbarung des Sachverhalts beruht, sondern auf dem zu erwartenden Scheitern des Versuchs, den Beteiligten zu 3 zu kündigen.

Der Beteiligte zu 3 geht davon aus, dass er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht schwerwiegend verletzt hat. Es sei nicht richtig, dass er, wie die Arbeitgeberin behaupte, Frau G. habe erniedrigen wollen. Ebenso wenig habe er eine Reaktion von ihr erwartet. Die pornografischen Szenen empfinde er nicht als sexuell stimulierend. Frau G. hätte lediglich klar und deutlich zu verstehen geben müssen, mit der Übersendung solcher Dateien nicht einverstanden zu sein. Mehr wäre nicht notwendig gewesen. Frau G. sei aufgrund der Vorfälle am 22.11.2016 nicht erstmalig erkrankt. Sie habe zu diesem Zeitpunkt schon an einer rezidivierenden Depression gelitten. Es habe bereits eine entsprechende Disposition vorgelegen, was der Beteiligte zu 3 bisher allerdings nicht gewusst habe. Aufgrund ihrer Vorerkrankungen und ihrer Persönlichkeitsstruktur sei es Frau G. schwergefallen, mit dem Sachverhalt, der dem Beteiligten zu 3 vorgeworfen werde, umzugehen.

Darüber hinaus sei es der Arbeitgeberin durchaus zumutbar gewesen sei, Frau G. eine angemessene Frist von höchstens 1 Woche zu setzen, um sich zu einer Aufhebung der Vertraulichkeit zu erklären. Die Arbeitsunfähigkeit schränke das Direktionsrecht zwar ein, hebe es aber nicht auf. Der Beteiligte zu 3 bestreitet, dass die Initiative zur Wahrung der Vertraulichkeit von Frau G. ausgegangen sei.

Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 09.01.2018 – 4 BV 2/17 – abzuändern und den Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und tritt den Angriffen der Beschwerden entgegen. Eine sexuelle Belästigung könne einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Die vom Beteiligten zu 3 versandten Bild- und Videodaten seien erkennbar frauenverachtend und entwürdigend. Frau G. habe zu Recht davon ausgehen dürfen, dass der Beteiligte zu 3 sie gezielt habe erniedrigen wollen. Frau G. sei gezwungen gewesen, hierauf in irgendeiner Weise zu reagieren, zumal der Beteiligte zu 3 eine stillschweigende Duldung offensichtlich als Zustimmung werte, mit der sexuellen Belästigung fortfahren zu können. Das sei eine inakzeptable Verschiebung von Grenzen zulasten des Opfers. Der Beteiligte zu 3 habe die Schwere seines Fehlverhaltens immer noch nicht verstanden, wie sein Einwand zeige, dass es von anderen Frauen eben keine Beschwerden gegeben habe.

Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Frau G. habe ausdrücklich um eine absolut vertrauliche Behandlung der Angelegenheit gebeten. Das ergebe sich aus ihren eigenen Aufzeichnungen und dem gesamten Ablauf bis hin zur E-Mail von Frau P. an die Personalleiterin I. vom 14.12.2016. Frau G. sei verständlicherweise geschockt gewesen und habe Angst vor dem Beteiligten zu 3 gehabt. Es habe erst psychologischer Hilfe bedurft, um sich aus der eigenen Ohnmacht befreien zu können. Angesichts des psychischen Zusammenbruchs von Frau G. sei es aus Sicht der Arbeitgeberin zwingend gewesen, sie zunächst vollständig in Ruhe zu lassen, um ihr Gelegenheit zu geben, sich wieder zu stabilisieren. In dieser Situation sei es ausgeschlossen gewesen, eine Erklärung von Frau G. zu verlangen, ob die Angelegenheit weiterhin vertraulich behandelt oder nunmehr betrieblich weiterverfolgt werden solle. Dadurch hätte die Arbeitgeberin Frau G. zusätzlich unter Druck gesetzt und die Genesung massiv gefährdet.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der beteiligten Arbeitgeberin, dass Frau G. darum gebeten habe, den Vorfall zunächst vertraulich zu behandeln und dass es der Arbeitgeberin angesichts der Erkrankung von Frau G. nicht zumutbar gewesen sei, ihr eine Frist zu setzen, ob sie die Vertraulichkeit der mitgeteilten Vorwürfe aufhebt, und hat hierzu die Zeuginnen J. und I. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle und auf die vorangegangenen gerichtlichen Entscheidungen Bezug genommen.

B.

Die Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3 zu Recht ersetzt.

Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 15 Abs. 1 KSchG ist die verweigerte Zustimmung zu ersetzen, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt und das Zustimmungsersetzungsverfahren innerhalb der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingeleitet worden ist.

I. Wichtiger Grund

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 27. Juni 2019 – 2 AZR 50/19 – Rn. 12, juris = NZA 2019, 1345; BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 15, juris = NZA 2019, 445; BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17 – Rn. 26, juris = NZA 2018, 845).

Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der – fiktiven – Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 28, juris = NZA 2019, 445). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen. Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 29, juris = NZA 2019, 445).

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30, juris = NZA 2019, 445).

Der Beteiligte zu 3 hat seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in schwerwiegender Weise verletzt.

Beschäftigte dürfen nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden (§ 7 Abs. 1, § 1 AGG). Eine solche Benachteiligung durch den Arbeitgeber oder durch andere Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten (§ 7 Abs. 3 AGG). Diese ist "an sich" als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, hängt von den jeweiligen Umständen ab, u. a. von Umfang und Intensität der sexuellen Belästigung (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 15, juris = NJW 2017, 3018; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13 – Rn. 15 = NZA 2015, 294; BAG, Urteil vom 09. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 16, juris = NJW 2012, 407; LAG Köln, Urteil vom 02. März 2018 – 6 Sa 952/17 – Rn. 54, juris = BGleiG E.II.2.8 AGG § 3 Abs. 4 Nr. 12).

Zu einer Benachteiligung zählt auch eine Belästigung. Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit der Rasse, der ethnischen Herkunft, dem Geschlecht, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, dem Alter oder der sexuellen Identität in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (§ 3 Abs. 3 AGG). Hierunter fallen auch unerwünschte sexuell bestimmte Verhaltensweisen, z. B. das unerwünschte Zeigen von pornografischen Darstellungen, sofern diese bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird (vgl. § 3 Abs. 4 AGG). Schutzgut der Norm ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Inhalt dieses Selbstbestimmungsrechts ist es, selbst darüber zu entscheiden, ob man unter den gegebenen Umständen von einem anderen in ein sexualbezogenes Geschehen einbezogen werden will (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 18, juris = NJW 2017, 3018; Köhler/Koops, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Einmal grapschen erlaubt? BB 2015, 2808 f.). Der Schutz vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz ist nicht von der Art des Betriebs abhängig. In einem Produktionsbetrieb gelten keine anderen Maßstäbe als im Dienstleistungssektor, beispielsweise bei Banken und Versicherungen. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter muss nicht je nach Art des Arbeitsplatzes sexuelle Belästigungen in einem mehr oder weniger größeren Umfang hinnehmen.

Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist häufig Ausdruck von Hierarchien und Machtausübung und weniger Ausdruck von sexuell bestimmter Lust (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 19, juris = NJW 2017, 3018; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. April 2019 – 5 Sa 339/18 – Rn. 45, juris = PflR 2019, 767; Köhler/Koops, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Einmal grapschen erlaubt? BB 2015, 2809). Es geht darum, die eigene Macht zu demonstrieren und zu zeigen, wer das Sagen hat. Diese Machtausübung ist es, die beim Opfer Angst und Schuldgefühle verursacht. Erst wenn der Machtausübende nicht mehr vor Ort ist und keine Macht mehr ausübt, ist für viele Opfer der Zeitpunkt gekommen, Angst und Schuldgefühle zu überwinden und sich zu offenbaren (LAG Köln, Urteil vom 02. März 2018 – 6 Sa 952/17 – Rn. 53, juris = BGleiG E.II.2.8 AGG § 3 Abs. 4 Nr. 12). Sexualität ist das Mittel, das wirkungsvoll eingesetzt werden kann, um Macht auszuüben und zu beweisen. Sich gegen Machtmissbrauch zu wehren, ist schon normalerweise schwer genug. Angemessene Reaktionen sind bei brisanten Themen aber noch schwerer (Linde, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, BB 1994, 2416). Die Frau kann sich nur falsch verhalten. Ignoriert sie den Belästiger, bestärkt sie diesen, sodass die Belästigungen noch zunehmen können. Wehrt sie sich, kann sie sich schnell lächerlich machen und als prüde Spaßverderberin oder Nestbeschmutzerin dastehen. Beschwerdeinstanzen sind häufig Männer und gute Kumpel (Linde, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, BB 1994, 2414). In der Regel verliert nicht der Belästiger seinen Arbeitsplatz, sondern die belästigte Frau (Linde, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, BB 1994, 2416).

Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert nicht, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 21, juris = NJW 2017, 3018; BAG, Urteil vom 09. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 19, juris = NJW 2012, 407). Wie der Belästiger sein eigenes Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte, ist demnach unerheblich (BAG, Urteil vom 09. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 24, juris = NJW 2012, 407).

Der Beteiligte zu 3 hat seine Arbeitskollegin G., mit der er ein gemeinsames Büro teilte, in schwerwiegender Weise sexuell belästigt, indem er ihr zwei eindeutig pornografische Videos (VID-20161122-WA0005.mp4 und VID-20161122-WA0007.mp4) auf ihr Smartphone übersandte. Ob er sich damit zugleich strafbar gemacht hat, ist nicht von den Arbeitsgerichten zu bewerten. Die beiden Videos degradieren und erniedrigen Frauen zu reinen Sexualobjekten. Sie sind ekelerregend und abstoßend. Das gilt nicht nur für Frauen, sondern ebenso für Männer. Sie können nur als schwere Kränkung und Entwürdigung empfunden werden.

Der Beteiligte zu 3 hat Frau G. gezielt als Empfängerin ausgewählt. Er hat die Videos gerade nicht in der WhatsApp-Gruppe des Betriebsrats versandt, da er eben nicht alle Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder ansprechen wollte. Dementsprechend sollte und musste Frau G. die Nachrichten auf sich beziehen. Ein Versand der Nachrichten in der WhatsApp-Gruppe hätte zwar nichts an der sexuellen Belästigung geändert. Diese hätte Frau G. jedoch nicht persönlich nehmen müssen, da sie damit nicht allein gewesen wäre und sich nicht als Hauptzielgruppe hätte betrachten müssen. Der Beteiligte zu 3 hat diesen Weg jedoch bewusst nicht gewählt. Dass er die Videos noch anderen Betriebsratsmitgliedern zugesandt hat, entlastet ihn nicht. Zum einen konnte Frau G. das nicht wissen, weshalb sie die Nachrichten auf sich beziehen musste. Zum anderen erscheint die sexuelle Belästigung von Frau G. nicht in einem anderen Licht, wenn noch weitere Personen sexuell belästigt werden oder diese an der Zusendung solcher Videos Interesse haben.

Der Beteiligte zu 3 hat die Videos, was er selbst einräumt, weder aus sexuellen Motiven versandt noch hielt er diese für sexuell stimulierend. Die Videos sind ein Mittel, um die eigene Macht anhand der Ohnmacht anderer auszuspielen, erst recht wenn Grenzen dabei weit überschritten werden. Der Beteiligte zu 3 konnte nicht ansatzweise davon ausgehen, dass eine Frau, egal welchen Alters, an solchen Videos in irgendeiner Weise Gefallen finden könnte. Frau G. hat zu keinem Zeitpunkt signalisiert, Interesse an pornografischen Bildern oder Filmen zu haben. Sie hat nie positiv auf solche Nachrichten reagiert. Ebenso wenig wie der Beteiligte zu 3 konnte auch Frau G. diese Videos nicht als sexuell stimulierend empfinden. Da Frau G. sich zunächst nicht gewehrt hatte, sah sich der Beteiligte zu 3 herausgefordert, zunehmend anstößigeres Bildmaterial zu übersenden und die sexuelle Belästigung damit zu steigern. Dadurch drängte er Frau G. immer weiter in die Opferrolle und zwang sie zu einer Reaktion. Genau das will der Gesetzgeber mit dem Belästigungsverbot verhindern. Eine sexuelle Belästigung ist kraft Gesetzes verboten, nicht erst dann, wenn sich die oder der Betroffene hiergegen gewehrt und ausdrücklich „Nein“ gesagt hat.

Die Belästigung ist entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2 und 3 nicht deshalb „erwünscht“, weil Frau G. die Videos manuell gestartet und angesehen hat. Genau das war vom Beteiligten zu 3 gewollt, da er die Videoclips ansonsten nicht übersandt hätte. Er hat Frau G. nicht durch einen Hinweis vorgewarnt, was ebenso möglich gewesen wäre und das Ausmaß der Belästigung verringert oder von ihrer eigenen Entscheidung abhängig gemacht hätte. Zudem musste Frau G. – ebenso wie die Arbeitgeberin, der Betriebsrat und die Gerichte – die Videos betrachten, um das Verhalten des Beteiligten zu 3 und seine Botschaft richtig einschätzen zu können.

Die sexuelle Belästigung hat ihren Ursprung ausschließlich in der gemeinsamen Tätigkeit des Beteiligten zu 3 und von Frau G. im Betrieb der Arbeitgeberin. Eine private Beziehung zwischen beiden neben dem dienstlichen Verhältnis bestand nicht. Sie waren weder miteinander befreundet noch auf sonstige Weise privat miteinander verbunden. Die sexuelle Belästigung ist nicht der Privatsphäre der beiden Personen zuzuordnen. Ohne die gemeinsame Tätigkeit im Betrieb wäre es nicht zu dem Übergriff gekommen. Da beide nur beruflich miteinander zu tun hatten, wirkt sich eine sexuelle Belästigung zwangsläufig auf die Arbeitsbeziehung aus und lässt sich nicht von ihr trennen. Ob die sexuelle Belästigung innerhalb oder außerhalb der individuellen oder betrieblichen Arbeitszeit stattfindet, ist ohne Bedeutung. Ebenso wenig ist ausschlaggebend, wann und wo sich die belästigte Frau die Videos ansieht, ob das also innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit bzw. innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte geschieht. Das kann der Versender ohnehin nicht beeinflussen. Die Übersendung der Videos an Frau G. beruhte allein auf dem betrieblichen Kontakt. Das Fehlverhalten des Beteiligten zu 3 hat dementsprechend Bezug zum Arbeitsplatz.

Einer vorherigen einschlägigen Abmahnung des Beteiligten zu 3 bedarf es nicht. Die Pflichtverletzung wiegt so schwer, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der beteiligten Arbeitgeberin nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Beteiligten zu 3 erkennbar – ausgeschlossen ist.

Die Arbeitgeberin muss für einen zuverlässigen Schutz ihrer Beschäftigten vor sexuellen Belästigungen sorgen. Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen (§ 12 Abs. 3 AGG). Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist (§ 14 Satz 1 AGG).

Der Beteiligte zu 3 hat mit der Übersendung pornografischer Videos eine Situation geschaffen, die eine zukünftige störungsfreie Zusammenarbeit beider im Betrieb ausschließt. Der persönliche Angriff auf das Recht der sexuellen Selbstbestimmung von Frau G. macht einen weiteren kollegialen, vertrauensvollen Umfang miteinander unmöglich. Ihre Kränkung und Demütigung wirkt langfristig nach. Selbst nachdem Frau G. ihren Mut zusammengenommen und „Nein“ gesagt hat, sah der Beteiligte zu 3 keinen Anlass für den Versuch einer Wiedergutmachung. Stattdessen verstärkte er seinen Angriff auf Frau G., indem er nunmehr die übrigen Betriebsratsmitglieder einweihte und sich mit vagen Andeutungen aus der WhatsApp-Gruppe des Betriebsratsrats zurückzog. Hierfür gab es keinen Anlass, da er die Nachrichten zuvor auch nicht in dieser Gruppe versandt, sondern gezielt einzelne Empfänger ausgewählt hatte. Es war zu erwarten, dass die Nachricht des Beteiligten zu 3 in der WhatsApp-Gruppe des Betriebsrats zu Nachfragen führen würde, da er sein angesprochenes Fehlverhalten gerade nicht konkretisiert hatte. Das Opfer, Frau G., wurde damit erneut an den Pranger gestellt, da nunmehr das Interesse der bisher noch unbeteiligten Betriebsratsmitglieder geweckt war.

Die Abwägung der wechselseitigen Interessen schließt selbst eine zeitlich begrenzte Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der fiktiven Kündigungsfrist aus. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mehr als 20-jährigen Beschäftigungszeit des Beteiligten zu 3, seinem Lebensalter und seiner Unterhaltspflicht. Bislang sind in dem Arbeitsverhältnis keine Störungen aufgetreten, die zu einer Er- oder Abmahnung geführt haben. Eine jahrzehntelange unbeanstandete Tätigkeit verschafft dem Beteiligten zu 3 allerdings keine Sonderstellung, die es gestattet, sich grobe Pflichtverletzungen zulasten anderer Mitarbeiter/innen zu erlauben und deren Gesundheit sowie Beschäftigungsverhältnis zu gefährden. Aufgrund seiner beruflichen Karriere und der erworbenen Qualifikationen stehen seine Chancen nicht schlecht, auf dem Arbeitsmarkt eine vergleichbare anderweitige Beschäftigung zu finden, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen.

Sein Fehlverhalten wiegt schwer. Der Beteiligte zu 3 wusste, was er tat. Er kannte die versandten Videos und hat die Empfänger, u. a. Frau G., gezielt ausgewählt. Ein Versehen liegt nicht vor. Die Pflichtverletzung ist nicht einem Augenblicksversagen geschuldet.

Der Beteiligte zu 3 hat zwar, nachdem Frau G. ausdrücklich widersprochen hat, per WhatsApp erklärt, dass sie nicht alle Dateien habe bekommen sollen. Um welche Dateien es sich dabei handeln soll und weshalb sie dennoch an Frau G. verschickt wurden, hat er nicht erklärt. Ein ernsthaftes Bedauern lässt sich daraus nicht ableiten. Eine Wiederholungsgefahr ist weiterhin gegeben. Auch die Formulierung am Vormittag des nächsten Tages „... du musst schon entschuldigen ...“ ist nicht von einem ernsthaften Schuldbewusstsein und Reumütigkeit geprägt. Wie selbstverständlich hat der Beteiligte zu 3 ein Einlenken von Frau G. erwartet. Sie musste aber nichts entschuldigen. Es war an ihm, um Entschuldigung zu bitten. Wenn es ihm mit einer Entschuldigung ernst gewesen wäre, hätte er nicht anschließend noch andere Betriebsratsmitglieder in die Angelegenheit hineingezogen und eine andeutungsvolle Nachricht in der WhatsApp-Gruppe des Betriebsrats verfasst. Der Beteiligte zu 3 hat die Schuld nicht bei sich gesehen. Er ging weiterhin davon aus, dass eine Frau so etwas aushalten können muss. Das ist falsch. Die unerwünschte Zusendung pornografischer Bilder oder Videoclips ist eine sexuelle Belästigung und nicht etwas Normales im betrieblichen Alltag.

II. Kündigungserklärungsfrist

Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Die Arbeitgeberin hat erst mit Anhörung des Beteiligten zu 3 am 16.12.2016 Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt. Sie hat die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Ermittlungen in der gebotenen Eile durchgeführt. Angesichts der besonderen Umstände des Falles war es der Arbeitgeberin nicht möglich, den Beteiligten zu 3 bereits vor dem 14.12.2016 anzuhören. Der Arbeitgeberin war es nicht zumutbar, von Frau G. schon früher eine Erklärung einzufordern, ob sie das Fehlverhalten geahndet wissen will und als Zeugin hierfür zur Verfügung steht.

Die Arbeitgeberin durfte davon ausgehen, dass sie nur mit dem Einverständnis von Frau G. weitere Maßnahmen wegen der sexuellen Belästigung einleiten konnte. Die Zeuginnen J. und I. haben bestätigt, dass Frau G. sie ausdrücklich um eine vertrauliche Behandlung der Angelegenheit gebeten hat. Die Aussagen beider Zeuginnen sind glaubhaft. Beide Zeuginnen haben den Sachverhalt in sich stimmig und mit jeweils eigenen Worten detailreich geschildert. Obwohl die Vorgänge bereits einige Zeit zurückliegen, konnten sich beide gut an das Kerngeschehen erinnern, was angesichts der Einmaligkeit der Vorgänge nicht ungewöhnlich ist. Anzeichen für eine fehlerhafte Erinnerung liegen nicht vor. Beide Aussagen stimmen trotz unterschiedlicher Wortwahl und Darstellungsweise inhaltlich überein. Der Geschehensablauf ist im Übrigen plausibel und lebensnah. Die Kammer ist ohne Einschränkung von dem Wahrheitsgehalt der Aussagen überzeugt. Die Vernehmung weiterer Zeugen war nicht erforderlich, da für die Entscheidung allein erheblich ist, wie sich die Sachlage für die maßgeblichen Repräsentanten der Arbeitgeberin darstellte.

Die Arbeitgeberin durfte weiter davon ausgehen, dass Frau G. gerade wegen der sexuellen Belästigung arbeitsunfähig krank und in ärztlicher Behandlung gewesen ist. Frau G. war durch den Vorfall innerlich zusammengebrochen oder mit anderen Worten: hatte ihre innere Balance verloren. Sie erschien wie ein Häufchen Elend. Beiden Zeuginnen war der Inhalt der Filme zumindest teilweise bekannt, sodass sie den seelischen Zustand von Frau G. gut nachempfinden konnten.

Eine derartige Schockreaktion ist eine typische Folge sexueller Belästigungen, ebenso wie die Angst vor einer Bagatellisierung oder einer Schuld- und Verantwortungszuschreibung an das Opfer. Die Verarbeitung dieses Schocks kann unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen, eine aktive Grenzsetzung gegenüber der verursachenden Person verhindern oder eine zeitnahe Beschwerde bei Ansprechpersonen verzögern (Schröttle/Meshkova/Lehmann, Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention, Oktober 2019, www.antidiskriminierungsstelle.de, Seite 126). Häufig treten psychosomatische Beschwerden bis hin zu Depressionen und Wahnvorstellungen auf (Schär Moser/Mouton/Testa-Mader/Krings, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Die Perspektive der Betroffenen, September 2013, Seite 25).

Im Interesse von Frau G. durfte und musste die Arbeitgeberin zunächst davon absehen, sie um eine Erklärung zur Vertraulichkeit zu bitten. Es gab keine Anzeichen, dass sich Frau G. schon vor dem 14.12.2016 ausreichend stabilisiert hatte, um diese Entscheidung mit all ihren Konsequenzen treffen zu können. Die Arbeitsunfähigkeit beruhte auf der Diagnose F 33.2 G (Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome). Frau G. war zu der Zeit auch in psychologischer Behandlung. Zur Verarbeitung der Krise erschien es ihr notwendig, sich aktiv mit der erlittenen sexuellen Belästigung auseinanderzusetzen und hiergegen vorzugehen, anstatt diese ohnmächtig hinzunehmen. Es mag sein, dass Frau G. aufgrund ihrer physischen und psychischen Disposition von der sexuellen Belästigung durch den Beteiligten zu 3 schwerer getroffen wurde als es bei einer anderen Mitarbeiterin der Fall gewesen wäre. Frau G. litt schon früher an Depressionen. Ohne solche gesundheitlichen Einschränkungen hätte sie möglicherweise die Kraft gehabt, sich auf andere Art und Weise gegen die Übergriffe des Beteiligten zu 3 zu wehren. Diese Kraft hat sie aber in der damaligen Situation nicht aufbringen können, weshalb die sexuelle Belästigung bei ihr für die Arbeitgeberin erkennbar einen inneren Zusammenbruch ausgelöst hat. Ein derartiger innerer Zusammenbruch ist bei sexuellen Belästigungen keinesfalls untypisch. Der Beteiligte zu 3 wusste im Übrigen, dass Frau G. nicht vollkommen gesund war, wenn er auch die konkreten Leiden oder Diagnosen nicht im Einzelnen kannte oder kennen konnte.

Für die Arbeitgeberin stand der innere Zusammenbruch von Frau G. offensichtlich im Zusammenhang mit der sexuellen Belästigung. Frau G. war am Tag darauf, also am 23.11.2016, nicht in der Lage, ihrer Arbeit nachzugehen. Sie war nicht einmal mehr in der Lage, mit dem Beteiligten zu 3 allein zu sein und das gemeinsame Büro aufzusuchen. Deshalb musste Frau J. sie gegen Mittag nach Hause schicken. Für die Arbeitgeberin galt es vorrangig, Frau G. die nötige Zeit einzuräumen, um den Vorfall verarbeiten zu können. Der Schutz des Opfers durfte und musste im Vordergrund stehen. Ein derartiger innerer Zusammenbruch ist auch nicht in einigen wenigen Tagen überstanden, weshalb es die Arbeitgeberin nicht für angebracht halten durfte, Frau G. jedenfalls bis zum 14.12.2016 zu fragen, ob sie die Angelegenheit nun auf sich beruhen lassen oder aber weiterverfolgen wolle.

Nachdem die Arbeitgeberin von Frau G.s Entscheidung, die sexuelle Belästigung nicht einfach hinzunehmen, erfahren hatte, hat sie bereits zwei Tage später – also mit der gebotenen Eile – den Beteiligten zu 3 angehört. Der zeitliche Abstand von drei Wochen zwischen der Mitteilung der Vorwürfe gegenüber der kündigungsberechtigten Prokuristin und der Entbindung von der Vertraulichkeit durch die betroffene Arbeitnehmerin ist bei einer mit dem Vorfall zusammenhängenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, die psychologische Hilfe erforderlich sein ließ, noch nicht zu beanstanden (BAG, Beschluss vom 27. Juni 2019 – 2 ABR 2/19 – Rn. 34, juris = NJW 2020, 419).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Das Verfahren wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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