Bayerischer VGH, Urteil vom 10.04.2018 - 11 BV 18.259
Fundstelle
openJur 2020, 56344
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der am ... 1995 geborene Kläger ist nach Angaben seines Prozessbevollmächtigten angestellter Mietwagenfahrer und Chauffeur für Flughafentransporte. Er wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Nach einer Mitteilung des Polizeipräsidiums Ludwigsburg (Verkehrspolizeidirektion) vom 14. Januar 2016 an das Landratsamt München – Führerscheinstelle (im Folgenden: Landratsamt) wurde der Kläger am 13. Dezember 2015 gegen 12:45 Uhr als Fahrzeugführer im Bereich einer Rastanlage einer Verkehrskontrolle unterzogen. Dabei wurden in seiner rechten Jackentasche ein Päckchen "künstlicher Urin" und in seinem Rucksack ein Grinder mit Marihuana-Resten und ein Päckchen Longpaper gefunden. Um 14:26 Uhr wurde dem Kläger, der mit der Durchführung eines Urintests nicht einverstanden war, eine Blutprobe entnommen. Dem Gutachten der Gesellschaft für rechtsmedizinische Untersuchungen und Sachverständigentätigkeit Tübingen vom 4. Januar 2016 zufolge wurden folgende Werte festgestellt: 4,3 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 2,9 ng/ml 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC) und 37,8 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH).

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mitteilen, es habe sich um einen erst- und einmaligen Cannabiskonsum auf einer Party am 13. Dezember 2016 (gemeint wohl: 2015) zwischen 3:00 und 7:00 Uhr morgens gehandelt.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2016 entzog das Landratsamt dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L sowie zur Fahrgastbeförderung und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur Ablieferung seines Führerscheins und seines Fahrgastbeförderungsscheins für Mietwagen innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids. Der Kläger habe gelegentlich Cannabis konsumiert und durch seine Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis dokumentiert, dass er nicht bereit oder in der Lage sei, zwischen Cannabiskonsum und Fahren zu trennen. Seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen stehe damit fest. Das Landratsamt sei daher ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen zur sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis berechtigt.

Am 22. Juli 2016 gingen die vom Kläger übersandten Führerscheine beim Landratsamt ein.

Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29. Juni 2016 wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2016 zurück. Der Kläger habe mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert. Durch die Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis habe er seine Fahreignung verloren und diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht wieder erlangt.

Mit Urteil vom 9. Januar 2018 gab das Verwaltungsgericht München der Klage statt und hob den Bescheid des Landratsamts und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern auf. Ob der Kläger gelegentlicher Cannabiskonsument sei, könne dahinstehen. Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten könne die Fahrerlaubnisbehörde nach einer nur einmaligen Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 24. Januar 2018 eingelegten Berufung, der der Kläger entgegentritt, trägt die Landesanwaltschaft vor, der Kläger sei gelegentlicher Cannabiskonsument und habe sich durch die nachweisbare Fahrt unter Cannabiseinfluss als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Weder der Wortlaut des § 14 FeV noch die Systematik oder der Sinn und Zweck der Fahrerlaubnis-Verordnung noch schließlich verfassungsrechtliche Erwägungen würden die Auslegung durch den erkennenden Senat begründen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Januar 2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger sei nicht gelegentlicher Cannabiskonsument, sondern habe lediglich einmal Cannabis konsumiert. Außerdem führe eine einzelne Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis nicht sofort zur Ungeeignetheit mit der Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern verlange weitere Aufklärungsmaßnahmen. Als angestellter Mietwagenfahrer und Chauffeur für Flughafentransporte verschiedener Hotels sei er beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen.

Mit Schriftsatz vom 19. März 2018 (Klägerbevollmächtigter) und vom 3. April 2018 (Landesanwaltschaft Bayern) haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Mit Beschluss vom 27. März 2018 (Az. 11 AS 18.525) stellte der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L sowie zur Fahrgastbeförderung und gegen die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins und des Fahrgastbeförderungsscheins für Mietwagen wieder her und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger baldmöglichst den Führerschein und den Fahrgastbeförderungsschein zurückzugeben oder ihm Ersatzdokumente auszustellen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Bescheid vom 29. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist zwar gelegentlicher Cannabiskonsument und hat den Konsum von Cannabis einmal nicht vom Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Damit steht aber nicht fest, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Behördenentscheidungen daher zu Recht aufgehoben.

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13NJW 2015, 2439 Rn. 13). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Mai 2016 (BGBl I S. 1217), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2015 (BGBl I S. 1674), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).

Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Betreffende Konsum und Fahren trennt, nicht zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert und wenn keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust besteht. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt nach § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens.

2. Der Kläger hat gelegentlich Cannabis konsumiert. Gelegentlicher Konsum von Cannabis i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13NJW 2015, 2439 Rn. 20 ff.).

a) Ein einmaliger Konsum kann nur angenommen werden, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurück liegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falls, dass eine Person nach einem einmaligen Konsum zum einen bereits kurz darauf ein Kraftfahrzeug führt und zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät und die Polizei einen Drogentest veranlasst, ist in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (stRspr, BayVGH, B.v. 21.4.2015 –11 ZB 15.181 – juris Rn. 16; B.v. 4.4.2017 – 11 CS 17.364 – juris Rn. 16). Nur wenn eine substantiierte Darlegung für einen einmaligen Konsum spricht, ist ihre Glaubhaftigkeit unter Würdigung sämtlicher Fallumstände zu prüfen.

b) Den behaupteten einmaligen Cannabiskonsum auf einer Party am 13. Dezember 2015 zwischen 3:00 und 7:00 Uhr hat der Kläger weder substantiiert noch glaubhaft dargelegt.

Die Einlassung ist schon nicht substantiiert. Obwohl das Landratsamt im Anhörungsverfahren mit Schreiben vom 9. Juni 2016 unter Vorhalt des Abbauverhaltens von THC im Blutserum und dem Fund künstlichen Urins, eines Grinders und eines Päckchen Longpaper beim Kläger im Rahmen der Verkehrskontrolle erhebliche Zweifel an dessen Vorbringen geäußert hat, hat der Kläger zwar durch seinen Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren behaupten lassen, er habe später auf seinem Nachhauseweg nochmals eine Zigarette angeboten bekommen. Er hat jedoch nicht angegeben, zu welchem Zeitpunkt dies gewesen sein soll. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, um den bei der Blutuntersuchung festgestellten Wert von 4,3 ng/ml zu erklären.

Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar. Bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten sind bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festzustellen. Lediglich bei häufigem Cannabiskonsum kann ggf. selbst 24 bis 48 Stunden nach dem letzten Konsum noch eine positive THC-Konzentration im Serum nachgewiesen werden (vgl. Daldrup, Blutalkohol 55, 122/124 ff.). Diese Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2017 – 11 CS 16.240 – Blutalkohol 54, 140 = juris Rn. 13 ff. m.w.N.).

Hiervon ausgehend kann der beim Kläger um 14:26 Uhr festgestellte THC-Wert von 4,3 ng/ml weder auf den angeblich erst- und einmaligen Konsum zwischen 3:00 und 7:00 Uhr noch auf einen Konsum während eines baldigen Nachhausewegs zurückzuführen sein. Vielmehr muss der Kläger, um einen solchen Wert zu erreichen, entweder kurz vor der Fahrt nochmals oder aber häufig Cannabis konsumiert haben. In beiden Fällen ist von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen. Seine Einlassung, am 13. Dezember 2015 lediglich einmalig Cannabis konsumiert zu haben, ist jedenfalls keine plausible Erklärung für den festgestellten THC-Wert.

Im Übrigen ist seine Einlassung auch unglaubwürdig. Nach der Mitteilung des Polizeipräsidiums Ludwigsburg vom 14. Januar 2016, von deren Richtigkeit der Senat ausgeht, wurden bei der Verkehrskontrolle am 13. Dezember 2015 beide Fahrzeuginsassen durchsucht. Das Päckchen "künstlicher Urin" wurde in der rechten Jackentasche des Klägers aufgefunden; in seinem Rucksack befanden sich der Grinder mit Marihuanaresten und das Päckchen Longpaper. Entgegen der Darstellung seines Prozessbevollmächtigten im Widerspruch vom 8. Juli 2016 wurden die gefundenen Gegenstände somit eindeutig dem Kläger zugeordnet. Das Mitführen eines Päckchens "künstlicher Urin", eines Grinders mit Marihuanaanhaftungen und eines Päckchens Longpaper lässt darauf schließen, dass der Kläger nicht – wie behauptet – nur einmal und spontan Cannabis konsumiert hat, und dass er sich außerdem auf eine entsprechende Verkehrskontrolle vorbereitet hat.

Ebenfalls unbehelflich ist das vom Kläger im Klageverfahren vorgelegte ärztliche Attest vom 6. Oktober 2016, in dem der Verdacht auf eine Hashimoto-Struma und eine Schilddrüsenhypoplasie diagnostiziert wurden. Entgegen der Darstellung des Klägerbevollmächtigten geht aus diesem Attest nicht hervor, dass der "Abbau der im Blut befindlichen Betäubungsmittelkonzentration und deren Abbauprodukte verzögert" sei.

3. Der Kläger hat auch einmal gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen. Gemäß dem Gutachten der Gesellschaft für rechtsmedizinische Untersuchungen und Sachverständigentätigkeit Tübingen vom 4. Januar 2016 hat er mit einer Konzentration von 4,3 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut am Straßenverkehr teilgenommen. Dabei war eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13NJW 2015, 2439 Rn. 28 ff.).

4. Es steht damit jedoch nicht i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Kläger ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Das Landratsamt war nicht berechtigt, ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es hätte zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach § 46 Abs. 3 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 14 FeV Gebrauch machen und im Ermessenswege darüber entscheiden müssen, ob es nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet. An dieser Rechtsauffassung, die auch der Entscheidung vom 25. April 2017 (11 BV 17.33 – Blutalkohol 54, 268) zugrunde liegt, hält der Senat fest (a.A. VGH BW, B.v. 7.3.2017 – Blutalkohol 54, 142 = juris Rn. 4; OVG NW, U.v. 15.3.2017 – 16 A 432/16 – Blutalkohol 54, 328 = juris Rn. 143 ff.; NdsOVG, B.v. 7.4.2017 – 12 ME 49/17 – Blutalkohol 54, 274 = juris Rn. 7; OVG RhPf, B.v. 3.5.2017 – 10 B 10909/17 – Blutalkohol 54, 326 = juris Rn. 9, B.v. 1.3.2018 – 10 B 10060/18 – juris Rn. 8 ff.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.6.2017 – OVG 1 S 27.17 – juris Rn. 11; HessVGH, B.v. 21.9.2017 – 2 D 1471/17 – juris Rn. 12-14; OVG LSA, B.v. 6.9.2017 – 3 M 171/17 – juris Rn. 10 ff.; SächsOVG, B.v. 26.1.2018 – 3 B 384/17 – Blutalkohol 55, 165 = juris Rn. 4 ff.).

Die anlassbezogene Überprüfung der Kraftfahreignung ist zwar ebenso wie die Entziehung der Fahrerlaubnis eine (präventive) Sicherungsmaßnahme, die dazu dient, die Allgemeinheit vor Gefährdungen durch ungeeignete Kraftfahrer zu schützen. Da der Straßenverkehr hohe Risiken für Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer in sich birgt, müssen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hohe Anforderungen gestellt werden. Um dies sicherzustellen, ist eine präventive Kontrolle von Kraftfahrern verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (vgl. BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062.96 – NJW 2002, 2378 und 24.6.1993 – 1 BvR 689.92 – BVerfGE 89, 69; BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94BVerwGE 99, 249). Gleichwohl lagen hier die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne weitere (medizinisch-psychologische) Aufklärungsmaßnahmen nicht vor.

a) Nach dem Wortlaut des § 14 FeV mit der amtlichen Überschrift "Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel" begründen die dort genannten Umstände Eignungszweifel, bei denen die vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen sind. § 14 FeV betrifft damit keine Sachverhalte, bei denen die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne Weiteres von Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen und die Fahrerlaubnis entziehen kann.

Begründen Tatsachen die Annahme, dass Betäubungsmittelabhängigkeit, Betäubungsmitteleinnahme oder missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV zur Vorbereitung der zu treffenden Entscheidung im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung aufzuklären, ob tatsächlich Abhängigkeit oder (über den bloßen einmaligen Probierkonsum von Cannabis hinausgehende) Einnahme der genannten Substanzen besteht. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Bei Verwirklichung der in § 14 Abs. 2 FeV aufgeführten Tatbestände steht nach dem Wortlaut der Vorschrift ebenfalls nicht fest, dass der Betreffende ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, sondern es ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen. Darüber hinaus kann die Fahrerlaubnisbehörde nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bei (feststehender) gelegentlicher Einnahme von Cannabis eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen, wenn weitere Umstände Zweifel an der Eignung begründen.

Davon ausgehend liegt hier ein Fall des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vor, denn der Kläger hat gelegentlich Cannabis konsumiert und ist am 13. Dezember 2015 einmal bei der Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss aufgefallen. Dies begründet Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die die Fahrerlaubnisbehörde mit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege aufklären kann. Erst bei einer zweiten Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG ist die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV zwingend.

b) Auch die Entstehungsgeschichte des § 14 FeV spricht dafür, § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bei einer erstmaligen Cannabisfahrt anzuwenden. Bei §§ 13 und 14 FeV handelt es sich um Spezialvorschriften zu § 11 FeV, die der Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik und im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel dienen (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 256). Mit §§ 13 und 14 FeV wollte der Verordnungsgeber die Anlässe für eine Eignungsbegutachtung verbindlich festlegen (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 2) und normieren, welche Aufklärungsmaßnahmen in diesen Fällen zu ergreifen sind (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 260 und 262). Nach der Verordnungsbegründung zu § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV können weitere Umstände z.B. dann gegeben sein, wenn der Konsum im Zusammenhang mit dem Fahren erfolgte, wenn Kontrollverlust oder Störungen der Persönlichkeit vorliegen oder wenn der Betreffende zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 262 f.). Die Verordnungsbegründung bietet demgegenüber keinen Anhaltspunkt dafür, dass bereits bei der ersten Verkehrsordnungswidrigkeit unter Cannabiseinfluss von feststehender Ungeeignetheit i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV auszugehen ist, sondern spricht vielmehr dafür, dass bei solchen Fällen die Fahreignung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten abgeklärt werden kann.

Eine verbindliche Regelung, in welchen Fällen welche Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen sind, war bei Erlass der Fahrerlaubnis-Verordnung opportun, da unter der Geltung der Vorgängerregelung des § 15b der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) erhebliche Unsicherheiten insbesondere hinsichtlich der zulässigen Aufklärungsmaßnahmen bei Cannabisbesitz und -konsum aufgetreten waren (vgl. z.B. zu § 15b StVZO BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062.96 – NJW 2002, 2378; B.v. 30.1.2003 – 1 BvR 866.00 – Blutalkohol 41, 459 und B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689.92 – BVerfGE 89, 69). Die Rechtsprechung vertrat zu § 15b StVZO zum Teil die Auffassung, nur bei konkreten Anhaltspunkten für fehlendes Vermögen eines Cannabiskonsumenten, Konsum und Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen, sei die Behörde zur Aufklärung der dadurch hervorgerufenen Eignungszweifel berechtigt, ein Fahreignungsgutachten anzufordern (BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01NJW 2002, 78; BayVGH, U.v. 12.10.2000 – 11 B 98.632 – juris; B.v. 10.12.1997 – 11 CS 97.3062 – ZfSch 1998, 156). Andererseits wurde aber auch die Auffassung vertreten, schon der bloße Besitz oder Konsum von Cannabis rechtfertige die Anordnung von Aufklärungsmaßnahmen.

c) Für eine Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bei einer erstmaligen Cannabisfahrt spricht auch die Systematik der §§ 11, 13 und 14 FeV i.V.m. Anlage 4.

Als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wird in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 FeV die erforderliche Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers definiert und abschließend festgelegt, in welchen Fällen zur Klärung von Eignungszweifeln ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 FeV), ein medizinisch-psycho-logisches Gutachten (§ 11 Abs. 3 FeV) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV) gefordert werden kann (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 11 FeV Rn. 24, 28). Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 FeV bleiben medizinisch-psychologische Untersuchungen nach §§ 13 und 14 FeV in Verbindung mit den Anlagen 4 und 5 unberührt. Bei §§ 13 und 14 FeV handelt es sich hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens um abschließende Spezialvorschriften zu § 11 FeV (Dauer a.a.O. § 11 FeV Rn. 35, § 13 FeV Rn. 15, 17, § 14 FeV Rn. 10).

aa) Mit §§ 13 und 14 FeV wird geregelt, in welchen Fällen bei einer Alkohol- oder Drogenproblematik Zweifel an der Fahreignung vorliegen und welche Aufklärungsmaßnahmen jeweils zu ergreifen sind. Dabei sind die Vorschriften vergleichbar aufgebaut. Bei Eignungszweifeln, die nur einer medizinischen Abklärung bedürfen (Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Einnahme anderer Betäubungsmittel außer Cannabis, Abklärung des Konsumverhaltens bei Cannabisgebrauch), muss die Behörde nach § 13 Satz 1 Nr. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV ein ärztliches Gutachten anordnen, ohne dass ihr insoweit ein Ermessensspielraum verbleibt. Bei Eignungszweifeln, die auch einer psychologischen Begutachtung bedürfen, ist nach § 13 Satz 1 Nr. 2 und § 14 Abs. 2 FeV in den dort geregelten Fällen zwingend ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen.

Angesichts des unterschiedlichen Gefahrenmaßstabs bei Fahrten unter Einfluss von Drogen und Alkohol (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13NJW 2015, 2439 Rn. 33 ff.) wird der Fahrerlaubnisbehörde in § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, bei widerrechtlichem Betäubungsmittelbesitz im Ermessenswege ein ärztliches Gutachten anzuordnen, um zu klären, ob der Betreffende Betäubungsmittel einnimmt. Des Weiteren kann die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten schon bei Vorliegen weiterer Tatsachen, die Zweifel an der Eignung begründen, nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV im Ermessenswege eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen.

bb) Bei der Aufklärung der Eignungszweifel nach § 13 Satz 1 Nr. 2 und § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 FeV ist anhand des bekannt gewordenen Verhaltens des Betreffenden prognostisch zu untersuchen, ob eine Wiederholungsgefahr besteht, und daher in Zukunft mit weiteren entsprechenden Verkehrsverstößen zu rechnen ist (vgl. Nr. 1 Buchst. f der Anlage 4a und Fragenkatalog in den Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 62 f.). In den Beurteilungskriterien wird als Fragestellung des § 14 Abs. 1 FeV bei gelegentlichem Cannabiskonsum und zusätzlichen Eignungszweifeln in Form eines Verstoßes nach § 24a StVG formuliert: "Kann Herr/Frau ... trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum sowie der bekannten Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1/2 sicher führen?" (Beurteilungskriterien, S. 63). Diese ansonsten überflüssige Fragestellung impliziert, dass in diesem Fall eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet und nicht nach § 11 Abs. 7 FeV von Ungeeignetheit ausgegangen wird. Die Entscheidung, ob in diesen Fällen Eignung vorliegt, kann die Fahrerlaubnisbehörde regelmäßig nicht aus eigener Sachkenntnis, sondern nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung treffen.

Nach § 11 Abs. 7 FeV kann demgegenüber nur dann auf Aufklärungsmaßnahmen verzichtet werden, wenn die Fahrerlaubnisbehörde aus schon vorliegenden Erkenntnissen die Fahrungeeignetheit selbst feststellen kann. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn Drogen- oder Alkoholabhängigkeit (Nrn. 8.3 und 9.3 der Anlage 4) bereits ärztlich diagnostiziert worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 11 CS 17.23, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – beide juris) oder wenn die Einnahme harter Drogen, die ohne Weiteres nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Ungeeignetheit führt, sicher festgestellt oder von dem Betreffenden zugestanden worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 11 CS 16.1649, B.v. 13.9.2016 – 11 ZB 16.1565 – beide juris).

cc) Aus Anlage 4 ergibt sich keine andere Beurteilung. Mit dieser Anlage wurde der frühere "Mängelkatalog" in die Fahrerlaubnis-Verordnung übernommen (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94BVerwGE 99, 249). Sie enthält eine Auflistung verschiedener Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können (vgl. Nr. 1 der Vorbemerkung zur Anlage 4) und gibt Hilfestellung bei der Frage, ob ein Anlass zur Begutachtung gegeben ist, da die Fahrerlaubnisbehörde in aller Regel nicht die notwendigen Fachkenntnisse bei der Eignungsbeurteilung hat (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 254). Nach Nr. 2 der Vorbemerkung zur Anlage 4 ist Grundlage der im Rahmen der §§ 11, 13 oder 14 FeV vorzunehmenden Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, in der Regel ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr.

Nr. 9.2.2 und Nr. 8.1 der Anlage 4 legen keine Grenzwerte fest, bei denen automatisch von Ungeeignetheit wegen fehlenden Trennungsvermögens auszugehen ist. Vielmehr bedarf es stets einer psychologischen Beurteilung, ob aus dem bekannt gewordenen Verhalten des Betreffenden prognostisch der Schluss gezogen werden kann, dass auch in Zukunft keine Trennungsbereitschaft besteht (vgl. Nr. 1 Buchst. f der Anlage 4a). Nr. 9.2.2 der Anlage 4 bestimmt zwar, dass nur derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, der zwischen Cannabiskonsum und Fahren trennt, legt aber nicht fest, dass bereits ein einmaliger Verstoß zur Ungeeignetheit führt. Vielmehr ergibt sich aus der Regelungssystematik des § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 und der Vorbemerkung Nr. 2 der Anlage 4, dass dieser Frage im Regelfall durch die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nachzugehen ist (vgl. auch § 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 7, Abs. 8 StVG).

dd) Auch aus den unterschiedlichen Formulierungen in Nr. 8.1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ergibt sich nicht, dass einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten bereits beim ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot die Fahrerlaubnis zu entziehen wäre. Zwar fällt auf, dass Nr. 8.1 der Anlage 4 eine Definition des fahrerlaubnisrechtlichen Alkoholmissbrauchs enthält und für diesen Fall die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppen 1 und 2 verneint, während Nr. 9.2.2 der Anlage 4 bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis grundsätzlich Fahreignung bejaht, wenn der Betreffende Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol vorliegt. Ein Grund für diese abweichenden Formulierungen ist der Verordnungsbegründung nicht zu entnehmen. Dass damit unterschiedliche Anforderungen gestellt werden und deshalb im Falle von einmalig fehlendem Trennen von Cannabiskonsum und Fahren anders als bei Anhaltspunkten für fehlende Trennungsbereitschaft bei Alkoholkonsum ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen Ungeeignetheit angenommen werden soll, ist nicht ersichtlich.

ee) Bei diesem Normverständnis verbleibt auch für § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ein sinnvoller Anwendungsbereich, wenn zwei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a Abs. 2 StVG unter Cannabiseinfluss oder je eine Verkehrsordnungswidrigkeit unter Alkohol- und Cannabiseinfluss begangen worden sind. Würde demgegenüber bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten stets bei dem ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot von Fahrungeeignetheit ausgegangen und die Fahrerlaubnis entzogen, wären kaum Fallgestaltungen denkbar, in denen § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV überhaupt Anwendung finden könnte.

Die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV spricht dafür, dass diese Vorschrift einen breiteren Anwendungsbereich haben sollte. Bei der Einführung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl I S. 1338) wurden verschiedene Änderungen an der Fahrerlaubnis-Verordnung vorgenommen, um eine Gleichbehandlung von Alkohol- und Drogenkonsumenten zu erreichen. Zum einen wurden die Vorschriften bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit angeglichen. Nach der Verordnungsbegründung sollte die nach der damaligen Rechtslage unterschiedliche Handhabung bei der Beurteilung von früherer Alkoholabhängigkeit und früherer Drogenabhängigkeit einheitlich geregelt werden, da ein Grund für diese unterschiedliche Beurteilung im Hinblick auf die Verkehrssicherheit nicht ersichtlich sei (vgl. BR-Drs. 302/08, S. 62). Zum anderen wurde eine Gleichbehandlung bei fehlendem Trennungsvermögen zwischen Fahren und Konsum von Alkohol oder Cannabis hergestellt, indem in beiden Fällen beim zweiten Verstoß zwingend eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen ist (vgl. BR-Drs. 302/08, S. 57 f., 63). Daraus ergibt sich, dass der Verordnungsgeber eine bestehende Ungleichbehandlung bei mehrfachen Alkohol- oder Cannabisverstößen gesehen hat und diese beseitigen wollte. Hätte sich aus der damals schon wortgleich gefassten Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ergeben, dass bei der ersten Fahrt eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten unter Cannabiseinfluss die Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen zu entziehen ist, hätte die Einführung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht zu der beabsichtigten Gleichbehandlung bei dem zweiten Verstoß führen können. Dass der Verordnungsgeber im Jahr 2008 eine Vorschrift einführen wollte, die nur sehr selten anzutreffende Fallgestaltungen betrifft, ist nicht anzunehmen und ergibt sich auch nicht aus der Verordnungsbegründung.

ff) Der dargelegten Auslegung kann auch nicht entgegengehalten werden, sie hätte zur Folge, dass der nachgewiesene Konsum anderer Drogen als Cannabis nicht zum Verlust der Fahreignung gemäß § 11 Abs. 7 FeV führen würde, weil § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV auch auf solche Fälle anzuwenden wäre.

Richtig ist zwar, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht ausdrücklich auf wiederholte Verstöße gegen § 24a Abs. 2 und 3 StVG unter der Wirkung von Cannabis beschränkt ist. Da jedoch die Einnahme anderer Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 ohnehin zur Fahrungeeignetheit führt (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 262 unten), kann § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV trotz seines allgemeinen Verweises auf § 24a StVG nur bei Cannabiskonsumenten angewendet werden. Dass dies aus der Verordnungsbegründung zu der Vierten Änderungsverordnung nicht explizit hervorgeht, ist unschädlich. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber mit der Vierten Änderungsverordnung von der Annahme der Ungeeignetheit bei Einnahme von Betäubungsmitteln außer Cannabis abrücken und die fahrerlaubnisrechtlichen Folgen der Einnahme harter Drogen relativieren wollte.

gg) Ob die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr kurz nach dem Konsum von Cannabis und mit hohen THC-Konzentrationen im Blut, die nur als Ordnungswidrigkeit geahndet worden ist, noch einer Ermessensausübung der Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bedarf oder ob in solchen Fällen eine Ermessenreduzierung in Betracht kommt, sodass dann regelmäßig eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Insoweit bleibt es dem Normgeber überlassen, zum Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr etwaige Grenzwerte und deren fahrerlaubnis- oder strafrechtliche Relevanz festzulegen.

d) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift legen die oben dargelegte Auslegung des § 14 FeV nahe. §§ 11 bis 14 FeV dienen der Aufklärung von Eignungszweifeln. Damit soll die Sicherheit des Straßenverkehrs gewahrt werden, indem ungeeignete Kraftfahrer von der Teilnahme am motorisierten Verkehr ausgeschlossen und damit zukünftige Gefahren für die übrigen Verkehrsteilnehmer verhindert werden. Darüber hinaus dienen sie angesichts der nicht unbeträchtlichen Belastungen, die für den Betroffenen mit der Begutachtung verbunden sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15NJW 2017, 1765 Rn. 37), aber auch der Gleichbehandlung der Fahrerlaubnisbewerber und -inhaber.

Orientiert an diesen Zwecken erscheint es nicht gerechtfertigt, im Falle eines erstmalig fehlenden Trennens zwischen Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr in Form einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 oder Abs. 3 StVG ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen unmittelbar die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es ist nicht ersichtlich, dass gelegentliche Cannabiskonsumenten, die erstmals gegen das Trennungsgebot verstoßen und hierdurch den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt haben, eine größere Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen als Alkoholkonsumenten, die das Trennungsgebot im Rahmen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis d FeV nicht beachtet haben und dann "nur" eine medizinisch-psychologische Begutachtung durchführen lassen müssen. Im Übrigen sieht die Fahrerlaubnis-Verordnung – wie bereits ausgeführt – bei einer erstmaligen Fahrt nach Alkoholkonsum, die den Tatbestand des § 24a Abs. 1, Abs. 3 StVG erfüllt, im Unterschied zu § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht vor. Insoweit erweisen sich die Regelungen bei gelegentlichem Cannabiskonsum auch in der hier dargelegten Auslegung im Vergleich zu Trunkenheitsfahrten als "strenger".

e) Gegen die gefundene Auslegung spricht auch nicht, dass der Verordnungsgeber nicht eine der Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung in letzter Zeit zum Anlass genommen hat, insoweit korrigierend oder klarstellend tätig zu werden (so aber VGH BW, B.v. 7.3.2017 – 10 S 328/17 – Blutalkohol 54, 142 = juris Rn. 4).

Nachdem die Auslegung des § 14 FeV anhand seines Wortlauts, seiner Entstehungsgeschichte, der Systematik der §§ 11 bis 14 FeV und seines Sinn und Zwecks – wie ausgeführt – ergibt, dass bei erstmaligem Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV einschlägig ist, bestand für den Verordnungsgeber keine Veranlassung, die Fahrerlaubnis-Verordnung zu ändern, um dieses Ergebnis zu stützen.

f) Schließlich fügt sich das dargelegte Verständnis des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV auch in das System der ordnungs- und sicherheitsrechtlichen Maßnahmen sinnvoll ein.

Das Fahrerlaubnisrecht als Sicherheitsrecht hat die Aufgabe, Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu verhindern. Damit unter Sicherheitsgesichtspunkten ein Einschreiten geboten ist, müssen aus dem bekannt gewordenen Verhalten eines Fahrerlaubnisinhabers zukünftige Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs drohen, die die Gefahren nennenswert übersteigen, die von jedem Teilnehmer am motorisierten Straßenverkehr ausgehen.

Dabei nimmt es der Normgeber grundsätzlich hin, dass Verkehrsteilnehmer in gewissem Umfang Verkehrsordnungswidrigkeiten begehen, ohne dass ihnen sofort die Fahrerlaubnis entzogen wird. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Rahmen der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24, 24a StVG ist nicht vorgesehen, sondern es kommt nach § 25 StVG nur die Verhängung eines Fahrverbots in Betracht. Regelmäßig ist auch erst bei Erreichen von acht Punkten im Rahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 StVG) zwingend von Fahrungeeignetheit aus charakterlichen Gründen auszugehen und die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nach § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG nur dann nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG oder einer auf Grund § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Auch dann bedarf es jedoch zunächst der Abklärung der Fahreignung im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 bis 7 FeV).

Der erstmalige, ggf. nur fahrlässige Verstoß gegen ordnungsrechtliche Vorschriften, die bei einer Verkehrsteilnahme ab dem von der Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC-Konzentration im Blut regelmäßig auch bei länger zurückliegendem Konsum gegeben ist (vgl. BGH, B.v. 14.2.2017 – 4 StR 422/15NJW 2017, 1403 Rn. 14 ff.), trägt aber nicht zwingend eine Wiederholungsgefahr in sich, die zu einer Gefahrerhöhung für die anderen Verkehrsteilnehmer führt und deshalb die Annahme der Ungeeignetheit gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärung rechtfertigt. Die Geldbuße ist in der Regel eine Antwort auf "Bagatellunrecht" und mahnt zur künftigen Beachtung der Vorschriften (König in Hentschel/König/Dauer, § 24 StVG Rn. 42). Sowohl für einen ersten Verstoß gegen § 24a Abs. 1 StVG als auch gegen § 24a Abs. 2 StVG ist nach Nrn. 241 und 242 der Anlage zur Bußgeldkatalog-Verordnung (Bußgeldkatalog – BKat) ein Bußgeld von 500,- Euro und ein Monat Fahrverbot vorgesehen. Zwar ist den Behördenakten nicht zu entnehmen, ob gegen den Kläger ein solcher Bußgeldbescheid ergangen ist. Darauf kommt es jedoch für die fallübergreifend zu beantwortende Frage, ob bereits nach einer erstmaligen Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis ohne weitere Zusatztatsachen von feststehender Fahrungeeignetheit auszugehen ist, nicht an. Grundsätzlich erscheint es jedenfalls bei der ersten Verkehrsordnungswidrigkeit unter Cannabiseinfluss nicht ausgeschlossen, dass ein im Regelfall verhängtes Bußgeld von 500,- Euro und ein einmonatiges Fahrverbot zur Warnung ausreichen und beim Betroffenen eine Verhaltensänderung hervorrufen.

Die Annahme des Verordnungsgebers, Verkehrsordnungswidrigkeiten unter Alkohol- oder Cannabiseinfluss regelmäßig nur als Tatsachen anzusehen, die Bedenken gegen die Eignung i.S.d. § 2 Abs. 8 StVG i.V.m. §§ 13 und 14 FeV begründen und Ordnungswidrigkeiten ansonsten grundsätzlich nur im Rahmen des Fahreignungsbewertungssystems nach § 4 StVG bei Erreichen von acht Punkten als unmittelbaren Anlass zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu verwenden, spricht daher ebenfalls für das dargelegte Normverständnis.

Dem steht auch nicht entgegen, dass bei Fahrten mit sehr hohen THC-Konzentrationen im Blut und unmittelbar nach dem Konsum von Cannabis ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine Straftat i.S.v. §§ 315c316 StGB, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und deshalb eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht in Betracht kommt, obwohl sich schon ab einer THC-Serumkonzentration von 4 ng/ml ein erhöhtes Unfallrisiko findet (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp, Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Feststellung einer mangelhaften Trennung von Cannabiskonsum und Fahren anhand der Konzentration von Tetrahydrocannabinol [THC] im Blutserum, Blutalkohol 53, S. 409). Die von der Rechtsprechung zu den §§ 315c316 StGB entwickelten Grenzwerte für relative und absolute Fahrunsicherheit nach Alkoholkonsum finden bisher keine Entsprechung bei Fahrten unter Cannabiseinfluss. Das Fehlen solcher Grenzwerte kann jedoch nicht dazu führen, dass entgegen der abschließenden Festlegung von Anlässen für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in § 14 FeV Grenzwerte definiert werden, die bei nur ordnungswidrigem Verhalten zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Vorrangig wären dann zuerst Grenzwerte zu bestimmen, bei denen eine relative und absolute Fahrunsicherheit anzunehmen und damit Strafbarkeit gegeben ist und die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werden könnte.

5. Die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung konnte dem Kläger ebenfalls nicht ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen entzogen werden.

Zwar unterliegt die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nach § 48 Abs. 1 FeV höheren Anforderungen. Unter anderem muss der Bewerber bzw. Inhaber die Gewähr dafür bieten, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird (§ 48 Abs. 4 Nr. 2a, Abs. 5 Satz 2 Nr. 3, Abs. 9 Sätze 1 und 3, Abs. 10 Satz 1 FeV). Allerdings ist der Kläger, dem die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung am 2. Mai 2016 und somit erst nach dem Vorfall vom 13. Dezember 2015 erteilt wurde, nicht unter Drogeneinfluss mit einem zur Fahrgastaufnahme bereiten Fahrzeug gefahren (vgl. insoweit OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.11.2014 – OVG 1 N 2.14 – juris). Vielmehr handelt es sich um eine (erstmalige) Verfehlung im privaten Bereich, die auch hinsichtlich der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung allenfalls Anlass für weitere Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich der Trennungsbereitschaft hätte sein können (vgl. für eine Fahrt unter Alkoholeinfluss BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 11 CS 17.274NJW 2017, 2695 Rn. 28 ff.), aber nicht deren unmittelbare Entziehung rechtfertigt.

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war angesichts der schwierigen Rechtsfragen und des dadurch entstandenen Beratungsbedarfs für den rechtsunkundigen Kläger notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG).

7. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Angesichts der divergierenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist klärungsbedürftig, ob einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten schon nach der ersten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis entzogen werden muss.