BGH, Beschluss vom 13.05.2020 - VIII ZR 222/18
Fundstelle
openJur 2020, 6529
  • Rkr:
Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus - 5. Zivilkammer - vom 13. Juni 2018 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 4.238,40 €

Gründe

I.

Die Beklagte zu 1 ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin zu 1, deren Gesellschafter die Kläger zu 2 und zu 3 sind. Der Beklagte zu 2 wurde mit Zustimmung der Vermieterin in die Wohnung aufgenommen. Die monatliche Nettokaltmiete beträgt 327,64 € zuzüglich 25,56 € für einen Tiefgaragenplatz.

Die Klägerin zu 1 kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs des Klägers zu 3, Nichtleistung der Kaution und einer Zerrüttung des Mietverhältnisses.

Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe sowie die Beklagte zu 1 zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung an die Klägerin zu 1 bis zur Herausgabe der Wohnung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil teilweise abgeändert. Bezüglich der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe wurde - gestützt auf den Kündigungsgrund der Nichtleistung der Kaution - die Berufung zurückgewiesen; die Klage auf Zahlung einer künftigen Nutzungsentschädigung durch die Beklagte zu 1 hat es abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, in der Nichtleistung einer Kaution liege eine nicht unerhebliche Verletzung der mietvertraglichen Pflichten der Beklagten zu 1, welche der Klägerin zu 1 das Recht zur ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB gebe. Jedoch könne die Klägerin zu 1 von der Beklagten zu 1 nicht nach § 546a Abs. 1 BGB verlangen, dass diese bis zur Herausgabe der Wohnung eine monatliche Nutzungsentschädigung zahle. Diese auf eine künftige Leistung gerichtete Klage sei bereits unzulässig. Auf § 258 ZPO könne die Verurteilung nicht gestützt werden, da diese Norm nicht anwendbar sei, wenn die (künftige) Leistung von einer Gegenleistung abhänge. Ob dies bei einem Entschädigungsanspruch des Vermieters nach § 546a Abs. 1 BGB anzunehmen sei, sei umstritten, nach Ansicht des Berufungsgerichts aber zu bejahen. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO - Besorgnis einer Leistungsverweigerung des Schuldners - lägen nicht vor.

Das Berufungsgericht hat im Tenor seines Urteils die Revision zugelassen und hierzu in den Gründen ausgeführt, die Klärung der Frage, ob ein Anspruch auf künftige Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB im Wege der Klage nach § 258 ZPO durchgesetzt werden könne, insbesondere ob ein solcher Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diene der "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

Gegen dieses Urteil wenden sich die - ausschließlich zur Räumung und Herausgabe verurteilten - Beklagten mit ihrer Revision.

II.

Die Revision der Beklagten ist nach § 552 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht statthaft (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), weil sie vom Berufungsgericht für die Beklagten nicht zugelassen worden ist.

1. Die Revision wurde durch das Berufungsgericht nur beschränkt zugunsten der Klägerin zu 1 bezüglich des abgewiesenen Anspruchs auf Zahlung einer künftigen Nutzungsentschädigung (§ 546a Abs. 1 BGB) zugelassen.

a) Der Tenor des Berufungsurteils enthält insoweit zwar keine Beschränkung der Zulassung. Allerdings kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung, die nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Entscheidungsformel im Lichte der Urteilsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen des Urteils klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 2017 - II ZR 16/16, NJW-RR 2018, 39 Rn. 9; vom 5. Dezember 2018 - VIII ZR 67/18, juris Rn. 17; vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 361/18, WM 2020, 469 Rn. 24; vom 29. April 2020 - VIII ZR 355/18, unter B I 2 a, zur Veröffentlichung bestimmt; jeweils mwN).

Weiter ist anerkannt, dass sich aus den Entscheidungsgründen eines Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit ergeben kann, dass die Revision nur bezüglich der Partei zugelassen worden ist, zu deren Nachteil das Berufungsgericht die von ihm als klärungsbedürftig empfundene Rechtsfrage entschieden hat. Die Zulassung der Revision wirkt in diesem Fall nicht zugunsten der Partei, zu deren Gunsten die Rechtsfrage entschieden worden ist und die das Urteil aus gänzlich anderen Gründen angreift (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. November 2003 - VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426 unter II; Beschlüsse vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 6; vom 27. März 2014 - III ZR 387/13, juris Rn. 5; vom 13. Mai 2014 - VIII ZR 264/13, juris Rn. 8 f.; vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 11; jeweils mwN).

b) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hat das Berufungsgericht mit der gebotenen Eindeutigkeit die Revision nur zugunsten der Klägerin zu 1 und nur bezüglich der dieser nicht zuerkannten Nutzungsentschädigung (§ 546a Abs. 1 BGB) zugelassen.

Es hat die Zulassung der Revision mit der aus seiner Sicht bestehenden Klärungsbedürftigkeit der Frage begründet, ob ein Anspruch auf künftige Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB von einer Gegenleistung abhänge und - dies bejahend - damit nicht im Wege einer Klage nach § 258 ZPO, wonach bei wiederkehrenden Leistungen auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden kann, durchgesetzt werden könne. Hierzu hat es verschiedene Stimmen aus der Literatur zitiert. Diese Frage stellt sich - offensichtlich - nur bei der Prüfung jenes Entschädigungsanspruchs und nicht bei dem hiervon eindeutig abgrenzbaren Streitstoff des - durch die Beklagten mit ihrer Revision angegriffenen - Räumungs- und Herausgabeanspruchs (§ 546 Abs. 1, 2 BGB).

c) Entgegen der Ansicht der Revision wird diese Eindeutigkeit der Beschränkung nicht durch den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Berufungsurteil in Frage gestellt.

Das Berufungsgericht hat den Beklagten bezüglich des Räumungsanspruchs eine Abwendungsbefugnis (§ 708 Nr. 10, § 711 ZPO) eingeräumt und nicht § 713 ZPO angewandt. Aus Sicht der Revision folge hieraus, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, dass (auch) den Beklagten ein statthaftes Rechtsmittel zustehe. Da eine Nichtzulassungsbeschwerde unstatthaft sei, könne dies somit nur die - auch zugunsten der Beklagten zugelassene - Revision sein; denn bei einer Zulassung der Revision allein für die Klägerin zu 1 hätte nach § 713 ZPO eine Vollstreckungsabwehrmöglichkeit nicht gewährt werden dürfen.

Mit dieser Argumentation vermag die Revision nicht durchzudringen. Zwar verweist sie insoweit zutreffend darauf, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde für die Beklagten bezüglich der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe mangels Erreichens des Beschwerdewertes, welcher sich gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag der Nettomiete bemisst, da es sich vorliegend um ein unbefristetes Mietverhältnis handelt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 17. Januar 2017 - VIII ZR 178/16, WuM 2017, 162 Rn. 3 mwN), unstatthaft wäre (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Somit bestünde - bei Nichtzulassung der Revision (auch) zugunsten der Beklagten - für diese eine Rechtsmittelmöglichkeit nicht, mit der Folge dass gemäß § 713 ZPO das Unterbleiben der Anordnung einer Abwendungsbefugnis (§ 711 ZPO) in Betracht gekommen wäre. Hierzu hat sich das Berufungsgericht jedoch nicht erklärt und die Anordnung der Abwendungsbefugnis lediglich mit der Nennung von § 708 Nr. 10, § 711 ZPO begründet.

Aus dieser nicht begründeten Nichtanwendung von § 713 ZPO im Rahmen des Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich vorliegend keine Zweifel an der Eindeutigkeit der beschränkten Revisionszulassung zur Hauptsache. Die Ausführungen in den Urteilsgründen sind - wie dargestellt hinreichend klar. Demgegenüber fehlt - wie üblich - eine nähere Begründung zum Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Deshalb können hieraus vorliegend Rückschlüsse auf den Umfang der Revisionszulassung nicht gezogen werden.

2. Die danach vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam.

a) Dem Berufungsgericht ist anerkanntermaßen die Möglichkeit eröffnet, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 13; Senatsbeschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 20; jeweils mwN). Voraussetzung hierfür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15, aaO Rn. 14; vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 21; jeweils mwN).

b) Diese Voraussetzungen liegen vor, da es sich bei dem Anspruch auf (künftige) Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB - was auch die Revision nicht in Abrede stellt - im Vergleich zum Räumungs- und Herausgabeanspruch (§ 546 Abs. 1, 2 BGB) um einen nach Vorstehendem rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs handelt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Milger Dr. Schneider Kosziol Dr. Schmidt Wiegand Vorinstanzen:

AG Cottbus, Entscheidung vom 26.04.2017 - 41 C 187/16 -

LG Cottbus, Entscheidung vom 13.06.2018 - 5 S 45/17 -