VG Augsburg, Beschluss vom 05.03.2018 - Au 6 K 18.30378
Fundstelle
openJur 2020, 56209
  • Rkr:
Tenor

I. Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg erklärt sich für die Verfahren Au 6 K 18.30378 und Au 6 S 18.30379 für örtlich unzuständig.

II. Die Verfahren werden an das Verwaltungsgericht ... verwiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt den Endentscheidungen vorbehalten.

Gründe

I.

Der am ... 1981 in Deutschland geborene und aufgewachsene Kläger und Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und jesidischer Religionszugehörigkeit und begehrt Asyl.

Der Antragsteller, dessen Ehefrau, Kinder, Eltern und Geschwister in der Bundesrepublik leben, stellte erstmals am 1. März 1985 einen Asylantrag (Az. ...), der mit bestandskräftigen Bescheid vom 18. Januar 1991 abgelehnt wurde. Von 1996 bis 2006 wurde er wegen einer Vielzahl an Delikten (u.a. Körperverletzung, Diebstahl, Betrug, Betäubungsmitteldelikte, falsche Verdächtigung, uneidliche Falschaussage, Verkehrsdelikte) mit 15 Strafurteilen u.a. zu einer insgesamt fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Bescheid vom 21. August 2006 wurde der Antragsteller aus der Bundesrepublik ausgewiesen. Am 6. Mai 2010 tauchte der Antragsteller ausweislich des Ausländerzentralregisters unter, kehrte am 21. Juni 2010 aus dem Ausland in die Bundesrepublik zurück und wurde am 1. Juli 2010 in die Türkei abgeschoben. Die Wiedereinreisesperre wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 25. September 2013 (Az. ...) auf den 30. Juni 2016 befristet. Die Visumanträge des Klägers vom 4. Juli 2015 und vom 15. November 2016 wurden durch das Generalkonsulat ... bzw. durch das Generalkonsulat ... abgelehnt. Am 24. Dezember 2016 wurde der Kläger in Kroatien aufgegriffen, saß dort aufgrund eines Haftbefehls bis zum 3. Januar 2017 in Auslieferungshaft, wurde am 4. Januar 2017 der Bundesrepublik überstellt und in die Justizvollzugsanstalt ... gebracht. Am 1. März 2013 stellte der Kläger aus der Haft heraus einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Bei seiner Haftentlassung am 29. März 2017 wurde dem Kläger eine Anlaufbescheinigung für eine Erstaufnahmeeinrichtung in ... (Regierungsbezirk, Bayern) ausgehändigt. Der Kläger wurde am 6. April 2017 in dieser Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommen, tauchte jedoch am 9. April 2017 unter. Am 4. Mai 2017 erschien er zu seiner Anhörung vor dem Bundesamt in .... Am 25. Juli 2017 wurde der Kläger durch eine Polizeiinspektion aufgegriffen, tauchte jedoch am 20. Dezember 2017 erneut unter. Seit dem 15. Januar 2018 befindet sich der Kläger in der Justizvollzugsanstalt ... erneut in Untersuchungshaft. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 12. Februar 2018 den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (Nr. 2) jeweils als offensichtlich unbegründet ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Die Abschiebung in die Türkei wurde angedroht (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5). Nach der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:war Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg zu erheben. Mit Telefax vom 16. Februar 2018 ließ der Kläger VwGO beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5. Mit Schreiben vom 1. März 2018 gab das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der beabsichtigten Verweisung an das Verwaltungsgericht .... Mit Beschluss vom 2. März 2018 ist das Verfahren Au 6 K 18.30378 auf die Einzelrichterin übertragen worden.

II.

Nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO ist in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem erstinstanzlichen Gericht, § 83 S. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 1 GVG (sog. perpetuatio fori).

Zwar hat der Kläger eine Anlaufbescheinigung für eine Erstaufnahmeeinrichtung im Regierungsbezirk ... (Bayern) erhalten. Seit dem 15. Januar 2018 befindet sich der Kläger indes in der Justizvollzugsanstalt ... in Untersuchungshaft. Ein inhaftierter Asylbewerber hat, wie sich auch aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ergibt, seinen Aufenthalt gem. § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO (zwangsweise) im Bezirk desjenigen Verwaltungsgerichts zu nehmen, in dem sich die Justizvollzugsanstalt befindet (VG Bayreuth, B.v. 19.1.2017 – B 3 17.30091 – juris Rn. 2; VG München, B.v. 11.1.2017 – M 1 S 16.51276 – juris Rn. 1; VG Ansbach, B.v. 11.10.2013 – AN 9 S 13.30818 – juris Rn. 2; VG Stuttgart, B.v. 6.2.2008 – A 9 K 6354/07 und 9 K 6354/07 – juris Rn. 4; BR-Drs 506/14, S. 13). Eine Zuweisungsentscheidung in einen anderen Gerichtsbezirk wird auch ohne ausdrückliche Änderung im Falle einer Inhaftierung gegenstandslos, da asylrechtlich keine Möglichkeit einer anderweitigen Aufenthaltsbestimmung besteht.

Das Verfahren war deshalb – nach entsprechender vorheriger Anhörung der Beteiligten – durch die Einzelrichterin nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Verwaltungsgericht ... zu verweisen, da der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung in der Justizvollzugsanstalt ... inhaftiert war und es noch immer ist. Eine mündliche Verhandlung war nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG nicht erforderlich. Über die im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg angefallenen Kosten wird das Verwaltungsgericht ... zu entscheiden haben (§ 83 Satz 1 VwGO, § 17b Abs. 2 GVG).

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG und § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar.