OLG Köln, Beschluss vom 22.01.2020 - 18 Wx 22/19
Fundstelle
openJur 2020, 1150
  • Rkr:

"Eine Anteilsgewährungspflicht besteht grundsätzlich auch bei einer Verschmelzung beteiligungsidentischer Schwestergesellschaften eines einzelnen Gesellschafters. Für den Verzicht auf die Anteilsgewährung nach § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG reicht es in diesem Fall jedoch aus, wenn dieser sich konkludent aus dem Verschmelzungsvertrag ergibt."

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln - Registergericht - vom 9. Oktober 2019, Az. HR B 62710, aufgehoben.

2. Das Registergericht wird angewiesen, die Eintragung gemäß der Anmeldung vom 21. August 2019 des Notars Dr. A - UR Nr. 2xx9/2019 - vorzunehmen.

Gründe

I.

Am 21.08.2019 schloss die Beteiligte zu 1. als übertragende Gesellschaft einen Verschmelzungsvertrag mit ihrer Schwestergesellschaft, der Beteiligten zu 3., als übernehmender Gesellschaft auf Grundlage der Bilanz zum 31.12.2018. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer beider Gesellschaften ist der Beteiligte zu 2. Unter "III." heißt es im Verschmelzungsvertrag:

"Die Verschmelzung erfolgt, ohne dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt werden."

Auch eine weitere Anteilsgewährung sieht der Vertrag nicht vor.

Am 27.08.2019 ging die Anmeldung der Verschmelzung bei Gericht ein. Am 05.09.2019 erstellte der anmeldende Notar eine notarielle Eigenurkunde, wonach die Nichtgewährung von Anteilen im Verschmelzungsvertrag als Verzicht auf Anteilsgewährung durch den Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zu verstehen sei.

Mit Beschluss vom 09.10.2019 (Bl. 41 d. A.) hat das Amtsgericht Köln den Antrag auf Eintragung der Verschmelzung kostenpflichtig zurückgewiesen. Die angemeldete Verschmelzung sei nicht eintragungsfähig, da der Verschmelzungsvertrag wegen eines Verstoßes gegen die Anteilsgewährungspflicht nichtig sei. Der Vertrag enthalte auch weder ausdrücklich noch konkludent eine Verzichtserklärung des Gesellschafters der übertragenden Gesellschaft. Dieser Mangel des Vertrages führe zu dessen Nichtigkeit und nicht bloß zur Anfechtbarkeit und sei deshalb nicht heilbar. Auch eine Neuvornahme des Vertrages sei wegen Versäumnis der Frist aus § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG nicht mehr möglich.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 22.10.2019 Beschwerde eingelegt (Bl. 47 d. A). Bei beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften bestehe bereits von vorneherein keine Pflicht zur Anteilsgewährung. Durch die Erklärung unter "III." im Verschmelzungsvertrag habe der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft auf die Anteilsgewährung außerdem wirksam verzichtet. Wegen der Personenidentität könne es trotz fehlender ausdrückliche Erklärung nicht zu Unsicherheiten für den Rechtsverkehr kommen, sodass eine ausdrückliche Erklärung jedenfalls hier nicht erforderlich sei. Selbst wenn eine ausdrückliche Verzichtserklärung erforderlich sei, führe deren Fehlen nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit des Verschmelzungsvertrags. Die Anteilsgewährung sei kein unverzichtbarer Vertragsbestandteil, insoweit sei § 5 Abs. 2 UmwG analog anzuwenden, wenn von § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG Gebrauch gemacht worden ist. Somit könne die Erklärung formgerecht nachgeholt werden, die fristgerechte Anmeldung der Verschmelzung sei insoweit ausreichend zur Wahrung der Acht-Monats-Frist nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG.

Am 07.11.2019 hat das Amtsgericht Köln beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorzulegen (Bl. 71 d. A.). Die Beschwerde führe nicht zu einer anderen Beurteilung, da sie insbesondere nicht zwischen den Erklärungen der Anteilsinhaber und der Gesellschaften als Parteien des Verschmelzungsvertrages unterscheide. Die Formulierung unter "III." des Verschmelzungsvertrages lasse offen, aus welchem Grund keine Anteilsgewährung erfolgt und könne daher nicht als konkludenter Verzicht ausgelegt werden. Die Anteilsgewährung sei sehr wohl unverzichtbarer Vertragsbestandteil, sodass deren Fehlen bzw. das Fehlen einer Verzichtserklärung zur Nichtigkeit und nicht bloß zur Anfechtbarkeit des Vertrages führe. Dabei könne insbesondere nicht danach unterschieden werden, ob eine Gesellschaft mehrere oder nur einen Anteilseigner hat.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Verschmelzung ist eintragungsfähig. Der notarielle Verschmelzungsvertrag vom 21.08.2019 ist wirksam und weder nichtig noch anfechtbar. Insbesondere ist der Vertrag nicht wegen fehlender Angaben zur Anteilsgewährung nichtig, § 5 Abs. 1 Nr. 2-5 UmwG. Angaben zur Anteilsgewährung sind nicht erforderlich, wenn der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft wirksam auf die Anteilsgewährung verzichtet hat, § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG (vgl. Heidinger, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, UmwG § 5 Rn. 36). Dies ist entgegen der vom Handelsgericht vertretenen Auffassung hier der Fall.

1. Es besteht grundsätzlich eine Anteilsgewährungspflicht. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme sind den bisherigen Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers in der Regel Geschäftsanteile am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren (vgl. §§?2, 5 Abs.?1 Nr.?2, 20 Abs.?1 Nr.?3 UmwG; Kleindiek, in: Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Auflage 2019, UmwG § 55 Rn. 1). Dies gilt grundsätzlich auch für Schwestergesellschaften (vgl. KG v. 22.09.1998 - 1 W 4387/97, OLG Hamm v. 03.08.2004 - 15 W 236/04, OLG Frankfurt v. 10.03.1998 - 20 W 60/98, jeweils bei juris abrufbar).

2. Auf diese Anteilsgewährung hat der Beteiligte zu 2. als alleiniger Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft jedoch wirksam verzichtet, § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG.

a) Ein ausdrücklicher Verzicht liegt allerdings nicht vor. In Abschnitt "III." des Verschmelzungsvertrags heißt es lediglich beschreibend, dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft solche Anteile nicht gewährt werden.

b) Der Beteiligte zu 2. hat jedoch als alleiniger Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft konkludent auf die Anteilsgewährung verzichtet.

aa) Ein konkludenter Verzicht ist - wie bei jeder Willenserklärung - zunächst möglich. Er kann beispielsweise in der positiven Stimmabgabe zum Verschmelzungsbeschluss oder darin gesehen werden, dass der Verschmelzungsvertrag keine Anteilsgewährung vorsieht oder den Beteiligungsumfang an der übernehmenden GmbH abweichend vom (angemessenen) Umtauschverhältnis festsetzt (vgl. Kocher, in: Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, § 54 UmwG Rn.?19, 21; Simon/Nießen, in: Kölner Kommentar UmwG, § 54 UmwG Rn.?56). Wegen der besonderen Bedeutung der Verzichtserklärung, die sich auch in dem Formerfordernis des § 54 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz UmwG niederschlägt, ist bei der Auslegung jedoch grundsätzlich Zurückhaltung geboten; eine ausdrückliche Erklärung wird deshalb in der Literatur für empfehlenswert gehalten, schon um Schwierigkeiten beim Registervollzug zu vermeiden (vgl. Kleindiek, in: Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Auflage 2019, UmwG § 54 Rn. 32; M. Winter/J. Vetter, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. Auflage 2019, § 54 Rn.?88; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: 178. EGL, § 54 Rn.?51.1). Aus dieser - zutreffenden - Zweckmäßigkeitsüberlegung folgt aber nicht, dass nur eine ausdrückliche Erklärung den Anforderungen des § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG genügt, sondern lediglich, dass bei verbleibenden Zweifeln davon auszugehen ist, dass die Erklärung nicht abgegeben worden ist.

bb) Solche Zweifel ergeben sich bei der Auslegung der in der Urkunde vom 21.08.2019 u. a. auch vom Beteiligten zu 2. abgegeben Erklärungen jedoch nicht. Vorliegend ist bei der Auslegung der abgegebenen Erklärungen besonders zu berücksichtigen, dass es sich um zwei Schwestergesellschaften handelt, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter jeweils der Beteiligte zu 3. ist. Ein Verzicht auf die Anteilsgewährung hat somit auf die Zusammensetzung der Gesellschafter und die Anteilsverteilung keine Auswirkungen jenseits der Zahl der Anteile und der Höhe des Stammkapitals.

Der Beteiligte zu 3., der nicht nur alleiniger Gesellschafter, sondern auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer beider beteiligten Gesellschaften ist, hat erkennbar weder eine Kapitalerhöhung noch eine Veränderung der Anteilsverteilung gewollt. Das kann der Regelung in "III." des Verschmelzungsvertrags, nach der "[d]ie Verschmelzung erfolgt, ohne dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt werden", entnommen werden. Im Gesellschaftsvertrag wird zwar nicht trennscharf zwischen der Bildung neuer Anteile und der Gewährung dieser Anteile differenziert. Auch eine klare Darstellung, in welcher Funktion die Erklärung abgegeben wird, fehlt. Nachdem Herr B jedoch die einzige beteiligte natürliche Person ist, wäre es reiner Formalismus, erhöhte Anforderungen an die jeweiligen Erklärungen zu stellen; es ist völlig fernliegend, annehmen zu wollen, der Beteiligte zu 3. habe als Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften Erklärungen abgegeben, die sich nicht völlig mit seinem Willen als Geschäftsführer deckten.

Auch Sinn und Zweck der Anteilsgewährungspflicht rechtfertigen ein anderes Verständnis nicht. Dieser liegt darin, die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft nach der Verschmelzung an der übernehmenden Gesellschaft zu beteiligen (vgl. § 2 UmwG). Sinn und Zweck der Forderung einer Verzichtserklärung ist, die Gesellschafter vor einem leichtfertigen Verlust dieser Rechtspositionen zu warnen und ihnen die Tragweite ihrer Entscheidung bewusst zu machen. Insbesondere soll verhindert werden, dass durch die Verschmelzung Minderheitsgesellschafter ohne Kompensation ihre Mitgliedschaftsrechte verlieren können. Beide Funktionen laufen jedoch leer, wenn - wie hier - eine einzelne natürliche Person alleiniger Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften ist. Da der alleinige Beteiligte sowohl ohne als auch mit Verzicht auf die Anteilsgewährung nach der Verschmelzung alleiniger Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft ist, droht ihm nicht der Verlust von Rechtspositionen. Er muss deshalb weder gesondert an der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt werden, noch muss er gewarnt werden, um ihm die Tragweite seiner Entscheidung bewusst zu machen. In keinem Fall steht er durch den Verzicht schlechter, als er bei einer Anteilsgewährung gestanden hätte. Weitere (Minderheits-)Gesellschafter, deren Rechte besonders geschützt werden müssen, sind vorliegend nicht beteiligt.

Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die Parteien des Verschmelzungsvertrags fälschlicherweise von einem Kapitalerhöhungsverbot ausgegangen sind. Zum einen fehlen hierfür bereits Anhaltspunkte in der Formulierung der Regelung unter "III." im Verschmelzungsvertrag. Zum anderen besteht jedenfalls auch hier kein Schutzbedürfnis des Gesellschafters der übertragenden Gesellschaft. Als alleiniger Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft steht ihm jedenfalls nach der Verschmelzung frei, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, wenn er bei der Verschmelzung fälschlicherweise von einem Verbot ausgegangen sein sollte.

cc) Dies widerspricht auch nicht dem Formerfordernis des § 54 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz UmwG. Wie bereits dargestellt, besteht das Formerfordernis im Wesentlichen zur Warnung der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft vor dem gegebenenfalls kompensationslosen Verlust ihrer Mitgliedschaftsrechte. Im speziellen Fall zweier Schwestergesellschaften, die - wie hier - einen personenidentischen Alleingesellschafter haben, läuft diese Funktion jedoch ins Leere, sodass wie bereits bei der Auslegung keine erhöhten Anforderungen an die Erklärungen zu stellen sind. Daher reicht im Ergebnis aus, dass sowohl die Erklärung der Nichtgewährung von Anteilen als auch die Zustimmungserklärungen und damit die dem konkludenten Verzicht zugrundeliegenden Erklärungen notariell beurkundet sind (vgl. auch Illert/König, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 8, 5. Auflage 2018, § 15 Rn. 229).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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