OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.06.2018 - 3 Ws 425/17
Fundstelle
openJur 2019, 35910
  • Rkr:
Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Nebenbeteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2015 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dadurch der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter der Beschuldigten A. Gegen A wird seit Ende 2013 ein umfangreiches Ermittlungsverfahren geführt. Ihr wird vorgeworfen, mehrere "Terminswohnungen" betrieben zu haben, in denen in wechselnder Besetzung durchschnittlich vier Chinesinnen der Prostitution nachgingen. Die Prostituierten sollen bei der Beschuldigten sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Im Tatzeitraum habe A Sozialversicherungsbeiträge im Gesamtumfang von 599.285,09 € nicht abgeführt. Von ihren illegalen Einnahmen habe A insgesamt 379.085,57 € ihrer Mutter zukommen lassen.

Mit Beschluss vom 30. April 2015 hat deswegen das Amtsgericht Frankfurt am Main den dinglichen Arrest in Höhe von 379.085,57 € in das Vermögen der Nebenbeteiligten angeordnet. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - .../15).

Mit Beschluss vom 8. Januar 2016 hob der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Haftbefehl gegen die Beschuldigte A aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf (Az. 1/15). Dem lag die Ansicht zugrunde, dass die Schadenssumme unter 30.000,-- € liege und die Straferwartung dementsprechend niedrig sei.

Am 1. März 2016 beantragte die Nebenbeteiligte, den Arrestbeschluss vom 30. April 2015 aufzuheben. Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. März 2016 zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Nebenbeteiligten verwarf das Landgericht (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. Juni 2016 - 5/29 Qs 17/16). Diese Entscheidung greift die Nebenbeteiligte mit der weiteren Beschwerde an.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Arrestbeschluss ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufzuheben.

Am 1. Juli 2017 ist das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Kraft getreten. Da im vorliegenden Verfahren noch kein Urteil ergangen ist, in dem festgestellt wurde, dass nur deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzen im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. entgegen stehen, ist das neue Recht anzuwenden (Art. 316h EGStGB; § 14 EGStPO).

Maßgebend für die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung des Vermögensarrestes ist daher die begründete Annahme, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen (§ 111e Abs. 1 StPO; §§ 73, 73a, 73c StGB). Die Einziehung kann sich auch gegen einen Dritten richten, der durch die Tat etwas erlangt hat, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein (§ 73b StGB).

Auch nach neuem Recht ist sowohl bei der Anordnung als auch der Fortdauer des Vermögensarrestes der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die bisherige Rechtsprechung hierzu wird durch die Neuregelung nicht berührt (BT-Drs 18/9525 S. 49 und S. 75). Der Vermögensarrest beschränkt die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Betroffenen in einschneidender Weise. Im Hinblick darauf, dass es sich dabei lediglich um eine vorläufige Maßnahme handelt, die der Sicherung der späteren Einziehungsentscheidung dient, steigen die Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit mit der Dauer der durch sie bewirkten Einschränkungen (vgl. OLG Frankfurt [Senat] StV 2008, 624; Senat, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 3 Ws 1086/13; BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 2006 - 2 BvR 583/06 und vom 7. Juni 2005 - 2 BvR 1822/04 jeweils zum bisherigen Recht). Ein angeordneter Arrest wird deshalb unverhältnismäßig, wenn der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens allein durch Umstände aus der Sphäre des Staates erheblich verzögert wird, weil in diesem Falle eine durch die Sache nicht mehr gebotene und damit nicht mehr hinzunehmende Belastung des Betroffenen entsteht (Senat aaO; OLG Köln NStZ 2005, 400 [OLG Köln 10.02.2004 - 2 Ws 704/03]).

Von einer Verfahrensverzögerung, die zur Unverhältnismäßigkeit der Arrestanordnung führt, ist vorliegend jedenfalls nunmehr auszugehen. Die Arrestanordnung besteht inzwischen seit mehr als drei Jahren und einem Monat. Der 158 Seiten (zuzüglich Anlagen) umfassende Schlussbericht der ermittelnden Bundespolizeiinspektion C (Bd. VII Bl. 2641 ff.) war am 10. Dezember 2015 fertiggestellt. Mit ausführlich begründeten Beschluss vom 31. Mai 2016 (1/16) bejahte der Senat den dringenden Tatverdacht gegen die Beschuldigte und wies auf dieser Grundlage deren weitere Beschwerde gegen die Anordnung des dinglichen Arrestes in Höhe von 599.285,09 € zurück.

Am 31. August 2016 und 5. September 2016 erstellte die POK B Vermerke über die Identifizierung der D und deren Tätigkeit für die Beschuldigte A (Bd. IX Bl. 3809 ff; 3838 ff. d.A).

Seitdem ist wiederholt in den Akten vermerkt, der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft habe mit POK B Ergänzungen abgeklärt und Fortsetzungsarbeiten am Schlussvermerk vorgenommen (Vermerke vom 8. September 2016 - Bd. IX Bl. 3836; vom 31. Oktober 2016 - Bd. IX Bl. 3913; vom 9. November 2016 - Bd. IX Bl. 3929).

Aus einem weiteren Vermerk vom 27. April 2017 (Bd. X Bl. 4113) ergibt sich, dass der Ausgang eines Verfahrens vor dem Finanzgericht abgewartet werden soll. Die Zahlen und Berechnungen aus dem dort erwarteten Urteil sollen sowohl in den Bericht der Steuerfahndung einfließen als auch Grundlage der Schlussberechnung der Deutschen Rentenversicherung sein. Nach Erhalt des Urteils werde der Schlussbericht fertiggestellt werden (siehe auch Vermerk vom 30. Mai 2017 - Bd. X Bl. 4126).

Unter dem 29. Mai 2017 und dem 30. Mai 2017 ist vermerkt, der Dezernent habe Fortsetzungsarbeiten an der Anklageschrift vorgenommen. Am 12. Juni 2017 lagen der "Tabellarische Ermittlungsbericht 2017" sowie die Berechnung der DRV vor (Bd. X. Bl. 4132). Am 28. August 2017 teilte die Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht Frankfurt am Main mit, die Ermittlungen seien "weitestgehend abgeschlossen", die Abschlussverfügung aber noch nicht fertiggestellt. Es müsse im hiesigen Beschwerdeverfahren erneut Stellung genommen werden (Bd. X Bl. 4145). Diese Stellungnahme erfolgte am 19. Oktober 2017 (Bd. X Bl. 4302). Am 29. Dezember 2017 ist vermerkt, der Dezernent habe Fortsetzungsarbeiten an der Abschlussverfügung vorgenommen getätigt und Kontakt mit der Steuerfahndung aufgenommen (Bd. X Bl. 4307).

Bei diesem Verfahrensgang kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verfahren nach Aufhebung des Haftbefehls durch den 1. Strafsenat und der Beschwerdeentscheidung des erkennenden Senats von 31. Mai 2016 noch ausreichend gefördert worden ist. Jedenfalls ist nicht mehr nachvollziehbar weshalb die Ermittlungen bislang noch nicht abgeschlossen worden sind.

Wie eine telefonische Anfrage des Senats vom 13. Juni 2018 ergeben hat, ist immer noch nicht Anklage erhoben worden. Selbst wenn dies nun alsbald geschehen sollte, ist unabsehbar, ob und wann ein Urteil ergehen wird, in dem gemäß §§ 73 ff. StGB auf Anordnung der Einziehung von Taterträgen erkannt wird.

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