Hessisches LSG, vom 27.01.2016 - L 4 KA 68/13
Fundstelle
openJur 2019, 32500
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23.10.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe des Honorars für die vier Quartale I/09 bis IV/09, insbesondere die Festlegung des Regelleistungsvolumens.

Der Kläger ist seit dem 1. September 1994 als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. In den streitbefangenen Quartalen ordnete die Beklagte den Kläger der Arztgruppe der Chirurgen zu.

Die Beklagte setzte das Regelleistungsvolumen für die streitbefangenen Quartale wie folgt fest, wogegen der Kläger jeweils Widerspruch eingelegt hat:

Quart al Bescheiddatu m Widerspruch vom RLV- relev. Fallzahl Fallwert in € Fallwert-abstaffelung Altersstrukturquote Aufschlagfachgleiche BAG RLV in €

I/09 26.11.2008 08.12.2008 1.040 30,66 0,9433 0,9849 1 29.624,26

II/09 26.02.2009 24.03.2009 982 23,59 0,9888 0,9791 1 22.427,19

III/09 27.05.2009 30.07.2009 852 23,41 1 0,9776 1 19.498,54

IV/09 26.08.2009

25.09.2009 982 23,61 1 0,9837 1 21.315,52

  02.09.2009      

0,9346     ?

Die Beklagte setzte das Honorar für die einzelnen streitbefangenen Quartale wie folgt fest, wogegen der Kläger ebenfalls jeweils Widerspruch eingelegt hat:

Quartal I/09 II/09 III/09 IV/09

Honorarbescheid vom 20.07.2009 11.10.2009 23.12.2009 27.03.2010

Widerspruch eingelegt am 17.09.2009 23.12.2009 10.03.2010 08.06.2010

Anzahl Praxen/Ärzte Neurochirurgie 19/41,5 18/41,5 18/41,5 18/42,46

Nettohonorar gesamt in € 29.971,28 22.350,78 17.002,27 22.238,83

Bruttohonorar PK + EK in € 30.712,32 23.040,85 17.578,83 22.898,04

Fallzahl PK + EK 977 876 784 870

Bruttohonorar PK + EK in € je Fall* 31,44 26,30 22,42

26,32

      24,91** ?

Honoraranteile PK + EK       ?

Regelleistungsvolumen in € 28.143,04 21.305,81 18.523,61 20.249,74

Quotiertes Regelleistungsvolumen in € 2.569,28 1.735,04 1,008,42 2.648,30

Fallwertzuschläge zum Regelleistungsvolumen in € 0,00 0,00 0,00 0,00

Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (MGV) 0,00 0,00 0,00 0,00

Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG) 0.00 0,00 0,00 0,00

Kürzungsbetrag Fortbildungspflicht in € -- -- - 1.953,20 --

Regelleistungsvolumen       ?

RLV4relevante Fallzahl 1.040 982 852 982

Obergrenze in € 29.624,26 22.427,19 19.498,54 21.315,52

Angefordertes Honorar in € 43.562,00 37.235,37 32.210,31 36.705,45

Überschreitung in € 13.937,74 14.898,18 12.711,77 15.389,93

Überschreitung in %* 47,0 66.4 65,2 72,2

*Berechnung des SG

**Bereinigt um Kürzungsbetrag Fortbildungspflicht

Der Kläger machte auch in seinen Widersprüchen gegen die Honorarbescheide geltend, er habe sich anfänglich in der "minimalinvasiven Neurochirurgie" spezialisiert und sei dann zu der "noninvasiven Neurochirurgie" mit konservativer Therapie der neurochirurgischen Erkrankungen übergegangen. In seine Praxis kämen Patienten, die an Bandscheibenerkrankungen litten und bereits Operationskandidaten seien. Er behandle fast alle Bandscheibenpatienten konservativ und habe eine minimale Krankenhauseinweisungsrate. Außerdem behandle er sehr kostengünstig. Seine Kollegen seien operativ tätig. Diese hätten ein weiteres Einkommen als Belegärzte, er habe ein solches Einkommen nicht. Seine Praxis sei benachteiligt und er könne seine Praxiskosten nicht mehr decken. Er bitte daher, ihn aus Gruppe der Chirurgen herauszunehmen, da er nicht operativ tätig sei. Ähnlich wie die orthopädischen Chirurgen nicht der Gruppe der Chirurgen angehörten, weil sie hauptsächlich konservativ tätig seien, gehöre er nicht zu der Gruppe der Chirurgen. Für das Quartal III/09 machte er die Anwendung der BSG-Rechtsprechung zum Anwachsen von Praxen bis zum Durchschnittshonorar der Arzt-/Fachgruppe geltend. Er bitte um Berücksichtigung seiner Praxisbesonderheit, da er auf die konservative Therapie spezialisiert sei. Bezüglich des Quartals III/09 wies er auf die fehlende Berücksichtigung weiterer Fortbildungspunkte hin, die er der Ärztekammer im Juni 2009 zugeschickt habe. Auch hätten einige Veranstalter seine Teilnahme nicht gemeldet.

Die Beklagte wertete die Widersprüche des Klägers gegen die Festsetzung der Regelleistungsvolumina als Antrag auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen. Diesen Antrag lehnte sie mit Bescheid vom 4. Dezember 2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Praxisbesonderheit müsse mindestens 30 % des RLV-Fallwerts der jeweiligen Fachgruppe betragen. So müsse der Fallwert des antragstellenden Arztes mindestens das 1,3-fache des zugewiesenen RLV-Wertes betragen. In den streitbefangenen Quartalen übersteige der praxisindividuelle Fallwert des Klägers den RLV-Fallwert der Fachgruppe um 72 %, 122,30 %, 102,18 % bzw. 91,27 %. Bei einer weitergehenden detaillierten Prüfung sei die Höhe des Fallwertes unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheit der konservativen Behandlung (Nr. 02510, 02511 und 02512 EBM 2009) festgestellt und mit der Fachgruppe verglichen worden:

Quartal Praxisindividueller Fallwert der Praxisbesonderheit 30 % des RLV-Fallwerts der Fachgruppe

I/09 4,67 9,20

II/09 4,77 7,08

III/09 4,59 7,02

IV/09 4,60 7,08

Daraus ergebe sich, dass der Fallwert den RLV-Fachgruppenwert nicht um 30 % übersteige und damit nicht die Kriterien für eine Erhöhung des RLV-Fallwertes erfülle. Fachärzte für Chirurgie, für Kinderchirurgie, für plastische Chirurgie, für Herzchirurgie und für Neurochirurgie seien nach dem Honorarverteilungsvertrag in einer Arztgruppe zusammengefasst. Er sei daher korrekt der Arztgruppe der Chirurgen zugeordnet worden.

Hiergegen hat der Kläger am 22. Dezember 2009 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung beanstandete er, dass sich der Bescheid nicht mit der Frage eines Anwachsens bis zum Fachgruppendurchschnitt auseinandersetze. Die einzelnen Rechenschritte zur Ermittlung des Regelleistungsvolumens würden nicht näher dargelegt und könnten daher nicht überprüft werden. Die Arztgruppe der Chirurgen werde, anders als die der Internisten oder Radiologen, nicht weiter differenziert. Die Weiterbildungsordnung sehe sogar acht Facharztdisziplinen vor. Dies verstoße gegen den Gleichheitssatz. Die Berechnungen des Regelleistungsvolumens je Quartal seien nicht nachvollziehbar. Die Durchschnittswerte der Fachgruppe würden nicht angegeben. Die für ihn maßgeblichen Fallzahlen würden nicht erläutert werden. Die Fallwerte der Fachgruppe seien viel zu niedrig und daher existenzbedrohend. Dies ergebe sich aus einem Vergleich der RLV-Fallwerte je Quartal in den Jahren 2008 und 2009. Die prozentualen Differenzen der Fallwerte zeigten, dass ein Werteverfall von bis zu 43,9 % je Behandlungsfall stattgefunden habe. Obwohl er wesentlich mehr Behandlungsfälle habe als die Fachgruppe, reiche das Regelleistungsvolumen nicht mehr aus. Dies verletze ihn in der Ausübung seiner Praxis als eingerichteten Betrieb nach Art. 12 GG sowie in seinem Eigentumsrecht nach Art. 14 GG. Seine Praxis gerate in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Er stelle einen Antrag auf Ausgleich der überproportionalen Honorarverluste. Nach Abrechnung der Grundpauschale mit einem Wert von 31,05 € bzw. 31,33 € könne der Chirurg keine weitere typisch chirurgische Leistung erbringen, da er sofort das Regelleistungsvolumen überschreite.

Die Beklagte verband die Widersprüche gegen die Honorarbescheide und gegen den Bescheid über die Änderung des Regelleistungsvolumens und wies alle Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Honorarverteilungsvertrag sehe eine Eingruppierung der Neurochirurgen in die Gruppe der Chirurgen vor. Daran sei sie gebunden. Ferner erläuterte sie im Einzelnen die Berechnung der regelleistungsvolumenrelevanten Fallzahl und allgemein die Berechnung des Fallwertes. Es existiere auch keine Regelung, nach der der RLV-Fallwert größer sein müsse als die Grundpauschale. Grundlage sei das abgerechnete Punktzahlvolumen der regelleistungsvolumenrelevanten Leistungen im Jahr 2007. Im Übrigen beruhe die Berechnung auf den verbindlichen Vorgaben des erweiterten Bewertungsausschusses. Die Teilprüfung bezüglich einer Praxisbesonderheit stelle sich wie folgt dar:

Antragsquartal I/09 II/09 III/09 IV/09

Angefordertes Honorarvolumen PK/EK im Antragsquartal in € 43.562,00 37.325,37 32.210,31 35.705,45

Geteilt durch RLV-Fallzahl des Antragsquartals (siehe jeweilige RLV-Zuweisung 2010) 977 876 784 870

Ergibt praxisindividuellen Fallwert im Antragsquartal in € 44,59 42,61 41,08 42,19

RLV-Fallwert im Antragsquartal in € 30,66 23,59 23,41 23,61

Überschreitung des RLV-Fallwertes 45,43 % 80,62 % 75,50 % 78,70 %

Die Frequenzstatistiken zeigten, dass der Kläger überdurchschnittlich viele physikalischtherapeutische Leistungen gemäß Kapitel II 2.5 EBM 2009 abgerechnet habe, die die übrigen Praxen in der Prüfgruppe der Neurochirurgen so nicht erbringen würden. Die abgerechneten Nr. 02510 und 02512 EMB 2009 kämen insoweit als Praxisbesonderheit in Betracht. Weiterhin sei die Nr. 30712 (Anleitung zur transkutanen elektrischen Nervenstimulation [TENS]) als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Diese Leistung sei in den Quartalen I bis III/09 von weniger als der Hälfte der Praxen innerhalb der Prüfgruppe erbracht worden. Im Quartal IV/09 habe der Kläger diese Leistungen nicht erbracht. Auch erbringe kein anderer Neurochirurg diese Leistung. Nicht zur berücksichtigen seien die Grundpauschalen gemäß den Nrn. 16210 bis 16212 EBM 2009 sowie die Nr. 16232 EBM 2009, da es sich hierbei um eine Kernleistung der Neurochirurgen handele. Sie würden auch von einem überwiegenden Teil der Fachgruppe der Neurochirurgen erbracht werden. Die Analyse der Honorardaten ergebe folgendes Bild:

Antragsquartal I/09 II/09 III/09 IV/09

Praxisbesonderheit GOP 02510 in € 4.201,61 3.311,88 2.742,53 3.416,10

Praxisbesonderheit GOP 02512 in € 644,62 254,41 9,65 6,30

Praxisbesonderheit GOP 30712 in € 46,55 6,65 33,25 0,00

Summe Praxisbesonderheiten in € 4.892,78 3.582,94 2.785,43 3.422,40

Geteilt durch RLV-Fallzahl Antragsquartal 977 876 784 870

Ergibt Anteil der Praxisbesonderheiten am Fallwert in € 5,01 4,09 3,55 3,93

30 % des RLV-Fallwerts im Antragsquartal in € 9,20 7,08 7,02 7,08

Diese Leistungen würde jedoch weniger als 30 % der RLV-Fallwerte in den jeweiligen Quartalen betragen, weshalb eine Erhöhung des Fallwertes nicht in Betracht komme. Die Fallwertabstaffelung folge aus den gesetzlichen und honorarvertraglichen Vorgaben. Die Berechnungsweise legte sie im Einzelnen dar. Gleichfalls legte sie im Einzelnen die Berechnung der Altersstrukturquote dar. Ferner erläuterte sie für die Quartale Ill und IV/09 den Ausgleichsindex 100 und den Sicherstellungsindex 90. Weiter führte sie aus, der Grundsatz der angemessenen Vergütung sei nicht verletzt. Die angefochtenen Bescheide seien noch ausreichend begründet. Den Anträgen auf Anhebung des Honorars habe ebenfalls nicht entsprochen werden können. Für das Quartal I/09 liege kein überproportionaler Honorarverlust vor. Für die Quartale II bis IV/09 sei ein Honorarrückgang von mehr als 15 % zu verzeichnen, weshalb sie die Anträge zwecks weiterer Bearbeitung an die für Antragsverfahren zuständige Abteilung weitergeleitet habe, deren Entscheidung sei abzuwarten.

Hiergegen hat der Kläger am 1. November 2011 Klage erhoben. Ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren machte er geltend, der Unterschied zu chirurgischen Praxen zeige sich auch aufgrund einer Darstellung der häufigsten Diagnosen im Bereich der KV Nordrhein, die auf Hessen übertragbar sei. Der RLV- Fallwert müsse zumindest die Grundpauschalen abdecken. Die Beklagte habe bei der Prüfung der Praxisbesonderheit die Grundpauschale nach Nr. 16210 und 16212 nicht mitberechnet. Damit sei sein Fallwert künstlich klein gerechnet worden. Eine Honorarerhöhung sei schon aus Gründen der Sicherstellung geboten. Im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt sei die Leistungshäufigkeit in seinem Spezialgebiet signifikant überdurchschnittlich. In anderen KV-Bereichen werde auch ein wesentlich höherer RLV- Fallwert vergütet. Die Beklagte sei jedenfalls verpflichtet, eine Härtefallregelung zu prüfen. Sein Leistungsspektrum sei das Breiteste von allen neurochirurgischen Praxen.

Viele Leistungen könnten aber im Gegensatz zu früher nicht mehr abgerechnet werden. Er werde letztlich wirtschaftlich gezwungen, stets weniger Patienten zu versorgen. Früher habe er vier Angestellte beschäftigt, momentan keine.

Die Beklagte verweist auf ihre Ausführungen im Antragsbescheid und im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, die Bildung der Arztgruppe entspreche den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Von einer Modifizierung hätten die Gesamtvertragspartner abgesehen. Die Berechnung des RLV-Fallwerts folge den rechtlichen Vorgaben. Dass der RLV-Fallwert zum Teil niedriger liege als die Grundpauschale, ergebe noch keine Rechtswidrigkeit. Die Bildung des RLV-Fallwerts beruhe auf den RLV-relevanten Leistungsinhalten der jeweiligen Arztgruppe in den Referenzzeiträumen. Das zeige bereits, dass der RLV-Fallwert nicht zu niedrig bemessen sei. Darin liege auch kein Sonderopfer für die Arztgruppe (Neuro-)Chirurgen. Gerade in dieser Gruppe würden viele Leistungen, wie ambulante Operationen, außerhalb dieses Regelleistungsvolumens erbracht werden und zum Einzelleistungspunktwert, teils mit Zuschlägen, vergütet werden. Eine Praxisbesonderheit liege nicht vor, wie ihre Berechnung ergeben habe. Ca. 70 % bis 75 % des Honorars entfielen auf die Grundpauschale. Die einzige weiter abgerechnete neurochirurgische Ziffer (Nr. 16232) sei ebenso wie die Grundpauschalen eine Kernleistung für Neurochirurgen, aus der sich keine Praxisbesonderheit ergeben könne. Die als spezielle Leistungen noch in Betracht kommenden weiter abgerechneten GO-Ziffern im Wesentlichen für Wärmetherapie und Elektrosimulation (Nr. 02510, 02512) lägen in den streitbefangenen Quartelen jeweils um, meist unter 10 % der insgesamt abgerechneten RLV-Leistungen und reichten sowohl weder einzeln betrachtet noch als Durchschnitt nicht annähernd an die Grenze von 20 % heran, die das Bundessozialgericht seinerzeit gezogen habe. Eine Sicherstellungsproblematik bestehe somit nicht.

Nach 11.3.6 HVV 2009 könnten befristete Ausgleichszahlungen geleistet werden, wenn sich das Honorar der Arztpraxis um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal verringere und dies auf der Umstellung der Mengensteuerung oder durch Änderung der Regelungen zu extrabudgetären Leistungen, in Leistungsart und Kostenerstattungen beruhe. Durch die Honorarverluste müssten nachweisbar erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten entstehen, die die Fortführung der Praxis gefährdeten und die Praxis müsse zur Sicherstellung der Versorgung erforderlich sei. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass der Honorarrückgang auf Änderungen der Honorarsystematik zurückzuführen sei. Das Leistungsbild habe sich im Vergleich zum Jahr 2008 nicht geändert. Die Praxis, die in den Quartalen I/10 bis III/11 ebenfalls pro Quartal einen Honoraranspruch auf dem Niveau von etwa 20.000,00 € erwirtschaftet habe, bestehe gleichwohl weiterhin, damit liege keine Sicherstellungsproblematik vor. Es sei eine unternehmerische Entscheidung des Klägers, seine Praxis auf eine rein konservative Behandlung - nach den abgerechneten Ziffern mit einem sehr eingeengten Leistungsgeschehen - auszurichten. Hierfür trage er das unternehmerische Risiko. Der Kläger habe in den Jahren 2009 bis 2011 offensichtlich keine einzige Operation erbracht und abgerechnet. Auch seien die Fallzahlen niedriger als in früheren Jahren. Die Fallzahlen hätten sich kontinuierlich nach unten entwickelt, was sie anhand des dritten Quartals illustrierte. Sie seien von 1.127 im Quartal III/01 auf 636 Behandlungsfälle im Quartal III/11 gesunken. Der Kläger habe auch früher ein umfangreicheres Leistungsgeschehen abgerechnet. Die Neurochirurgen würden den überwiegenden Teil ihres Honorars durch Verträge zur integrierten Versorgung erwirtschaften. Dem Widerspruch bzgl. der Honorarkürzung wegen der Verletzung der Fortbildungsverpflichtung habe sie mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2010 abgeholfen.

Mit Urteil vom 23.10.2013 hat das Sozialgericht Marburg die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.12.2009 und der Honorarbescheide für die Quartale I bis IV/09, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011, verurteilt, den Kläger über seinen Antrag auf Sonderregelung zu den Regelleistungsvolumina sowie über seinen Honoraranspruch für die Quartale I bis IV/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die zulässige Klage sei auch begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, "weil sie auf einer unzulässigen Honorargruppe beruhten".

Nach Angaben der Beklagten setze sich diese Arztgruppe, der keine Kinder-, Herz- und Thoraxchirurgen im streitbefangenen Zeitraum angehörten, wie folgt zusammen:

Gruppe I/09 II/09 III/09 IV/09

Chirurgen 290,44 291,67 292,83 287,64

Plastische Chirurgen 8 9 10 12

Neurochirurgen 44,26 44,25 45,25 46,21

Es könne hier dahingestellt bleiben, ob die Bildung einer einheitlichen Arztgruppe für Fachärzte für Chirurgie, für Kinderchirurgie, für Plastische Chirurgie, für Herzchirurgie und für Neurochirurgie durch den Erweiterten Bewertungsausschuss bereits rechtswidrig sei. Jedenfalls bestünden im Bereich der Beklagten solche Unterschiede zwischen den Fachärzten für Neurochirurgie einerseits und den Fachärzten für Chirurgie, für Kinderchirurgie, für Plastische Chirurgie und für Herzchirurgie andererseits, die unter Beachtung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit eine Zusammenfassung in einer Arzt- bzw. Honorargruppe im streitbefangenen Zeitraum nicht zulassen. Nach dem aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit dürften zwei Gruppen, die sich in verschiedener Lage befinden, nur beim Vorliegen zureichender Gründe gleichbehandelt werden. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen werde, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw. Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG enthalte jedoch nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierung, sondern genauso das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede. Zwei Gruppen, die sich in verschiedener Lage befinden, dürften nur bei Vorliegen zureichender Gründe gleichbehandelt werden, und es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, Ungleiches gegen ein zwingendes Gebot gleich zu behandeln (Hinweis auf BSG, Urteil vom 20. Januar 1999 - B 6 KA 46/97 R - BSGE 83, 205 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 29 = NZS 2000, 159 [BSG 20.01.1999 - B 6 KA 46/97 R] = USK 9991, juris Rdnr. 37 f. m.w.N.; BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 - B 6 KA 14/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 69 = USK 2012-16, juris Rdnr. 15).

Deutliche Unterschiede zwischen den genannten chirurgischen und dem neurochirurgischen Fachgebiet folgten bereits aus der Weiterbildungsordnung. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 15. August 2005 (HÄBI. Sonderheft 10/2005, S. 1 bis 73), zuletzt geändert am 12. Juni 2013 (HÄBI. 7/2013, S. 576, im Folgenden: HWBO), umfasse das Gebiet Chirurgie die Vorbeugung, Erkennung, konservative und operative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen sowie angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Fehlbildungen der Gefäße, der inneren Organe einschließlich des Herzens, der Stütz- und Bewegungsorgane und der onkologischen Wiederherstellungs- und Transplantationschirurgie. Ziel der Weiterbildung im Gebiet Chirurgie sei die Erlangung von acht verschiedenen Facharztkompetenzen nach Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungszeiten und Weiterbildungsinhalte, die auf der Basisweiterbildung (gemeinsame Inhalte der Facharztweiterbildungen) aufbauen. Als Facharztkompetenzen könnten erworben werden der Facharzt für Allgemeine Chirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Kinderchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Plastische und Ästhetische Chirurgie, Thoraxchirurgie sowie Viszeralchirurgie (Abschn. B.7 HWBO).

Der Facharzt für Neurochirurgie sei kein Teil des Gebiets der Chirurgie, sondern bilde ein eigenständiges Gebiet, das im Gegensatz zur Chirurgie wesentlich am Nervensystem ausgerichtet ist. Das Gebiet Neurochirurgie umfasse die Erkennung, operative, perioperative und konservative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von Erkrankungen, Verletzungen, Verletzungsfolgen und Fehlbildungen des zentralen Nervensystems, seiner Gefäße und seiner Hüllen, des peripheren und vegetativen Nervensystems. Die Weiterbildung schließe ausschließlich mit dem Facharzt für Neurochirurgie ab (Abschn. B.19 HWBO).

Entsprechend unterschiedlich seien auch die chirurgischen und neurochirurgischen Gebiete im EBM 2009 abgebildet. Nach Abschnitt 111.7 würden Fachärzte für Chirurgie, Fachärzte für Kinderchirurgie sowie Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie einem einheitlichen Kapitel zugeordnet (s. Nr.1 der Präambel zu Abschnitt 111.7.1). Demgegenüber bildeten die Fachärzte für Neurochirurgie mit den Fachärzten für Neurologie, Fachärzten für Nervenheilkunde sowie Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie einen eigenständigen Honorarabschnitt (s. Nr.1 der Präambel zu Abschnitt 111.16.1). Entsprechend unterschiedlich seien auch die Bewertungen der Grundpauschalen. So werde die chirurgische Grundpauschale in den drei Altersgruppen mit 595, 630 und 720 Punkten bewertet, demgegenüber die für die Neurochirurgen geltende neurologische Grundpauschale mit 905, 900 und 895 Punkten. Damit liege die neurologische Grundpauschale um 52 %, 43 % bzw. 24 % über der chirurgischen Grundpauschale. Auch die weiteren Leistungen der Kapitel 7 und 16 seien aufgrund der Unterschiede der Fachgebiete nicht miteinander vergleichbar, auch seien die in den Unterabschnitten der Präambel weiter genannten abrechenbaren Leistungen nicht vollständig deckungsgleich.

Nach den von der Beklagten genannten Umsatzzahlen je Zulassungsumfang, wobei vernachlässigt werden könne, dass diese auch die Umsätze mit sonstigen Kostenträgern enthalten, zeigten sich auch hier insofern gravierende Unterschiede, als sowohl die Umsatzzahlen als auch die Fallwerte der Chirurgen etwa doppelt so hoch seien. Auch die Fallzahlen der Neurochirurgen würden in den Jahren 2008 und 2009 lediglich 63 % bzw. 65 % derjenigen der Chirurgen betragen.

Soweit die Beklagte darauf verweise, dass die Arztgruppe der Neurochirurgen Honorare wesentlich auch außerhalb der Gesamtvergütung im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung generiere, handele es sich um bloße Vermutungen. Im Übrigen sei die Beklagte gehalten, auch diese Umsätze im Rahmen der Erweiterten Honorarverteilung zu erfassen. Hierauf komme es aber nicht an, da nicht Fragen unzureichender Honorierung streitgegenständlich seien, sondern die Frage der Bildung einer einheitlichen Arztgruppe.

Nicht zu erklären vermocht habe die Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Umstand, dass innerhalb der Gruppe der Neurochirurgen nur weniger als die Hälfte der Praxen die Grundpauschale abrechnet, so z. B. im Quartal I/09 nur neun von 19 Praxen, im Quartal IV/09 nur acht von 18 Praxen, wobei vernachlässigt werden könne, dass die Frequenzstatistik die Abrechnung der Grundpauschale bis zum 6. Lebensjahr nicht angibt, da sie vom Kläger nicht abgerechnet worden sei. Dies deute möglicherweise auf eine erhebliche Inhomogenität auch der Gruppe der Neurochirurgen hin, was die Beklagte im Rahmen der Neubescheidung ebenfalls zu untersuchen und darzulegen habe. Sollten sich solche Unterschiede zeigen, habe die Beklagte weiter darzulegen, weshalb sie dennoch eine einheitliche Arztgruppe bilde oder doch eine weitere Differenzierung vornehme.

Die Beklagte werde daher nach Änderung des HVV eine Neubescheidung vornehmen müssen. Die Frage einer Sonderregelung könne erst nach Bildung der neuen Arztgruppe vorgenommen werden. Von daher habe der Kläger auch nicht zwingend einen Anspruch auf ein höheres Regelleistungsvolumen oder ein höheres Honorar.

Gegen dieses der Beklagten am 31. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat diese am 25. November 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, sie habe in der Anlage eins zum HVV für das Jahr 2009 (Nr. II.2.1) entsprechend den Vorgaben des Bewertungsausschusses (Anl. 1 Nr. 4 zu Teil F des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2009 - hier waren tabellarisch die erfassten Arztgruppen aufgeführt, für die Arztgruppentöpfe und das RLV zu berechnen waren) eine Arztgruppe bestehend aus Chirurgen, Kinderchirurgen, plastischen Chirurgen, Herz- und Neurochirurgen gebildet. Die Gesamtvertragspartner hätten die Vorgaben des Bewertungsausschusses übernommen und für die Beklagte sei es auch nicht offensichtlich, dass diese Vorgabe des Bewertungsausschusses offensichtlich rechtswidrig ist. Die Beklagte sei somit an die Vorgaben im Honorarvertrag gebunden und könne von den dort getroffenen Regelungen nicht einseitig abweichen. Der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner finde seine Grenze in den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben, diese hätten die Vertragspartner bei der Festlegung der Arztgruppen für die Ermittlung und Festlegung der Regelleistungsvolumen nicht überschritten. Entgegen den Ausführungen des SG seien auch keine Gründe ersichtlich, die eine Differenzierung der Arztgruppe zwingend erforderlich gemacht hätte. Zwischen dem Fachgebiet der Chirurgie und der Neurochirurgie bestünden keine Unterschiede von solchen Gewicht, dass hier unterschiedliche Regelleistungsvolumen geboten seien. Für diese Zusammenfassung spreche auch, dass die Fachgruppe der Neurochirurgen recht klein und darüber hinaus nicht homogen sei. Eventuell vorliegenden Spezialisierungen könnten über die Vorschriften zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten ausreichend und abschließend Rechnung getragen werden. Somit sei die Beklagte aus diesem Grund nicht verpflichtet, eine gesonderte Arztgruppe für die Neurochirurgen zu bilden.

Das SG habe zutreffend ausgeführt, dass die chirurgischen und neurochirurgischen Gebiete im EBM unterschiedlich abgebildet sind, aus der unterschiedlich hohen Bewertung des Ordinationskomplexes, der einmal im Quartal pro Behandlungsfall anfalle, könne jedoch nicht geschlossen werden, dass eine Differenzierung der Arztgruppe vorgenommen werden muss. Sie verweist insoweit auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.2.2012, B 6 KA 14/11 R. Nach dieser Rechtsprechung erzwinge eine höhere Bewertung einer Leistung im EBM nicht notwendig eine entsprechende Honorarregelung im Honorarvertrag. Entsprechendes gelte auch für die Bildung von Regelleistungsvolumina im Honorarvertrag. Die höhere Bewertung des Ordinationskomplexes für die Neurochirurgen resultiere aus einem umfangreicheren Leistungsinhalt der Grundpauschale. Außer dem persönlichen Arzt-Patientenkontakt sei hier die Erhebung des vollständigen neurologischen Status erforderlich. Bei den Chirurgen werde mit dem Ordinationskomplex lediglich der Arzt-Patientenkontakt honoriert, es könnten durch die Erbringung einer vergleichbaren umfassenden Leistung weitere Gebührenpositionen abgerechnet werden.

Der Hinweis des Sozialgerichts auf die unterschiedlichen Umsatzzahlen und Fallwerte der Chirurgen sei nicht zutreffend. Das Sozialgericht habe nicht beachtet, dass die Honorarumsätze bei den Neurochirurgen größtenteils aus Operationsleistungen im Rahmen von integrierten Versorgungsverträgen, die zwischen den Krankenkassen und den Ärzten ohne Einbindung der Beklagten geschlossenen und vergütet würden, erzielt werden.

Das Leistungsspektrum von Chirurgen und Neurochirurgen würde sich durchaus überschneiden, beide Arztgruppen erbrächten periphere neurochirurgische Eingriffe mit den entsprechenden Begleitziffern für postoperative Behandlung und Überwachung sowie schmerztherapeutische Leistungen. Vorliegend seien keine regionalen Besonderheiten gegeben, die Anlass hätten sein können für eine Modifikation der RLV- relevanten Arztgruppen. Es sei nicht zutreffend, dass der Kläger EBM- bedingt von verschiedenen Untersuchungen ausgeschlossen sei, die für seine Diagnostik essenziell sei. Die von dem Kläger genannten Leistungen könnten honoriert werden, er habe solche Leistungen in den streitgegenständlichen Zeitraum aber nicht abgerechnet. Eine Zuordnung des Klägers zu den Orthopäden würde diesen schlechter stellen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, es seien eigene Fachgruppen im Sinne von Honorargruppen dann zu bilden, wenn sich die Fachgruppen derart unterscheiden, dass sie letztlich nicht vergleichbar sind. Die Nichtvergleichbarkeit zwischen den Chirurgen und Neurochirurgen ergebe sich daraus, dass diese Fachgruppen völlig unterschiedlich arbeiteten. Dies ergebe ein Abgleich der häufigsten abgerechneten ICD- Diagnosen. Hierzu werden jeweils Statistiken über die 100 häufigsten ICD -10-Schlüssel und Kurztexte zur Akte gereicht, die der Homepage der KV Nordrhein entnommen seien. Ein Vergleich der Top- 10- Diagnosen ergebe lediglich eine Übereinstimmung bei der Diagnose M 54, Rückenschmerzen. Im Übrigen verdeutlichten die Diagnosen das absolut unterschiedliche Leistungsspektrum. Dies wirke sich dann auch vergütungstechnisch so aus, dass die aufwändigen neurochirurgischen Leistungen eben nicht mit durchschnittlichen Fallwerten der Chirurgen erbracht und abgerechnet werden könnten. Noch größer seien die Unterschiede zwischen Neurochirurgen und Nervenärzten. Hier ergebe sich lediglich eine Überschneidung bei der Diagnose F 45, somatoforme Störungen. Eine Zusammenfassung dieser Arztgruppen sei daher ebenso wenig nachvollziehbar wie eine Zuordnung der Neurochirurgen zu den Chirurgen. Die Bildung einer eigenen Fachgruppe für Neurochirurgen sei ohne weiteres möglich gewesen, schließlich unterlägen sie nunmehr auch der Bedarfsplanung. Die Beklagte könne sich nicht allein auf die Vorgaben des Bewertungsausschusses zurückziehen, denn den Partnern der Gesamtverträge sei es möglich gewesen, Modifikationen bzgl. der Arztgruppen zu vereinbaren. Bezüglich dieses Handlungsspielraums lasse die Beklagte jegliche Aktivität vermissen. Für die Partner der Gesamtverträge hätten noch weitere Handlungsspielräume bestanden, beispielsweise hätte auch ein Sondertopf für neurochirurgische Leistungen als "förderungswürdige Leistung" vereinbart oder die Leistungen hätten ohne Mengensteuerung vergütet werden können. Auch technisch sei er benachteiligt, er könne nicht die Leistungen für Untersuchungen erbringen, die für seine Diagnostik essenziell sind, z.B. Elektroenzephalogramme und Nervenleitgeschwindigkeiten. Die Differenz zwischen Chirurgen und Neurochirurgen bestehe darin, dass die Chirurgen nichts mit dem Nervensystem zu tun hätten, wärend die Neurochirurgen wie auch Neurologen sich nur mit dem Nervensystem beschäftigen. Die aufgezeigten Handlungsspielräume, die der Beklagten bei der Honorarverteilung zustünden, seien begrenzt durch das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars und der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei zu beachten. Werden allein durch die Grundpauschalen die zur Verfügung stehenden RLV überschritten, so liege eine derartige Schieflage vor, dass das Honorarsystem von Anfang an nicht rechtmäßig gewesen sei. Er werde als Neurochirurg einem fachgruppenspezifischen Grenzwert unterworfen, der mit seinem Leistungsspektrum nicht kompatibel sei. Die Gerichte seien zwar nicht befugt zu prüfen, ob jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden worden sei, aber es liege ein Verfassungsverstoß dann vor, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sei, dass ihre Berücksichtigung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheine. Soweit ein Großteil der Leistungen gar nicht vergütet werde, liege eine Handlungsweise vor, die sachlich nicht gerechtfertigt erscheine. Die Beklagte wäre gehalten gewesen, hinsichtlich der Arztgruppen weiter zu differenzieren und das Honorar so zu verteilen, dass eine ausreichende Honorarmenge für die Neurochirurgen zur Verfügung steht.

Der Senat hat Stellungnahmen von der kassenärztlichen Bundesvereinigung (Stellungnahme vom 20. Februar 2014) sowie vom Spitzenverband der Krankenkassen (Stellungnahme vom 21. Februar 2014) eingeholt, auf die verwiesen wird. Die kassenärztliche Bundesvereinigung führt in ihrer Stellungnahme aus, dass nicht ersichtlich sei, dass der Bewertungsausschuss bei der Bestimmung der Arztgruppe "Fachärzte für Chirurgie, Kinderchirurgie, für plastische Chirurgie, für Herzchirurgie, für Neurochirurgie" rechtswidrig gehandelt hätte. Dem Bewertungsausschuss komme nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als untergesetzlichem Normgeber im Rahmen seiner Zuständigkeiten ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Das vom Bewertungsausschuss erarbeitete System autonomer Leistungsbewertung könne seinen Zweck nur erfüllen, wenn Eingriffe von außen grundsätzlich unterblieben. Die gerichtliche Überprüfung sei daher im Wesentlichen darauf beschränkt ob der Ausschluss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgenutzt habe. Dies sei hier nicht ersichtlich.

Grundlage für die Zuordnung der Fachärzte für Neurochirurgie in die Gruppe der Chirurgen im Beschluss vom 27./28. August 2008, Teil F, sei die Größe Leistungsbedarf je Behandlungsfall. Durch die beschlossene Zuordnung habe eine sinnvolle - i.S.v. homogene - Zusammensetzung der RLV-relevanten Arztgruppen, bezogen auf den Leistungsbedarf je Behandlungsfall, erreicht werden können. Dies sei wesentlich, da für jede RLV-relevante Arztgruppe ein einheitlicher RLV-Wert bestimmt werde. Da die Fallwerte des Leistungsbedarfs der Fachärzte für Neurochirurgie näher an denen der Chirurgen liegen, sei mit dieser Zuordnung im Ergebnis eine Besserstellung der Fachärzte für Neurochirurgie im Vergleich zur Zuordnung zu der für das RLV-relevanten Arztgruppe der Fachärzte für Neurologie erreicht worden. Auf die Bildung einer einzelnen Arztgruppe für die Fachärzte für Neurochirurgie sei verzichtet worden, gleichwohl sei die Möglichkeit eröffnet worden, die Fachärzte für Neurochirurgie aus der Arztgruppe der Chirurgen herauszunehmen, wenn regionale Gegebenheiten dies zuließen oder erforderten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts vom 13.10.2013 war aufzuheben, die angefochtenen Bescheide für die Quartale I-IV 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.10.2011 sind rechtmäßig, der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Sonderregelung zu den Regelleistungsvolumina und keinen Anspruch auf höheres Honorar im streitbefangenen Zeitraum. Die untergesetzlichen Rechtsnormen sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

Die im Jahre 2009 für die Festsetzung des RLV geltende Rechtslage mit § 87b Abs. 2 SGB V, den Beschlüssen der erweiterten Bewertungsausschusses und dem HV 2009 hat das Sozialgericht zutreffend dargestellt, zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen auf die mit der Berufung angegriffene Entscheidung.

Zunächst ist festzustellen, dass die Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 unter Teil F gem. § 87 b Abs. 4 Satz 1 SGB V zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V (DÄBI. 2008 <Heft 38>, A-1988 auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden sind, als nach Nr. 2.1 Satz 1 EB7F Regelleistungsvolumen für Ärzte der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung kommen und hierbei die Fachärzte für Neurologie mit den Fachärzten für Chirurgie, für Kinderchirurgie, für Plastische Chirurgie und für Herzchirurgie zu einer Arztgruppe zusammengefasst worden sind.

Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung dieser Regelung auf den dem Erweiterten Bewertungsausschusses als untergesetzlichem Normgeber zukommenden Gestaltungsspielraum berufen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG genießen der Bewertungsausschuss wie auch die Vertragspartner des HVV bei dessen Ausgestaltung einen weiten Gestaltungsspielraum (stRspr. des BSG, vgl. BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr. 2, RdNr. 50 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 40 RdNr. 17). Diese Gestaltungsfreiheit gilt nicht allein für die Honorarverteilung im engeren Sinne, sondern umfasst insbesondere auch die Art und Weise der Ausformung von Honorarbegrenzungsregelungen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 32 RdNr. 15). Den zur Normsetzung befugten Körperschaften ist es somit nicht verwehrt, im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität zu verallgemeinern, zu typisieren und zu pauschalieren (stRspr. des BVerfG wie des BSG, vgl. BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr. 3 RdNr. 39; BVerfGE 116, 164, 182 f; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 12, RdNr. 13; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 28 RdNr. 21 mwN; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 41, RdNr. 28).

Diese Gestaltungsfreiheit geht typischerweise mit Rechtssetzungsakten einher und wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die jeweilige Gestaltung in Anbetracht des Zwecks der konkreten Ermächtigung unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (BSG aaO mwN). Die Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses und der HVV müssen jedoch mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars (vgl BVerfGE 33, 171, 184 = SozR Nr. 12 zu Art 12 GG S Ab 15 R; BSGE 81, 213, 217 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 23 S 152) sowie den aus Art 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten (s. ua BSGE 75, 187, 191 f [BSG 12.10.1994 - 6 RKa 5/94] = SozR 3-2500 § 72 Nr. 5 S 9; zuletzt BSG, Urteil vom 28.11.2007, B 6 KA 23/07 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 36 RdNr. 10).

Hiervon ausgehend bestehen für den Senat keine rechtlichen Bedenken gegen die Zuordnung der Fachärzte für Neurochirurgie in die Gruppe der Chirurgen in dem Beschluss vom 27./28. August 2008, Teil F. Diese Zuordnung ist erkennbar nach der Größe Leistungsbedarf je Behandlungsfall erfolgt, was durch die Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 20. Februar 2014 bestätigt wird. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn der Fallwert ist grundsätzlich geeignet, typisierend das Leistungsspektrum bzw. die Leistungsstruktur einer Praxis wiederzugeben (BSG, Urteil v. 29.06.2011, B 6 KA 17/10 R, Rn. 33).

Mit dieser Zuordnung ist im Ergebnis auch eine Besserstellung der Fachärzte für Neurochirurgie im Vergleich zur Zuordnung zu der für das RLV-relevanten Arztgruppe der Fachärzte für Neurologie oder derjenigen der Fachärzte für Orthopädie erreicht worden, da deren Fallwerte jeweils geringer waren als die der Chirurgen. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Erweiterte Bewertungsausschuss auf die Bildung einer einzelnen Arztgruppe für die Fachärzte für Neurochirurgie verzichtet hat. Zwar führt die Zusammenfassung der unterschiedlichen Facharztgruppen der Chirurgen zu einer relativ heterogenen RLV-relevanten Arztgruppe, bei den Fachärzten für Neurologie handelt es sich jedoch ihrerseits ebenfalls um eine wenig homogene Arztgruppe, die noch dazu zahlenmäßig klein ist. Die Bildung der einheitlichen RLV-relevanten Arztgruppe der Chirurgen ist daher von der Befugnis des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Typisierung und Pauschalierung gedeckt, zumal er die Möglichkeit eröffnet hat, dass die Partner der Gesamtverträge Modifikationen (z. B. Differenzierungen oder Zusammenfassungen) von relevanten Arztgruppen vereinbaren können (Nr. 2 Anlage 1 EB7F), wenn hierfür angesichts regionaler Gegebenheiten Anlass gesehen wird.

Auch die Vertragspartner des HVV 2009 haben ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten und waren entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht verpflichtet, für die Fachärzte für Neurochirurgie eine eigene einheitliche RLV-relevante Arztgruppe zu bilden oder eine andere Zuordnung vorzunehmen. Regionale Besonderheiten gegenüber den Einschätzungen des Erweiterten Bewertungsausschusses bei der Bildung der RLV-relevante Arztgruppen sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.

Die von dem Kläger und dem Sozialgericht aufgezeigten Unterschiede zwischen der RLV-relevanten Arztgruppe der Chirurgen und einer potentiellen eigenen RLV-relevanten Arztgruppe der Neurochirurgen begründen keine zwingende Verpflichtung der Vertragspartner des HVV 2009 zu einer solchen Differenzierung. Fachgebiete im Sinne des ärztlichen Berufs- und Weiterbildungsrechts sind nicht notwendig mit Arztgruppen iS des Bedarfsplanungsrechts identisch (BSG Urteil v. 9.6.1999, B 6 KA 37/98 R), nach Auffassung des Senats gilt gleiches für die Bildung von RLV-relevanten Arztgruppen. Demgegenüber hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass das Leistungsspektrum von Chirurgen und Neurochirurgen durchaus in relevantem Umfang Überschneidungen aufweist, beide Arztgruppen erbringen chirurgische oder neurochirurgische Eingriffe mit den entsprechenden Begleitziffern für postoperative Behandlung und Überwachung sowie schmerztherapeutische Leistungen. Dass der Kläger keine neurochirurgischen Leistungen erbringt sondern in einem sehr begrenzen Leistungsspektrum ausschließlich konservativ tätig ist, ist seiner persönlichen Entscheidungssphäre zuzurechnen und bedingt keine andere Sichtweise. Soweit das SG auf die Unterschiede der chirurgischen und neurochirurgischen Gebiete im EBM verweist, hat die Beklagte überzeugend dargelegt, dass aus der unterschiedlich hohen Bewertung des Ordinationskomplexes nicht geschlossen werden kann, dass eine Differenzierung der Arztgruppe vorgenommen werden muss. Die höhere Bewertung des Ordinationskomplexes für die Neurochirurgen resultiert aus einem umfangreicheren Leistungsinhalt der Grundpauschale, der jedoch auch von den Chirurgen bei Erbringung einer vergleichbaren umfassenden Leistung durch weitere Gebührenpositionen abgerechnet werden kann.

Insgesamt ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Honorargerechtigkeit keine zwingende Verpflichtung der Vertragspartner des HVV 2009 zur Zuordnung der Neurochirurgen zu einer anderen RLV-relevanten Arztgruppe (insbesondere zu der Arztgruppe der Fachärzte für Neurologie oder der Arztgruppe der Fachärzte für Orthopädie) oder der Bildung einer eigenständigen RLV-relevanten Arztgruppe für Neurochirurgen. Indiz hierfür ist, dass vorliegend keine dieser Maßnahmen eine substantielle Verbesserung der Honorarsituation des Klägers bei dem gegebenen Leistungsspektrum bewirken würde. Eine allgemein übermäßige Honorarbegrenzung durch das Instrument des Regelleistungsvolumens bei den Neurochirurgen ist nicht ersichtlich, zumal die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten besteht. Es kommt hinzu, dass die Bildung einer zahlenmäßig kleinen und in sich heterogenen RLV-relevanten Arztgruppe an sich problematisch ist, unter anderem auch deshalb, weil sich Veränderungen im Leistungsverhalten auch nur weniger Ärzte und Praxen sehr unterschiedlich und sehr erheblich auf die Honorierung anderer Ärzte der Arztgruppe auswirken können, was die Notwendigkeit zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten noch verstärkt.

Die Beklagte geht auch zu Recht davon aus, dass bei dem Kläger Praxisbesonderheiten, die eine Sonderregelung im Sinne von Ziffer 3.4 Satz 4, 5 des HVV erfordern, nicht in dem erforderlichen Umfang vorliegen.

Rechtsgrundlage für die Zubilligung von Praxisbesonderheiten ist Ziffer 3.4 Satz 4 und 5 des HVV 2009. Nach Satz 4 dieser Bestimmung kann der Vorstand der Beklagten im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Gemäß Satz 5 gilt dies insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt. Diese Regelung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Im Falle des Klägers ist kein besonderer Versorgungsauftrag gegeben. Selbst wenn man mit der Beklagten eine für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung in den physikalisch-therapeutischen Leistungen sieht, die der Kläger gemäß Kapitel II 2.5 EBM 2009 (Nr. 02510 und 02512) abgerechnet hat, sowie in Leistungen der Abrechnungsziffer Nr. 30712 (Anleitung zur transkutanen elektrischen Nervenstimulation [TENS]) und diese daher als Praxisbesonderheit berücksichtigt, so liegt der Umfang dieser Leistungen weit unter dem geforderten Ausmaß, sie führen nach den Berechnungen der Beklagten, die nicht substantiiert angegriffen wurden, zu keiner Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 %.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. § 154 Abs. 1 VwG0. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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