LG Mönchengladbach, Beschluss vom 08.08.2019 - 5 T 37/19
Fundstelle
openJur 2019, 30599
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 XIV 6/19
Tenor

Der Feststellungsantrag wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden Rechtsanwalt N auferlegt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 09.02.2019 ordnete das Amtsgericht Erkelenz gegen eine bis heute namentlich nicht identifizierte weibliche Person die Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Identitätsfeststellung gem. § 38 Abs. 2 Nr. 5 PolG NRW längstens bis zum 14.02.2019 an. Mit Schriftsatz vom 11.02.2019 hat Rechtsanwalt N aus Köln sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt, ohne Angaben zur Identität der Betroffenen zu machen. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12.02.2019 nicht abgeholfen und sie dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Betroffene wurde am 14.02.2019 um 11:50 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen, ohne dass ihre Identität geklärt werden konnte.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 14.02.2019 darauf hingewiesen, dass die Mitteilung der Personalien Zulässigkeitsvoraussetzung einer sofortigen Beschwerde ist. Rechtsanwalt N ist dem mit Schriftsatz vom 22.02.2019 entgegengetreten und hat namens und in Vollmacht der weiterhin unbekannten Person beantragt festzustellen, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Erkelenz vom 09.02.2019 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 12.02.2019 die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt hat.

II.

Die Beschwerde in Form des Feststellungsantrags nach § 62 FamFG ist unzulässig, da die Beschwerdeführerin namentlich nicht bezeichnet ist und ihre Identität auch nicht auf andere Weise ermittelt werden kann.

Das deutsche Verfahrensrecht kennt kein anonymes Rechtsmittel. Die Angabe, wer gegen eine bereits ergangene Entscheidung rechtlich vorgehen möchte, gehört zu den wesentlichen Informationen, die dem Rechtsmittelgericht mitgeteilt werden müssen.

Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein Rechtsmittel nur demjenigen zustehen kann, dessen Recht durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird. Das Rechtsmittelgericht darf in eine Prüfung der Sache nur eintreten, wenn ein zur Einlegung des Rechtsmittels Berechtigter um Nachprüfung der Entscheidung der Vorinstanz bittet. Das Rechtsmittelgericht muss daher, bevor es sich mit der Sache befasst, zunächst die rechtliche Beschwer des Rechtsmittelführers prüfen. Dazu ist es nicht in der Lage, wenn dieser aus der Beschwerdeschrift nicht einmal im Wege der Auslegung ermittelt werden kann (so BGH, Beschl. v. 13.1.1953, - IV ZB 94/52, NJW 1953, 624). Im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, jedenfalls aber bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist, muss deshalb entweder aus dem Inhalt der Rechtsmittelschrift oder aus sonstigen bis zu diesem Zeitpunkt abgegebenen Erklärungen des Rechtsmittelführers oder seines Verfahrensbevollmächtigten erkennbar sein, für wen das Rechtsmittel eingelegt wird (allg. Auffassung, vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 29. Aufl. 2017, § 64 Rn. 28; BeckOK FamFG/Obermann, 31. Edition Stand 01.07.2019, § 64 Rn. 19; Althammer, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 64 FamFG Rn. 6; MüKo-FamFG/Fischer, 3. Aufl. 2018, § 64 Rn. 15; OLG Celle, Beschl. v. 24.8.2010 - 10 UF 130/10, BeckRS 2010, 25585; zum FGG BGH, Beschl. v. 13.1.1953 - IV ZB 94/52, NJW 1953, 624; KG, Beschl. v. 4.3.1998 - 24 W 26/97, NZM 1998, 580; entsprechend zum Rechtsmittel im Zivilprozess BGH, Beschl. v. 24.7.2013 - XII ZB 56/13, NJW-RR 2013, 1278; Beschl. v. 18.4.2000 - VI ZB 1/00, NJW-RR 2000, 1371; Beschl. v. 29.6.1956 - V ZR 20/56, NJW 1956, 1600).

Die Beschwerdeführerin ist vorliegend weder durch Angabe eines Namens noch auf andere Art und Weise identifizierbar. Die während des Vollzugs der Ingewahrsamnahme durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung ist ohne Ergebnis geblieben.

Das Erfordernis der Identifikation der Beschwerdeführerin verletzt diese auch nicht in ihren Rechten auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem Vorliegenden, in dem der durch den angegriffenen Beschluss verursachte Grundrechtseingriff in Form der Freiheitsentziehung bereits beendet ist. Die Kammer verkennt nicht, dass die Forderung nach der Preisgabe ihrer Identität als Zulässigkeitsvoraussetzung dazu führt, dass die Beschwerdeführerin das von ihr verfolgte Ziel, anonym zu bleiben, aufgeben muss, um ihr Feststellungsinteresse durchzusetzen. Denn die Beschwerdeführerin ist in Hinblick auf ihren fortdauernden Wunsch, anonym zu bleiben, gegenüber dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der keinen anonymen Rechtsschutz im Rechtsmittelverfahren vorsieht, weniger schutzwürdig. Die Weigerung, gegenüber einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Amtsträger grundlegendste Angaben zur Person zu machen, stellt nach geltender und verfassungskonformer Gesetzeslage eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs. 1 OWiG dar. Selbst im Strafverfahren ist ein Beschuldigter verpflichtet, ebensolche Angaben zu machen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.8.1972 - 2 StR 190/72, BGHSt 25, 13; zur Verwerfung einer Berufung als unzulässig bei Schweigen über die Identität trotz Anwesenheit des Angeklagten vgl. LG Berlin, Urt. v. 5.12.1996 - (574) 55/141 PLs 4163/95 Ns (93/96), NStZ-RR 1997, 338).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 4 FamFG. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren Rechtsanwalt N aufzuerlegen, der die unzulässige Beschwerde eingelegt hat, wobei er das Ziel verfolgte, die Anonymität der Beschwerdeführerin aufrecht zu erhalten. Die Kammer wertet dieses Verhalten als grob schuldhaft. Im Rahmen des ihr dabei obliegenden Ermessens hat die Kammer berücksichtigt, dass es der Kammer durch die von Rechtsanwalt N praktizierte Prozessführung effektiv unmöglich gemacht wird, der Beschwerdeführerin selbst die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Beschwerdewert: 5.000,00 EUR (§§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG)

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.

Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.

Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),

2. in den Fällen, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist eine Darlegung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert,

3. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar

- die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;

- soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.