LG Wuppertal, Urteil vom 07.08.2019 - 3 O 426/18
Fundstelle
openJur 2019, 30593
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 76.257,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.02.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Porsche Cayenne Diesel mit der Fahrzeugidentifikationsnummer XXXX.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs Porsche Cayenne Diesel mit der Fahrzeugidentifikationsnummer XXXX in Annahmeverzug befinden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Wege des Schadensersatzes von den Beklagten die Rückzahlung eines an einen Dritten gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kaufgegenstandes an die Beklagten.

Die Beklagten sind beide weltweit bedeutende Hersteller von Kraftfahrzeugen. Die Beklagte zu 2) verbaute 3,0L V6 TDI Euro 6 Dieselmotoren der Beklagten zu 1) in ihren Porsche Cayenne Diesel. Dieser Motor wurde tausendfach in Fahrzeugen der Beklagten zu 2) verbaut.

Die Klägerin kaufte am 11.05.2016 beim Porschezentrum D, der L Sportwagenzentrum D GmbH & Co.KG in H einen Neuwagen Porsche Cayenne Diesel mit einem 3,0L V6 TDI Euro 6 Motor (FIN: XXXX), der von der Beklagten zu 1) hergestellt worden war zu einem Kaufpreis von 81.125,03 EUR brutto (Anl. K1).

Mit Schreiben vom 22.12.2017 informierte die Porsche Deutschland GmbH, die eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2) ist (https://www.porsche.com/germany/aboutporsche/service/porschegermany/about/), die Klägerin wie folgt:

"mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen mitteilen, dass ein Software-Update aufgrund einer angeordneten Rückrufaktion von Fahrzeugen des Typs Porsche Cayenne 3,0-Liter-V6-Diesel (Euro 6) vorgenommen werden muss. In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Von dieser Maßnahme ist auch Ihr Porsche betroffen. Das benötigte Software-Update, dessen Eignung und Wirksamkeit umfassend überprüft wurde, steht nunmehr auch für Ihr Fahrzeug zur Verfügung (...)."

Auf den weiteren Inhalt der Anlage K27 wird ausdrücklich Bezug genommen.

Am 22.01.2018 veröffentliche das Kraftfahrt-Bundesamt auf seiner Internetseite im zentralen Online-Rückrufregister den Hinweis, dass bei den Fahrzeugen Porsche Cayenne Baujahr 2014 bis 2017 eine durch das Kraftfahrt-Bundesamt überwachte Rückrufaktion durchgeführt wird (https://www.kbaonline.de/gpsg/auskunftServlet; Anl. K11). In der Beschreibung zur Begründung heißt es:

"Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung. Es sind nur Fahrzeuge mit 3,0L V6 TDI Euro 6-Motor betroffen."

Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung hatte das Streitgegenständliche Fahrzeug eine Gesamtfahrtleistung von 15.658 km.

Die Klägerin behauptet, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Hätte sie gewusst, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine verbotene Abschalteinrichtung verwendet wird, hätte sie den streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung sei mit Wissen und Wollen des Vorstandes sowohl der Beklagten zu 1) als auch der Beklagten zu 2) erfolgt. Dies folge daraus, dass die Beklagte zu 1) den streitgegenständlichen Motor unstreitig hergestellt und in den Verkehr brachte. Der Vorstand der Beklagten zu 1) habe Kenntnis von der Implementierung der unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt und diese zur Ermöglichung der Erreichung der Unternehmensziele mindestens gebilligt. Da die Beklagte zu 2) den streitgegenständlichen Motor in ihre Fahrzeuge einbaute, habe sie spätestens ab Bekanntwerden des Abgasskandals um VW billigend in Kauf genommen, dass auch in ihre Fahrzeuge manipulierte Motoren eingebaut werden.

Auch das Software-Update behebe den Mangel nicht. Es sei zu befürchten, dass sich das Software-Update nachteilig auf die Leistung und die Langlebigkeit des Fahrzeuges auswirke.

Für die Berechnung eines etwaigen Nutzungsersatzes sei bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Lebenslaufleistung von 500.000 km anzunehmen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie aufgrund des Verhaltens der Beklagten im Wege des Schadensersatzes den von ihr mit einem Dritten eingegangen Kaufvertrag mit den Beklagten "quasi" rückabwickeln könne.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 81.125,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten p.a. seit dem 11.05.2016 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs Porsche Cayenne Diesel (FIN: XXXX), abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,16225 EUR pro gefahrenem km seit dem 11.05.2016, die sich nach folgender Formel berechnet:

(81.125,03 EUR x gefahrene Kilometer): 500.000 km

2.

festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme ihres PKWs, des Fahrzeuges Porsche Cayenne Diesel (FIN: XXXX), in Annahmeverzug befinden,

3.

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, an sie Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs Porsche Cayenne Diesel (FIN: XXXX), mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung resultieren.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Meinung bereits jeweils nicht passivlegitimiert zu sein. Die Beklagte zu 1) begründet dies damit, dass sie unstreitig weder Herstellerin noch Verkäuferin des streitgegenständlichen PKW ist. Die Beklagte zu 2) begründet dies damit, dass sie den streitgegenständlichen Motor unstreitig weder entwickelt noch hergestellt hat.

Sie sind der Meinung, das streitgegenständliche Fahrzeug sei niemals mangelhaft gewesen, weil die Typengenehmigung EU6, auf deren Vorliegen die Klägerin maximal ihr Vertrauen im Hinblick auf die Kaufmotivation habe stützen können, nach wie vor bestehe. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden.

Soweit die Klägerin deliktische Ansprüche geltend mache, welche ein vorsätzliches Handeln der Vertreter der Beklagten voraussetzten, fehle es an substantiiertem Vortrag. Eine weitergehende Erklärungspflicht bestehe für sie, die Beklagten, nicht. Eine solche folge insbesondere nicht aus einer sekundären Darlegungslast.

Sie behaupten, die erwartbare Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges betrage 200.000 bis 250.000 km.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet.

I.

Der mit dem Klageantrag zu Ziff. 1) als Hauptforderung geltend gemachte Anspruch besteht im tenorierten Umfang aus § 826 BGB.

Die Haftung aus § 826 BGB ist begründet, weil die Beklagten der Klägerin gesamtschuldnerisch einen Schaden zugefügt haben - dazu unten 1) -, welcher auf sittenwidrigem - dazu unten 2) - und vorsätzlichem - dazu unten 3) - Verhalten beruht. Die Beklagten sind daher im tenorierten Umfang als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet - dazu unten 4).

Aus der Haftung beider Beklagter aus § 826 BGB folgt, dass sie auch beide passivlegitimiert sind.

1)

Die Beklagten haben der Klägerin einen Schaden im Sinne von § 826 BGB zugefügt.

Ein Schaden in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende "ungewollte" Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, Az. VI ZR 15/14 Rz. 19 mit zahlreichen w.N. = NJW-RR 2015, 275, 276; Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 41; Förster in BeckOK BGB, 43. Edition, Stand 15.06.2017, § 826 Rn. 25). Entscheidend und ausreichend ist, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen vor.

a)

Es kann dabei dahinstehen, ob es durch das jeweilige Verhalten der Beklagten zu einem messbaren Wertverlust am streitgegenständlichen Fahrzeug kam und auch, ob durch die etwaigen Nachbesserungsmaßnahmen der Beklagten zu 2) der Mangel am Fahrzeug vollständig beseitigt wurde, weil die Klägerin durch das Verhalten der Beklagten einen Vertrag abschloss, den sie im Übrigen nicht abgeschlossen hätte, und aus diesem gem. § 433 Abs. 2 BGB zur Kaufpreiszahlung und Abnahme des Fahrzeugs verpflichtet wurde.

Es steht außer Zweifel, dass unter normalen Umständen, d.h. etwa für den gewöhnlichen Privatgebrauch, kein verständiger Autokäufer ein Kraftfahrzeug kauft, welches zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidenden gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und dessen Hersteller die behördenseits gleichwohl erteilte Typengenehmigung durch Täuschung erschlichen hat. Er müsste befürchten, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Typengenehmigung gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV ganz oder teilweise widerruft, was in der Folge zu einer Betriebsuntersagung durch die zuständige Zulassungsbehörde gemäß § 5 Abs. 1, 2 FZV führen kann. Dies gilt jedenfalls solange, wie nicht ersichtlich ist, dass der Käufer das Risiko bewusst einging, etwa um von einem besonderen Preisnachlass zu profitieren. Dies ist indes vorliegend nicht ersichtlich. Soweit das hypothetische Verhalten der Klägerin bei Vertragsschluss nicht bereits als offenkundig angesehen werden kann, streitet dafür, dass sie den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, mindestens eine tatsächliche Vermutung im Sinne eines Anscheinsbeweises. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation ist dabei im Hinblick auf die hypothetische Kausalität ohne weiteres den Fällen gleichzusetzen, für die der Bundesgerichtshof die sog. "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" anerkannt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10 Rz. 28, 33 m.w.N. = NJW 2012, 2427, 2429 f.). Die so begründete Vermutung wurde mangels substantiellem Vortrag durch die Beklagten noch nicht einmal im Ansatz erschüttert.

Das streitgegenständliche Fahrzeug entsprach weder zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Kaufentschluss fasste, noch bei Abschluss des Kaufvertrages den gesetzlichen Anforderungen. Es ist nämlich offenkundig, dass der streitgegenständliche Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist. Das folgt für das Gericht aus der Veröffentlichung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 22.01.2018, in der ausdrücklich ausgeführt wird, Porsche Cayenne aus den Baujahren 2014 bis 2017 mit dem im hiesigen Fall gegebenen Motor 3,0L V6 TDI Euro 6, seien mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, deren Entfernung im Rahmen einer Rückrufaktion durch das Kraftfahrt-Bundesamt überwacht werde (https://www.kbaonline.de/gpsg/auskunftServlet). Des Weiteren wurde die Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2017 von der Porsche Deutschland GmbH, bei der es sich um eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2) handelt, darüber informiert, dass in dem streitgegenständliche Fahrzeug eine Motorsteuergeräte-Software verbaut sei, durch welche die Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstandlauf und realem Fahrbetrieb verschlechtert würden (Anl. K27). An dieser Erklärung muss sich insbesondere auch die Beklagte zu 2) festhalten lassen. Laut der Internetseite von Porsche handelt es sich bei der Porsche Deutschland GmbH um eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2), die für den Betrieb "im strategisch wichtigen Heimmarkt Deutschland verantwortlich" ist und so die "optimale Versorgung und Betreuung der Porsche Kunden im Inland sicher" stellt (https://www.porsche.com/germany/aboutporsche/service/porschegermany/about/). Hieraus folgt, dass die Porsche Deutschland GmbH ausschließlich für die Beklagte zu 2) tätig wird. Die Kundenbetreuung der Deutschen Porsche Kunden ist ihre vorwiegende Aufgabe. Dazu gehört aber gerade auch die Information über Produktfehler, wie es vorliegend geschehen ist. Gerade mit Blick auf den kurz nach dem Schreiben an die Klägerin beim Kraftfahrt-Bundesamt veröffentlichten Rückruf der entsprechenden Fahrzeuge ist davon auszugehen, dass das Schreiben der Porsche Deutschland GmbH nicht im Alleingang und ohne Kenntnis der Beklagten zu 2) erfolgte.

b)

Dass die Leistung, die die Klägerin im Gegenzug für die ungewollt eingegangene Verbindlichkeit erhalten hat, für ihre Zwecke nicht voll brauchbar sein darf, ist als einschränkendes Korrektiv für die weite Fassung des Vermögensschadensbegriffes zu sehen. Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit zur strafrechtlichen Bewertung solcher Konstellationen im Rahmen des Betrugstatbestandes (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16.08.1961, Az. 4 StR 166/61). Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt demnach voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BGH, Urteil vom 26.09.1997, Az. V ZR 29/96 m.w.N. = DNotZ 1998, 349, 354).

Nach diesen Maßstäben besteht kein Zweifel daran, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Leistung für Zwecke der Klägerin nicht voll brauchbar war. Es drohte - was die Eigennutzung des Fahrzeugs angeht - nicht nur theoretisch die Betriebsuntersagung und Außerbetriebsetzung, sondern - mindestens bei einer ex ante Betrachtung, unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem "Abgasskandal" bei VW - auch eine erhebliche Einschränkung der Fungibilität. Denn mindestens solange die abschließende Haltung des Kraftfahrt-Bundesamtes zu dem Komplex nicht bekannt war und mit den vorgenannten Folgen ernsthaft gerechnet werden musste, dürfte ein betroffenes Fahrzeug - so wie das streitgegenständliche - quasi unhandelbar gewesen seien; jedenfalls hätte die Klägerin als Verkäufer wohl im Vergleich zum Anschaffungswert Preisabschläge hinnehmen müssen. Ob sich die Fungibilität der betroffenen Fahrzeuge später verbesserte und ob heute gegebenenfalls sogar davon auszugehen ist, dass eine objektiv messbare Wertminderung an den betroffenen Fahrzeugen nicht mehr gegeben ist, ist ohne Relevanz.

c)

Das Verhalten der Beklagten ist jeweils mindestens mitursächlich für die Schädigung.

aa)

Dies ist bzgl. der Beklagten zu 1) nach allgemeinen Grundsätzen bereits deshalb der Fall, weil die Beklagte zu 1) das Antriebsaggregat, welches die (unzulässige) Abschalteinrichtung beinhaltet, entwickelt und in Verkehr gebracht hat. Hätte sie ein gesetzeskonformes Produkt entwickelt, gäbe es für die Klägerin keinen Grund zu Beanstandungen und es wäre nicht von einem für sie nachteiligen Vertrag auszugehen.

Bezüglich der Beklagten zu 2) gilt das Zuvor gesagte. Sie hat durch den Einbau des streitgegenständlichen Motors in ihre Fahrzeuge, diesen in Verkehr gebracht. Hätte sie den Motor mit der (unzulässigen) Abschalteinrichtung nicht in ihre Fahrzeuge eingebaut, bestünde für die Klägerin ebenfalls kein Grund zur Beanstandung.

Da die Beklagten so letztlich gemeinsam dafür verantwortlich sind, dass der streitgegenständliche Motor in Verkehr gebracht wurde, führt ihr Verhalten zusammengenommen dazu, dass es zu einer Schädigung der Klägerin kam.

bb)

Die Beklagten haben die Klägerin darüber hinaus jedoch auch arglistig getäuscht und damit den nachteiligen Vertragsschluss kausal herbeigeführt.

Arglistig täuscht, wer einen anderen zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums bewusst über einen erheblichen Umstand täuscht, wobei die Täuschung sowohl durch positives Tun als auch Unterlassen begangen werden kann (vgl. nur Ellenberger in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 123 Rn. 2 m.w.N). Das Verschweigen von Tatsachen stellt allerdings nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Aufklärungspflicht kann sich aus § 242 BGB ergeben, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise entsprechende Aufklärung erwarten durfte (BGH, Urteil vom 25.10.2017, Az. VII ZR 205/06 Rz. 20 m.w.N. = NJW-RR 2008, 258, 259).

(1)

Nach diesen Maßstäben traf die Beklagten jeweils eine Aufklärungspflicht.

Als diejenige, die das in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte und mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Antriebsaggregat entwickelt und über die Beklagte zu 2) in den Verkehr gebracht hat, trifft in erster Linie aufgrund ihrer umfassenden Kenntnis ihres eigenen Produktes die Beklagte zu 1) die Verantwortlichkeit für dessen Ordnungsgemäßheit. Ist eine solche von vornherein nicht gegeben oder bestehen jedenfalls Zweifel daran, ist sie als deren Schöpfer nach Treu und Glauben verpflichtet, potentielle Käufer zu unterrichten, jedenfalls dann, wenn aus der Nichtordnungsgemäßheit für den potentiellen Kunden erhebliche tatsächliche und wirtschaftliche Risiken folgen und es sich somit um einen Umstand handelt, der für die Willensbildung in besonderem Maße von ausschlaggebender Bedeutung ist. Dass unter Beachtung der Verkehrsanschauung eine derartige Aufklärungspflicht der Beklagten anzunehmen ist, folgt auch aus dem Umstand, dass die Beklagten weltweit bedeutende Hersteller von PKW sind, die für sich in Anspruch nehmen, hochentwickelte Motoren zu entwickeln, herzustellen und in eigenen Modellen oder solchen der Beklagten zu 2) einzusetzen und als solche ein besonderes Vertrauen in die Integrität des Unternehmens beim Bevölkerungsdurchschnitt genossen.

Diese Aufklärungspflicht hat die Beklagte zu 1) unstreitig nicht erfüllt.

Durch die Verletzung der Aufklärungspflicht wurde die Klägerin getäuscht. Sie hat sich nämlich vorgestellt, ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Fahrzeug zu erwerben.

Auch die Beklagte zu 2) traf insofern eine entsprechende Aufklärungspflicht, die sie nicht erfüllt hat. Sie hat den streitgegenständlichen PKW hergestellt und den von der Beklagten zu 1) entwickelten Motor eingebaut und ihn so zusammen mit ihren PKW in den Verkehr gebracht. Als Herstellerin des streitgegenständlichen PKW traf sie jedenfalls die Pflicht zu prüfen, wie der von der Beklagten zu 1) entwickelte Motor arbeitete und ob dieser ordnungsgemäß funktionierte.

(2)

Infolge der Täuschung schloss die Klägerin den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug. Wäre ihr bekannt gewesen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, hätte sie den Vertrag nicht geschlossen.

(3)

Arglistig zu handeln bedeutet, vorsätzlich zu handeln. Im Vergleich zum Vorsatz im Hinblick auf die Täuschungshandlung und die Erregung eines kausalen Irrtums bei dem Getäuschten hat der Arglistbegriff keine weitergehende eigenständige Bedeutung (Armbrüster in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 123 Rn. 17 m.w.N.). Absichtliches Verhalten ist nicht erforderlich, es genügt vielmehr ein lediglich bedingter Vorsatz (vgl. nur, BGH, Urteil vom 13.06.2007, Az. VIII ZR 236/06 Rz. 29 m.w.N. = NJW 2007, 3057, 3059). Bei einer - wie vorliegend - Täuschung durch Verschweigen bedeutet dies, dass vorsätzlich handelt, wer eine offenlegungspflichtige Fehlvorstellung zumindest für möglich hält, gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenlegung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH Urteil vom 28. 2. 2007, Az. IV ZR 331/05 Rz. 8 m.w.N. = VersR 2007, 785).

Nach diesen Maßstäben liegt arglistiges Verhalten der Beklagten vor. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagten wussten, dass die Beklagte zu 1) ein nicht gesetzeskonformes Produkt entwickelt und zusammen mit der Beklagten zu 2) in den Umlauf gebracht haben und durch die unterlassene Aufklärung der Klägerin hierüber diese dazu veranlassten, einen Vertrag zu schließen, den sie bei Offenlegung nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Wegen der Einzelheiten wird auf die umfassende Begründung des Vorsatzes unter Ziff. 3) (nachfolgend) Bezug genommen.

2)

Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu werten.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und recht Denkenden verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15.10.2013, Az. VI ZR 124/12 Rz. 8 mit zahlreichen w.N. = NJW 2014, 1380). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Zwar haben die Beklagten sich zu den Gründen ihres Verhaltens nicht - jedenfalls nicht in plausibler Art und Weise - erklärt, doch liegt es auf der Hand, dass das im Rahmen des sog. Dieselskandals zu Tage getretene Verhalten einzig und allein dazu diente, sich auf rechtswidrigem Wege Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und dadurch die Unternehmensgewinne in nicht unerheblicher Art und Weise zu steigern. Natürlich ist es völlig unbedenklich, wenn wirtschaftlich tätige Unternehmen derartige Ziele verfolgen, indem sie sich durch überdurchschnittliche Leistung, besondere Qualität, technische Überlegenheit, herausragenden Service oder Ähnliches von der Konkurrenz abheben. Es ist auch nicht verwerflich, wenn diese Unternehmen nicht nur im Verhältnis zu den Wettbewerbern, sondern auch im Verhältnis zu den Kunden die eigenen wirtschaftlichen Interessen voranstellen. Soweit nicht eine marktbeherrschende Stellung dieses entscheidend behindert, ist der Erfolg solchen Verhaltens letztlich abhängig vom Verhandlungsgeschick und damit Ausfluss der Privatautonomie, die zentraler Eckpfeiler des deutschen Zivilrechtssystems ist.

Die Grenze wird jedoch dort überschritten, wo die an sich legalen Ziele mit verwerflichen Mitteln zu erreichen versucht werden. Von einer solchen Grenzüberschreitung ist bei einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände im vorliegenden Fall sowohl bei der Beklagten zu 1) als auch bei der Beklagten zu 2) auszugehen, wobei die nachfolgenden Aspekte für das Gericht von entscheidender Bedeutung waren.

Die Beklagte zu 1) verfügte über einen erheblichen und entscheidenden Wissensvorsprung. Sie war diejenige, die originäre Kenntnis nicht nur von der unzulässigen Abschalteinrichtung an sich, sondern auch von dem Umstand hatte, dass diese Abschalteinrichtung bzw. deren genaue Funktion den maßgeblichen Behörden bei Erteilung der EG-Typengenehmigung nicht angezeigt wurde, mit der Folge, dass die zuständige Behörde im Falle der Aufdeckung dieses Umstandes Prüfungen anordnen, Nebenbestimmungen erlassen oder die EG-Typengenehmigung gänzlich zurücknehmen oder widerrufen könnte.

Bei den zurückgehaltenen Informationen handelt es sich nicht lediglich um solche, die gewöhnliche Schwachstellen, Ineffizienzen oder hinter den erwarteten Ansprüchen zurückbleibende Qualitätsmerkmale offenbart hätten, sondern um solche, welche für den Wert des Fahrzeugs abstrakt von essenzieller Bedeutung sind. Zu bedenken ist nämlich, dass vor dem Hintergrund des Ausmaßes der Täuschung gegenüber den Genehmigungsbehörden der damit verbundene Vertrauensverlust durchaus dazu hätte führen können, dass das Kraftfahrt-Bundesamt anders reagiert, indem es etwa gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die Typengenehmigung widerruft oder zurücknimmt. Dies hätte dazu geführt, dass auch dem streitgegenständlichen Fahrzeug mit hoher Wahrscheinlichkeit gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 FZV die Betriebserlaubnis entzogen worden und dieses stillgesetzt worden wäre. Dass das Kraftfahrt-Bundesamt sein ihm zustehendes Ermessen tatsächlich anders ausgeübt hat, ändert daran nichts, weil dies ein Umstand ist, der sich erst im Nachhinein herausgestellt hat und der aus den vorgenannten Gründen nicht von vornherein zu erwarten war.

Um der Täuschung zum Erfolg zu verhelfen, hat die Beklagte zu 1) bewusst das ihr entgegengebrachte Vertrauen in der Bevölkerung im Allgemeinen und unter den potentiellen Autokäufern im Besonderen, eingesetzt. Die Beklagte verfügt über ein über viele Jahre gewachsenes Vertrauen, welches auf einer in der Vergangenheit erfolgreichen Unternehmenspolitik sowie einem Qualitätsanspruch beruhte, von dem der Durchschnittsbürger annahm, dass die Beklagte ihm überwiegend gerecht wird. Entgegen der Annahme der potentiellen Käufer erfüllten die beworbenen Motoren tatsächlich nicht einmal die gesetzlichen Anforderungen. Dieses Verhalten ist als verwerflich einzuordnen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es nicht schon verwerflich sein kann, wenn ein Unternehmen seinen eigenen Ansprüchen oder denjenigen, die die Bevölkerung an es stellt, nicht genügt. Dies würde in nicht zu rechtfertigender Art und Weise ambitionierte Unternehmen im Vergleich zu solchen, welche von vornherein weniger Sorgfalt an den Tag legen, benachteiligen. Das Gericht hat auch nicht übersehen, dass sich die Beklagte das Vertrauen selbstständig aufgebaut hat und diesen Kredit einsetzen kann und darf. Es ist nämlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Unternehmen sich unter Inkaufnahme eines Vertrauensverlustes zeitweilig auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruht. Diese unternehmerische Freiheit findet ihre Grenze jedoch dort, wo - wie vorliegend - das besondere Vertrauen unter Inkaufnahme einer essentiellen Schädigung der potentiellen Kunden geschieht, deren Vertrauen in Anspruch genommen wurde. Diese Grenze ist im vorliegenden Fall bei weitem überschritten.

Die Beklagte hat jedoch nicht nur originäres Vertrauen zur Täuschung genutzt, sondern in besonderem Maße auch solches, welches aus der EG-Typengenehmigung resultiert. Die Bevölkerung und potentielle Autokunden vertrauen darauf, dass solche Fahrzeuge, welche über eine EG-Typengenehmigung verfügen, gesetzeskonform sind. Sie gehen dabei berechtigterweise davon aus, dass insbesondere die immer wichtiger werdenden Emissionsgrenzwerte eingehalten werden. Das besondere Vertrauen der Allgemeinheit in dieses Verfahren fußt darauf, dass unter hoheitlicher Überprüfung, nach gesetzlich vorgegebenen Verfahren und Maßstäben neue Fahrzeugtypen geprüft und im Erfolgsfall genehmigt werden. Die Bevölkerung setzt mit Recht voraus, dass die entsprechende hoheitliche Stelle solchen Fahrzeugtypen die Genehmigung verweigert oder mindestens zur Herstellung der Ordnungsgemäßheit erforderliche Auflagen macht, die den gesetzlichen Anforderungen nicht (von vorneherein) genügen. Dieses besondere Vertrauen hat die Beklagte bewusst genutzt, um die Täuschung der potentiellen Kunden zu erleichtern. Besonders verwerflich ist dies deshalb, weil sie fremdes Vertrauen nutzt, welches letztlich auf essentielle verfassungsrechtliche Grundsätze, wie etwa die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, zurückzuführen ist.

Besonders verwerflich ist es auch deshalb, weil der Beklagten klar gewesen sein musste, dass sie durch entsprechende Manipulation der Typendokumentation die Grundlage für die Täuschung in einem Bereich legen würde, den die Behörde nicht durch eigene Untersuchung überprüfen würde.

Auch in Bezug auf die Beklagte zu 2) ist insofern von Sittenwidrigkeit auszugehen. Ohne einen substantiierten und nachvollziehbaren Vortrag dahingehend, dass die Beklagte zu 2) keine Kenntnis davon hatte, wie der von ihr in ihre Fahrzeuge eingebaute Motor funktionierte und ob er den gesetzlichen Vorgaben entsprach, kann sich die Beklagte zu 2) nicht darauf berufen, dass der streitgegenständliche Motor nicht von ihr, sondern der Beklagten zu 1) entwickelt worden ist.

3)

Die Beklagten handelten im Hinblick auf die Schadenszufügung auch vorsätzlich.

a)

Nach im Zivil- wie Strafrecht allgemeiner Ansicht muss sich der Vorsatz auf die Tatsachen beziehen, die den konkreten Tatbestand ausmachen, vgl. § 16 StGB. Für § 826 BGB ist somit zu fordern, dass der Täter Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände hat (vgl. nur Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 25). Es reicht dabei aus, wenn der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 20.11.1990, Az. VI ZR 6/90 = NJW 1991, 634, 636).

Daran, dass die mit der Entwicklung bzw. Implementierung der unzulässigen Abschalteinrichtung betrauten Mitarbeiter der Beklagten zu 1) bezüglich der vorgenannten Punkte vorsätzlich handelten, bestehen keine Zweifel. Solche werden auch nicht in substantieller Art und Weise durch die Beklagten selbst erhoben.

Zunächst steht außer Frage, dass die unzulässige Abschalteinrichtung willentlich entwickelt und eingesetzt wurde; sie war keineswegs die Folge eines "Fehlers" oder gar zufälliger Natur. Etwas Gegenteiliges wird auch von der Beklagtenseite nicht behauptet. Unter gebotener lebensnaher Betrachtung und Bewertung der Gesamtumstände schließt das Gericht aus, dass die unzulässige Abschalteinrichtung aus anderen Gründen entwickelt und eingesetzt wurde, als sich einen Wettbewerbs- und Kostenvorteil zu verschaffen. Entweder war der Druck auf die Entwickler bzw. die Beklagte als Unternehmen deshalb so groß, weil sie jedenfalls damals technisch nicht in der Lage waren, die Anforderungen zu erfüllen, die an sie von Gesetzesseite gestellt wurden oder die Erfüllung der notwendigen Vorgaben war im Hinblick auf den notwendigen Erfolg im Wettbewerb mit anderen Kraftfahrzeugherstellern unwirtschaftlich, d.h. die Entwicklung und/oder Umsetzung einer gesetzesentsprechenden Technologie zu teuer.

Welche dieser Varianten tatsächlich der maßgebliche Antrieb der Verantwortlichen waren, kann dahinstehen, weil diesen in beiden Fällen jedenfalls klar sein musste, dass aufgrund der Täuschung gegenüber der Genehmigungsbehörde im schlimmsten Fall Rücknahme oder Widerruf der gesamten EG-Typengenehmigung drohte, mit allen bereits zuvor erörterten essentiellen wirtschaftlichen Risiken der Fahrzeugkäufer.

Weil die Verantwortlichen im Bewusstsein dessen die Täuschung dennoch vornahmen, ist davon auszugehen, dass sie mindestens billigend in Kauf nahmen, dass ihre eigenen Kunden in erheblicher Weise wirtschaftlich durch das Verhalten geschädigt werden. Es besteht schließlich auch kein Zweifel daran, dass den Verantwortlichen bewusst war, dass das eigene Verhalten nicht nur unredlich im Verhältnis zu den potentiellen Kunden, sondern nach der Verkehrsanschauung auch als besonders verwerflich einzuordnen ist.

Schließlich war den Verantwortlichen bewusst, dass das Verschweigen dieser maßgeblichen Eigenschaften des streitgegenständlichen Fahrzeugs für die Klägerin als Käufer desselben entscheidungserheblich war. Bei lebensnaher Betrachtung ist nämlich kaum davon auszugehen, dass diese selbst an seiner Stelle zum damaligen Zeitpunkt in Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft hätte.

Spätestens mit Bekanntwerden des Abgasskandals bei VW hätte auch die Beklagte zu 2) - unabhängig von ihrer vorher bereits bestehenden Überprüfungspflicht der Motoren - konkreten Anlass gehabt, die in ihre PKW eingebauten Motoren der Beklagten zu 1) nochmals genau auf ihre Funktionsweise und ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen. Indem sie sich darauf zurückzieht, die Beklagte zu 1) habe ihr versichert, die Motoren entsprächen den gesetzlichen Vorgaben, räumt sie ein, dies nicht in der notwendigen Weise getan zu haben. Sie nahm daher jedenfalls billigend in Kauf, dass ihre potentiellen Kunden über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht wurden.

b)

Ist der im Rahmen des § 826 BGB in Anspruch genommene eine juristische Person, so hat diese gemäß § 31 BGB für den Schaden einzustehen, den ihr "verfassungsmäßig berufener Vertreter" (zur weiten Auslegung dieses Begriffs vgl. BGH, Urteil vom 30.10.1967, Az. VII ZR 82/65 = NJW 1968, 391 ff.) durch eine unerlaubte Handlung einem Dritten zugefügt hat. Im Rahmen des § 826 BGB ist somit Voraussetzung, dass ein solcher Vertreter auch den subjektiven Tatbestand dieser Anspruchsgrundlage verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15 Rz. 13 m.w.N. = NJW 2017, 250, 251).

Dass maßgebliche Mitarbeiter der Beklagten, bis in die Vorstandsebene, bei denen es sich zweifelsfrei um verfassungsmäßig berufene Vertreter handelt, Kenntnis von allen maßgeblichen haftungsbegründenden tatsächlichen Umständen hatten und vollumfänglich im Sinne der vorgenannten Erläuterungen vorsätzlich handelten, ist anzunehmen. Der entsprechende klägerische Vortrag ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, da er nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde.

Die Beklagten traf - worauf sie durch das Gericht und die Gegenseite hingewiesen worden ist - bezüglich der vorstehenden Behauptung nämlich eine sekundäre Darlegungslast.

Eine sekundäre Darlegungslast trifft die nicht primär darlegungs- und beweisbelastete Partei ausnahmsweise dann, wenn die eigentlich darlegungs- und beweisbelastete Partei für einen hinreichend substantiierten Vortrag, Umstände darzutun hätte, die ihr unbekannt sind, die aber in den Wahrnehmungsbereich der Gegenpartei fallen und die Darlegung der entsprechenden Verhältnisse der Gegenpartei zumutbar ist.

Die sekundäre Darlegungslast entsteht dabei allerdings erst, wenn die primär darlegungs- und beweisbelastete Partei Anknüpfungstatsachen schlüssig vorgetragen hat und sich daraus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit ihres Vortrags ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2014, Az. IV ZR 90/13, Rz. 21).

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Im Rahmen der Prüfung eines etwaigen Schadensersatzanspruches der Klägerseite gegen die Beklagten aus § 826 BGB hat die Klägerseite nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagten bzw. diejenigen Organe oder Vertreter, deren Verhalten und Kenntnisse sie sich zuzurechnen lassen haben, mit Schädigungsvorsatz gehandelt haben. Indizielle Anknüpfungstatsache hierfür ist, ob Personen aus dem vorbezeichnete Personenkreis von der Entwicklung einer irregulären Software sowie deren massenhafter Implementierung in von den Beklagten in Verkehr gebrachten Motor- bzw. Abgassystemen Kenntnis hatten. Zur entsprechenden Darlegung und sachgerechtem Beweisantritt ist die Klägerseite nicht in der Lage, weil es ihr an entscheidender Kenntnis über die internen Betriebsabläufe der Beklagten, insbesondere die Abgrenzung von Verantwortlichkeiten sowie die Berichtspflichten und Berichtswege mangelt. Diese Umstände gehören aber zum unmittelbaren Wahrnehmungsbereich der Beklagten und ihre Offenbarung ist den Beklagten ohne weiteres zuzumuten. Es kann dabei dahinstehen, ob es allgemein als zumutbar anzusehen ist, wenn die Beklagten intern zeit- und kostenintensive Maßnahmen ergreifen müssen, um die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorzutragenden Umstände zusammenzutragen und geordnet darzustellen, weil davon ausgegangen werden kann, dass sie dies unabhängig vom hier geführten Rechtsstreit bereits getan haben und damit jedenfalls heute der zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast erforderliche Aufwand nicht mehr unverhältnismäßig ist. Mit Bekanntwerden des Abgasskandals bei VW gerieten auch andere deutsche Fahrzeughersteller ins Blickfeld. Dass unter anderem auch die Beklagte zu 2) z.B. umfänglich von dem Kraftfahrt-Bundesamt geprüft wurde, zeigt die Information über den Rückruf des hiesigen Fahrzeugtyps aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

Die sekundäre Darlegungslast wurde durch den hinreichend substantiierten Primärvortrag der Klägerseite auch ausgelöst. Diese trägt nämlich vor, dass Entwicklung und Einsatz einer Software, welche später Verwendung in mehreren tausend Fahrzeugen fand, letztendlich auch dem Vorstand der Beklagten bekannt gewesen sein müsse (vgl. Klageschrift vom 27.12.2018, für die Beklagte zu 1) Bl. 57 ff. d.A., für die Beklagte zu 2) Bl. 62 ff. d.A.). Außerdem nimmt sie Bezug auf zahlreiche öffentlich zugängliche und damit allgemeinbekannte Dokumente, in denen die Kenntnis der jeweiligen Verantwortlichen der Beklagten thematisiert wird. Dieser für sich genommen knappe Vortrag genügt vor dem Hintergrund der folgenden Erwägungen. Zum einen entspricht die geäußerte Behauptung, dass ein organschaftlich Verantwortlicher mit diesem Themenkreis befasst war, dem bei einem Großkonzern wie der Beklagten Erwartbaren. Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 1) ihre Betriebs- und Verwaltungsorganisation an den gesetzlichen Vorgaben ausrichtet und daher gem. § 91 Abs. 2 AktG ein Überwachungssystem eingerichtet hat, um Entwicklungen früh zu erkennen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden. Zu bestandsgefährdenden Entwicklungen in diesem Sinne gehören auch Verstöße von Organmitgliedern und Unternehmensangehörigen gegen gesetzliche Vorschriften (vgl. Spindler in Münchner Kommentar zum AktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 52 unter Verweis auf die Begründung im RegE BT-Drucks. 13/9712 S. 15). Gerade wenn es wie vorliegend um Produkte geht, welche einer behördlichen Prüfung und Zulassung unterzogen werden müssen und welche tausendfach in den Verkehr gebracht werden, kann weder angenommen werden, dass es objektiv entbehrlich ist, ein Überwachungssystem zur Vorbeugung gegen bzw. der Aufdeckung von bereits erfolgten Gesetzesverstößen einzurichten, noch dass der verantwortliche Vorstand der Beklagten dies subjektiv anders eingeschätzt hätte. Wenn die Beklagte zu 1) aber derartige Überwachungssysteme eingerichtet hat, liegt es nahe anzunehmen, dass die damit verbundenen Prüf- und Genehmigungspflichten ebenso wie die korrespondierenden Berichtspflichten bis in die Führungsebene der Beklagten reichen.

Der von der Beklagten zu 2) hervorgehobene Umstand, dass der Motor für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht von ihr, sondern von der Beklagten zu 1) entwickelt und hergestellt worden ist, führt zu keiner abweichenden Einschätzung. Hier muss, wenn Gegenteiliges nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt wird, davon ausgegangen werden, dass der Fahrzeughersteller - die Beklagte zu 2) - der den Motor eines anderen Herstellers - der Beklagten zu 1) - für seine Fahrzeuge verwendet, sich hinreichende Kenntnis davon verschafft, wie der Motor im Einzelnen funktioniert und ob er den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte zu 2) konkret darlegen müssen, von wem die Entscheidung zum Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtungen getroffen worden ist und warum dies ohne Einbeziehung der Vorstandsebene möglich gewesen sein soll. Die Beklagte zu 2) ist ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Der Annahme einer sekundären Darlegungslast steht schließlich nicht entgegen, dass möglicherweise einzelnen Vertretern der Beklagten deshalb ein Schweigerecht zusteht, weil sie sich ggfs. durch die Erteilung entsprechender Auskünfte der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würden. Der Beklagten als eigenständiger juristischer Person steht ein solches Schweigerecht nicht zu. Der Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung ihrer Vertreter obliegt ihr nicht und gehört nicht zu ihren schützenswerten Interessen.

Im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast haben die Beklagte jedenfalls bezogen auf die Entwicklung und Implementierung der streitgegenständlichen irregulären Motor- bzw. Abgassteuerungssoftware sowie den Einbau des entsprechenden Motors in ihre Fahrzeuge ihre interne Organisationsstruktur einschließlich Genehmigungs-, Budget- und Complianceverantwortlichkeiten wiederum einschließlich zugehöriger Berichtspflichten und Berichtswege darzustellen.

Dem sind sie nicht nachgekommen.

4)

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz aller kausal aus der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB haben die Beklagten mithin den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Klägerin von den Folgen der ungewollt eingegangenen Verbindlichkeit, nämlich dem Vertrag über den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeuges, zu befreien ist. Hätte die Klägerin den Vertrag nicht abgeschlossen, wäre diese zur Kaufpreiszahlung nicht verpflichtet gewesen. Aufgrund der feststehenden Zahlung des Kaufpreises durch die Klägerin, trat der Schaden bei dieser ein. Diesem sind deswegen von den Beklagten grundsätzlich der Kaufpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug i.H.v. 81.125,03 Euro, zu erstatten.

Auf den Kaufpreis hat die Klägerin sich jedoch die von ihr während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen in Höhe von 4.867,50 EUR anrechnen zu lassen, weil im Übrigen eine vom Schadensrecht nicht gedeckte Überkompensation stattfinden würde. Letztlich entspricht dies auch dem Rechtsgedanken des § 346 Abs. 1 BGB, weswegen es aus Sicht des Gerichts naheliegt, die zu den dortigen Fällen entwickelten Berechnungsmodi auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Unter Berücksichtigung einer vom Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzten Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges von max. 250.000 km errechnet sich unter Berücksichtigung einer tatsächlichen Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 15.658 km, unter weiterer Berücksichtigung des Kaufpreises in Höhe von 81.125,03 Euro die Nutzungsentschädigung wie folgt:

81.125,03 EUR x (15.658 km / 250.000) = 4.867,50 EUR

Unbeachtlich für die Schadensberechnung hingegen ist der Umstand, dass die Beklagte zu 2) zwischenzeitlich technische Maßnahmen anbietet, die die betroffenen Fahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzen sollen, ohne dass sich dadurch andere - gegebenenfalls kaufrelevante - Kriterien (wie z.B. Treibstoffverbrauch, Motorabnutzung etc.) nachteilig verändern. Zu beachten ist insoweit nämlich, dass vorliegend von einer Schädigung der Entschlussfreiheit der Klägerin und nicht einer unmittelbaren Substanz- oder Vermögensschädigung im klassischen Sinne auszugehen ist, weswegen eine Schadensausgleichung auf Grundlage der Aufwertung des Kaufgegenstandes nicht erreicht werden kann. Die durch arglistige Täuschung herbeigeführte, auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung des Klägers lässt sich im primären Wege nicht anders beseitigen, als durch Freistellung von sämtlichen vertraglichen Verpflichtungen.

Es liegt jedoch auch nahe, dass - selbst, wenn man die Wirksamkeit der technischen Nachbesserungsmaßnahmen anerkennt - es bei einem Vermögensschaden bleibt. Es ist nämlich aus Sicht des Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch zum heutigen Zeitpunkt von einer nicht nur unerheblichen Wertminderung des streitgegenständlichen Fahrzeuges auszugehen. Eine solche lässt sich freilich nicht zuverlässig beziffern, weil es - dies ist offenkundig - an geeigneten Vergleichsmaßstäben fehlt. Zu bedenken ist nämlich, dass nicht nur einzelne Fahrzeuge oder eine Gruppe von Fahrzeugen aus einer Produktionsserie mangelhaft waren bzw. sind - in einem solchen Fall könnte die Wertentwicklung der betroffenen Fahrzeuge mit den nicht betroffenen, im Übrigen identischen Fahrzeugen verglichen werden -, sondern alle Fahrzeuge der gesamten Serie sowie teilweise auch Vergleichsfahrzeuge Serien. Losgelöst von der Frage, wie sich eine solche Wertminderung in Zahlen bemisst, erscheint es dem Gericht aber sehr naheliegend, dass sich der Makel, der dem streitgegenständlichen wie auch allen anderen von dem Dieselskandal betroffenen Fahrzeugen anhaftet, ähnlich wie bei einem Unfallgeschehen, sich selbst durch eine ordnungsgemäße Reparatur nicht beseitigen lässt und zu einer dauerhaften Wertminderung führt. Hierzu trägt nicht zuletzt bei, dass aufgrund der Vielzahl der zu dem Sachverhalt ergangenen Entscheidungen der Zivilgerichte die Rechtslage als bislang nicht abschließend geklärt anzusehen ist. Diese Wertminderung erscheint dem Gericht auch nicht nur unerheblich, wozu das Verhalten der Beklagten bei der Aufklärung des Gesamtsachverhaltes sowie im Umgang mit den betroffenen Kunden einen entscheidenden Beitrag geleistet haben dürfte.

5)

Der als Nebenforderung geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen folgt im tenorierten Umfang aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Für eine weitergehende Verzinsung in Höhe von 4 Prozent aus 81.125,03 EUR seit dem 11.05.2016, besteht hingegen keine geeignete Anspruchsgrundlage. Eine solche folgt insbesondere nicht aus §§ 849, 246 BGB. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der dort geregelten Verzinsung liegen nicht vor. Dem Kläger steht der Schadensersatzanspruch nicht wegen Entziehung oder der Beschädigung einer Sache zu.

II.

Das mit dem Klageantrag zu Ziff. 2) verfolgte Feststellungsbegehren ist zulässig und begründet.

Die Beklagten gerieten gemäß §§ 293, 298, 295 BGB spätestens mit Zustellung der Klageschrift und Ablehnung der Forderung durch Klageerwiderung, in dem die Klageabweisung beantragt wurde in Annahmeverzug. Die Beklagten lehnen bis heute die Zahlung der von der Klägerin verlangten Gegenleistung ab.

III.

Der Klageantrag zu 3) ist bereits unzulässig. Der Klägerin fehlt das hierfür nötige Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Mit dem Klageantrag zu 1) hat sie die vorrangige Leistungsklage bereits erhoben. Mit Verurteilung zur Leistung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen PKW, sind zukünftige Schäden der Klägerin nicht mehr zu erwarten. Der bereits entstandene Schaden wurde durch den Klageantrag zu 1) bereits konkret beziffert.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

V.

Der Streitwert wird auf 81.125,03 Euro festgesetzt.