LAG Düsseldorf, Urteil vom 25.09.2017 - 10 SaGa 14/17
Fundstelle
openJur 2019, 23456
  • Rkr:
Verfahrensgang

Einstweiliger Rechtsschutz auf Gewährung von Urlaub in einem bestimmten Zeitraum:

Ist der Verfügungsanspruch auf Gewährung von Urlaub in einem bestimmten Zeitraum nicht gewiss, bedarf es eines besonderen Verfügungsgrundes, der die Ungewissheit ausgleicht. Dem verfügungsbeklagten Arbeitgeber muss es wegen der Dringlichkeit des Verfügungsgrundes zuzumuten sein, den Urlaub im gewünschten Zeitraum zu gewähren, auch auf die Gefahr hin, dass ein darauf gerichteter Anspruch letztlich nicht besteht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 15.09.2017 - 3 Ga 12/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Verfügungskläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Gewährung von Urlaub und zweitinstanzlich zudem Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach, soweit die Urlaubsgewährung wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich ist.

Der Verfügungskläger ist bei der Verfügungsbeklagten seit dem 01.11.1997 als Parkhauswächter beschäftigt. Bis zum 08.04.2017 war er lang andauernd arbeitsunfähig erkrankt. Nach Rückkehr aus dem Krankenstand hatte er Anspruch auf jeweils 30 Tage Urlaub aus den Jahren 2016 und 2017. Bis August 2017 gewährte die Verfügungsbeklagte ihm 27 Urlaubstage aus dem Jahr 2016.

Unter dem 05.09.2017 beantragte der Verfügungskläger weiteren Urlaub für die Zeit vom 18.09. bis 06.10.2017. Der Inhaber der Verfügungsbeklagten lehnte ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.09.2017 forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte erneut auf, ihm bei Meidung eines gerichtlichen Verfahrens Urlaub zu gewähren. Mit Schreiben vom 11.09.2017 (Bl. 28 GA) an den Verfügungskläger lehnte die Verfügungsbeklagte eine Urlaubsgewährung im gewünschten Zeitraum weiterhin ab. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der gerade beendeten Urlaubssaison hätten alle zur Urlaubsvertretung eingestellten Aushilfen keine Kapazitäten mehr frei und selber Überstunden angehäuft. Eine Urlaubsgewährung werde daher erst wieder ab dem Monat Oktober möglich. Da es im Betrieb Kollegen gebe, die bisher noch keinen zusammenhängenden Urlaub hätten nehmen können, auch weil der Verfügungskläger in der Sommerzeit nicht zur Verfügung gestanden habe, würden deren Urlaubsansprüche vorrangig behandelt.

Mit seinem am 12.09.2017 beim Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Urlaubsgewährung im Zeitraum vom 18.09.2017 bis 06.10.2017 hat der Verfügungskläger vorgebracht, die Versagung seines Urlaubs durch die Verfügungsbeklagte sei willkürlich erfolgt. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung sei erforderlich, da sonst der von ihm gewünschte Urlaubszeitraum verstreiche. Weiter hat der Verfügungskläger vorgebracht, dass sein 78jähriger Vater erkrankt sei und er ihn besuchen wolle.

Das Arbeitsgericht hat aufgrund mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 15.09.2017 die Verfügungsklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es fehle für das Begehren des Klägers an einem Verfügungsgrund. Der Verfügungskläger habe keine wesentlichen Nachteile schlüssig vorgetragen, die ihm im Falle einer Urlaubnahme ab Oktober 2017 drohen würden. Insbesondere habe er trotz mehrfacher Nachfragen des Gerichts keine Auskunft darüber gegeben, ob die Erkrankung seines Vaters ernstlicher Natur sei und ein sofortiges Erscheinen erfordere.

Gegen das ihm am 19.09.2017 zugestellte Urteil hat der Verfügungskläger am 20.09.2017 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Er sieht sich von dem Urteil des Arbeitsgerichts in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seines Urlaubsanspruchs verletzt. Für die Durchsetzung des Urlaubsanspruchs des Verfügungsklägers im gewünschten Zeitraum vom 18.09.2017 bis 06.10.2017 stünde allein das einstweilige Verfügungsverfahren zur Verfügung. Die Ablehnungsentscheidung der Verfügungsbeklagten sei willkürlich. Es fehle an dringenden betrieblichen Belangen oder Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienten und seinem Urlaubswunsch entgegengestanden hätten. Es bedürfe aus diesem Grund keines besonderen Verfügungsgrundes über den Umstand hinaus, dass bei Zeitablauf sein Anspruch in der gewünschten Form nicht mehr realisierbar sei.

Antragserweiternd begehrt der Verfügungskläger die Feststellung einer Schadenersatzpflicht der Verfügungsbeklagten dem Grunde nach, soweit durch bereits erfolgten Zeitablauf der Anspruch nicht mehr realisierbar ist. Damit solle verhindert werden, dass künftige Urlaubswünsche des Verfügungsklägers ebenfalls grundlos abgelehnt würden.

Der Verfügungskläger beantragt,

1.unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 15.09.2017 - 3 Ga 12/17 - den Verfügungsbeklagten/Berufungsbeklagten zu verpflichten, dem Verfügungskläger/Berufungskläger Urlaub - soweit noch möglich - für den beantragten Zeitraum 18.09.2017 bis 06.10.2017 einschließlich zu gewähren;

2.soweit die Urlaubsgewährung wegen des Zeitdrucks nicht mehr möglich ist, festzustellen, dass die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger wegen der Nichtgewährung seines Urlaubs dem Grunde nach zum Schadenersatz verpflichtet sei.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Verfügungsbeklagte erklärt, sie habe im September dem Mitarbeiter I. Urlaub gewähren wollen, der im Sommer nicht zum Zuge gekommen sei und bereits Mitte August mündlich angefragt habe. Inzwischen befinde er sich seit dem 18. September im Urlaub. Außerdem sei der Mitarbeiter U. erkrankt. Bei der Verfügungsbeklagten bestünde nur ein begrenztes Kontingent an Aushilfskräften für die Parkhausaufsichten. Für den Monat September sei das Kontingent damit praktisch erschöpft gewesen. Aus diesem Grund habe der Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger erst ab Oktober Urlaub gewähren können. Die Aushilfskräfte seien 450-Euro-Kräfte, deren Stundenzahl begrenzt sei.

Der Verfügungskläger erklärt, er habe seinen Antrag bereits am 05. September 2017 gestellt. Es werde bestritten, dass Herr U. bereits zu diesem Zeitpunkt erkrankt gewesen sei. Auch habe sich Herr I. zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Urlaub befunden. Er habe seinen Antrag erst gestellt, nachdem er von der Ablehnung des klägerischen Antrags erfahren habe.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereiteten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokollerklärung der Parteien Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht seinen Antrag zurückgewiesen. Dem Verfügungskläger steht mangels eines ausreichenden Verfügungsgrundes kein Recht auf einstweilige Urlaubsgewährung im Monat September 2017 zu; eine Urlaubsgewährung im Oktober ist nicht im Streit. Ein Verfügungsanspruch auf Feststellung einer Schadenersatzpflicht wegen Nichtgewährung des Urlaubs scheitert ebenfalls an einem fehlenden Verfügungsgrund.

1.Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Urlaubsgewährung für den Zeitraum ab September 2017 fehlt es an einem Verfügungsgrund.

Es kann offen bleiben, ob im Lichte von § 894 ZPO durch einstweiligen Rechtsschutz überhaupt Urlaub für einen bestimmten Zeitraum bewilligt (so LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2015 - 3 SaGa 6/14; LAG Hessen 07.05.2013 - 19 SaGa 461/13) oder nur die Gestattung des Fernbleibens von der Arbeit verlangt werden kann (etwa Corts, NZA 1998 357; HWK/Schinz, 7. Aufl., § 7 Rdz. 62 f.). Denn dem Erlass einer Verfügung steht angesichts der Ungewissheit eines Verfügungsanspruchs in beiden Fällen entgegen, dass ein ausreichender Verfügungsgrund nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht ist.

a.Der Erlass einer einstweiligen Verfügung kann auch auf endgültige Erfüllung des streitigen Anspruchs gerichtet sein. Erforderlich ist dafür neben einer (strengen) Prüfung des Verfügungsanspruchs auch einen Verfügungsgrund, dh. ein dringendes Bedürfnis für die Eilmaßnahme (Zöller/Vollkommer, ZPO 28. Aufl., § 940 Rz 6 mwN). Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers ist ein ausreichender Verfügungsgrund nicht bereits deshalb gegeben, weil sein Anspruch auf Verwirklichung des Urlaubs in der Zeit ab dem 18.09.2017 anderenfalls endgültig unterginge, der Urlaub also zu einem anderen, von ihm nicht gewünschten Zeitpunkt genommen werden müsste. Zwar trifft es zu, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf seinem Wunsch entsprechende konkrete Urlaubsgewährung gerichtet ist, sofern diesem Wunsch nicht dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Das Untergehen seines Anspruchs durch schlichte Nichterfüllung des Schuldners braucht der Arbeitnehmer als Gläubiger grundsätzlich nicht hinzunehmen und kann effektiven Rechtschutz einfordern (Art. 19 Abs. 4 GG). Die bloße Gefahr des Untergangs des Urlaubsanspruchs in dem gewünschten Zeitraum kann aber nur dann als Verfügungsgrund ausreichen, wenn der Anspruch ohne Zweifel besteht. Wo eine solche Feststellung nicht getroffen werden kann, erfordert der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Gewährung eines zeitlich konkret fixierten Urlaubswunsches einen weitergehenden Verfügungsgrund. Dieser muss von solchem Gewicht sein, dass er die erst im Hauptsacheverfahren endgültig zu klärende Ungewissheit in der Frage, ob der Verfügungsanspruch (Urlaub in dem konkret gewünschten Zeitraum) besteht, kompensieren kann. Dem verfügungsbeklagten Arbeitgeber muss es wegen der Dringlichkeit des Verfügungsgrundes zuzumuten sein, den Urlaub in dem gewünschten Zeitraum zu gewähren, auch wenn ein darauf gerichteter Anspruch letztlich nicht besteht.

b.In Anwendung dessen war der Antrag zurückzuweisen.

aa.Es steht nicht fest, dass der Verfügungskläger gemäß § 7 Abs. 1 BurlG einen Anspruch auf Gewährung von Urlaub ab dem 18.09.2017 hat. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Urlaubswunsch des Verfügungsklägers dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.

Die Verfügungsbeklagte hat sich im Rechtsstreit, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, dahin eingelassen, dass sie nur über einen begrenzten Pool von Vertretungskräften, die allesamt geringfügig beschäftigt sind, verfüge und dieser Pool eine ausreichende Kapazität für die Urlaubsgewährung im September 2017 nicht mehr gehabt habe. Es seien die Erkrankung des Mitarbeiters U. sowie der bereits Mitte August angekündigte Urlaubswunsch des Mitarbeiters I. zu berücksichtigen gewesen. Dieser Urlaubswunsch sei vor dem des Verfügungsklägers, der in den letzten vier Monaten bereits ca. fünf Wochen Urlaub erhalten habe, vorrangig gewesen. Weitere Aushilfsmitarbeiter, mit denen die Parkhauswächterstellen hätten besetzt werden können, habe es nicht gegeben. Eine kurzfristige Neueinstellung von Aushilfen scheide aus, da für die Tätigkeit des Verfügungsklägers eine mehrwöchige Einarbeitung erforderlich sei.

Dem ist der Verfügungskläger nicht entgegengetreten. Seine Einlassung, er habe den Urlaubsantrag früher als sein Kollege I. gestellt, ist unbehelflich. Daraus folgt kein automatischer Vorrang vor dem Kollegen und damit der fragliche Anspruch. Zu Recht hat die Verfügungsbeklagte darauf verwiesen, dass sie auch die Belange des Kollegen zu wahren habe, der im Sommer keinen Urlaub genommen und seinen Urlaubswunsch bereits im August angekündigt hätte. Auch war es kein ausreichender Grund für einen Vorrang des Verfügungsklägers, dass dieser noch Resturlaubsansprüche aus dem Jahre 2016 (3 Tage) hatte. Es drohte kein Verfall dieser Ansprüche.

Das Berufungsgericht konnte daher seiner Entscheidung nicht zugrunde legen, dass die Verfügungsbeklagte den Urlaubswunsch des Verfügungsklägers willkürlich abgelehnt hätte und der Verfügungsanspruch bestand.

bb.In dieser Lage bedurfte es zum Erlass der begehrten Verfügung über den bloßen drohenden Zeitablauf hinaus eines weitergehenden Verfügungsgrundes. Einen solchen hat der Verfügungskläger nicht dargetan. Er hat hierzu lediglich darauf verwiesen, dass sein 78jähriger Vater in der Türkei lebe und erkrankt sei. Auf die Frage, ob es sich um eine ernstliche und akute Erkrankung handele, war der Verfügungskläger - wie bereits vor dem Arbeitsgericht - nicht zu näheren Angaben, geschweige denn zu deren Glaubhaftmachung bereit. Auch hat er nichts dazu vorgetragen, seit wann die Erkrankung besteht und warum er - unstreitig - in den mehr als fünf Wochen Urlaub, die ihm im Sommer dieses Jahres bereits gewährt worden waren, seinen Vater nicht besucht hat. Unter diesen Umständen konnte die Berufungskammer einen ausreichenden Verfügungsgrund für die Verwirklichung des Urlaubswunsches bereits ab dem 18.09.2017 und nicht erst ab Anfang Oktober 2017 nicht erkennen.

2.Der Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht für nicht mehr realisierbare Urlaubstage im gewünschten Zeitraum war zurückzuweisen. Es ist kein Verfügungsgrund dafür ersichtlich. Der Streit über eine solche Feststellung mag im Hauptsacheverfahren ausgetragen werden. Darauf hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

3.Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

Quecke Arnold Schleuter