VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 31.10.2018 - 9 L 1880/18
Fundstelle
openJur 2019, 21530
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 29. Oktober 2018 zur Entscheidung übertragen worden ist, § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Einzelrichterin legt den Antrag auf "Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung deren Inhalts", nämlich

"die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 13. September 2018 wiederherzustellen und die Fahrerlaubnis an den Kläger bis zum Abschluss des Verfahrens herauszugeben",

dahingehend aus, dass hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis die Wiederherstellung und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt sowie hinsichtlich der Gebührenfestsetzung nicht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht wird. Da nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Justizgesetz NRW (JustG NRW) eine Klage gegen eine Zwangsgeldandrohung schon kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet, ist insoweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sachgerecht. Bezüglich der Gebührenfestsetzung entfällt die aufschiebende Wirkung ebenfalls kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, so dass ebenfalls die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt werden müsste. Ein darauf gerichteter Antrag ist aber unzulässig, wenn vor Antragstellung bei Gericht kein Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO bei der Behörde gestellt worden ist. Allerdings verbietet sich eine Auslegung, die zu einem unzulässigen Antrag führt. Da der Antragsteller ersichtlich noch keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 6 VwGO bei der Antragsgegnerin gestellt hat, geht das Gericht davon aus, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Gebührenfestsetzung nicht umfasst.

Der in dieser Auslegung zulässige Antrag ist nicht begründet.

Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt nicht in Betracht.

Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst macht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist die zu beurteilende Interessenlage in der großen Mehrzahl der Fälle gleich gelagert. In diesen Fällen ist stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt.

Vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 13. Oktober 2006 - 11 CS 06.1724 -, juris Rn. 13; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2012 - 3 M 47/12 -, juris Rn. 10.

Diesen Anforderungen wird die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung gerecht. Die Antragsgegnerin hat insbesondere ausgeführt: Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung könne es durch den Konsum von Betäubungsmitteln zu Persönlichkeitsveränderungen kommen, insbesondere zu Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit, Erregbarkeit und Reizbarkeit. Deshalb müsse bei Kraftfahrzeugführern, die unter dem Einfluss derartiger Stoffe stünden, jederzeit mit gefährlichen Fehlreaktionen gerechnet werden. Von derartigen Kraftfahrern gehe eine erheblich über den Normalfall hinausgehende Gefahr für die Allgemeinheit der Verkehrsteilnehmer aus. Der Antragsteller sei als Führer eines Kraftfahrzeugs verkehrsauffällig geworden, während er nachweislich unter der Einwirkung von Cannabisprodukten gestanden habe. Demnach sei seine Fahreignung derzeit nicht gegeben. Es sei zu befürchten, dass er erneut Kraftfahrzeuge unter dem Einfluss von Cannabisprodukten führen könnte. Aufgrund der deshalb von ihm ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit der Verkehrsteilnehmer hätten diese ein Recht darauf, dass er bis zum Nachweis seiner Fahreignung mit sofortiger Wirkung von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werde. Die sofortige Vollziehung sei deshalb im besonderen öffentlichen Interesse zur Sicherheit der Allgemeinheit dringend geboten. Damit hat die Antragsgegnerin die typische Interessenlage nach einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Betäubungsmitteleinfluss dargelegt und aufgezeigt, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im Fall des Antragstellers besteht.

Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt ferner ab von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme besteht kein öffentliches Interesse. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht - für den Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.

Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits - vorläufig weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen - mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits - die Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer sofort zu unterbinden -, dass dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist. Denn bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung erweisen sich die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins und die Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig. Ferner liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründen könnten.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sind § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wiederholt den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG; in Satz 2 heißt es dazu konkretisierend, dass dies insbesondere gelte, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen. Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, der "gelegentlich" Cannabis einnimmt und nicht zwischen Konsum und Fahren trennt.

Gelegentlicher Konsum von Cannabis in diesem Sinne liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3/13 -, juris Rn. 16 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 16 B 55/09 -, nicht veröffentlicht.

Nach diesem Maßstab war der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung gelegentlicher Cannabis-Konsument.

Dass der Antragsteller Cannabis konsumiert hat, steht zum einen aufgrund seiner eigenen Einlassung fest. Im Rahmen der Verkehrskontrolle am 00.00.0000 2018 um 23:50 Uhr hat er nach der Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige eingeräumt, vor sechs Stunden einen Joint geraucht zu haben. Im gerichtlichen Verfahren hat er ausgeführt, dies müsse "unstreitig gestellt" werden. Dass der Antragsteller Cannabis konsumiert hat, wird zudem bestätigt durch das toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster vom 16. April 2018, das in der dem Antragsteller am 16. Februar 2018 um 0:22 Uhr entnommenen Blutprobe THC in einer Konzentration von 31 ng/ml, 11-OH-THC in einer Konzentration von 8,8 ng/ml und THC-COOH in einer Konzentration von 100 ng/ml nachgewiesen hat.

Dabei lassen seine Einlassungen im Rahmen der Polizeikontrolle in Zusammenschau mit dem Ergebnis des toxikologischen Gutachtens - entgegen seiner Auffassung - auf einen mehr als einmaligen Konsum schließen. Da THC-Gehalte von 1 ng/ml oder mehr nach einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen selbst bei Gelegenheitskonsumenten sogar nach einem hoch dosierten Einzelkonsum nur etwa sechs Stunden nach Rauchende nachweisbar sind,

vgl. Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/ Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), S. 361, 363, 365, 372; Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 109 ff; OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2014 - 16 B 116/14 - juris Rn. 7 f.,

lässt sich der nicht unerhebliche THC-Gehalt von 31 ng/ml in der rund sechseinhalb Stunden nach dem eingeräumten Konsum abgenommenen Blutprobe durch einen ersten und einzigen Konsumakt sechs Stunden vor der polizeilichen Kontrolle nicht schlüssig erklären.

Das Vorbringen im Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz ist nicht geeignet, diesen Befund durchgreifend in Frage zu stellen und einen Erstkonsum glaubhaft zu machen. Einer Glaubhaftmachung hätte es bedurft, denn in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 16 B 536/12 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.,

ist davon auszugehen, dass schon die Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss des Betäubungsmittels es grundsätzlich rechtfertigt, auf eine mehr als einmalige, gleichsam experimentelle Cannabisaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber - wie der Antragsteller mit dem Antragsvorbringen - einen solchen Vorgang zwar behauptet, die Umstände des behaupteten Erst- oder Probierkonsums aber nicht konkret und glaubhaft darlegt. Dies beruht auf der Überlegung, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument zum einen bereits wenige Stunden nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt und er zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät. Dies wiederum berechtigt zu der Erwartung, dass er sich auf einen - für ihn günstigen - Erstkonsum ausdrücklich beruft und zu den Einzelheiten der fraglichen Drogeneinnahme glaubhaft erklärt. Tut er dies wider Erwarten nicht, ist es daher zulässig, hieraus für ihn nachteilige Schlüsse zu ziehen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 16 B 536/12 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.

Die Angaben des Antragstellers im Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, es müsse unstreitig gestellt werden, dass er gemäß seiner eigenen Angabe am Tag des 00.00.0000 2018 einmalig einen Joint geraucht habe, genügt diesen Darlegungsanforderungen offensichtlich nicht. Sie sind in keiner Weise substantiiert.

Soweit der Antragsteller angegeben hat, der hohe Wert von 31 ng/ml THC sei nicht auf einen Mehrfachkonsum zurückzuführen, sondern resultiere zum einen aus der Einnahme eines starken Rheumamedikaments (Prednisolon) und zum anderen aus einer durch die körperlichen Einschränkungen bedingten starken Gewichtsabnahme, die nach auf der auf der Medizinseite www.cannabismed.de abrufbaren Erkenntnissen und ausweislich eines englischsprachigen Artikels aus der Zeitschrift "New Scientist" vom 5. August 2009, von dem der erste Absatz in englischer Sprache vorgelegt wird, einen positiven Cannabistest verursachen könnte, ergibt sich auch daraus nichts anderes. Ohne Angaben zur Dosierung des Medikaments sowie zu der eingehaltenen Diät und der dadurch bedingten Gewichtsabnahme bleiben die Ausführungen "ins Blaue hinein". Soweit der Antragsteller bezüglich des Einflusses des Rheumamedikaments und der Gewichtsabnahme eine Beweiserhebung durch medizinisches Sachverständigengutachten beantragt, führt dies für die summarische Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht weiter.

Der Antragsteller konnte nach dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltenden Prüfungsmaßstab im maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung nicht sicher zwischen Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen dem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist.

Vgl. BverfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, juris Rn. 49; BverwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3/13 -, juris Rn. 29 f.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 - 9 K 4303/15 -, juris Rn. 28 ff.

Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element - wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit - abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben. Festgestellt werden muss eine THC-Konzentration, die es - entsprechend dem Charakter der Fahrerlaubnisentziehung als Maßnahme der Gefahrenabwehr - als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 -, juris Rn. 29 (zu § 24a Abs. 2 StVG); OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, juris Rn. 27 und vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, juris Rn. 32; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 - 10 S 3174/11 -, juris Rn. 30, 43 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 - 9 K 4303/15 -, juris Rn. 34 f.

Dieser Risikogrenzwert ist in Auswertung medizinischtoxikologischer Studien, insbesondere angesichts der Empfehlungen der sog. Grenzwertkommission - einer mit Wissenschaftlern aus den Fachgesellschaften der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie (GTFCh) besetzten Arbeitsgruppe beim Bundesministerium für Verkehr - vom 20. November 2002, aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007 (veröffentlicht in Blutalkohol 44 , 311) sowie von September 2015 (veröffentlicht in Blutalkohol 52 , 322 f.), bei 1,0 ng/ml THC im Blutserum anzusetzen.

Vgl. ausführlich: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 - 9 K 4303/15 -, juris Rn. 34 ff. m.w.N.

Nach diesen Maßstäben steht nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Antragsteller am 00.00.0000 2016 nicht in der gebotenen Weise zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt, sondern ein Kraftfahrzeug geführt hat, obwohl in seinem Blut eine THC-Konzentration von mehr als 1,0 ng/ml, nämlich 31 ng/ml, nachweisbar war.

Zwar gilt die in der Anlage 4 zur FeV vorgenommene Bewertung hinsichtlich der Ungeeignetheit (nur) für den Regelfall (vgl. Nr. 3 Satz 1 der Vorbemerkung zur Anlage 4). Ein Ausnahmefall, der ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen könnte, liegt hier aber nicht vor. Es obliegt im Einzelfall dem Rechtsschutzsuchenden, solche Tatsachen geltend zu machen.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Februar 2013 - 9 K 305/13 -, und Beschluss vom 27. August 2013 - 9 L 745/13 -, nicht veröffentlicht; OVG Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2003 - 1 B 206/03 -, juris Rn. 7; VGH BW, Beschluss vom 24. Mai 2002 - 10 S 835/02 -, juris Rn. 6.

Dies hat der Antragsteller nicht substantiiert getan.

Sind damit in der Person des Antragstellers die Entziehungsvoraussetzungen als erfüllt anzusehen, ist die angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich zwingend. Ein Ermessen ist der Fahrerlaubnisbehörde nicht eröffnet.

Die in der Ordnungsverfügung weiter enthaltene Aufforderung, den Führerschein unverzüglich abzugeben, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG.

Die zugehörige Zwangsgeldandrohung genügt den Anforderungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Es ist schließlich kein Grund ersichtlich, der es geboten erscheinen lässt, trotz der im summarischen Verfahren festgestellten offensichtlichen Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsakte der Klage des Antragstellers aufschiebende Wirkung beizumessen. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint - auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Antragstellers, der vorträgt, im Außendienst beschäftigt und deshalb beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein - zu groß, als dass diese bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Vielmehr besteht ein das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Etwaige berufliche und private Nachteile hat der Antragsteller daher hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer orientiert sich in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei der Streitwertbemessung in die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis betreffenden Hauptsacheverfahren am gesetzlichen Auffangwert (vgl. § 52 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GKG). Der Streitwert richtet sich demnach gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der Bedeutung der Sache für den Rechtsschutzsuchenden. Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse, aufgrund dessen der Streitwert zu verdoppeln ist, ist weiterhin in Fällen beruflicher Nutzung der Fahrerlaubnis anzunehmen,

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -.

Eine solche hat der Antragsteller geltend gemacht, indem er angegeben hat, die Fahrerlaubnis im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zur Wahrnehmung von Außendiensten zu benötigen. Die Zwangsgeldandrohung wirkt nach Ziffer 1.7.2. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht streitwerterhöhend. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich für die Hauptsache ergebende Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zur Hälfte anzusetzen.

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