LAG Köln, Urteil vom 08.03.2018 - 8 Sa 796/17
Fundstelle
openJur 2019, 21090
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 Ca 332/17
Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 24.08.2017 - 3 Ca 332/17 - hinsichtlich des Klageantrags zu 2. abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,98 € brutto sowie 40,00 € netto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 800,98 € seit 24.05.2017 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird für die Beklagte nur bzgl. der Verzugspauschale von 40,00 € netto zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung nur noch über  einen Entgeltfortzahlungsantrag für den Zeitraum 13.02. bis 20.02.2017  sowie Zahlung der Verzugspauschale von 40,00 €.

Die Klägerin ist seit dem 01.11.2000 bei der Beklagten im streitigen Zeitraum vollzeitbeschäftigt bei einem Bruttomonatsgehalt von 3.083,67 €. Vom 13.02. bis 20.02.2017 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte zahlte der Klägerin für diesen Zeitraum kein Gehalt mit dem Hinweis auf der Gehaltsabrechnung (März 2017): „Unterbrechung: 13. bis 20.02.17 Kranken(tage)geld bei Krankheit/Kur“. Auf die Gehaltsabrechnungen für Februar und März 2017 wird verwiesen. Mit Schreiben vom 01.03.2017 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Nachzahlung des Gehalts geltend „für die durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegte Zeit (…) nachdem die Krankenkasse mitgeteilt hat, dass ein Krankengeldanspruch nicht besteht“. Die Krankenkasse der Klägerin (p BKK) teilte der Beklagten mit Schreiben vom 06.03.2017 mit, dass die Klägerin seit dem 13.02.2017 arbeitsunfähig erkrankt sei. Weiter heißt es: „Wegen derselben Erkrankung bestand bereits eine Arbeitsunfähigkeit. Es besteht jedoch für die jetzige Arbeitsunfähigkeitsanspruch von auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung, da eine neue Jahresfrist begonnen hat.“  Mit Schreiben vom 03.11.2017 teilte die p BKK der Klägerin mit, das die Jahresfrist für die im Einzelnen benannten Diagnoseschlüssel vom 03.11.2015 bis einschließlich 02.11.2016 verläuft. Weiter heißt es:

„Dementsprechend wird ausschließlich die Arbeitsunfähigkeit vom 13.02.2017 bis 20.02.2017 von der Anspruchsdauer der Entgeltfortzahlung ab dem 05.05.2017 abgezogen da sich diese außerhalb des o. g. Zeitraumes befindet. Vgl. Sie hierzu § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).

Da die Versicherte in dem Zeitraum 13.02.2017 bis 20.02.2017 sowie vom 05.05.2017 bis 30.05.2017 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung besaß, ruhte der Krankengeldanspruch und es kam zu keiner Krankengeldzahlung.

Vom 13.02.2017 bis einschließlich 20.02.2017 bestand bei der o. g. Versicherten Arbeitsunfähigkeit wegen dem Diagnoseschlüssel M und vom 05.05.2017 bis einschließlich 30.05.2017 wegen den Diagnoseschlüsseln M und M .“

Mit Schreiben vom 08.11.2017 teilte die p BKK der Klägerin eine Aufstellung ihrer Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 03.11.2015 bis 17.10.2017 mit unter Angabe der Vorerkrankungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben der p BKK vom 03.11.2017 und 08.11.2017 verwiesen.

Die Klägerin hat mit Klageantrag zu 2. beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 800,98 € brutto sowie 40,00 € netto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 800,98 € seit 24.05.2017 zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich des in der Berufung nur noch anhängigen Antrags zu 2. abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 62 - 70 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die weiter der Auffassung ist, die Beklagte sei zur Entgeltfortzahlung in Höhe von 800,98 € brutto sowie Zahlung der Verzugspauschale von 40,00 € netto verpflichtet. Sie beruft sich dazu insbesondere auf die Schreiben ihrer Krankenkasse vom 03. und 08.11.2017.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Schlussantrag zu 2. zu erkennen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie ist der Auffassung, die Berufung sei bereits unzulässig, da sich die Klägerin nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt, sondern lediglich ihren erstinstanzlichen Sachvortrag unter Berufung auf Schreiben der Krankenkasse wiederholt. Die Beklagte  bestreitet weiter, dass die Klägerin kein Krankengeld bezogen hat.

Wegen der Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

I.              Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist auch hinsichtlich des erstinstanzlich abgewiesenen Klageantrags zu 2. begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 800,98 € brutto sowie Zahlung einer Verzugspauschale 40,00 € netto zzgl. Zinsen.

1.              Der Entgeltfortzahlungsanspruch ergibt sich aus §§ 3 Abs.1 Satz 2 Nr.2, 4 Abs.1 EFZG i. V. m. dem Arbeitsvertrag der Parteien.

a.              § 3 Abs.1 Satz 2 EFZG lautet:

Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn

1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder

2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

b.              Die Klägerin war, was zwischen den Parteien außer Streit ist, vom13.02. bis 20.02.2017 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach Auskunft ihrer Krankenkasse  war sie in diesem Zeitraum wegen dem Diagnoseschlüssel M erkrankt. Die Klägerin war bereits wegen derselben Erkrankung vom 03.11.2015 bis 19.08.2016 arbeitsunfähig erkrankt. Danach war die Klägerin vom 20.08.2016 bis zur Wiedererkrankung ab dem 13.02017 arbeitsfähig. Die von der Beklagten nicht bestrittenen Arbeitsunfähigkeitszeiten und Krankheitsdiagnosen ergeben sich aus den von der Klägerin in der Berufung vorgelegten Schreiben ihrer Krankenkasse vom 03.11.2017 und 08.11.2017.  Die 12-Monatsfrist nach § 3 Abs.1 Satz 2 Nr.2 EFZG für dieselbe Erkrankung, die am 03.11.2015  begonnen hat, war demnach bei der Wiedererkrankung ab 13.02.2017 abgelaufen, mit der Folge, dass ein neuer Entgeltanspruch von höchstens sechs Wochen entstanden ist. Demnach war die Beklagte, die unstreitig für den Zeitraum vom 13.02. bis 20.02.2017 keine Entgeltfortzahlung geleistet hat, zur Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Betrages von 800,98 € brutto verpflichtet. Das Bestreiten des Krankengeldbezugs ist im Hinblick auf die Auskunft der Krankenkasse unsubstantiiert, im Übrigen unerheblich.

c.              Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

2.              Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verzugspauschale von 40,00 EUR nach § 288 Abs.5 Satz 1 BGB nebst Zinsen.

a.               Nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, zusätzlich zum zuvor in § 288 Abs. 1 - 3 BGB geregelten Anspruch auf Verzugszins sowie der in § 288 Abs. 4 BGB vorbehaltenen Möglichkeit der Geltendmachung eines weitergehenden Verzugsschadens Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. § 288 Abs. 5 Satz 2 BGB ergänzt insoweit, dass dies auch dann gilt, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB schränkt alsdann den Anspruch dahingehend ein, dass die Pauschale nach Satz 1 auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen ist, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

b.               Die Klägerin hat den hier streitigen Entgeltfortzahlungsanspruch mit Schreiben vom 01.03.2017 geltend gemacht. Diese Forderung steht der Klägerin - wie bereits ausgeführt - auch zu. Die Beklagte hat diesen spätestens zum Ende des Monats Februar 2017 fällig gewordenen Entgeltfortzahlungsanspruch nicht erfüllt, ist mithin in Verzug für geraten. Die Verzugspauschale beträgt 40,00 €.

c.               Die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB findet gemäß Artikel 229 § 34 Satz 2 EGBGB auch auf das hier streitige Arbeitsverhältnis Anwendung, da dieses zwar vor dem Stichtag 28.07.2014 nach § 34 Satz 1 begründet wurde, die Entgeltzahlung jedoch nach dem nach § 34 Satz 2 relevanten Stichtag, dem 30.06.2016 geschuldet war. Die beklagte Arbeitgeberin ist auch kein Verbraucher i. S. des § 13 BGB, sondern Unternehmer i. S. des § 14 BGB, so dass die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB auf ihren Schuldnerverzug auch Anwendung findet.

d.               Die Verzugspauschale nach § 288 Abs.5 Satz 2 BGB findet schließlich - was bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist - auf arbeitsrechtliche Entgeltansprüche Anwendung. Dem Anspruch steht § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB nicht entgegen. Eine Bereichsausnahme liegt nicht vor. Die Gegenauffassung (vgl. dazu LAG Köln 04. Oktober 2017 - 5 Sa 229/17 – m. w. N.), der zufolge § 12 a ArbGG eine spezialgesetzliche Ausnahmeregelung beinhalte, die in ihrem Anwendungsbereich § 288 Abs. 5 BGB verdränge, ist abzulehnen (so auch LAG Köln 22. November 2016 -12 Sa 524/16; LAG Baden-Württemberg 13. Oktober 2016 - 3 Sa 34/16 ; LAG Niedersachsen 20. April 2017- 5 Sa 1263/16; LAG Berlin-Brandenburg 22.03.2017 - 15 Sa 1992/16). Das Berufungsgericht schließt sich der überzeugenden Begründung der vorgenannten Entscheidungen, insbesondere der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen an.

Dem Anspruch steht insbesondere nicht § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB entgegen, der eine Anrechnungsregelung auf einen geschuldeten Schadensersatz enthält, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Denn dieser Vorschrift kommt aufgrund des Fehlens eines außergerichtlichen Kostenerstattungsanspruches für Rechtsverfolgungskosten im Arbeitsrecht bei Entgeltforderungen keine Bedeutung zu (LAG Köln a. a. O. Rn. 70).

Eine für den Bereich des Arbeitsrechts verdrängende analoge Anwendung des § 12 a ArbGG kommt deswegen nicht in Betracht, weil es bereits bezüglich der Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Denn die Ausgestaltung durch die gesetzliche Neuregelung im Jahr 2014 stellt sich als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die eine planwidrige Regelungslücke bereits im Ansatz ausschließt.

So spricht insbesondere auch der Wortlaut für eine Anwendung auch auf arbeitsrechtliche Entgeltansprüche. Eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht sieht der Wortlaut der Vorschrift in keiner Weise vor.

Darüber hinaus dient diese Vorschrift der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr und der deutsche Gesetzgeber hat mit dieser Norm die Vorgaben der Richtlinie bewusst übererfüllt. Hieraus lässt sich aufgrund einer historischen Auslegung der Vorschrift eindeutig schließen, dass ihr Anwendungsbereich auch im Arbeitsrecht eröffnet ist.

Ferner erscheint es nicht überzeugend sondern im Gegenteil systemwidrig, wenn ein Arbeitnehmer bei verspäteter oder unvollständiger Zahlung des Arbeitsentgeltes zwar den gesetzlichen Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB und ggfls. den weitergehenden Verzugsschaden nach § 288 Abs. 4 BGB geltend machen könnte, ihm jedoch der neue Pauschalschadensersatz nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB verwehrt bliebe. Denn diese Neuregelung knüpft systematisch gerade an die vorherigen Absätze des § 288 Abs. 5 und den gesetzlichen Verzugszins an (LAG Köln a. a. O. Rn. 80, 81, 87 bis 91).

Soweit von den Kritikern dieser Norm eingewandt wird, die Erstreckung auf Arbeitsverhältnisse sei rechtspolitisch verfehlt, ist dieser Einwand unerheblich. Denn die Gerichte sind auch zur Anwendung einer Gesetzesnorm verpflichtet, deren rechtspolitischer Sinn zweifelhaft erscheint (LAG Baden-Württemberg, a. a. O. Rn. 93).

II.              Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen(§ 91 Abs. 1 ZPO).