LG Dortmund, Urteil vom 27.06.2018 - 8 O 13/17 [Kart]
Fundstelle
openJur 2019, 20946
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin als Gesamtschuldner sämtliche Schäden zu ersetzen haben, die der Klägerin aus den Erwerbsgeschäften bezüglich eines W, VIN: ...#56... zu einem Kaufpreis von 90.000,00 € von der Firma G GmbH N nach Rechnung vom 17.09.2010 sowie eines W, VIN: ...#57... zu einem Kaufpreis von 79.000,00 € von der Firma G GmbH N nach Rechnung vom 07.12.2010 entstanden sind.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von den Kosten der Rechtsanwälte C, F-Straße ..., H in Höhe von 984,60 € freizustellen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung gestellten Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Transport- und Logistikunternehmen.

Die Beklagten waren als Lkw-Hersteller in der Zeit von 1997 bis 2011 Mitglieder des sogenannten Lkw-Kartells.

Dieses Kartell wurde im Januar 1997 gegründet und erstreckte sich auf den gesamten EWR, bis es im Januar 2011 infolge unangekündigter Nachprüfungen der Kommission in den Geschäftsräumen verschiedener Lkw-Hersteller, u.a. auch bei den Beklagten, aufgedeckt wurde.

Im Rahmen des Lkw-Kartells haben die Beklagten mit anderen Lkw-Herstellern ihre Bruttolistenpreise für mittelschwere (6 - 16 t) und schwere Lkw (über 16 t) abgesprochen und die mit der Einhaltung strengerer Emissionsvorschriften verbundenen Kosten in abgestimmter Weise an die Abnehmer von Lkw weitergereicht.

Die Kommission hat dabei als Rechtsverstöße zum einen den Informationsaustausch der Hersteller über Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere Lkw im europäischen Wirtschaftsraum (EWR) festgestellt; als Bruttolistenpreis gilt dabei der Herstellerpreis ab Werk. Ferner kam es zum anderen zur Koordination der Zeitpläne für die Einführung der Emissionssenkungstechnologien für mittlere und schwere Lastkraftwagen in Reaktion auf die zunehmend strengeren europäischen Emissionsnormen (von Euro III- bis zur derzeitigen Euro VI-Emissionsklasse). Schließlich wurden der Informationsaustausch in Bezug auf die Weitergabe der Kosten für die Emissionssenkungstechnologien, deren Einführung zur Einhaltung der zunehmend strengeren europäischen Emissionsnormen (von Euro III- bis zur derzeit gültigen Euro VI-Emissionsklasse) erforderlich war, an die Kunden festgestellt.

Zwischen 1997 und 2004 verliefen diese Gespräche und Informationsaustausche unter den Mitgliedern der höchsten Führungsebene der Konzerne. Die Absprachen wurden in dieser Zeit im Wesentlichen bei Zusammenkünften auf Handelsmessen und anderen branchenüblichen Veranstaltungen getroffen. Ab dem Jahre 2004 wurde das Kartell jedenfalls hinsichtlich Deutschland über die deutschen Tochtergesellschaften der Lkw-Hersteller organisiert, im konkreten Fall über die W GmbH, der deutschen Hauptniederlassung des t Mutterkonzerns.

Die als sogenannte Whistleblowerin fungierende und eine Selbstanzeige veranlassende N1, ferner W / S, E1, J und E2 räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten im Verfahren vor der Kommission einem Vergleich zu. Wegen dieser Rechtsverletzungen verhängte die Kommission nach Abschluss ihrer Ermittlungen Bußgeldbescheide in Höhe einer Gesamtgeldbuße von knapp 3 Mrd. Euro. Diese Bußgeldbescheide wurden rechtskräftig.

Hinsichtlich der Beklagten, die beide Adressat des Bußgeldbescheides sind, wurde eine Geldbuße in Höhe von 670.448.000,00 € verhandelt, wobei 40 % schon nach der Kronzeugenregelung erlassen wurden sowie weitere 10 % Ermäßigung nach der Mitteilung über das Vergleichsverfahren. W hatte sich noch maßgeblich an der Aufklärung des Sachverhalts beteiligt, so dass 40 % Ermäßigung nach der Kronzeugenregelung ausgehandelt werden konnten.

Die Klägerin kaufte im Jahr 2010 zwei Lkw der Marke W zu einem Gesamtpreis von 169.900,00 €. Dabei handelte es sich zum einen um ein Fahrzeug W, VIN: ...#56... zu einem Kaufpreis von 90.000,00 €, gekauft bei der Firma G GmbH N und um ein Fahrzeug W, VIN: ...#57... zu einem Kaufpreis von 79.900,00 €, ebenfalls gekauft bei der Firma G GmbH N. Die G GmbH ist eine Vertragshändlerin der Beklagten. Der letzte Erwerb wurde im Wege eines sog. "Dauermietkaufs" finanziert; insoweit wird auf Anlage K2 Bezug genommen.

Die Klägerin geht nunmehr gegen die beiden Beklagten im Wege der Feststellungsklage vor mit dem Ziel, deren grundsätzliche Ersatzpflicht feststellen zu lassen. Sie trägt vor, den exakten Schaden noch nicht beziffern zu können, meint aber aus Verjährungsgründen bereits jetzt Feststellungsklage erheben zu dürfen.

Sie behauptet ferner, dass von einem 15 %igen Schaden, gemessen am Nettolistenpreis, auszugehen sei. Dieser sei bei ihr als Endabnehmerin eingetreten, wobei der Schadensersatzanspruch auch dann von ihr geltend gemacht werden könne, wenn sie nicht unmittelbare Kunde der Beklagten gewesen sei.

Nach Klarstellung ihres Antrags zu 1.) im Rahmen der mündlichen Verhandlung beantragte die Klägerin nun,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind zunächst der Auffassung, dass die Feststellungsklage auf Grund des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig sei.

Der klägerische Vortrag sei zudem unschlüssig. Die Klägerin habe ihre Kartellbetroffenheit nicht substantiiert dargelegt, dies insbesondere deshalb nicht, weil es sich vorliegend um einen Fall mittelbaren Erwerbs handele, da die Klägerin von einem nicht gesellschaftsrechtlich mit den Beklagten verbundenen Vertragshändler erworben habe.

Die Beklagten bestreiten weiter, dass ein Preisaufschlag vorliege; sie führen insbesondere aus, dass der durch die Klägerin behauptete pauschale Aufschlag von 15 % unhaltbar sei.

Es fehle ohnehin an der Darlegung eines kausalen Schadens, da die Kommissionsentscheidung keine Angaben über die Auswirkungen des bebußten Verhaltens mache. Zudem seien die vom Endkunden gezahlten Preise auch völlig losgelöst von den bebußten Verhaltensweisen, da ein Lkw oft als Teil eines größeren Pakets von Gütern und Serviceleistungen verkauft oder gar geleast werde, weshalb der Preis im Einzelfall im Wesentlichen davon abhänge, ob der Kunde möglicherweise gleichzeitig mit dem Kauf einen Wartungsvertrag oder ähnliches abschließt. Damit seien die gezahlten Preise im höchsten Maße individuell und stünden deshalb in keinerlei Zusammenhang zu den in der Kommissionsentscheidung beschriebenen Verhaltensweisen. Auch im Übrigen habe ein Informationsaustausch über Bruttopreislisten keinerlei Auswirkungen auf Endkundenpreise, zumal sich schon aus dem Bescheid der Kommission ergebe, dass die Informationen in unterschiedlichem Maße an die jeweiligen Hauptverwaltungen weitergeleitet worden seien und angesichts der Konzernstruktur somit schon gar nicht festgestellt sei, dass diese ausgetauschten Informationen Auswirkungen auf die Bruttopreislisten gehabt hätten. Überhaupt sei zu berücksichtigen, dass nur ein Informationsaustausch und nicht etwa eine Absprache bezüglich der Preise in Rede stehe.

Jegliche Annahme einer kartellbedingten Preiserhöhung stehe schon in Widerspruch zum Bescheid der Kommission, die keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen, sondern nur die vage Wahrscheinlichkeit einer bloßen Beeinflussung geäußert habe.

Auch sei ein Anscheinsbeweis jedenfalls deshalb erschüttert, weil der Kammer aus dem Verfahren LG Dortmund, 8 O 4/17, ein durch dortige Kläger vorgelegtes Sachverständigengutachten bekannt sei, dass zu dem Ergebnis komme, dass bezüglich der Beklagten hier ab dem Jahre 2008 kein Kartelleffekt mehr festgestellt werden könne.

Der streitgegenständliche Vertrag bezüglich des Lkw mit der Fahrzeugnummer 57... enthalte zudem auch einen umfassenden Servicevertrag; solche Serviceverträge seien allerdings ausdrücklich aus dem Tenor der Kommissionsentscheidung ausgenommen. Der Klägerin sei bezüglich beider Lkw, welche finanziert worden seien, allein die monatliche Belastung durch das Gesamtpaket relevant gewesen. Zudem sei das zweite Fahrzeug mit einem Verlust von 2.714,17 € verkauft worden, da sich der Verkäufer bei den Aufrüstarbeiten verkalkuliert habe.

Darüber hinaus wenden die Beklagten ein, dass die Klägerin einen etwaig überhöhten Preis an ihre Kunden weitergegeben habe.

Sie beantragen zudem, der Klägerin nach § 142 ZPO die Herausgabe bzw. Offenlegung diverser Informationen aufzugeben.

Ferner haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 18.06.18 beantragt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze wie auf die Anlagen Bezug genommen.

Gründe

A)

Die Klage ist zulässig.

1)

Die internationale Zuständigkeit für die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) folgt unproblematisch aus Art. 7 Ziff. 2 Brüssel Ia VO und wurde durch die Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

2)

Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen nicht, da die Klägerin schon im Hinblick auf den dadurch bewirkten Schutz vor Verjährung im Umfang des gesamten Schadens ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht hat. Der Grundsatz, wonach das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO regelmäßig dann fehlt, wenn der Kläger eine entsprechende Leistungsklage erheben kann, erfährt im Rahmen von Kartellschadensersatzklagen - ähnlich wie im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht - eine Einschränkung. Dort wie hier gilt, dass das rechtliche Interesse für eine Feststellungsklage in der Regel nicht bereits dadurch entfällt, dass der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen kann (vgl. BGH I ZR 277/00 Rn 17 - Juris). Seinen Grund findet dies in prozessökonomischen Erwägungen, die eine Feststellungsklage trotz an sich möglicher Leistungsklage meist - und auch im vorliegenden Fall - vorzugswürdig erscheinen lassen. Denn in den genannten Rechtsbereichen - wie auch hier - bereitet die Begründung des Schadensersatzanspruchs selbst nach erteilter Auskunft Schwierigkeiten und erfordert eine eingehende Sachprüfung zur Berechnungsmethode des Schadens (BGH aaO; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., 256 Rn 12; weitergehend sogar Musielak-Foerste, ZPO 10. Aufl. § 256 Rn 12). Dies hat somit gerade im Bereich von Kartellschadensersatzklagen seine Berechtigung, da hier typischerweise die Ermittlung der Schadenshöhe beträchtlichen Aufwand erfordert und eine erhebliche Unsicherheit mit sich bringt, weshalb die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Schadensersatzfeststellungsklage nicht überspannt werden dürfen. Denn die Bestimmung des für die Schadenshöhe maßgebenden wettbewerbsanalogen Preises ist vor allem in Fällen, in denen womöglich über Jahrzehnte hinweg annähernd flächendeckend ein Kartellpreisniveau durchgesetzt wurde, ein komplexes Unterfangen (ständige Rspr der Kammer, vgl. 8 O 90/14 Kart = WuW 2017, 98 = NZKart 2017, 86 mit zust. Anm. Thiede sowie 8 O 25/16 Kart = NZKart 2017, 440 = WuW 2017, 569)

Wegen der geschilderten Unsicherheit betreffend der Auswirkungen des Kartells auf die Marktpreise kann auch die Erhebung einer unbezifferten Leistungsklage unter Angabe eines Mindestbetrages oder von Schätzungsgrundlagen keinen einfacheren und zumindest gleich effektiven Weg zur Erreichung des klägerischen Rechtsschutzzieles darstellen (vgl. auch BGH II ZR 87/13 Rn 8 - juris) und zwar selbst dann nicht, wenn die Schadensentwicklung abgeschlossen ist und dem Gericht nach § 287 ZPO die Schätzung eines Mindestschadens möglich wäre (OLG Karlsruhe 6 U 204/15 Grauzement - Juris). Eine solche wäre mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet, da eine Schadensschätzung durch das Gericht dann unzulässig ist, wenn sie mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen in der Luft hinge (statt aller BGH I ZB 109/14 Rn 30 - juris; Kammer a.a.O.).

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass vor dem Hintergrund der Effektivität der Kartellrechtsdurchsetzung es gerade auch Verbrauchern sowie kleinen und mittleren Unternehmen möglich sein muss, angesichts einer - sogar durch die Beklagtenseite S. 5 des Schriftsatzes vom 18.06.18 zugestandene - Fülle von rechtlichen Problemen zum Haftungsgrund eine entsprechende Klärung unter Hemmung der Verjährung herbeizuführen, ohne zunächst kostenträchtige Gutachten zur Substantiierung eines Mindestschadens vorzulegen, zumal die erstinstanzliche Rechtsprechung selber in jüngerer Zeit angesichts vieler offener, weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärter Rechtsfragen auch im Rahmen bezifferten Leistungsklagen zunächst Grundurteile erlassen hat, die aber ihrerseits letztlich keinen weiteren Rechtschutz gewähren als ein Feststellungsurteil, so dass ein Unterschied im Hinblick auf die Einfachheit und Effektivität des Rechtsschutzes auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erkennbar ist.

3.

Gegen die Bestimmtheit des Klageantrages i.S.v. § 253 ZPO bestehen nach der Konkretisierung des Antrages in der mündlichen Verhandlung ebenfalls keine Bedenken mehr.

Damit ist die Klage insgesamt zulässig.

B)

Die Klage ist auch begründet.

Der durch die Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 33 GWB in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2017 (im folgenden § 33 GWB a.F.) geltenden, nach dem intertemporären Recht für den Belieferungszeitraum in 2010 maßgeblichen Fassung.

I.

Eine durch die Beklagten begangene Kartellrechtsverletzung ist rechtskräftig und wegen § 33 Abs. 4 GWB a.F. mit Bindungswirkung für den vorliegenden Prozess festgestellt. Nach den Feststellungen der Europäischen Kommission in dem Beschluss vom 19.7.2016 haben beide Beklagten gegen das in Art. 101 AEUV bzw. Art. 53 EWR-Abkommen normierte Verbot von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, verstoßen.

Mit Beschluss (AT 39824 - Trucks) stellte die Europäische Kommission insoweit fest, dass Lkw-Hersteller, zu denen auch die Beklagten gehörten, sich im Zeitraum von 1997-2010 über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen mit dem Ziel ausgetauscht hätten, die Bruttopreise im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu koordinieren, um Unsicherheit hinsichtlich des Verhaltens der jeweils anderen Hersteller zu beseitigen. Die kollusiven Praktiken hätten ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt, nämlich die Verfälschung der Preisgestaltung und der üblichen Preisbewegungen für Lkw im EWR. Betroffen von diesen Verhaltensweisen seien Lkw zwischen 6 t und 16 t (mittelschwere Lkw) sowie Lkw über 16 t (schwere Lkw) gewesen, wobei es sich sowohl um Solofahrzeuge als auch um Sattelzugmaschinen gehandelt habe. Nicht betroffen von den vorgenannten Verhaltensweisen seien hingegen der Aftersales-Bereich, andere Dienstleistungen und Garantien für Lkw, der Verkauf von gebrauchten Lkw und sämtliche anderen von den Adressaten dieses Beschlusses verkauften Waren oder Dienstleistungen gewesen. Darüber hinaus hätten sich die Adressaten des Beschlusses auch über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen Euro 3 bis Euro 6 ausgetauscht. Nach den Feststellungen der Europäischen Kommission in der vorläufigen nicht vertraulichen Langfassung des Beschlusses vom 19.7.2016 hätten die Adressatinnen mit diesen Verhaltensweisen gegen Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) verstoßen.

Die Beklagten waren auch ausweislich des Bescheides im hier interessierenden Erwerbszeitpunkt im Jahre 2010 an solchen Absprachen beteiligt; diese Feststellung des Tatzeitraums ist von der Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB a.F. umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 12.7.2016, KZR 25/14, "Lottoblock II", Rn. 18, zit. nach Juris).

Die Vorlage des Bescheides selber ist für das Eintreten dieser Bindungswirkung nicht erforderlich (vgl. etwa Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 392); es genügt, dass die Klägerin, wie hier, Existenz und Inhalt der Entscheidung darlegt. Die im Bescheid enthaltenen Angaben sind auch offenkundig i.S.v. § 291 ZPO, da sie ohne weiteres aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen (vgl. zu den Voraussetzungen dafür Stein/Jonas-Thole § 291 ZPO Rn 4) entnommen werden können, hier etwa der Homepage der europäischen Kommission selbst (http://ec.europa.eu/competition/antitrust/cases/dec_docs/39824/39824_6567_14.pdf). Die Beklagten haben auch weder ihre Beteiligung am Kartell noch den vorgetragenen Inhalt der Feststellungen des Bescheides bestritten; sie ziehen allein andere Schlüsse aus den Feststellungen des Bescheides bzw. legen eine andere Lesart an den Tag.

II.

Auch die Kartellbetroffenheit der Klägerin ist im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Erwerbsvorgänge zu bejahen.

Das Merkmal der Kartellbetroffenheit ist dann gegeben, wenn ein Marktteilnehmer durch Erwerb des kartellbefangenen Gutes von dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Kartellanten so betroffen wurde, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten (instruktiv LG Hannover 18 O 418/14 BeckRS 2016, 12506 sub I.3. - Rohspanplatten). Für die Feststellung, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Lkw-Käufe von den kartellrechtswidrigen Absprachen der Beklagten betroffen wurde, gilt der Beweismaßstab des § 286 ZPO (BGH, Urteil vom 12.7.2016, KZR 25/14, "Lottoblock II", Rn. 42, 47 - Juris).

Bei dieser Bewertung kommt es, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Klägerin als unmittelbare Erwerberin oder - wie die Beklagten aufgrund der Zwischenschaltung von Vertragshändlern als den aus Beklagtensicht eigentlich unmittelbaren Erwerbern meinen - vielmehr als mittelbare Erwerberin zu werten wäre, die andere Anforderungen erfüllen müsste, um ihre Kartellbetroffenheit darzulegen und ggfs. nach § 286 ZPO zu beweisen.

1)

Seit der Entscheidung des BGH in Sachen ORWI (KZR 75/10, Rn 34 - Juris) kommt es - der sogenannten "Jedermann-Rechtsprechung" des EuGH (Entsch. v. 20.09.01, C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465 - Courage v. Crehan; Entsch. v. 13.07.2006, C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461 - Manfredi) folgend - auf diese Unterscheidung für die Frage, ob die Klägerin überhaupt aktivlegitimiert, also anspruchsberechtigt sein kann, nicht mehr an, da jedermann und somit auch ein mittelbarer Erwerber grundsätzlich berechtigt ist, ihm aufgrund von Kartellverletzungen entstandene Schäden geltend zu machen.

2)

Doch ist auch die Betroffenheit der Erwerbsvorgänge selber unabhängig von der Einordnung als unmittelbarer oder mittelbarer Erwerb zu bejahen.

Aus Sicht der Kammer spricht zunächst einmal vieles dafür, den Erwerb von einem Vertragshändler unabhängig von dessen ggfs. fehlender gesellschaftsrechtlicher Verflechtung mit dem Kartellanten wie einen unmittelbaren Erwerb vom Kartellanten selber zu behandeln. Denn der Vertragshändler stellt letztlich nur einen Vertriebskanal des Kartellanten dar, weil Vertragshändler regelmäßig wirtschaftlich stark vom Hersteller abhängig sind, wobei Absatzbindungen, wie z.B. die Abnahme von Mindestmengen, die Unterhaltung eines (Ersatzteil-)Lagers, die Bereitstellung von Servicemaßnahmen (Wartung, Reparatur), die Durchführung bestimmter Werbemaßnahmen sowie die Verpflichtung, keine Konkurrenzgüter zu führen bzw. ausschließlich für den Kontraktgeber tätig zu sein (Ausschließlichkeitsbindung, Exklusivvertrieb), üblich sind. Er steht dem Kartellanten also nicht wie ein normaler Kunde im Rahmen einer Lieferkette gegenüber. Dies umso mehr, als auch nach außen hin der Vertragshändler sogar häufig den Namen und die Marke(n) des Kontraktgebers benutzt. Daher ließe sich schon von dieser Warte aus argumentieren, dass - zumal bei derart langem Kartellzeitraum - gar nichts dafür spricht, dass der Vertragshändler gleich einem herkömmlichen unmittelbaren Erwerber Preiserhöhungen und somit Kartellschäden - womöglich in vollem Umfang des overcharge - bei sich behalten musste, sondern der Vertragshändler vielmehr derart stark auf Seiten des Kartellanten steht, dass der Erwerber letztlich wie ein unmittelbarer Erwerber zu behandeln ist.

Aber selbst wenn man dies mit den Beklagten anders sehen und die Klägerin hier als mittelbare Erwerberin behandeln wollte, macht dies keinen Unterschied für das Merkmal der Kartellbetroffenheit, da diese für die Klägerin in beiden Rollen zu bejahen wäre.

a)

Vorliegend ist es bereits nicht erforderlich, hier in herkömmlicher Weise auf die in der Rechtsprechung vertretenen Ansätzen der Herleitung der Kartellbetroffenheit über einen Anscheinsbeweis abzustellen (dazu aber noch unten), sondern die selbige lässt sich hier ausnahmsweise direkt über die Bindungswirkung des Bußgeldbescheides nach § 33 Abs. 4 GWB a.F. begründen. Der BGH hat nämlich in der Entscheidung Lottoblock II (KZR 25/14, Rn 47, Juris) auch die Herleitung der Betroffenheit direkt über die Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 a.F. für den Ausnahmefall zugelassen (vgl. dazu auch Stancke, NZKart 2017, 636, 637). Ein solcher Ausnahmefall ist hier aus Sicht der Kammer gegeben. Ausweislich des Bußgeldbescheides kreisten über die gesamten 14 Jahre hinweg, in denen das europaweite Kartell bestand, die Informationsaustausche stets um die gleichen Punkte: Bruttolistenpreise, Zeitplan für die Einführung neuer Emissionssenkungstechnik und Weitergabe der damit verbundenen Kosten an die Kunden. Damit ist - insbesondere im hier interessierenden Zeitpunkt der Erwerbsgeschäfte von 2010 - schon denklogisch jedes Erwerbsgeschäft - und sei es zunächst auf der Stufe zwischen Kartellant und Vertragshändler - durch diese Absprachen in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass nachteilige Folgen für die Erwerber eintreten konnten, denn in jedem Erwerbsgeschäft bildete sich letztlich der vorherige Austausch bezüglich der Bruttopreislisten ab (so in der Sache im Grunde auch LG Hannover 18 O 8/17 Rn 77) und für die Beeinträchtigung genügt bereits jede Verschlechterung gegenüber der Situation bei Wettbewerb (vgl. Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 5. Auflage 2014, § 33 GWB Rn 15).

Damit ist noch nicht gesagt, dass dem Betroffenen dadurch tatsächlich auch ein Schaden - und würde er auch nur 1 Cent betragen - entstanden ist. Denn es geht bei der Kartellbetroffenheit lediglich um die Frage, ob der Abnehmer beim Erwerb kartellbefangenen Gutes so mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Kartellanten in Berührung gekommen ist; ein tatsächlicher Schadenseintritt ist für dieses Merkmal nicht Voraussetzung (zutreffend Stancke, NZKart 2017, 636, 637), weshalb es auch an dieser Stelle beim mittelbaren Erwerber noch nicht auf die Frage einer Weiterwälzung eines Schadens des unmittelbaren Erwerbers ankommen würde. Der Erwerber muss letztlich nur mit einem einer Kartellabsprache unterworfenen Gut in Berührung gekommen sein, was aufgrund des Inhalts des Bußgeldbescheides nicht zweifelhaft sein kann. Der Sachverhalt liegt von daher hier anders als etwa bei Quotenkartellen oder ähnlichem, wo jedenfalls gedanklich im Rahmen etwa einer Ausschreibung eine gesonderte Absprache zwischen den Kartellanten untereinander oder zwischen Kartellant und Erwerber getroffen worden sein könnten. Wenn sich Kartellanten hingegen über die oben geschilderten Punkte, z.B. die Bruttopreise, informieren, ist schon denklogisch eine gesonderte, für jeden einzelnen Verkaufswahl zu treffende Absprache nicht nötig und auch nicht erwartbar. Vielmehr sind bei solchen Absprachen notwendig alle nachfolgenden Erwerbsvorgänge von dieser Absprache "betroffen", da das Wissen um die allgemeine Preisgestaltung immer vorhanden ist.

Damit steht - vor dem Hintergrund des § 33 Abs. 4 GWB a.F. - aber gleichzeitig fest, dass die durch die Klägerin erworbenen LKW, selbst wenn sie hier nur als mittelbare Erwerberin anzusehen wäre, kartellbefangen waren und die Klägerin somit im Sinne obiger Definition kartellbetroffen ist.

Auf die Frage, ob die Vertragshändlerin, wäre sie als unmittelbare Erwerberin anzusehen, einen möglichen Kartellschaden auf die Klägerin als mittelbare Erwerberin weitergewälzt hat (sog. passingon), kommt es für dieses Merkmal, wie schon soeben ausgeführt und sogleich unter anderem Aspekt noch zu zeigen ist, nicht an, denn die Frage der Weiterwälzung gehört nicht zu den im Wege des § 286 ZPO festzustellenden Aspekten und somit nicht zur Kartellbetroffenheit, die - dem BGH (Lottoblock II, KZR 25/14 Rn 47 - Juris) folgend - nach § 286 ZPO festzustellen ist.

b)

Die Kartellbetroffenheit ist aber auch dann zu bejahen, wenn nicht auf die Bindungswirkung des Bescheides unmittelbar abgestellt wird, da mit der herrschenden Rechtsprechung die Kartellbetroffenheit hier über einen Anscheinsbeweis hergeleitet werden kann. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin hier unmittelbare oder mittelbare Erwerberin ist, ergibt sich unter diesem Aspekt die Kartellbetroffenheit der Erwerbsvorgänge.

aa)

So ist zunächst der unmittelbare Erwerb nach diesen Grundsätzen vorliegend kartellbefangen.

(a)

Im Hinblick auf die kartellbedingte Marktpreiserhöhung auf der ersten Marktstufe streitet ein Anscheinsbeweis (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. Kammer 8 O 90/14 = NZKart 2017, 86 = WuW 2017, 98 und 8 O 25/16 = NZKart 2017, 440; vgl. ferner Thüringer Oberlandesgericht, 2 U 583/15, Rn. 68; OLG Karlsruhe, 6 U 204/15, Rn. 64; Urteil vom 31.7.2013, 6 U 51/12, Rn. 56, zit. jeweils nach Juris; LG Berlin 16 O 384/13 Kart, LG Nürnberg-Führt 3 O 10183/13, LG Düsseldorf 14 d O 4/14; LG Frankfurt a.M. 2-06 O 358/14, 2-06 O 464/14; LG Hannover 18 O 259/14; LG Mannheim 7 O 110/13, 7 O 206/14 und LG Erfurt 3 O 1050/14; in Abkehr von seiner früheren Rspr nun auch LG München I, Urt. v. 27.7.2016, 37 O 24526/14 Rn. 70; ablehnend noch LG Stuttgart 11 O 225/12, LG Stuttgart 41 O 39/12 KFH, zum Ganzen auch Thiede/Träbing NZKart 2016, 422 und Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren, § 26, Rn. 129 sowie jüngst auch Bellinghausen/Grothaus, NZKart 2018, 116 ff).

Denn nach der Lebenserfahrung gilt, dass sich ein Kartell preissteigernd auswirkt (ständige Rspr. der Kammer, vgl. 8 O 90/14 Kart sowie 8 O 25/16 Kart, ferner OLG Nürnberg, 1 U 2028/07; OLG Karlsruhe 6 U 51/11, 366; KG Berlin 2 U 10/03 Kart = WuW/E DE-R 2773; grundlegend LG Dortmund 13 O 55/02 Kart = WuW/E DE-R 1352). So begrenzen etwa Quoten-, Kunden-, Gebietsaufteilungsabsprachen für die Marktgegenseite das Angebot und wirken damit tendenziell preisstabilisierend bzw. -erhöhend (Roth in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 88. Lieferung 04.2017, § 33 GWB, Rn. 161; vgl. auch LG Hannover 18 O 8/17 Rn 74 - Juris). Damit wird aber, diesem Lebenserfahrungssatz folgend, der Preis der bezogenen Ware durch die mit Bindungswirkung des behördlichen Bescheides festgestellte Kartellrechtsverletzung beeinflusst (vgl. zu diesem Erfahrungssatz auch Weitbrecht, NZKart 2018, 106, 108).

Auch der BGH führt in seiner "ORWI"-Entscheidung (KZR 75/10) aus, dass die mit Kartellen bezweckte Preisanhebung sich regelmäßig in Form höherer Preise auswirke. Zudem weist der BGH bereits in einer Entscheidung vom 28.6.2005 (BGH, KRB 2/05, NJW 2006, 163; dies bestätigend BGH KRB 20/12, NZKart 2013, 195, TZ 76 f.) darauf hin, dass es nach der Lebenserfahrung nahe liege, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise höher lägen als die im Wettbewerb erreichbaren Marktpreise. Die Bildung eines Kartells und seine Durchführung indizierten - so der BGH - daher, dass den Beteiligten hieraus jeweils auch ein Vorteil erwachse. Unternehmen bildeten derartige Kartelle, um keine Preissenkung vornehmen und damit auch keine Gewinnschmälerung hinnehmen zu müssen. Nach ökonomischen Grundsätzen werde laut BGH bei Kartellen regelmäßig eine Kartellrendite entstehen. Deshalb spreche eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten werde, weil es höhere als am Markt sonst erzielbare Preise erbringe. Es mag laut BGH zwar ausnahmsweise Konstellationen geben, in denen aus der Tätigkeit eines Kartells kein Mehrerlös erwächst oder dies zumindest nicht auszuschließen ist. Da der Mehrerlös durch die Außerkraftsetzung der Marktmechanismen entsteht, werden dabei aber die zeitliche Dauer der Kartellabsprachen und ihre Intensität zu beachten sein. Je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde und je flächendeckender es angelegt ist, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegungen des Tatrichters zu stellen, wenn er einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Kartellabsprache verneinen will (zum ganzen BGH KRB 2/05, TZ 20, 21 - Juris). Zwar betrifft diese Entscheidungen des BGH vom 28.06.2005 (wie auch die zitierte Folgeentscheidung) eine Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil eines Oberlandesgerichts in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren. Jedoch sind die vom BGH getroffenen Aussagen allgemeiner Natur und nicht etwa speziellen materiell- oder prozessrechtlichen Anforderungen des Ordnungswidrigkeitsrechts geschuldet. Insofern lassen sich die vom BGH formulierten Grundsätze auf das hiesige Verfahren übertragen.

Dass sich Kartelle in dieser Weise preissteigernd auswirken, ist darüber hinaus auch wirtschaftswissenschaftlich anerkannt (vgl. z.B. Inderst/Maier-Rigaud/Schwalbe "Preisschirmeffekte" WUW 11/2014 und Coppic/Haucap "Behandlung von Preisschirmeffekten" WUW 2/2016; zum ganzen auch Petrasincu WUW 2016, 331 und Inderst/Thomas Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2015, 317) und wurde auch durch das Bundeswirtschaftsministerium bei der Umsetzung der EU-Kartellschadensersatzrichtlinie 2014/104/EU berücksichtigt (vgl. BMWi, Entwurf eines 9. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 60, 71; vgl. auch nunmehr die Fassung des § 33a Abs. 1 GWB n.F.).

(b)

Entsprechend muss auch bei den hier im konkreten Fall bebußten Verhaltensweisen ein Anscheinsbeweis greifen (vgl. LG Hannover 18 O 7/18 - Juris sowie allgemein Kamann/Ohlhoff/Völcker-Ohlhoff, Kartellverfahren, § 26, Rn. 130), denn für diese kann insoweit nichts anderes gelten.

Nach den bindenden Feststellungen der Europäischen Kommission handelte es sich um Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lkw im EWR sowie Absprachen über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für mittelschwere und schwere Lkw nach den Abgasnormen Euro 3 bis Euro 6 mit dem Ziel, die Preisgestaltung und die üblichen Preisbewegungen für LKW im EWR zu verfälschen. Die Kartellanten haben neben Gesprächen auf Ebene der höheren Führungskräfte ihrer Hauptverwaltungen nach Einführung des Euro begonnen, sich über ihre deutschen Tochtergesellschaften systematisch über geplante Preiserhöhungen auszutauschen. Diese Austausche sind durch regelmäßige Wettbewerbertreffen erfolgt. Zusätzlich zu diesen Treffen gab es einen regelmäßigen Austausch per Telefon und E-Mail, wobei sich die besprochenen Themen sich auf technische Themen und Lieferfristen, aber auch auf Preise (normalerweise zu Bruttopreisen) erstreckten. Dabei wurden häufig auch wirtschaftlich sensible Informationen wie zum Beispiel Auftragseingänge, Bestände und weitere technische Informationen per E-Mail und Telefon ausgetauscht worden. In späteren Jahren sind die auf deutscher Ebene erfolgten Treffen formalisierter geworden und nicht öffentlich zugängliche Informationen über Bruttopreiserhöhungen für Lkw-Basismodelle des jeweiligen Herstellers wurden in einem Tabellenblatt zusammengetragen. Diese Austausche fanden mehrmals im Jahr statt (vgl. zu diesen Feststellungen des Bescheides auch LG Hannover 18 O 8/17 - LKW-Kartell - Rn 75 - Juris).

Angesichts solcher "Informationsaustausche" und der auf der Hand liegenden Intention - Verfälschung der Preisgestaltung und der üblichen Preisbewegungen für Lkw im EWR - spricht auch bei solchen Absprachen die Lebenserfahrung für eine allgemein preissteigernde Wirkung, weshalb ein entsprechender Anscheinsbeweis anzunehmen ist, denn bei derartigen Verstößen gegen den Kernbereich des Wettbewerbs liegt die Vermutung preissteigernder Wirkung sogar noch näher als bei einem Quotenkartell, das typischerweise zu einer Beschränkung des Preiswettbewerbs führt.

Bei einem bestehenden Quotenkartell hat der einzelne Anbieter kaum Anreiz zur Senkung seiner Preise, weil er sich durch die Preissenkung ohnehin keine zusätzlichen Marktanteile erschließen kann. Vielmehr hat er größere Möglichkeiten, seine Preise zu erhöhen, weil er nicht Gefahr läuft, durch die Preiserhöhung Marktanteile an seinen Wettbewerber zu verlieren (so bereits OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.7.2013, 6 U 51/12, Rn. 55, zit. nach Juris; LG Hannover, 18 O 405/14, Rn. 67 und 18 O 8/17 Rn.76 zit. nach Juris).

Demgegenüber schalten Absprachen über Preise bzw. Preiserhöhungen und selbst ein bloßer Informationsaustausch in diese Richtung, auch wenn nur Bruttolistenpreise betroffen sind, den Preiswettbewerb noch unmittelbarer und damit effizienter aus als Quotenabsprachen. Denn diese Verhaltensweisen führen dazu, die dem nicht durch Informationsaustausch verzerrten Wettbewerb innewohnende Unsicherheit bezüglich des Verhaltens der Mitbewerber auszuschalten oder jedenfalls zu schmälern. Eben diese Unsicherheit ist aber wesentlicher Triebfeder für nicht verzerrte und im Vergleich zu absprachebeeinflussten Preisen niedrigeren Wettbewerbspreisen; sie garantiert diese geradezu. Gerade wegen dieses in höchstem Maße der Lebenserfahrung und jeder wirtschaftlichen Logik entsprechenden Zusammenhangs sind solche Abstimmungen von Preisen durch das Kartellrecht verbotene Verhaltensweisen. Schon deshalb ist auch der Vortrag der Beklagten, solche - verbotenen! - Verhaltensweisen würden sogar zu einem niedrigeren Preisniveau führen, ersichtlich neben der Sache und nicht geeignet, den hier angenommenen Lebenserfahrungssatz in Frage zu stellen bzw. den Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Hinzu kommt als weiterer Punkt noch die Koordinierung der Einführungszeitpunkte der Euronormen durch das Kartell, die dem oben genannten noch einen weiteren Schadensaspekt hinzufügt. Denn nach der Lebenserfahrung ist ohne die zeitliche Koordinierung bei der Einführung der Euronormen regelmäßig vom gleichzeitigen Bestehen verschiedener Technologien am Markt auszugehen. Dies führt nach aller Lebenserfahrung und wirtschaftlichen Logik aber dazu, dass preisbeschränkende Wechselwirkungen bei der Preissetzung durch das parallele Bestehen älterer und neuerer Technologie auftreten, sodass ebenfalls durch das Ausschalten des Wettbewerbs an dieser Stelle insgesamt höhere Preise zu erwarten sind.

Für die preissteigernde Wirkung dieser Verhaltensweisen streiten hier auch die lange Dauer des Kartells und die Reichweite über den gesamten EWR. Da um ein zeitlich und räumlich so weitreichendes Kartell zu unterhalten erkennbar ein erheblicher organisatorischer Aufwand notwendig war, spricht dies gerade auch dafür, dass es sich um ein erfolgreiches Kartell handelte, weil sonst wirtschaftlich denkende Unternehmen diesen Aufwand nicht über einen solchen Zeitraum betrieben hätten. Daher kann schon vor diesem Hintergrund die bisweilen angebrachte Kritik, die Wirksamkeit eines Kartells werde zu oft nicht bei der Frage nach der Anerkennung eines Anscheinsbeweises berücksichtigt (so Bellinghausen/Grothaus NZKart 2018, 116, 117 mit Verweis auf die von der EU-Kommission beauftragte Studie "Quantifying Antitrust Damages - Towards Non-Binding Guidance for Courts" von Oxera Consulting Ltd. aus dem Jahr 2009, "OXERA-Studie") jedenfalls für dieses konkrete Kartell zurückgewiesen werden, da nach dem Gesagten nichts dafür spricht, dass hier ein unwirksames, sich insbesondere nicht in Preiserhöhungen niederschlagendes Kartell vorlag.

Schon deshalb kommt es auf den Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 18.06.18 zur Konzernstruktur und Informationsweitergabe innerhalb des Konzerns sowie den Umstand, dass der Kommissionsbescheid nur Informationsweiterleitung "in unterschiedlichem Maße" festgestellt hat, nicht entscheidend an. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass selbst dann von einer Marktpreiserhöhung auszugehen ist, die den Beklagten hier wegen deren im Bescheid verbrieften Beteiligung am Kartell auch über §§ 830, 840 BGB zurechenbar ist.

(c)

Diesen Anscheinsbeweis für eine Marktpreissteigerung auf der Marktstufe des unmittelbaren Erwerbers haben die Beklagten auch durch ihren weiteren Vortrag nicht erschüttert.

(aa)

Soweit die Beklagten unter anderem einwenden, die von der Klägerin gezahlten Endkundenpreise seien schlechterdings keine Bruttolistenpreise gewesen, sondern letztlich ein kundenindividueller Preis für ein ebenso individuell konfiguriertes Investitionsgut, der unter Berücksichtigung kundenspezifischer, marktspezifischer und auftrags- bzw. fahrzeugspezifischer Faktoren verhandelt worden sei, ändert dies die rechtliche Bewertung nicht. Selbst wenn die von der Klägerin gezahlten Kaufpreise nicht den Bruttolistenpreisen entsprochen haben sollten, deren Gestaltung die Kartellanten nach den Feststellungen der europäischen Kommission koordiniert haben, spricht nach der allgemeinen Lebenserfahrung doch alles dafür, dass Grundlage und Ausgangspunkt der Verhandlungen über den kundenindividuellen Kaufpreis von Lkw der Beklagten deren Bruttolistenpreise sind; dies wird durch die Beklagten auch nicht substantiiert bestritten. Selbst wenn man den Beklagten zugestehen will, dass noch zahlreiche weitere Faktoren bei der Preisbildung mitspielen und auch womöglich Serviceleistungen (hier insbesondere der sog. "Servicevertrag", Bl. 76 d.A.) zu nicht geringem Anteil einbezogen werden, bleibt doch der LKW selbst erkennbar der wesentliche und ohne jeden Zweifel kostenträchtigste Faktor des Geschäfts. Daher wirkt sich nach der Lebenserfahrung eine kartellrechtswidrige Koordinierung der Bruttolistenpreise auf die kundenindividuellen Preise unabhängig davon aus, ob und inwieweit bei der Verhandlung der kundenindividuellen Preise auch noch kundenspezifische, marktspezifische und auftrags- bzw. fahrzeugspezifische Faktoren Berücksichtigung finden. Aus diesem Grund kann es zudem auch nicht darauf ankommen, dass die Käufe der Klägerin finanziert worden sind.

(bb)

Auch kann nicht erfolgreich eingewendet werden, der Lkw-Markt sei nicht homogen und weise eine Oligopolstruktur auf, sodass auch in Abwesenheit der sanktionierten Verhaltensweisen kein perfekter Wettbewerb geherrscht und die Lkw-Hersteller letztlich nicht zu den Grenzkosten verkauft hätten, denn vor dem soeben geschilderten Hintergrund ist selbst dann nicht ersichtlich ist, dass die Preisabsprachen nicht dennoch erhöhenden Einfluss auf die Preise hatten.

(cc)

Es kommt nicht darauf an, dass in dem Bescheid keine Schäden, insbesondere nicht die Höhe möglicher Schäden, festgehalten sind, zumal die Beklagten selber erkennen, dass die Kommission nicht verpflichtet war, solche Folgen nachzuweisen. Auch führen die soeben oben diskutierten Aspekte bezüglich der Bruttopreislisten und des Erwerbs eines "Pakets mehrerer Güter", wenn sie dem Lebenserfahrungssatz nicht entgegenstehen, naturgemä? auch nicht dazu, ihn zu erschüttern.

(dd)

Die "besonders günstigen Konditionen", welche die Klägerin nach Vortrag der Beklagten erhalten haben soll (Duplik Rn 46) sowie das durch die Beklagte behauptete "Verkalkulieren" des Verkäufers, das zu einem Verlust von 2.714,17 Euro geführt habe, sind unsubstantiiert geblieben und somit nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Die Beklagten hätten hier zur näheren Substantiierung schon die Kalkulation im Einzelnen offenlegen und Vergleiche zu anderen Verkäufen darlegen müssen, da sonst weder die besonders günstigen Konditionen noch gar die Beurteilung eines Verkaufs mit Verlust für das Gericht nachprüfbar oder auch nur für den Gegner einlassungsfähig ist. Gegen einen substantiierten Vortrag eines Irrtums bei der Preiskalkulation spricht auch schon der durch Beklagte behauptete Betrag mit zwei Ziffern hinter dem Komma, während die durch die Klägerin vorgetragenen und unstreitig gebliebenen vereinbarten Verkaufspreise auf glatte hundert Euro lauten. Ein explizites Bestreiten dieses ohnehin nicht einlassungsfähigen Vortrags durch die Klägerin war nicht erforderlich, da sich ihre Absicht, dies bestreiten zu wollen, im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO aus ihren Erklärungen im Übrigen ergab, zumal sie - ähnlich substantiiert - einen Schaden 15% der Nettokaufpreissumme pro Kauf behauptete, der die Summe von rund 2.700 Euro übersteigen würde.

(ee)

Zudem ist entgegen der Auffassung der Beklagten für das Merkmal der Kartellbetroffenheit auch die konkrete Darlegung eines Preisaufschlages nicht erforderlich. Es genügt die hier durch den Anscheinsbeweis hergeleitete Wahrscheinlichkeit, dass ein kartellbedingter Preisanstieg - gleich in welcher Höhe - entstanden ist.

(ff)

Soweit die Beklagten schließlich auf ein durch andere Kläger in einem Verfahren vor der Kammer zum AZ 8 O 4/17 Kart vorgelegtes Parteigutachten abstellen, aus dem sich ein "Nullschaden" für den hier relevanten Zeitraum ergäbe, so geht auch dies fehl.

Zum einen handelt es sich dabei naturgemäß nicht um eine offenkundige Tatsache i.S.v. § 291 ZPO und entgegen des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 18.06.18 auch nicht um einen gerichtsbekannten Umstand im Sinne des Prozessrechts. Denn darunter fallen nur Umstände, die der Richter aus seiner jetzigen oder früheren amtlichen Tätigkeit kennt, wie etwa Erlass eines Urteils, Eintragungen ins Handelsregister o.ä. (vgl. Stein/Jonas-Thole § 291 ZPO Rn 7, Zöller-Greger § 291 ZPO Rn 1a), nicht aber Beweisergebnisse aus anderen Verfahren oder dort abgegebene Erklärungen (BGH I ZR 190/08 = NJW-RR 2011, Rn 9 - Juris; Zöller-Greger a.a.O.), worunter das im oben genannten Verfahren vorgelegte Parteigutachten fallen würde. Damit ist dieser Umstand aber nicht ordnungsgemäß in das vorliegende Verfahren eingeführt, wobei noch hinzukommt, dass nur bei entsprechendem substantiierten Vortrag, an dem es hier ohnedies fehlt, eine Einbeziehung gerichtskundiger Tatsachen überhaupt in Frage käme (Zöller-Greger § 291 ZPO Rn 2a).

Zum anderen würde das bloße Sichzueigenmachen dieses einen Umstandes ohnehin keinen substantiierten, zur Erschütterung des Anscheinsbeweises tauglichen Vortrag darstellen. Denn einerseits ist ohne nähere Erläuterung des Gutachtens die Datengrundlage dort unklar, andererseits sind dort diverse Fahrzeugkategorien durchmischt worden, obwohl es vorliegend um lediglich einen einzigen Fahrzeugtyp geht. Schließlich begründet das Gutachten das partiell gefundene Ergebnis auch nicht hinreichend, sondern führt vielmehr aus, dass die - im Übrigen laut Gutachten im fraglichen Zeitraum bestehenden!- Kartelleffekte hier durch negative Effekte überkompensiert würden, wobei diese nicht plausibel seien; es ergeht sich sodann allein in Mutmaßungen ob dieser im Übrigen auch nicht zwanglos dem Gutachten zu entnehmenden Effekte. Abgesehen davon, dass unklar bleibt, wieso die Preise nicht angesichts der Negativeffekte ohne die kartellbedingten Effekte noch niedriger gewesen wären, würde insbesondere die Berücksichtigung dieses Parteigutachtens zu einem widersprüchlichen und damit unbeachtlichen Vortrag der Beklagtenseite führen, da das Gutachten durchaus auch in der fraglichen Stelle, welche die Beklagten sich zu eigen machen wollen, sehr wohl Kartelleffekte bejaht, die aber laut Vortrag der Beklagten gerade nicht, und zwar zu keinem Zeitpunkt, entstanden sein sollen.

bb)

Vor dem Hintergrund des somit für eine allgemeine Marktpreissteigerung auf erster Absatzstufe streitenden Anscheinsbeweises ergibt sich auch die Kartellbefangenheit der konkreten, von der Klägerin vorgetragenen beiden Lkw-Lieferungen, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin selber als unmittelbare Erwerberin zu werten ist oder ob sie, weil der Vertragshändler hier als unmittelbarer Erwerber anzusehen wäre, mittelbare Erwerberin ist.

Aufgrund des durch den oben begründeten Anscheinsbeweis nach § 286 ZPO als gegeben anzunehmenden kartellbedingt erhöhten Marktpreises ist nun nämlich nicht erforderlich, dass der Erwerber darlegen müsste, dass die einzelnen Beschaffungsvorgänge Teil der Absprachen waren. Er genügt seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er - wie durch die Klägerin hier erfolgt - vorträgt und gegebenenfalls beweist, dass der unmittelbare Erwerber - also er selber oder sein Lieferant - solche Geschäfte mit den Kartellbeteiligten im Kartellzeitraum überhaupt getätigt hat.

(a)

Dies ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung der Kammer aus einem argumentum a fortiori aus der Rechtsprechung des EuGH zu Preisschirmeffekten (vgl. LG Dortmund, 8 O 90/14, NZKart 2017, 86, 88 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 5.6.2014, C-557/12, NZKart 2014, 263 - L; zum Ganzen auch Thiede, NZKart 2017, 68; ferner Kammer, 8 O 25/16 und Bellinghausen/Grothaus, NZKart 2018, 116, 117f.).

Der EuGH billigte im Fall L auch demjenigen einen Ersatzanspruch zu, der nicht - sei es mittelbar oder unmittelbar - von einem Kartellanten erwarb, sondern vielmehr von einem Kartell-Außenseiter, der allein aufgrund der durch das Kartell eröffneten Möglichkeit ebenfalls seine Preise erhöhte. Anders als dies vorliegend von den Beklagten und auch von Teilen der oben zitierten, einen Anscheinsbeweis ablehnenden Rechtsprechung, für den unmittelbaren Erwerb vom Kartellanten gefordert wird, kann im Fall des Erwerbs vom Kartell-Außenseiter schon aus der Natur der Sache heraus gar keine Darlegung dahingehend erfolgen, dass das konkrete Geschäft Gegenstand einer Kartellabsprache war. Dennoch lässt der EuGH hier zu Recht einen Schadensersatzanspruch zu, wenn die Kausalität in der oben näher geschilderten Weise auch für den Erwerb vom Außenstehenden vermittelt wurde. Dann kann aber - schon unter dem Gesichtspunkt des sowohl durch den EuGH als auch durch den BGH stets in den Vordergrund geschobenen Effektivitätsgedanken (vgl. EuGH aaO. Rn 33 - juris; BGH KZR 25/14 Rn 37 und passim - juris) - jedenfalls für den unmittelbaren Erwerber nichts anderes gelten. Ist die Darlegung, dass das Geschäft Gegenstand der Kartellabsprache war, für den vom Kartell-Außenseiter Erwerbenden weder inhaltlich möglich noch nach der Rechtsprechung des EuGH nötig, so muss dies für den unmittelbaren Erwerber, der direkt vom gegen das Kartellverbot Verstoßenden erwirbt, erst Recht gelten. Es wäre widersinnig, wenn an die Feststellung der Kausalität (also der Kartellbetroffenheit) im Hinblick auf Geschäfte mit dem Rechtsverletzer selber höhere Anforderungen zu stellen wären als an solche Geschäfte mit Dritten, für welche der Rechtsverletzer ebenfalls aufgrund der adäquatkausalen Auswirkungen seiner Rechtsverletzung laut EuGH zu haften hat.

(b)

Zum selben Ergebnis führt es, soweit in der Rechtsprechung ein auf den ersten Anscheinsbeweis aufbauender Anscheinsbeweis für die Kartellbetroffenheit des einzelnen Geschäftes angenommen wird (grundlegend OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.7.2013, 6 U 51/12, Rn. 56; Urteil vom 9.11.2016, 6 U 204/15, Rn. 64; ferner Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 22.2.2017, 2 U 583/15, Rn. 68; vgl. zusammenfassend auch Thiede/Träbing, NZKart 2016, 422, 427 und Kamann/Ohlhoff/Völcker-Ohlhoff, § 26, Rn. 129, jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

Bei Annahme dieses zweiten Anscheinsbeweises ist es dann Sache der am Kartell beteiligten Beklagten, den Anschein durch näheren Vortrag zu den konkreten Einzelheiten der Kartellabsprachen und deren Reichweite zu erschüttern und dabei aufzuzeigen, warum es eine ernsthafte Möglichkeit gibt, dass die streitgegenständlichen Geschäfte nicht kartellbetroffen waren (statt aller Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren, § 26, Rn. 129 m.w.N.). Diesen Nachweis haben die Beklagten hier, wie oben schon ausführlich begründet, nicht geführt, so dass unter allen Gesichtspunkten hier die Kartellbetroffenheit des unmittelbaren Erwerbsgeschäfts zu bejahen ist.

(c)

Damit steht nach § 286 ZPO zunächst die Kartellbetroffenheit des unmittelbaren Erwerbsgeschäfts fest. Soweit die Klägerin als unmittelbare Erwerberin angesehen werden kann, ist somit gleichzeitig ihre Kartellbetroffenheit zu bejahen.

cc)

Jedoch ist selbst dann, wenn die Klägerin hier als mittelbare Erwerberin anzusehen wäre, der jeweilige Erwerbsvorgang als kartellbetroffen zu werten.

(a)

Es ist unstreitig, dass sie von den Beklagten produzierte LKW über einen Vertragshändler der Beklagten erwarb. Gleichzeitig steht nach dem zuvor oben Gesagten nach § 286 ZPO fest, dass die unmittelbaren Erwerbsgeschäfte - und sei es hier zwischen Beklagten und Vertragshändler - kartellbefangen waren.

(b)

Daraus folgt aber notwendig, dass der mittelbare Erwerber seinerseits durch Erwerb des kartellbefangenen Gutes so mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Kartellanten in Berührung gekommen ist (in diese Richtung auch Stancke, NZKart 2017, 636, 639), dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten, da er hier jedenfalls in die Gefahr geriet, einen - und sei es aufgrund von Weiterwälzungen des Preisaufschlages - erhöhten Preis zu zahlen. Die Frage der Weiterwälzung selbst ist jedoch von der Warte des mittelbaren Erwerbers aus allein eine Frage des "Ob" des Schadenseintritts und damit der haftungsausfüllenden Kausalität, aber keine Frage der Kartellbetroffenheit als Merkmal der haftungsbegründenden Kausalität (vgl zu dieser Unterscheidung instruktiv BGH KZR 25/14 Rn 42 - Juris - Lottoblock II und ausführlich noch unten). Für die Kartellbetroffenheit kann es nur auf die konkrete Gefährdung, nicht aber auf den Eintritt der Verletzung ankommen; ein Erwerbsgeschäft kann kartellbetroffen sein, der Schaden aber gleichwohl bei "Null" liegen (zutreffend zu dieser Unterscheidung Stancke, NZKart 2017, 636, 639; in diese Richtung schon Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332, 334 und ausführlicher Thiede/Klumpe, ÖZK 2018, 50, 52).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die ökonomische Analyse von Kartellfolgen gezeigt habe, dass sich die schädigenden Wirkungen von Kartellen nicht sachlich, räumlich, zeitlich oder persönlich per se auf bestimmte Bereiche oder Personengruppen beschränken lasse, wobei etwa Lieferanten, direkte und indirekte Abnehmer, direkte und indirekte von einem Preisschirmeffekt betroffene Kunden oder gar Kunden/Lieferanten auf den Substitutionsmärkten in Betracht kämen, weshalb die abstrakte Möglichkeit der Kartellbetroffenheit kein taugliches Eingrenzungskriterium sei, um die berechtigte Annahme zu begründen, der Anspruchsteller habe tatsächlich einen kartellbedingten Schaden erlitten (so aber Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 122; in diese Richtung auch LG Düsseldorf 14d O 4/14 = NZKart 2016, 88, Rn 66 ff - Autoglas ). Denn wie oben schon im Einzelnen ausgeführt, hat der EuGH in seiner Entscheidung L die denkbaren Kausalverbindungen äußerst weit gespannt; eine womöglich erforderliche Eingrenzung hat demnach im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität bei der Frage nach dem Schadenseintritt zu erfolgen, nicht aber im Rahmen des haftungsbegründenden Tatbestandes.

dd)

Damit ist festzuhalten, dass unabhängig von der Frage, ob die Klägerin als mittelbare oder unmittelbare Erwerberin anzusehen ist, ihre Kartellbetroffenheit bzw. die Kartellbefangenheit der streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge zu bejahen ist.

3.

Angesichts des durch den Bußgeldbescheid mit Bindungswirkung feststehenden Sachverhalts besteht an einem Verschulden der Beklagten i.S.v. § 33 GWB a.F. angesichts der langjährigen Teilnahme an den bebußten Verhaltensweisen kein Zweifel (vgl. auch Kamann/Ohlhoff/Völcker-Ohlhoff, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn 113, 116 mit Fn 346 wonach sich insoweit eine Bindungswirkung aus § 33 IV GWB ergibt, als die Tatsachen den Schluß auf ein Verschulden zulassen). Das Verhalten der für sie handelnden Personen müssen sich die Beklagten über § 31 BGB zurechnen lassen.

4.

Darüber hinaus ist auch die für den Erlass des hier begehrten Feststellungsurteils erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadens gegeben, und zwar einmal mehr unabhängig von der Frage, ob die Klägerin als unmittelbare oder mittelbare Erwerberin anzusehen ist. An die Darlegung eines kausalen Schadens sind dabei weder hohe Anforderungen zu stellen noch muss im Einzelnen festgestellt werden, worin der Schaden besteht. Ausreichend ist insoweit zunächst eine entfernt liegende Möglichkeit, wonach der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 6.3.2001, KZR 32/98, Rn. 9 m.w.N. - Juris).

a)

Soweit man die Klägerin hier als unmittelbare Erwerberin ansieht, ist ein Schadensersatzanspruch dem Grunde ohne weiteres zu bejahen, denn aus den obigen Ausführungen zum kartellbedingt überhöhten Preisniveau ergibt sich gleichzeitig die tatsächliche Vermutung und damit naturgemäß die hier erforderliche Wahrscheinlichkeit, dass durch das Einzelgeschäft der Klägerin jedenfalls durch die geleistete Zahlung ein Schaden, in welcher Höhe auch immer, entstanden ist, was die Feststellung einer Schadensersatzpflicht für beide hier streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge rechtfertigt (vgl. Kammer, 8 O 90/14 und 8 O 25/16 sowie allgemein OLG Karlsruhe 6 U 51/12 Rn 55 und 71 f. - Juris - und speziell zum LKW-Kartell kürzlich schon LG Hannover 18 O 7/18), da die Beklagten diesen Anschein - wie oben schon ausgeführt - nicht erschüttert haben, und zwar weder durch den Vortrag zu fehlendem Preisanstieg noch durch den Verweis auf ein gerichtsbekanntes Parteigutachten aus einem anderen Verfahren vor der Kammer.

b)

Aber selbst wenn man die Klägerin als mittelbare Erwerberin ansehen wollte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, denn es kann mit der dafür erforderlichen Wahrscheinlichkeit nach § 287 ZPO davon ausgegangen werden, dass der - dann zunächst beim Vertragshändler als unmittelbarem Erwerber entstandene - Schaden auf die Klägerin als mittelbare Erwerberin weitergewälzt worden ist.

Der Nachweis des Schadens unterfällt in Fällen mittelbaren Erwerbs in zwei Teile (vgl. zutreffend Thomas ZHR 180 (2016) 45, 49 m.w.N.). Zunächst hat der Kläger nachzuweisen, dass das Kartell auf dem kartellierten Markt zu einer Preisanhebung geführt hat, d.h. dass der Marktpreis kartellbedingt höher war, als er ohne das Kartell gewesen wäre. Sodann muss er nachweisen, dass diese Marktpreiserhöhung wenigstens in Teilen auf seine Marktstufe weitergegeben worden ist, er also kartellbedingt einen höheren Preis zu zahlen hatte als ohne das Kartell (Thomas aaO.).

aa)

Den ersten Nachweis hat die Klägerin, wie soeben gezeigt, mithilfe des Anscheinsbeweises, aus dem das erhöhte Marktpreisniveau folgte, erfüllt. Dazu bedurfte es angesichts dieses Anscheinsbeweises entgegen der Auffassung der Beklagten, die Unsubstantiiertheit der Klage rügte, auch keines weiter vertieften Vortrages der Klägerin dazu, da dieser Anscheinsbeweis nicht erst auf Beweisebene greift, sondern schon die Darlegungslast des insoweit Pflichtigen verkürzt (vgl. Schellhammer, Zivilprozess, 15. Auflage, Rn 463; so schon BGH MDR 1959, 114, ferner BGH III ZR 358/04, LAG Hamm, 10 Sa 629/13 TZ 50 - Juris).

bb)

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe ein kartellbedingter Preisaufschlag sodann auf die nachfolgende Marktstufe abgewälzt wurde (passingon), trägt der mittelbare Abnehmer, der sich hierauf beruft (grundlegend BGH Urteil vom 28.06.2011, KZR 75/10 - ORWI, zitiert nach juris, dort Rz. 44 f.; siehe auch Langen/Bunte-Bornkamm, a.a.O., § 33 GWB Rz. 150; Münchener Kommentar-Lübbig, § 33 GWB Rz. 97; Inderst/Thomas, a.a.O., S. 255 ff.), also im vorliegenden Fall die Klägerin.

Dies bedeutet aber nicht, dass der mittelbare Geschädigte, hier die Klägerin, den Vollbeweis i.S.v. § 286 ZPO dafür führen müsste, dass es zu einer Weitergabe des auf erster Stufe entstandenen Kartellschadens gekommen ist. Denn dies ist keine Frage der haftungsbegründenden Kausalität und somit der nach § 286 ZPO festzustellenden Kartellbetroffenheit, sondern vielmehr handelt es sich bei der Frage der Weitergabe allein um eine solche der haftungsausfüllenden Kausalität, wofür § 287 Abs. 1 ZPO gilt (wie hier Stancke, NZKart 2017, 636, 639; in diese Richtung auch schon Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012 mit Fn. 31 und der durch die Beklagtenseite in Bezug genommene Hinweisbeschluss der Kammer zu 8 O 118/14 unter 2 d) - unveröffentlicht - sowie allgemeiner Stein/Jonas-Leipold, 4. Auflage, § 287 ZPO Rn 15; a.A. offenbar jüngst LG Hannover, Urteil vom 29.5.18, 18 O 17/17, S. 12 - LKW sowie zeitlich vor der Entscheidung des BGH in Lottoblock II noch LG Düsseldorf 14d O 4/14 = NZKart 2016, 88m, Rn 66 ff - Autoglas und Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 122).

Begehrt ein Kläger wegen eines Verstoßes gegen Kartellrecht Schadensersatz, macht er einen Schaden geltend, ohne dass die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts erforderlich ist. Für die Frage, ob infolge des Kartellrechtsverstoßes ein Schaden entstanden ist, gilt deshalb konsequenter Weise die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO (BGH KZR 25/14 TZ 43 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2014 - VI-U (Kart) 7/13, juris Rn. 76 bis 82; zum Ganzen ferner Inderst/Thomas S. 122 in Fn 515, wie hier auch Stein/Jonas-Leipolt § 287 Rn 15 und auch z.B. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, 3.Aufl. 1997, Rn 16/8, der zu Recht darauf abstellt, dass eine Differenzierung zwischen "dem ersten Schilling" und den weiteren durch nichts zu rechtfertigen sei.)

§ 287 Abs. 1 ZPO gilt demnach nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern diese Vorschrift ist stets anwendbar, soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht. Entsteht ein Schadensersatzanspruch unabhängig von der Verletzung eines Rechtsguts, ist aber bereits der erste Schaden der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen (BGH KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn 42; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2014, VI-U (Kart) 7/13; so schon BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3075 f.; BGH Urteil vom 04.11.2003, VI ZR 28/03, NJW 2004, 777; zur Abgrenzung zwischen haftungsausfüllender und haftungsbegründender Kausalität vgl. BeckOK.ZPO/Bacher, 20. Aufl., Stand 1. März 2016, § 287 Rn. 3 bis 5; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 287 Rn. 15).

Der BGH ist in seiner Entscheidung "Lottoblock II" (BGH KZR 25/14 = NJW 2016, 3527 = NZKart 2016, 436 = BB 2016, 2188 mit Anm. Rother NJW 2016, 3534 und Thiede/Klumpe ÖZK 2016, 230) damit zutreffend davon ausgegangen, dass schon für die Frage, ob der Anspruchsteller durch den Kartellrechtsverstoß der Kartellantin ein Schaden entstanden ist, das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO gilt, so dass für die richterliche Überzeugungsbildung daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit ausreicht, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH KZR 25/14 TZ 41 - juris).

Dies muss dann aber zwingend auch für die Frage gelten, ob auf den mittelbaren Erwerber ein bei dem unmittelbaren Erwerber entstandener Schaden weitergewälzt worden ist. Ein solcher Schaden ist - wie soeben ausgeführt - auf erster Marktstufe dem dafür streitenden Anscheinsbeweis folgend entstanden. Ist aber ein Schaden in der Absatzkette entstanden und damit der kartellrechtliche Haftungstatbestand auf der ersten Stufe der Absatzkette dem Grunde nach erfüllt, so stellt sich nur noch die Frage, ob er weitergegeben und auf welcher Stufe er letztlich verblieben ist. Das ist aber von der Warte des mittelbaren Erwerbers aus - wie ebenfalls schon oben ausgeführt - keine Frage der Kartellbetroffenheit oder eines sonstigen nach § 286 ZPO festzustellenden Merkmals, sondern allein eine Frage des "Ob" des Schadenseintritts auf seiner Absatzstufe. Es geht anders als bei der Kartellbetroffenheit hier nicht darum, ob der Anspruchsteller kartellbefangenes Gut erhielt, sondern vielmehr darum, ob dieses kartellbefangene Gut mit einem Schaden behaftet war.

c)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Darlegungen der Klägerin für die Annahme, es sei zu einer Weiterwälzung der kartellbedingten Preisüberhöhung von der ersten Stufe auf die Anschlussmärkte gekommen, hinreichend. Dies umso mehr, als für den hier in Rede stehenden Feststellungsantrag "irgendein" Schaden und somit schon die Weiterwälzung auch nur eines Teils des kartellbedingten Preiserhöhung genügt.

Die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung kann sich dabei an diversen durch den BGH in ORWI genannten Kriterien orientieren. Als solche zu nennen sind die Preiselastizität von Angebot und Nachfrage, die Dauer des Verstoßes sowie die Intensität des Wettbewerbes auf dieser Stufe (vgl. BGH KZR 75/10 Rn 47 - Juris) zu entnehmen; darüber hinaus ist ergänzend auch der Grad der Marktabdeckung des Kartells zu berücksichtigen (vgl. KG Berlin v. 1.10.2009, WUW/E DE-R 2773, 2787 "Berliner Transportbeton"; zu den Kriterien insgesamt vgl. Thomas, ZHR 180 (2016) 45, 49 m.w.N.).

Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts sowie den mit Bindungswirkung nach § 33 IV GWB a.F. versehenen Feststellungen des Bußgeldbescheid lässt sich die für § 287 ZPO erforderliche Wahrscheinlichkeit der (jedenfalls teilweisen) Weiterwälzung des oben durch den Anscheinsbeweis festgestellten Schadens auf erster Stufe hier angesichts der Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen und Schätzungen, zu denen der Richter im Rahmen des § 287 ZPO greifen darf (vgl. statt aller Zöller-Greger § 287 ZPO Rn 1 und insbesondere auch BGH NJW 2013, 525, 527) ohne weiteres bejahen.

Das Kartell arbeitete nicht nur europaweit und somit mit einer nachgerade maximalen Marktabdeckung, es dauerte auch über ein Jahrzehnt an, wobei die hier streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge sogar erst in die späte Kartellphase und damit in einen Zeitraum fallen, in dem sich das Kartell und die Folgemärkte notwendig im Hinblick auf die Auswirkungen des Kartells in einem eingeschwungenen Zustand befanden. Wenn nun im Grunde sämtliche Anbieter auf erster Marktstufe - hier also die Vertragshändler - den Kartellpreis entrichten mussten und gleichzeitig ihre Kunden wenig oder gar keine Ausweichmöglichkeiten hatten (vgl. zu diesen Voraussetzungen BGH KZR 75/10 Rn 47), weil der LKW-Markt europaweit kartellunterworfen war und LKW schlechterdings nicht durch andere Produkte substituierbar sind, ist mit höchster Wahrscheinlichkeit von einer kartellbedingten Kostensteigerung auf dem Anschlussmarkt auszugehen (vgl. zu den Voraussetzungen BGH aaO; ferner schon Haucap/Stühmeier, WuW 2008, 413, 415, 421). Die Wettbewerbsintensität zwischen diesen Anbietern kann dabei aufgrund des eingeschwungenen Zustandes des Kartells vernachlässigt werden, da nichts dafür spricht, dass über ein Jahrzehnt hinweg die Vertragshändler aufgrund des zwischen den Vertragshändlern selber und zwischen ihnen und den konzerneigenen Händlern bestehenden Wettbewerbs den kartellbedingten overcharge nicht zumindest in Teilen weitergeben konnten. Aus diesem Grunde kann auch aus dem Aspekt der Preiselastizität heraus zu dem hier interessierenden Zeitpunkt, in dem es seit über 10 Jahren keinen kartellfreien Preis mehr gab, kein entgegenstehendes Argument entnommen werden.

Sind nach diesen Maßstäben demnach auf dem Anschlussmarkt Verhältnisse gegeben, die eine Überwälzung des Kartellpreisniveaus auf diese nachfolgende Marktstufe erlauben, kann der Kausalzusammenhang zwischen Kartell und Schaden der Folgeabnehmer nach der Rechtsprechung des BGH nicht mit der Erwägung verneint werden, die Preispolitik des Direktabnehmers beruhe auf dessen autonomer Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des BGH unterbricht das auf freier Entschließung beruhende Verhalten eines Dritten die Kausalität eines früheren Umstandes allenfalls dann, wenn es von dem Vorhanden- oder Nichtvorhandensein des früheren Umstandes gänzlich unabhängig war. Davon kann bei der Preisbildung eines Kaufmanns keine Rede sein, die sich an den durch ein Kartell beeinflussten Gestehungskosten orientiert (vgl. auch BGH KZR 75/10, Rz. 48).

All dies muss hier umso mehr gelten, als die zwischengeschalteten Vertragshändler einen wesentlichen Vertriebsweg der Beklagten darstellen. Führte dies oben schon dazu, darüber nachzudenken, ob hier überhaupt ein mittelbarer Erwerb vorliegt oder ob nicht angesichts der engen Verbindung zwischen Beklagten und Vertragshändler diese gleichsam als Einheit und somit die Klägerin als unmittelbare Erwerberin angesehen werden müsste, so muss jedenfalls bei den nunmehr vorzunehmenden Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen dieser Umstand in der Vordergrund rücken. Wenig spricht nämlich dafür, dass noch über 10 Jahre nach Beginn des Kartells die Vertragshändler als wichtiger Vertriebsquelle der Beklagten aus welchen Gründen auch immer gezwungen oder auch nur dazu geneigt gewesen wären, die Erhöhungen der LKW-Preise nicht in voller Höhe an die Kunden weiterzugeben; keinesfalls aber ist es auch nur im Ansatz wahrscheinlich, dass nicht einmal ein Teil des Aufschlags weitergewälzt worden wäre.

Der Umstand, dass der BGH in ORWI (KZR 75/10) ausgeführt hat, dass - im Übrigen entgegen dem Vorschlag der Kommission im Weißbuch, der dann in Art 14 Abs. 2 der Richtlinie übernommen worden und in § 33c Abs. 2 GWB n.F. nunmehr geltendes Recht geworden ist - angesichts der ökonomischen Komplexität der Preisbildung und des unterschiedlichen Wettbewerbsdrucks auf den jeweiligen nachgelagerten Märkten nicht ohne weiteres eine Vermutung dafür spreche, dass eine im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kartell auftretende Preiserhöhung auf den Anschlussmärkten ursächlich auf das Kartell zurückzuführen sei, so dass die Kausalität im Einzelfall nachgewiesen werden müsse, hat aufgrund des feststehenden Sachverhalts hier keine Auswirkungen, weil für den Nachweis des "Ob" einer Weiterwälzung im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität die Schätzung nach § 287 ZPO ausreichend ist und somit für die Wahrscheinlichkeit eines bei der Klägerin bewirkten Schadens eine solche Vermutung gar nicht erforderlich ist. Die Schätzung ist bereits aufgrund der sich aus dem feststehenden Sachverhalt ergebenden Anhaltspunkte (vgl. zu dieser Voraussetzung BGHZ 91, 243, 256 und Zöller-Greger § 287 ZPO Rn 4 m.w.N.) möglich.

Daher kann hier dahinstehen, ob nicht - wofür manches spricht - sogar zugunsten der Klägerin ein gleichsam qualifizierter Anscheinsbeweises für eine Weiterwälzung des Schadens bei marktabdeckenden Kartellen zugunsten des indirekten Abnehmers sachlich berechtigt wäre (so für solche Fälle etwa Inderst/Thomas S. 263 m.w.N.; vgl. auch die für einen Anscheinsbeweis zugunsten des mittelbaren Erwerbers streitenden Erwägungen des KG Berlin - Urteil 1.10.2009, WUW/E DE-R 2773, 2787 "Berliner Transportbeton", ablehnend aber Jüntgen, Die prozessuale Durchsetzung privater Ansprüche im Kartellrecht, 2006, 127) und auch mit den oben zitierten Ausführungen der Entscheidung des BGH vereinbar (Inderst/Thomas S. 263 m.w.N.; vgl. auch Morell, WUW 2013, 959, 960, der einen Anscheinsbeweis in der ORWI-Entscheidung angelegt sieht).

Damit ist aber von einer Schadensweiterwälzung und somit von einem Schadenseintritt bei der Klägerin auszugehen, unabhängig davon, ob sie als unmittelbare oder mittelbare Erwerberin anzusehen wäre.

5.

Der somit dem Grunde nach bestehende Schadensersatzanspruch der Klägerin entfällt auch nicht aufgrund des von den Beklagten erhobenen Einwandes der Abwälzung einer Preiserhöhung auf die die Speditionsleistungen der Klägerin nachfragenden Kunden ("passing on"-Einwand).

a)

Strukturell handelt es sich bei der Weitergabe einer (kartellbedingten) Preiserhöhung (sog. "passingon") um einen Fall der Vorteilsausgleichung, die bei der Berechnung des Schadens zu prüfen ist. Eine etwa erfolgte Abwälzung des kartellbedingten Vermögensnachteils schließt nicht die Entstehung eines Schadens aus oder mindert diesen. Der Schaden ist vielmehr ungeachtet eines späteren Weiterverkaufs mit dem Erwerb der Ware in Höhe der Differenz aus dem Kartellpreis und dem (hypothetischen) Wettbewerbspreis eingetreten (BGH, KZR 75/10, Rn. 56, zit. nach Juris) und kann durch die passing ondefense allein nachträglich wieder entfallen. Die Frage, ob es den Ersatzanspruch des Geschädigten ausschließt oder mindert, wenn er den kartellbedingten Preisaufschlag auf seine Kunden abwälzt, ist daher allein unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen Vorteilsausgleichung zu beurteilen (BGH, a.a.O, Rn. 56 ff., 61 ff.; vgl. KG Berlin, Urteil vom 1.10.2009, 2 U 17/03, Rn. 106 ff., ferner auch schon Kammer 8 O 25/16 Rn 95, Juris).

Für die erfolgversprechende Geltendmachung der Vorteilsausgleichung ist nach BGH anhand der allgemeinen Marktverhältnisse auf dem relevanten Absatzmarkt plausibel dazu vorzutragen, dass eine Abwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht kommt, dass der Abwälzung keine Nachteile des Abnehmers gegenüberstehen und wie sich gegebenenfalls eigene Wertschöpfungsanteile des weiterverkaufenden Abnehmers auf den Vorteilsausgleich auswirken. Soweit sich Preiserhöhungen auf den eigenen Wertschöpfungsanteil des Weiterverkäufers beziehen, können sie nicht als kartellbedingt angesehen werden (BGH, Urteil vom 28.6.2011, KZR 75/10, Rn. 69; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9.11.2016, 6 U 204/15, Rn. 70; zit. jeweils nach Juris).

b)

Vorliegend kommt es aufgrund der Besonderheiten des Falles auf diesen inhaltlich durch die Beklagten zu erbringenden Vortrag schon gar nicht an, weshalb auch dem Antrag der Beklagten, der Klägerin nach § 142 ZPO die Vorlage bzw. Herausgabe diverser Informationen aufzugeben, nicht nachzukommen war. Denn aus zweierlei Gründen ist die passing ondefense für die Beklagten hier nicht zulässig.

aa)

Zum einen fehlt es bereits an einem tauglichen Anschlussmarkt.

(a)

Voraussetzung für die Anerkennung eines passingon ist stets - wie der BGH in "ORWI" ausführt (KZR 75/10 Rn 46, 48 und passim) - das Vorliegen eines Anschlussmarkts, also die Weiterlieferung der mit einem Kartellaufschlag belegten Ware an eigene Abnehmer innerhalb eines durch Konkurrenz - sei es auf Anbieter- oder Nachfrageseite - geprägten Wirtschaftsraums (so schon Kammer, 8 O 25/16, Rn. 96 und jüngst LG Hannover, 18 O 7/18 Rn 99, Juris). Zwar ist die Weitergabe des Kartellaufschlages vorliegend im Rahmen der durch ein Speditionsunternehmen regelmäßig angebotenen Dienstleistungen zu prüfen, also im Rahmen eines normalen wirtschaftlichen Marktgeschehens, während in den soeben zitierten Fällen ein solches Marktgeschehen schon weder auf Anbieter-, noch auf Abnehmerseite ersichtlich war, weil es sich dort um Leistungen von Trägern kommunaler Verwaltung bzw. um Träger öffentlichen Nahverkehrs handelte, weshalb die passing ondefense in beiden Fällen für unzulässig gehalten wurde.

(b)

Doch genügt das bloße Vorliegen eines durch Wettbewerb gekennzeichneten Raumes für sich allein noch nicht; vielmehr muss aus Sicht der Kammer dieser Anschlussmarkt noch eine gewisse Kongruenz (allgemein im Rahmen der Vorteilsausgleichung dazu statt aller BGH V ZR 223/87 und OLG Düsseldorf I-16 U 70/12; instruktiv zu diesem Begriff im Rahmen des passing on unter Bildung von Fallgruppen Hoffer/Innerhofer, ÖBL 2013, 257, 260 und Steiner/Polster, ÖZK 2014, 43, 47, jeweils m.w.N.) mit dem kartellierten Markt aufweisen.

Der BGH spricht in ORWI (KZR 75/10, Tz. 46) selber von der "Preisbildung auf nachfolgenden Marktstufen" oder auch von dem auf den "Direktabnehmer" bzw. "Folgeabnehmer" folgenden "Anschlussmarkt". Wie aus den Erörterungen des BGH hier insgesamt deutlich wird, hat der Kartellsenat letztlich Lieferverhältnisse vor Augen, die allein den Weiterverkauf oder ggfs. noch die Weiterverarbeitung der kartellierten Ware selber beinhalten; bei dem Begriff des Anschlussmarktes ist demnach im weitesten Sinne an den Markt der kartellierten Ware selber gedacht. Dies kann aber nur so lange angenommen werden, als das kartellierte Gut noch selbst oder in verarbeiteter Form Gegenstand des Weiterverkaufs auf diese nächste Marktstufe ist; ansonsten läge schon nicht die Weiterveräußerung der mit einem Kartellaufschlag belegten Ware oder Dienstleistung vor (vgl. dazu auch BGH KZR 75/10 Rn 66). Dafür spricht auch - unabhängig von Fragen seiner Rückwirkung (vgl. dazu Stancke NZKart 2017, 639 f., der ausführt, dass die intertemporale Restriktion nicht notwendig die Heranziehung gesetzlicher Kriterien zur Auslegung anderer Begriffe hindere, soweit sie sachlich überzeugten) - die Fassung des § 33c Abs.2 Nr. 3 GWB n.F., wo samt und sonders deutlich wird, dass noch eine gewisse Stoffgleichheit ("hervorgegangen" bzw. "enthalten") bzw. Kongruenz (dies als Maßstab unter Bezugnahme auf die Ausführungen des BGH in ORWI vorschlagend Hoffer/Innerhofer ÖBL 2013, 257, 260) mit der kartellierten Ware oder Dienstleistung gegeben sein muss. Ferner wird dies auch durch den Text der Kartellschadensrichtlinie (Richtlinie 2014/104/EU) gestützt, in deren Art. 12 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 15 im Zusammenhang mit der Weiterwälzung eindeutig auf "Vertriebsstufen" abgestellt wird. Es spricht wenig dafür, dass im Vergleich zur alten Rechtslage hier mit der Richtlinie und der ihr folgenden gesetzlichen Umsetzung ein neuer, engerer Begriff geprägt werden sollte.

Zwar lässt sich, wie angedeutet, unter die Weiterwälzung auf die nächste Marktstufe oder eben Vertriebsstufe ggfs. noch die Weiterverarbeitung der kartellierten Ware fassen; dies hat auch der BGH - allerdings unter deutlicher Hervorhebung der Nachweisschwierigkeiten der Weiterwälzung - ausgeführt, wobei er auch dort ausdrücklich immer noch die "Weiterlieferung" des wenn auch weiterverarbeiteten Ausgangsproduktes im Blick hatte (KZR 75/10 Rn 75).

Nicht darunter gefasst werden können aber erkennbar schon nach den Ausführungen des BGH solche Fälle, in denen das Gut - wie hier der LKW - allein zur Erbringung einer Dienstleistung, also einer völlig dem eigentlich kartellierten Markt fremden Leistung genutzt wird. Hier steht der Erwerber des kartellierten Gutes vielmehr einem Endverbraucher gleich weil die Absatzkette bei ihm endet. Der Speditionskunde stellt keineswegs noch eine weitere Vertriebsstufe auf dem Markt für LKW dar.

(c)

Hierfür spricht auch folgende Kontrollüberlegung: Ließe man in Fällen wie dem vorliegenden die passing ondefense zu, so würde der Kartellant gegenüber dem den LKW erwerbenden Spediteur frei; gleichzeitig müsste der Kunde des Spediteurs, an den womöglich der kartellbedingt überhöhte Preis in welcher Weise auch immer weitergegeben wurde, anspruchsberechtigt sein. Alles andere würde dazu führen, dass der Kartellteilnehmer unbilliger Weise von jeder Schadensersatzpflicht frei würde (vgl. dazu auch BGH KZR 75/10 Rn 75).

Es bestehen aber erhebliche Zweifel, ob diesem überhaupt ein Anspruch zustünde, da allein der "Betroffene" i.S.v. § 33 GWB a.F. (für § 33a Abs.1 GWB n.F. gilt aufgrund der Bezugnahme auf § 33 Abs. 1 n.F., der wiederum auf Abs. 3 Bezug nimmt, nichts anderes) einen solchen Schadensersatzanspruch innehaben kann. Betroffen ist laut § 33 Abs. 1 S. 3 GWB a.F. bzw. § 33 Abs. 3 GWB n.F. aber nur ein Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter (instruktiv dazu auch OLG Düsseldorf VI U Kart 22/13 Rn 48; so auch Stancke, NZKart 2017, 636, 637, dort auch zu den Definitionen dieser Begriffe). Der Kunde des Spediteurs ist aber evident weder Wettbewerber noch Marktteilnehmer im Sinne eines Handelspartners oder weiteren Nachfragers (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. Rn 49) und auch nicht Endverbraucher (vgl. dazu OLG Düsseldorf a.a.O. Rn 50) der dem LKW-Markt zuzuordnenden Güter.

Selbst wenn man dies anders sehen und eine Anspruchsberechtigung über alle Marktgrenzen hinweg zulassen wollte, so ist weiter anerkannt, dass nicht jede ganz entfernt nachteilige Auswirkung am Markt für ein "Betroffensein" ausreichen kann (so zuletzt Stancke, NZKart 2017, 636, 638; zum ganzen Immenga/Mestmäcker-Schmidt, Wettbewerbsrecht, Bd. 1, Anh. 2: Privatrechtliche Durchsetzung - Materielles Recht, Rn 18 und K. Westermann in: FS Westermann S. 1605, 1616). Um solche würde es sich aber bei einem Kunden eines Speditionsunternehmens handeln, in dessen Entgelt für die empfangene Dienstleistung in erster Linie Arbeitslöhne der Fahrer, Betriebskosten des LKW und sonstige Kosten des Unternehmens, aber nur zu geringem Teil hingegen die Anschaffungskosten des LKW, gerechnet auf die Lebens- und Nutzungsdauer dieses Gutes, fallen. Daher würde in diesen Fällen mangels rechtserheblichen Betroffenseins (Stancke a.a.O.) ein Anspruch unabhängig von der im Folgenden zu erörternden Frage von Streuschäden ausscheiden.

Gestützt wird dies auch durch die weitere Erwägung, dass ohne entsprechende Eindämmung sich der Kartellant selber einer schier unbegrenzten Flut möglicher Anspruchsteller ausgesetzt sähe, die nicht im Ansatz für ihn beim Inverkehrbringen des kartellierten Gutes absehbar wäre; ein Effekt, der sich wegen der Vermutung in § 33c n.F. in Zukunft sogar womöglich noch deutlich verstärken könnte. Denn theoretisch wäre jeder, der mit dem kartellierten Produkt, und sei es noch so entfernt, in Berührung kommt, denkbarer Anspruchsteller; dies würde in der konkreten Fallkonstellation nicht bei den Speditionskunden halt machen, sondern bei den die Speditionsware nachfragenden Kunden letztlich weitergehen, denn auch hier wäre ja theoretisch die Weitergabe eines Preisaufschlages denkbar, solange gewerbliches Handeln vorliegt.

(d)

Korreliert also mit dem weiterwälzungsbedingten Anspruchsverlust des ursprünglich Geschädigten nicht die grundsätzliche Anspruchsberechtigung seines Kunden, so ist der Weiterwälzungseinwand nicht zuzulassen.

bb)

Zum anderen ist aber auch aufgrund von im Rahmen des Vorteilsausgleichs allgemein zu berücksichtigender Wertungsgesichtspunkte (vgl. BGH KZR 75/10 Rn. 58 - ORWI; BGH X ZR 126/13, MDR 2015, 13, Rn. 14; BGH VII ZR 81/06 = BGHZ 173, 83, Rn. 18 m. w. N.; Topel, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 3. Aufl. 2016, § 50, Rn. 101; die Anwendung solcher Wertungsgesichtspunkte ist auch in anderen europäischen Ländern anerkannt, so für die Niederlande Hoge Raad, Urt. v. 08.07.2016, ECLI:NL:HR:2016:1483, Nr. 4.4.3 - TenneT/ABB und für das Vereinigte Königreich CAT, Urt. v. 14.07.2016, CAT 11, Az. 1241/5/7/15 Rn. 484(5) - Sainsbury’s/Mastercard.) der Weiterwälzungseinwand hier ausgeschlossen.

Schon im Rahmen einer Lieferkette auf ein und demselben Markt werden - so denn eine Weitergabe eines overcharge überhaupt stattfand - regelmäßig spätestens beim Endverbraucher, je nach Länge der Lieferkette aber auch schon auf vorherigen Marktstufen, derartig geringe Schäden ankommen, dass diese nicht eingeklagt werden und der Kartellant somit faktisch von seiner Schadensersatzverpflichtung frei würde (vgl. dazu Bien in FS Möschel, 2011, 131, 132; Hirner/Mayr-Riedel, wbl 2016, 366, 367; Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012; Podszun/Kreifels, GWR 2017, 67, 68.).

Schon unter diesen Gegebenheiten muss die Zulässigkeit der passing ondefense verneint werden (vgl. dazu etwa Polster/Steiner ÖZK 2014, 48; Petrasincu WUW 2016, 330, 332; Seegers WUW 2017, 236, 238; in die Richtung wohl auch Kersting/Podszun, 9. GWB-Novelle, 2017, Kap. 7 Rn 82; und Hoffer/Innerhofer Öbl 2013, 257, 261; zweifelnd bereits Kammer in 8 O 90/14 Kart und 8 O 25/16 Kart Rn 95 - Juris; a.A. aber u.a. Fritzsche NZKart 2017, 630, 635 m.w.N.). Denn um eine Nichthaftung der Kartellanten, die es - wie nicht zuletzt auch von der Richtlinie und schon durch den BGH in ORWI (KZR 75/10 Rn 75) gefordert - zu verhindern gilt, ist eine andere Lösung de lege lata mangels kollektiver Rechtsschutzelemente (vgl. dazu Faure/Weber, JETL 2015, 163 ff., Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012) nicht vorhanden, zumal auch die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch Bundeskartellamt oder Verbände nach §§ 34, 34a GWB keine Alternative darstellt (Petrasincu WUW 2016, 331, 332).

Dies muss dann erst recht gelten, wenn - wie vorliegend - nicht einmal mehr dieselbe Lieferkette betroffen ist. Denn hier ist zudem zu berücksichtigen, dass ließe man die passing ondefense ohne jegliche Einschränkung zu, eine Weiterwälzung über eine unabsehbare Anzahl von Märkten denkbar wäre, solange nur eine gewerbliche Verwendung in Rede stünde; auch wenn nach neuem Recht sogar jedem Erwerber eine Schadensvermutung zu Gute kommt, wäre hier forensisch ein Schaden nicht mehr feststellbar, so dass der Schädiger frei würde.

Der somit drohende Zielkonflikt zwischen dem faktisch völligen Freiwerden des Schädigers einerseits und dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot des Geschädigten ist insoweit zu Gunsten des Geschädigten aufzulösen.

cc)

Damit können sich die Beklagten vorliegend nicht auf den Weiterwälzungseinwand berufen.

6.

Da nach all dem den Beklagten der Weiterwälzungseinwand nicht zusteht, ist auch keine Grundlage für die durch die Beklagten beantragten Anordnungen nach § 142 ZPO ersichtlich, denn die hierdurch zu gewinnenden Informationen sollten erkennbar allein zur weiteren Substantiierung der passing ondefense dienen. Daher kommt es schon nicht auf die Frage an, ob die Beklagten zu den Voraussetzungen des § 142 ZPO hinreichend schlüssig vorgetragen haben.

7.

Damit besteht der Feststellungsanspruch der Klägerin in vollem Umfang.

8.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß des Antrags der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 18.06.18 kam nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen des § 156 ZPO sind nicht gegeben.

a)

Die Voraussetzungen nach § 156 Abs. 2 ZPO liegen ersichtlich nicht vor.

b)

Darüber hinaus kam auch eine in das Ermessen der Kammer gestellte Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Ein entsprechender, mit dem Begehr einer Verlängerung der Stellungnahmefrist um 2 Monate verbundener Antrag aus dem Schriftsatz der Beklagtenseite vom 07.06.18 war bereits mit Beschluss der Kammer vom 11.06.18 insgesamt zurückgewiesen worden (vgl. Bl. 111 d.A.; auf diesen Beschluss wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen). Weitere bzw. neue Aspekte sind auch im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 18.06.18 nicht mehr vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

9.

Der Freistellungsanspruch besteht vor dem Hintergrund der Entscheidung BGH VIII ZR 86/06 in der geltend gemachten Höhe; auf den durch die Beklagten bestrittenen Umstand einer Zahlung durch die Klägerin kommt es angesichts des eben nur als Freistellung geltend gemachten Anspruchs nicht an.

10.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.