LAG Hamm, Urteil vom 14.08.2017 - 17 Sa 1540/16
Fundstelle
openJur 2019, 7925
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 04.10.2016 - 3 Ca 1053/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Beklagten beendet ist.

Die 1964 geborene Klägerin, Mutter einer erwachsenen Tochter, ist seit dem 1991 als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Sie erzielte zuletzt ein Bruttomonatsentgelt von 3.430,53 Euro.

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 11.01.1991 zugrunde. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Auf das Arbeitsverhältnis findet nunmehr der TVöD-S Anwendung.

Die Beklagte setzte die Klägerin zuletzt als Kassiererin in ihrer Filiale Hstraße in I-C ein.

Nach 004.02.03.01 „Bargeldversorgung“ des ORG-Handbuchs (Bl. 34 d. A.) sind Bargeldbestellungen anhand des Cash-Managements für den nächsten Geschäftstag zu prüfen und freizugeben. Bei der Geldanlieferung ist die Legitimation des Geldboten zu prüfen und festzustellen, ob die Plomben der P-Behälter und Hartgeldsäcke unversehrt sind und ihre Nummern mit den Angaben auf den Begleitzetteln übereinstimmen. Der Empfang des Geldes ist im Tourenplan des Geldboten zu quittieren, P-Behälter und Hartgeldsäcke sind nach dem Vier-Augen-Prinzip zu öffnen und der Geldbetrag ist zu überprüfen. Anschließend erfolgen die Buchung der Geldlieferung zum Kassenkonto und die Bestätigung der Anlieferung im Cash-Management.

Nach 000.0950.03.02.01 „Bareinzahlung zu Gunsten eines Kontos bei der I Sparkasse“ des ORG-Handbuchs (Bl. 73 d. A.) hat der Kassierer bei Bareinzahlungen ab 1000,- Euro – gleich, ob auf ein eigenes oder ein fremdes Konto – eine Kopie für den Geldwäschebeauftragten zu erstellen. Auch wenn sich der Betrag von mehr als 1000,- Euro aus mehreren einzelnen Einzahlungen ergibt, ist der Einzahler zu identifizieren, sind die Daten des Einzahlers anhand eines Legitimationspapiers zu überprüfen und sind ein GWG-Identifizierungsbogen sowie ein Geldwäsche-Geko zu erstellen. Bei Einzahlungen ab 15.000,- Euro durch eigene Kunden ist im Einzelfall der Geldwäschebeauftragte einzuschalten. Außerdem besteht bei derartigen Vorgängen die Pflicht, den tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, insbesondere durch Befragung des Kunden und durch aktive Nachforschungen im Haus. Bareinzahlungen zu Gunsten Dritter unterliegen anderen Regeln als Bareinzahlungen auf das eigene Konto. Letztere sind gebührenfrei. Erstere erfolgen mit Hilfe eines Zahlscheinformulars, sind in der Regel gebührenpflichtig und müssen den tatsächlichen Einzahler angeben.

Am 26.05.2008 kam es in der Geschäftsstelle I-C zu Differenzen bei der Anlieferung von Bargeld durch die Bundesbank. Wegen der Einzelheiten des Vorfalls wird auf die Stellungnahme der Klägerin und ihrer Kollegen T und T1 Bezug genommen. Die Mitarbeiter merkten in ihrer Stellungnahme an:

              Aufgrund einer Differenz bei der Bundesbank vor einigen Wochen, bei der angeblich von unserer Kassiererin Euro 500 zu wenig abgegeben worden sind, sich aber die Dt. Bundesbank nichts von angenommen hat, wir aber abends keine Kassendifferenz hatten, haben wir es uns angewöhnt, Geldabgaben und Geldannahmen immer mindestens zu zweit zu kontrollieren.

Am 21.05.2015 erfolgte die monatlich vorgesehene, unvermutete Kassenaufnahme in der Filiale. Die letzte Revisionsprüfung erfolgte im Jahre 2013 und ist in einem Prüfungsintervall von drei Jahren vorgesehen.

Am Morgen des 27.05.2015 betrug der Kassenbestand 219.038,45 Euro und deckte sich mit dem Kassenbestand am Abend des 26.05.2015. Nach der Kassenaufnahme an diesem Abend befanden sich 165.000 Euro in 50-Euro-Scheinen im Kassensystem.

Die Kassenaufnahme erfolgt durch den Kassierer. Dieser füllt das Kassenbestandsaufnahmeformular aus und bescheinigt die erfolgte Kassenaufnahme. Am Folgetag findet eine Plausibilitätskontrolle durch einen weiteren Mitarbeiter statt.

Am 27.05.2005 bestellte die Klägerin bei der Bundesbank 115.000 Euro ausschließlich in 50-Euro-Noten. Das Cash-Management schlug eine Bestellung von lediglich insgesamt 48.000 Euro, 30.000 Euro in 50-Euro-Noten vor.

Der Bargeldbestand ist bis zu einer Höchstgrenze von 250.000 Euro versichert.

Am 27.05.2015 übernahmen die Mitarbeiter der X X1 GmbH & Co. KG T2 und L bei der Bundesbank unter anderem die für die Filiale der Klägerin vorgesehene Geldlieferung. Der gesamte Bereich der Bundesbank, in welchem die Geldsortierung und Verladung erfolgen, ist videoüberwacht. Die Fahrtroute der Kuriere ist GPS-überwacht. Die GPS-Überwachung sendet ein Signal über den Standort, wenn das Fahrzeug fünf Kilometer vom letzten Signal entfernt ist.

Die Anlieferung des bestellten Geldes in der Filiale I-C erfolgte gegen 09:41 Uhr. Die Klägerin händigte dem Kurierfahrer T2 im Gegenzug einen Geldbehälter aus, in dem sich 60.000 Euro (40 x 500-Euro-Scheine sowie 800 x 50-Euro-Scheine) befanden und quittierte den Empfang der Lieferung und die Unversehrtheit der Plombe. Das Geldbehältnis wurde zunächst im Kassenbereich deponiert, der nur im oberen Bereich einsehbar ist. Die Klägerin öffnete das Geldbehältnis allein. Circa 20 Minuten nach Anlieferung rief sie den Kollegen T herbei und teilte diesem mit, sie habe in dem Geldkoffer lediglich eine Packung Babynahrung und eine Packung Waschmittel gefunden.

Nach dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei vom 13.11.2015 (Bl. 41 – 64 d. A.) wurde die Filiale am 28.05.2015 nur in Augenschein genommen, jedoch nicht gründlich durchsucht. Die Klägerin hatte in der Kassenbox einen Einkaufskorb und eine Handtasche untergebracht, die ebenfalls in Augenschein genommen wurden.

Eine gründliche Durchsuchung der Filiale erfolgte ergebnislos am 29.05.2015.

Am 28.05.2015 wurden die Wohnungen der Kurierfahrer ebenfalls ergebnislos durchsucht.

Am 29.05.2015 wurde die Wohnung der Klägerin von der Kriminalpolizei durchsucht. Es wurden im Kleiderschrank des Schlafzimmers 2.900 Euro in 50-Euro-Scheinen und in einem Schmuckkästchen 200 Euro ebenfalls in 50-Euro-Scheinen vorgefunden und sichergestellt.

Ebenfalls am 29.06.2015 wurde ihr Schließfach 1234 in der Hauptstelle der Beklagten durchsucht. In drei Umschlägen wurden unterschiedlich gestückelte Bargeldbeträge von 37.000 Euro vorgefunden. In einem mit „W“ (Tochter der Klägerin) beschrifteten Umschlag befanden sich 14.800 Euro, in einem mit „Mamma“ beschrifteten Umschlag 16.000 Euro und in einem unbeschrifteten Umschlag weitere 6.200 Euro. Die Klägerin hatte ihr Schließfach in 2014 zuletzt am 27.06. aufgesucht. In 2015 hatte sie erstmals wieder am 27.05.2015 Zugang.

Das zunächst gegen die Kurierfahrer T2 und L eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit undatiertem Schreiben aus 2015 (Bl. 506, 507 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Geldverlustes am 28.05.2015 gestellt und festgestellt, dass sie -  die Klägerin - bei der Öffnung des P-Behälters entgegen der Organisationsanweisung das Vier-Augen-Prinzip nicht gewahrt habe. Sie bat sie, diesen Sachverhalt aus ihrer Sicht umfassend schriftlich zu schildern, wobei es von besonderem Interesse sei, warum sie den Geldbehälter nicht zusammen mit ihrem Kollegen beziehungsweise ihrer Kollegin geöffnet habe. Gleichzeitig behielt sich die Beklagte die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Einleitung von arbeitsrechtlichen Schritten vor.

Mit Schreiben vom 13.07.2015 (Bl. 36, 37 d. A.) räumte die Klägerin ein, den Geldbehälter allein geöffnet zu haben, verwies aber darauf, dass das die für sie übliche Verfahrensweise gewesen sei; sie habe über einen Zeitraum von circa einem Jahr regelmäßig den Geldbehälter allein geöffnet, ohne dass eine Beanstandung durch die Kollegen erfolgt sei.

Am 04.08.2015 erstellte das Landeskriminalamt ein Gutachten (Bl. 276 – 286 d. A.) zu der bei dem Geldtransport verwendeten Plombe.

Am 24.02.2016 erfolgte auf richterliche Anordnung eine weitere Durchsuchung des Bankschließfachs der Klägerin. Es wurde ein Betrag von nur noch 5.800 Euro vorgefunden.

Daraufhin ordnete die Beklagte eine Sonderprüfung durch die Interne Revision an. In diesem Rahmen wurden auch die Konten der Klägerin, ihrer Mutter, ihrer Tochter und ihres Ehemannes überprüft. Das Girokonto der Klägerin verfügte zum damaligen Zeitpunkt über einen Dispositionsrahmen von 15.900 Euro. Am 28.05.2015 befand es sich mit 15.447,15 Euro im Soll.

Die Klägerin ist verfügungsberechtigt über die Konten ihres Ehemannes und ihrer Mutter. Nach dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei vom 13.11.2015 (Bl. 60 d. A.) ergab sich für die Konten, für die die Klägerin verfügungsberechtigt war, ein Gesamtschuldenstand von mehr als 100.000 Euro. Die Klägerin und ihr Ehemann verfügten nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft in 2015 über ein gemeinsames durchschnittliches Monatseinkommen von 3.958,09 Euro.

Der Bericht der Inneren Revision (Bl. 499 – 505 d. A.) wurde dem Vorstand am 04.04.2016 vorgelegt. Sie hielt es für sehr wahrscheinlich, dass die Klägerin das Geld als Einzeltäterin entwendete. Es wurde weiterhin über Auffälligkeiten in ihrer Kontoführung berichtet: Sie habe nach dem 27.05.2015 regelmäßig ihr Bankschließfach aufgesucht. In zeitlichem Zusammenhang dazu seien Bareinzahlungen auf Konten der Mutter, der Tochter und des Ehemanns erfolgt. Anschließend seien Überweisungen/Überträge zu Gunsten ihres Girokontos vorgenommen worden. Nach den Aussagen der Kassierer habe die Klägerin die Bartransaktionen stets allein veranlasst. Die Innere Revision führte dazu aus:

              Die Kassierer fanden allesamt sowohl die Anzahl als auch die Höhe der Bareinzahlungen ungewöhnlich. Allerdings bestand eine große Unsicherheit, wie sie sich verhalten sollten, da zwar der Vorfall Ende Mai 2015 in der GS10 bekannt war, aber es sich um eine Kollegin handelte. Auf Grund dessen wurden die Kassengeschäfte ohne weitere Nachfragen abgewickelt. Es wurde allerdings auch deutlich, dass bei den Kassierern der Eindruck entstand, dass Frau X2 sich für ihre Einzahlungen rechtfertigte beziehungsweise dass ein gewisses Redebedürfnis bestand. Auf Grund der ungewöhnlichen Transaktionen sowie der Unsicherheit hatten die Kassierer Frau N (Mitglied im Personal- und Verwaltungsrat der Sparkasse) informiert. Frau N leitete diese Information an die BS 410 weiter. Abgesehen von einer inoffiziellen Informationsweiterleitung wurde dort kein weitergehender Handlungsbedarf erkannt.

Wegen der Geldflüsse auf dem Konto der Mutter und der Tochter im Einzelnen wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 21.06.2016 vorgelegte Aufstellung (Bl. 65 d. A.) Bezug genommen.

Auf ihre Einladung fand am 07.04.2016 eine Anhörung der Klägerin statt. Ein Protokoll wurde nicht geführt. Der Ablauf der Anhörung im Einzelnen ist streitig.

Mit Schreiben vom 13.04.2016 (Bl. 206 – 211 d. A.) hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende zu kündigen. Maßgeblich für ihren Kündigungsentschluss war der Verdacht, die Klägerin habe am 27./28.05.2015 115.000 Euro gestohlen und durch Bareinzahlungen auf das Konto ihrer Tochter, ihrer Mutter und ihres Ehemanns und die nachfolgenden Überweisungen auf ihr eigenes Konto gegen die gesetzlichen und betrieblichen Regeln zum Schutze vor Geldwäsche nach dem Geldwäschegesetz verstoßen. Die Beklagte führte aus, die Klägerin sei als Kassiererin in dem Bereich besonders geschult und verpflichtet; die notwendige Zuverlässigkeit im Hinblick auf Geldwäsche sei nicht mehr vorhanden.

Mit Schreiben vom 15.04.2016 (Bl. 212 d. A.) erteilte der Personalrat seine Zustimmung.

Mit Schreiben vom 19.04.2016 (Bl. 8 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.12.2016. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 20.04.2016 zu.

Am 10.10.2016 wies das Oberlandesgericht Hamm ihre sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 30.05.2016 zurück, dem die Anordnung eines dinglichen Arrestes über sechs Monate zugrunde lag, und bejahte in seinen Gründen einen dringenden gegen die Klägerin gerichteten Tatverdacht. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf die nach Beiziehung der Ermittlungsakten zur Akte genommene Kopie (Bl. 357 – 360 d. A.) verwiesen.

Unter dem 09.03.2017 erhob die Staatsanwaltschaft Bochum Anklage gegen die Klägerin mit dem Vorwurf, sie habe am 27.05.2015 die ihr durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht und dadurch der Beklagten, deren Vermögensinteressen sie betreut habe, einen Nachteil zugefügt.

Wegen der Einzelheiten der Anklageschrift wird auf die nach Einsicht in die Ermittlungsakte zur Prozessakte genommene Kopie (Bl. 361 – 369 d. A.) Bezug genommen. Das Hauptverfahren war zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht eröffnet.

Mit ihrer am 29.04.2016 bei dem Arbeitsgericht Herne eingegangenen, der Beklagten am 03.05.2016 zugestellten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Sie hat behauptet:

Aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen mit Schreiben der Beklagten vom 18.07.2016 sei sie arbeitsunfähig krank, leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung, wie sich aus den ärztlichen Attesten vom 19.05.2016 und 27.06.2016 (Bl. 116, 117 d. A.) ergebe.

Sie habe den Verlust der 115.000 Euro nicht zu verantworten. Der Betrag habe ihre Filiale nicht erreicht.

Sie habe die Plombe der Geldkassette in Unkenntnis der Organisationsänderung in 2013 allein geöffnet. Sie sei nach sechs Jahren im Mai 2014 erstmals wieder im Kassenbereich eingesetzt worden.

Das Vier-Augen-Prinzip sei ihr auch nicht aus dem Vorfall in 2008 bekannt gewesen. Nach dem Vorfall im Januar 2008 hätten die Mitarbeiter der Geschäftsstelle C beschlossen, in den kommenden Tagen und Wochen vorsichtiger zu sein, also eben Geldabgaben an die Bundesbank nach dem Vier-Augen-Prinzip vorzunehmen und bei Geldlieferungen der Bundesbank die Kiste ebenfalls mindestens zu zweit zu öffnen. Wegen des Vortrags der Klägerin zu weiteren Gelddifferenzen im Zusammenhang mit der Bundesbank wird auf ihren Schriftsatz vom 05.09.2016 (Bl. 92 – 94 d. A.) verwiesen.

Im Übrigen stelle der Verstoß gegen das Vier-Augen-Prinzip kein Indiz für eine Täterschaft dar.

Sie habe den Betrag von 115.000 Euro mit Bedacht bestellt. Hätte sie sich nach dem vom Cash Management vorgeschlagenen Betrag von 30.000 Euro gerichtet, hätte sie spätestens am folgenden Dienstag ein Minus von 30.000 Euro gehabt. Die Filiale wäre dann nicht handlungs-/zahlungsfähig gewesen. Geldbestellungen seien im Übrigen nur zu bestimmten Terminen möglich.

Tatsächlich habe sich aber am Mittwoch (27.05.2015) gezeigt, dass Auszahlungen nicht in dem von ihr prognostizierten Umfang erfolgt seien. Das gelte auch für den Donnerstag. Deshalb habe sie sich entschlossen, 40.000 Euro in 50-Euro-Scheinen an die Bundesbank zurückzugeben. Sie hätte zum Teil auch 100-Euro-Scheine abgeben können. Das sei ihr jedoch nicht ratsam erschienen, da 100-Euro-Scheine im Allgemeinen bei den Kunden sehr nachgefragt seien.

Ihr Schuldenstand sei ebenfalls kein Indiz für ihre Täterschaft.

Das im Bankschließfach im Umschlag „W“ befindliche Geld habe sie über Jahre für ihre Tochter angespart. Es habe noch in ihrem Eigentum gestanden. Das Geld in dem Umschlag „Mamma“ habe ihr ihre Mutter überlassen. Sie habe es jedoch nur mit ihrem Einverständnis an sich nehmen dürfen. Daher seien Einzahlungen aus diesem Gelddepot stets über das Girokonto der Mutter erfolgt, da so der Weg transparent und nachvollziehbar gewesen sei.

Bei einem Gesamteinkommen von 3.985 Euro verfügten sie und ihr Ehemann über einen freien Betrag von etwa 880 Euro monatlich. Dieser Betrag habe für die Familie ausgereicht.

Die Beklagte habe die Belastung ihrer Girokonten nicht zutreffend errechnet.

Wegen der Geldflüsse auf ihren Konten im Einzelnen verweise sie auf ihre Aufstellung (Bl. 155 – 161 d. A.). Sie stellten kein Indiz für ihre Täterschaft dar. Das bei der Durchsuchung ihrer Wohnung vorgefundene Geld stamme nicht aus der Geldlieferung.

Im März/April 2016 habe sie endlich die Kraft gefunden, die Sanierung ihrer finanziellen Probleme in Angriff zu nehmen.

Ihre Überprüfung der Fahrtzeiten der Kurierfahrer habe ergeben, dass die Wege durchaus in kürzerer Zeit zurückzulegen seien. Der Zeuge T2 hätte Zeit gehabt, die Beute bei sich Zuhause oder in der Nähe seines Zuhauses zu deponieren. Ein Zusammenwirken beider Fahrer könne nicht ausgeschlossen werden, zumal beide Geldbedarf gehabt hätten.

Sie habe keine Gelegenheit gehabt, in den 20 Minuten zwischen Anlieferung des Geldes und Öffnen der Geldbox die Geldpakete gegen Babybrei und Waschpulver auszutauschen. Sie habe in diesem Zeitraum mindestens zehn bis zwölf Buchungsvorgänge durchgeführt.

Die Geschäftsstelle sei sehr übersichtlich. Sie wäre deshalb bei einer Manipulation der Box beobachtet worden, zumal der Kollege T sie zum Schutze vor einem „stillen Banküberfall“ im Blick gehabt habe. Die Kasse könne jederzeit von einem Kollegen betreten werden.

Die Mitwirkung eines weiteren Täters sei schon deshalb ausgeschlossen, weil Geldpakete in der gegebenen Größenordnung nicht durch die Durchreiche am Kassenschalter übergeben werden könnten.

Sie habe die Versicherungsgrenze von 250.000 Euro bezogen auf den Haupttresor und 3.000 Euro bezogen auf den Tagestresor nicht überschritten.

Sie habe auch nicht gegen das Geldwäschegesetz verstoßen. Den von der Beklagten vorgelegte Einzahlungsschein über einen Betrag von 4.500 Euro habe nicht sie, sondern vermutlich die Kassiererin T3 ausgefüllt. Sie habe die Einzahlung nicht selbst vorgenommen, sondern ihre Mutter sei in der Geschäftsstelle zugegen gewesen. Den Betrag von 2.000 Euro (Einzahlungsschein Bl. 75 d. A.) habe sie allein am AKT-Tisch eingezahlt. Ihre Mutter habe aber in einem Sessel der Geschäftsstelle gesessen, da sie aufgrund einer vorangegangenen Hüftoperation nur schlecht habe stehen können. Sie habe darüber hinaus einige Zahlungen für ihre Mutter vorgenommen, allerdings mit ihrer – der Klägerin – Kontokarte.

In drei Fällen, in denen sie Bareinzahlungen auf das Konto ihrer Tochter vorgenommen habe, habe sie als deren Botin gehandelt. Sie habe gewusst, dass das Geld nicht aus einer Straftat stammte. Sofern weitere Einzahlungen auf ihr Konto durch sie als Einzahlerin erfolgt sein sollten, bedeute dies, dass ihre Kollegen in 21 Fällen gegen das GWG verstoßen hätten.

Im Übrigen seien Buchungen innerhalb des Hauses nicht zu verschleiern. Nach der Bareinzahlung von 4.500 Euro aus dem Geld der Mutter seien eine Woche später unstreitig 3.500 Euro auf deren Girokonto umgebucht worden. Sie habe diesen Vorgang nicht selbst ausgeführt. Anschließend habe sie eine Papierüberweisung über einen Betrag von 3.500 Euro zu Gunsten ihres Kontos ausgefüllt. Das Geldmarktkonto der Mutter habe nicht die Möglichkeit einer direkten Überweisung auf ihr Konto geboten.

So habe es sich auch bei der Buchung von 2.000 Euro am 31.08.2015 verhalten.

Die Einzahlung von 1.310 Euro auf das Konto der Tochter sei ebenfalls aus dem Geld im Tresorschließfach erfolgt. Auf ihr Konto seien anschließend 1.100 Euro überwiesen worden, da sie ihrer Tochter Geld für Einkäufe überlassen gehabt haben. Sämtliche Überweisungen seien von ihr ausgefüllt, jedoch von der Tochter unterschrieben worden.

Die Beklagte habe im Hinblick auf den Verdacht ihrer Täterschaft die Kündigungserklärungsfrist nicht gewahrt. Sie hätte den Sachverhalt bereits innerhalb der ersten 14 Tage nach dem 28.05.2015 aufklären müssen.

Die Personalratsbeteiligung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da die Beklagte ihm einen unzutreffenden Sachverhalt geschildert habe.

Die Klägerin hat beantragt

              festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 19.04.2016, zugegangen am 20.04.2016, nicht aufgelöst worden ist und auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 19.04.2016, zugegangen am 20.05.2016, zum 31.12.2016 beendet wird.

Die Beklagte hat beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet:

Ihr dringender Verdacht, die Klägerin habe 115.000 Euro gestohlen, sei gerechtfertigt.

Das Vier-Augen-Prinzip sei ihr schon aus dem Vorfall im Jahre 2008 bekannt gewesen.

Auch unter Berücksichtigung der prognostizierten Entwicklung von Ein- und Auszahlungen sei die Bestellung von 115.000 Euro in 50-Euro-Noten nicht erforderlich gewesen. Am Morgen des 27.05.2015 habe der Barbestand ca. 200.000 Euro betragen, davon ca. 160.000 Euro in 50-Euro-Noten.

Die Vermögensverhältnisse der Klägerin und ihrer Familie wiesen auf eine Täterschaft hin. Die Mutter der Klägerin beziehe lediglich eine Rente in Höhe von 1.600 Euro.

Für eine Täterschaft sprächen auch die Kontobewegungen und ungewöhnlich vielen Bareinzahlungen von Juni 2015 bis Februar 2016. Zwischen Mai und Dezember 2015 seien 10.583 Euro von dem Konto der Mutter auf das Konto der Klägerin transferiert worden. Die Bareinzahlungen auf das Konto der Tochter W habe überwiegend die Klägerin vorgenommen. Das gelte auch für die Bareinzahlungen auf das Konto der Mutter. Dabei habe sie teilweise unter dem Namen ihrer Tochter beziehungsweise ihrer Mutter gehandelt. Die Bareinzahlungen umfassten von Juni 2015 bis Februar 2016 insgesamt 33.322,03 Euro.

Eine Täterschaft der Fahrer komme nicht in Betracht.

Da sie im Sommer 2015 die Verdachtsmomente gegen die Klägerin als nicht ausreichend angesehen habe, habe sie zunächst den Fortgang der polizeilichen Ermittlungen abgewartet. Nach der am 24.02.2016 erfolgten Durchsuchung des Bankschließfachs und der Sicherstellung des vorgefundenen Bargeldes sei sie davon ausgegangen, die Kriminalpolizei habe nunmehr einen konkreten Verdacht gegen die Klägerin. Deshalb habe sie die Interne Revision mit der Aufarbeitung des Sachverhalts im Rahmen einer Sonderprüfung beauftragt. Es bestehe nunmehr der Verdacht, dass die Klägerin das Geld bereits am 27.05.2015 entwendet habe, um den Fehlbetrag durch die Bestellung am folgenden Tag auszugleichen.

An ihrer Anhörung am 07.04.2016 hätten ihr damaliger Rechtsvertreter, das Personalratsmitglied U und der Leiter der Internen Revision N1 teilgenommen. Zu Begründung der Höhe der Geldbestellung am 27.05.2015 habe die Klägerin auf die notwendige Vorsorge vor Monatsende hingewiesen. Sie habe die systemseitige Bestellempfehlung für unpassend gehalten. Da sie jedoch schon am Mittwoch gemerkt habe, zuviel Geld bestellt zu haben, habe sie am 28.05.2015 60.000 Euro an die Zentrale zurückgegeben. Die Versicherungsgrenze sei ihr bewusst gewesen.

Zu den Bareinzahlungen auf ihr Konto habe sie erklärt, das Geld stamme aus dem Bankschließfach. Ihre Mutter habe ihr das Geld geschenkt. Sie habe Bareinzahlungen unter Verwendung des Kontos der Mutter vorgenommen, da sie Angst vor Nachfragen nach der Herkunft des Geldes gehabt habe. Ihre Mutter habe ihr gesagt, sie könne sich Geld aus dem Schließfach für Urlaub und anderes nehmen, habe sie jedoch gebeten, dass Geld auf ihr Konto einzuzahlen. Erst später sei ihr das Geld anlassbezogen geschenkt worden.

Auf den Vorhalt, sie habe Bareinzahlungen auf das Konto der Tochter zu einem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem diese ihre EC-Karte in E1, L1 beziehungsweise I verwendet habe, habe die Klägerin keine Erklärung abgegeben. Sie habe nur erklärt, sich über das Geldwäschegesetz keine Gedanken gemacht zu haben.

Die Kündigung sei demnach auch wegen ihrer fehlenden Zuverlässigkeit nach dem Geldwäschegesetz gerechtfertigt

Mit Urteil vom 04.10.2016 hat das Arbeitsgericht Herne festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2016 weder außerordentlich fristlos noch hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist beendet worden ist.

Es hat ausgeführt:

Die Kündigung vom 19.04.2016 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet.

Ein hinreichend dringender Tatverdacht wegen des Diebstahls vom 28.05.2015 könne nicht angenommen werden, Die Beklagte habe zwar im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen sie zu der Annahme gekommen sei, dass sich der Verdacht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegen die Klägerin richte, und auch die ermittelnde Kriminalpolizei habe sie verdächtige. Sie habe sie auch vor Ausspruch der Verdachtskündigung angehört.

Die sich aus dem Akteninhalt und dem Parteivortrag ergebenden Umstände reichten jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht aus. Entscheidend sei insbesondere, dass sich aus dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei vom 13.11.2015 ergebe, dass der Betrag von rund 37.000 Euro, der bei der ersten Durchsuchung des Bankschließfaches der Klägerin vorgefunden worden sei, nach der Bewertung der Kriminalpolizei in keinem Zusammenhang mit dem Diebstahl gestanden habe.

Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung sei lediglich ein Betrag von 2.900 Euro vorgefunden worden.

Aus Sicht der Kammer sei nach dem vorgetragenen Geschehensablauf des Weiteren nicht auszuschließen, dass auch andere Personen als Täter in Betracht kämen. Auch unter Berücksichtigung der besonderen GPS-Überwachung der Fahrer des Werttransportunternehmens sei es nicht undenkbar, dass auch sie die Möglichkeit gehabt hätten, das Geld an sich zu nehmen. Insgesamt bestünden zwar durchaus gewichtige Verdachtsmomente gegen die Klägerin, die jedoch nicht ausreichend dringlich seien.

Auch der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt zu ihrer Unzuverlässigkeit nach dem Geldwäschegesetz stelle keinen wichtigen Kündigungsgrund dar. Grundsätzlich obliege Beschäftigten einer Sparkasse nach § 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Nr. 4 GWG die Nebenpflicht, sich auch außerdienstlich nicht an unter Geldwäschegesichtspunkten zweifelhaften Transaktionen oder Geschäften aktiv oder passiv zu beteiligen. Auch außerhalb der Arbeitszeit sei ein Arbeitnehmer verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Allerdings könne außerdienstliches Verhalten seine berechtigten Interessen grundsätzlich nur dann beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit habe.

Danach habe die Klägerin die Pflicht gehabt, sich weder dienstlich noch außerdienstlich an unter Geldwäschegesichtspunkten zweifelhaften Aktionen zu beteiligen. Diese Verpflichtung ergebe sich aus der Verpflichtung der Beklagten nach dem Geldwäschegesetz, Vorkehrungen gegen Geldwäsche zu treffen und nur solche Personen zu beschäftigen, die als zuverlässig anzusehen seien.

Vorliegend sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Klägerin in diesem Sinne schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen habe. Aus dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei vom 13.11.2015 ergebe sich, dass der Vorwurf der Geldwäsche nicht habe aufrechterhalten werden können.

Aus den weiteren Darlegungen der Beklagten folge ebenfalls keine hinreichend schwere Pflichtverletzung. Selbst wenn die Klägerin selbst Einzahlungen auf das Konto ihrer Tochter vorgenommen haben sollte, obwohl sie im Zahlschein angegeben habe, die Einzahlung erfolge durch die Tochter, wäre dies zwar nach den Regularien der Beklagten eine Pflichtverletzung, jedoch nicht hinreichend schwerwiegend im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Denn die Klägerin habe Kontovollmacht bezüglich des Kontos ihrer Tochter und habe ausgeführt, sie habe aus ihrer Sicht quasi als „Botin“ fungiert. Auch die von der Beklagten vorgetragenen Vorgänge, aus denen sie den Schluss eine „Verschleierung“ ziehe, habe die Kammer nicht nachvollziehen können. Die Klägerin habe bezüglich der Bareinzahlungen auf das Konto ihrer Mutter und der nachfolgend vorgenommenen Umbuchungen erläutert, dass ihr die Mutter aufgegeben habe, die Geldflüsse für sie nachvollziehbar zu machen. Aus diesen Gründen seien die Einzahlungen auf das Geldmarktkonto und sodann nach Bereitstellung durch die Mutter die Umbuchungen auf deren Girokonto und anschließend auf das Konto der Klägerin erfolgt. Aus Sicht der Kammer sei es nachvollziehbar, dass die Mutter ihr Geld habe zu Verfügung stellen, die Geldflüsse aber habe nachvollziehen wollen. Eine Verschleierungstaktik sei darin nicht zu sehen. In diesem Fall wäre es naheliegend gewesen, Konten bei anderen Bankinstituten zu nutzen.

Mangels eines wichtigen Grundes habe auch die hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 214 bis 234 der Akte verwiesen.

Gegen das ihr am 12.12.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.12.2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.03.2017 am 10.03.2017 eingehend begründet.

Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts bestehe ein dringender Verdacht der Beteiligung der Klägerin an dem Verlust von 115.000 Euro. Sowohl das Landgericht Bochum als auch das Oberlandesgericht Hamm seien in ihren Entscheidungen von einem dringenden Verdacht der Unterschlagung beziehungsweise des Diebstahls ausgegangen.

Es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Täterschaft anderer Personen.

Die Entwendung bei der Bundesbank könne mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, da der Geldverpackungsvorgang durchgehend videoüberwacht sei. Die Kriminalpolizei habe bei der Durchsicht der Videoaufzeichnungen keine Auffälligkeiten festgestellt. Zu berücksichtigen sei, dass die Mitarbeiter O und H1 nach dem Vier-Augen-Prinzip gearbeitet hätten. Sie hätten eigene Taschen     oder Behälter nicht mit in den Verpackungsraum nehmen dürfen.

Die Plombe des Verpackungsbehälters sei nicht manipuliert worden. Sie könne nach ordnungsgemäßem Verschließen nicht mehr ohne Riss an der Sollbruchstelle geöffnet werden. Die Klägerin selbst habe aber bestätigt, dass die Plombe bei Anlieferung unbeschädigt gewesen sei. Es seien auch keine Manipulationsspuren durch die Polizei beziehungsweise durch das Landeskriminalamt festgestellt worden. Die Plomben seien nummeriert. Die Nummer der Lieferung sei auf dem Video der Bundesbank erkennbar.

Es sei auch praktisch ausgeschlossen, dass die Plombe nicht ordnungsgemäß verschlossen gewesen sei, denn die Klägerin habe sie mit einem Seitenschneider öffnen müssen.

Ihr sei kein Fall bekannt, in dem die Plombe dieses Modells nicht richtig gesessen habe oder aufgesprungen sei.

Das Geld könne nicht während des Geldtransportes verschwunden sein. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass die Fahrer den ordnungsgemäß verschlossenen Transportbehälter geöffnet, den Inhalt ausgetauscht, das entnommene Geld irgendwo am Rande der Fahrroute deponiert und den Transportbehälter und die Plombe wieder geschlossen hätten. Es sei auch ausgeschlossen, dass sie zufällig bemerkt hätten, dass die Plombe nicht verschlossen gewesen sei. Die Plombe sei bei Übergabe von der Bundesbank an die Transportfahrer geschlossen gewesen. Die Klägerin habe den Behälter verschlossen übernommen.

Hätten die Fahrer zufällig entdeckt, dass die Plombe nicht ordnungsgemäß verschlossen gewesen sei, hätte es sich um eine Gelegenheitstat gehandelt, die sie mangels der erforderlichen Zeit nicht hätten ausführen können. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 10.03.2017 (Bl. 301 – 303 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hätte einen Diebstahl innerhalb der Filiale bemerken müssen. Die Lieferung sei in der Kassenbox deponiert gewesen, die sie nach eigenen Angaben nicht verlassen habe.

Soweit sich das Arbeitsgericht Herne auf den Ermittlungsbericht der Polizei vom 13.11.2015 bezogen habe, handle es sich lediglich um die Zusammenfassung des Ermittlungsstandes im November 2015. Danach sei eine erneute Durchsuchung des Schließfaches mit der Folge eines dinglichen Arrestes erfolgt.

Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Klägerin die Filiale am 28.05.2015 für ihre Verhältnisse im Mai 2015 ungewöhnlich früh bereits um 08:08 Uhr aufgesucht habe, zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Kollegen noch nicht anwesend gewesen seien. Sie habe einen Einkaufskorb mit sich geführt.

Laut Zugangsprotokoll der Nebentür habe sie den Schlüssel um 08:08 Uhr, 08:15 Uhr, 08:17 Uhr und 08:19 Uhr genutzt, also innerhalb weniger Minuten mehrfach das Gebäude verlassen und die Tür von außen geschlossen.

Sie habe innerhalb der 20 – 30 Minuten zwischen Anlieferung und Herbeirufen des Kollegen T das Geld durch Füllmaterial austauschen und die Geldpäckchen aus dem Kassenbereich entfernen können Die Kassenbox sei nur eingeschränkt einsehbar.

Sie habe verschiedene Möglichkeiten für den Abtransport des Geldes gehabt. Sie habe es zum Beispiel durch ein Schubfach an der Seite des Kassenbereichs einem Dritten übergeben können. Sie habe den Schalterraum verlassen können, ohne aufzufallen. Sie habe das Geld in der Filiale verstecken können, da diese am 28.05.2015 nicht gründlich und vollständig durchsucht worden sei.

Allerdings gehe sie selbst davon aus, dass die Klägerin das Geld bereits am 27.05.2015 entwendet habe. Zwar könne der Tresor nur über ein Zwei-Schlüssel-System geöffnet werden. Allerdings habe sie sich den zweiten Schlüssel von einem gerade beschäftigten Kollegen geben lassen können.

Am 27.05.2015 hätten sich in der Filiale mehr als 160.000 Euro in 50-Euro-Scheinen befunden. Da die Klägerin die Kassenaufnahme durchgeführt habe, sei es auch möglich, dass noch mehr 50-Euro-Scheine vorhanden gewesen seien. Denkbar sei auch, dass sie zum Teil 100-Euro-Scheine an sich genommen habe, da am Abend des 27.05.2015 kaum noch 100-Euro-Scheine vorhanden gewesen seien, was ungewöhnlich sei. Die Klägerin habe den Fehlbetrag im Tresor durch die Geldlieferung ausgeglichen.

Aus dem Vorfall vom 26.05.2008 sei ihr bekannt gewesen, wie schwierig es sei, bei einem Fehlbetrag nach einer Geldanlieferung den Verantwortlichen festzustellen.

Der Zeitpunkt der Tat sei aus ihrer Sicht günstig gewesen, da die gemeinsame Kassenaufnahme am 20./21.05.2015 durchgeführt worden sei. Sie habe zunächst mit keiner weiteren Kontrolle rechnen müssen.

Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass sie einen ungewöhnlich hohen Geldbetrag bestellt habe, der durch die Anforderungen in der Filiale nicht gerechtfertigt gewesen sei. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 10.03.2017 (Bl. 309 – 310 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin habe bei Öffnen des Geldbehältnisses gegen das Vier-Augen-Prinzip verstoßen und am 28.05.2015 vor der Geldlieferung ungewöhnlich häufig den Kassenbestand gesichtet.

Der Verdacht verstärke sich durch den hohen Schuldenstand und die finanzielle Überforderung der Klägerin und ihrer Familie. Trotz der Schulden hätten sich am 29.05.2014 ungewöhnlich hohe Barbestände in der Wohnung befunden.

Zu berücksichtigen sei ferner, dass sie ihr Schließfach nach fast einem Jahr in der Mittagspause des 27.05.2015 aufgesucht habe. Es sei möglich, dass sie 37.000 Euro in diesem Schließfach deponiert habe. Sie habe die Herkunft dieses Geldes nicht erklärt. Es sei auffällig, dass sie das Geld nicht eingesetzt habe, um ihr Girokonto auszugleichen und hohe Überziehungszinsen zu vermeiden.

Nach Erinnerung der Kolleginnen der Filiale F habe sie die Bareinzahlungen auf diverse Konten stets mit 50-Euro-Scheinen durchgeführt.

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes sei sie im Hinblick auf das Geldwäschegesetz unzuverlässig. Sie habe ihre Pflichten durch den Verstoß gegen die ihr bekannten Regeln gravierend verletzt und durch Aufsplitten der Bareinzahlungen und Überweisungen über mehrere Tage in viele Einzelbeträge die tatsächlichen Vorgänge verschleiert. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens verweise sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Sie habe die Klägerin am 07.04.2016 ordnungsgemäß angehört. Die Beteiligten des Gespräches hätten sich nachträglich Gesprächsnotizen gefertigt. Das Gespräch habe von 15:00 Uhr bis circa 16:10 Uhr gedauert.

Die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass die Interne Revision aufgrund der Durchsuchung im Februar 2016 mit der Aufarbeitung des Vorfalls vom 28.05.2015 beauftragt worden sei und nunmehr eine weitere Aufklärung erfolgen solle; der Bericht habe vor allem Fragen im Hinblick auf die Geldbestellung vom 27.05.2015 und das Umsatz- und Transaktionsverhalten auf ihrem Konto, den Konten ihrer nahen Angehörigen und in Bezug auf das Schließfach aufgeworfen.

Die Klägerin habe auf Nachfrage erläutert, die Geldbestellung von 115.000 Euro am 27.05.2015 sei aus Vorsorge für den Monatsletzten erfolgt. Sie habe allerdings nicht erklären können, warum sie so viele 50-Euro-Scheine bestellt habe. Die Versicherungsgrenze habe sie nennen können und dazu erklärt, sie habe das Überschreiten damals nicht erkannt. Sie sei in dem Gespräch auf die kurz zuvor bei ihr vorgenommene Durchsuchung des Banksafes und auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hingewiesen worden. Schwerpunkt des Gespräches seien jedoch die festgestellten Kontenbewegungen gewesen, die ihrer Ansicht nach das Motiv der Klägerin aufzeigten. Ihr seien die hohen Bareinzahlungen im Zeitraum nach dem Diebstahl auf ihr Konto, das Konto ihres Ehemanns und auf das Konto ihrer Tochter dargestellt worden. Es seien Einzahlungsbelege vorgelegt worden. Sie sei nach den Gründen der Bareinzahlungen und der Herkunft des Geldes befragt worden. Sie habe erklärt, dass Geld stamme von ihrer Mutter. Ihr Rechtsanwalt habe darauf hingewiesen, dass es sich um das Geld aus dem Schließfach gehandelt habe. Der Klägerin seien dann vier Beispiele einer Transaktionskette zwischen Einzahlungen auf das Konto ihrer Mutter und Überweisungen auf ihr Girokonto dargestellt worden. Sie habe dies schweigend zur Kenntnis genommen. Zur Einbeziehung dieser Konten habe sie erklärt, sie habe Angst vor Nachfragen gehabt, und habe auf Schenkungen verwiesen. Der Leiter der Innenrevision N1 habe bei diesem Anhörungsgespräch einen Ordner mit Unterlagen zu den Zahlungsvorgängen vor sich gehabt, aus dem beispielhaft nacheinander drei Vorgänge vorgelegt worden seien wie Bareinzahlungen auf das Konto der Tochter, während diese nahezu zeitgleich an anderen Orten ihre EC-Karte verwendet habe. Die Klägerin habe dazu keine Erklärung abgegeben. Auf die Frage, welchen Hintergrund die hohen Kreditkartenumsätze hätten, habe sie nur erklärt, dass Barverfügungen mittels Kreditkarte nicht verboten seien. Ihr seien danach nicht noch sämtliche Belege und Zahlungsvorgänge vorgelegt worden. Sie habe auch nicht darum gebeten. Das Vorstandsmitglied N2 habe auf ihre Frage erläutert, dass aus all dem zusätzlich zu den bekannten polizeilichen Ermittlungen noch der Verdacht des Verstoßes gegen Geldwäschebestimmungen entstanden sei. Die Klägerin habe einen Verstoß gegen Geldwäschebestimmungen zurückgewiesen.

Es sei nicht erforderlich gewesen, ihr schon in der Einladung das Gesprächsthema Diebstahlsverdacht zu nennen. Ihr sei der Anlass der Befragung bewusst gewesen, habe sie doch ihren damaligen Rechtsbeistand mitgebracht. Sie habe sich auf die Durchsuchung des Bankschließfaches bezogen.

Die Beklagte beantragt,

              das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 04.10.2016, Az. 3 Ca 1053/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:

Das Amtsgericht Herne habe die Anklage bislang nicht zugelassen.

Die Beklagte habe nach Einsicht in die Ermittlungsakte neue Angriffsmittel vorgetragen, mit denen sie im Berufungsverfahren ausgeschlossen sei.

Sie habe die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Das Arbeitsgericht habe jedoch die Wirksamkeit der Kündigung nicht an dieser Hürde scheitern lassen, sondern sich im Interesse der Parteien mit dem Kündigungsgrund auseinandergesetzt. Dieser sei zutreffend gewürdigt worden.

Mit dem einleitenden Satz, die Klägerin habe den zeitlichen Ablauf der Kündigung bzw. „Anhörung“ noch einmal wie folgt zusammengefasst, hat der Klägervertreter den persönlichen Vortrag der Klägerin in der Berufungserwiderungsschrift kursiv von Blatt 426 bis 473 der Akte eingerückt und erklärt, er mache ihn sich zu Eigen:

Die Ausführlichkeit ihrer Ausführungen belege, dass der Verdacht unbegründet sei. Es bestünden gleichwertige Alternativszenarien. Die Ausführungen der Beklagten seien weder hinreichend logisch noch zwingend. Nach ihren persönlichen Darlegungen scheide sie zweifelsfrei als Täterin aus.

Auch die Spekulationen der Beklagten über Sinn und Unsinn der Geldbestellung und Wege des Beiseiteschaffens des Geldes trügen nicht.

Die Klägerin habe keine Geldwäsche betrieben. Insoweit werde auf ihre persönlichen Ausführungen verwiesen.

Sie sei am 07.04.2017 nicht ordnungsgemäß angehört worden. Er, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, nehme weiter Bezug auf die kursiv im Schriftsatz vom 07.06.2017 eingerückten Erklärungen der Klägerin zum Gesprächsablauf. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, die Verdachtsmomente sachgerecht zu widerlegen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung persönlich befragt erklärt:

Nach ihrem Eindruck sei ihr im Gespräch am 07.04.2016 nicht der Vorwurf unterbreitet worden, die 115.000 Euro an sich genommen zu haben. Es sei über ihre Geldbestellung und die Kontobewegungen gesprochen worden. Sie habe das Gespräch lediglich als Aufklärungsgespräch verstanden. Zu dem verschwundenen Geld seien tatsächlich keine weiteren Erörterungen erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

A.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 04.10.2016 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

I.

Der zulässige, gegen die außerordentliche, fristlose Kündigung vom 09.04.2016 gerichtete Kündigungsschutzantrag ist begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht mit dem Zugang der Kündigung sein Ende gefunden.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD-S nur noch aus wichtigem Grund kündbar, denn die 1964 geborene Klägerin hat das 40. Lebensjahr vollendet und war seit dem 01.04.1991 beschäftigt, mithin bei Kündigungsausspruch mehr als 25 Jahre.

Der TVöD-S ist als den BAT ersetzender Tarifvertrag gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 11.01.1991 auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.

2. Der tarifliche Begriff des wichtigen Grundes knüpft an die Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an (BAG 13.05.2015 – 2 AZR 531/14 – Rdnr. 26, BB 2015, 2682).

Danach liegt ein wichtiger Kündigungsgrund vor, wenn Tatsachen gegeben sind, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis fortzuführen.

Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst müssen Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden. Im zweiten Schritt ist festzustellen, ob unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls eine weitere Beschäftigung zumutbar ist (BAG 17.03.2016 – 2 AZR 110/15 – Rdnr. 17, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 56; 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Rdnr. 16, BAGE 134, 349).

a. Ein an sich zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigender Grund liegt nicht in dem Verdacht der Beklagten, die Klägerin habe eine Vermögensstraftat zu ihren Lasten dadurch begangen, dass sie die Geldlieferung von 115 000 Euro an sich gebracht habe.

Nicht nur die erwiesene schwere Pflichtverletzung, auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Kündigungsgrund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente aus objektiven Tatsachen ergeben, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – Rdnr. 20, EzA-SD 2013, Nr. 22, 4 – 6; 25.10.2012 – 2 AZR 700/11 – Rdnr. 16, DB 2013, 641).

Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Auf mehr oder weniger haltbarer Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 23.05.2012 a. a. O. Rdnr. 21; 25.10.2012 a. a. O. Rdnr. 14).

In einem Rechtstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Es sind auch später bekannt gewordene Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 23.05.2013 a. a. O. Rdnr. 25). Das gilt zumindest, wenn die Tatsachen bei Kündigungszugang objektiv vorlagen.

Für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- und Nebenpflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch (BAG 25.10.2012 a. a. O. Rdnr. 15).

Im Ermittlungsverfahren oder Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse können die Annahme, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen, verstärken (BAG 25.10.2012 – 2 AZR 700/11 – Rdnr.16). Das Gericht hat im Kündigungsschutzprozess den Sachverhalt im Rahmen des Parteivorbringens selbst aufzuklären und zu bewerten. Dazu hat der Arbeitgeber bestimmte Tatsachen darzulegen, die unmittelbar den Schluss zulassen, der Arbeitnehmer sei eines bestimmten, die Kündigung rechtfertigenden Verhaltens dringend verdächtig. Zu diesem Zweck ist es ihm unbenommen, sich Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden zu Eigen zu machen und sie im Arbeitsgerichtsprozess als eigene Behauptungen vorzutragen (BAG 25.10.2012 a. a. O. Rdnr. 16).

aa. Die Kammer geht zu Gunsten der Beklagten davon aus, dass gegen die Klägerin ein dringlicher Verdacht besteht, dass sie das am 27.05.2015 oder 28.05.2015 115.000 Euro veruntreut hat.

1) In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sie den umfangreichen, mit zahllosen Details versehenen, kursiv in den Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten eingerückten persönlichen Vortrag der Klägerin nur insoweit zur Kenntnis genommen hat, wie sich ihr Prozessbevollmächtigter den Vortrag ersichtlich zu Eigen gemacht hat oder sie sich in der persönlichen Befragung in der mündlichen Verhandlung geäußert hat.

Gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG müssen sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht grundsätzlich durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das bedeutet, dass der Prozessbevollmächtigte den Prozessstoff persönlich durchzuarbeiten und zu verantworten hat. Mit dem Prozessrecht ist es nicht vereinbar, dass im Anwaltsprozess ein Rechtsanwalt „ungeprüft und unverändert“ Schriftsätze seiner Mandantschaft einreicht (OLG Düsseldorf 21.09.2012 – I – 18 U 90/12 – Rdnr. 15).

Zwar reicht es aus Gründen der Rechtssicherheit regelmäßig aus, wenn der Prozessbevollmächtigte die Schriftsätze im Berufungsverfahren unterzeichnet hat. Hier hat der Klägervertreter allerdings durch einleitende Worte und Kursivdruck der persönlichen Ausführungen der Klägerin nur insoweit die Verantwortung für den Inhalt der übernommen, wie er ihre Ausführungen kommentiert und bewertet hat.

2) Für die Dringlichkeit des Verdachtes ihrer Täterschaft spricht, dass das Geld mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in der Sphäre der Sparkasse abhandengekommen ist.

Es ist ausgeschlossen, dass der Geldbetrag bereits bei der Deutschen Bundesbank verloren gegangen ist. Der Vorgang der Geldverpackung und Übergabe an die Mitarbeiter des X X1 ist komplett videoüberwacht. Beamte der Kriminalpolizei haben am 29.05.2015 die betreffende Filiale der Deutschen Bundesbank in C2 aufgesucht und anhand von Videoaufnahmen festgestellt, dass ohne zeitliche Aussetzer die Befüllung des leeren Behältnisses, das Anbringen der mit einer Nummer versehenen Plombe und das Ablegen des Behälters in dem Container Nr. 153 fortlaufend dokumentiert ist. Sie haben des Weiteren festgestellt, dass der Container einschließlich der Übergabe an den Wachschutz permanent überwacht war.

Der Einwand der Klägerin, schon in der Vergangenheit habe es Differenzen bei Geldlieferungen der Deutschen Bundesbank gegeben, ist unerheblich. Hier geht es um den Komplettverlust einer Lieferung bei Austausch der Geldpakete durch Waschpulver und Babybrei.

Die Fahrer des Wachschutzes kommen jedenfalls nicht gleichwertig als Täter in Betracht. Wohnungsdurchsuchungen am 28.05.2015 bei den Kurierfahrern L und T2 haben keine Auffälligkeiten ergeben. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bei Empfang der Lieferung selbst bestätigt hat, dass die nummerierte Plombe intakt war, sie nach dem Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein - Westfalen vom 04.08.2015 nach ordnungsgemäßem Verschluss nicht zu öffnen ist, ohne dass sie an der vorgesehenen Sollbruchstelle am Verschlussstift reißt, die Plombe auch nicht ohne sichtbare Schäden manipulierbar ist, kommt ihre Täterschaft nur in dem nicht nahe liegenden Fall in Betracht, dass die Plombe entgegen den Feststellungen der Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank zwar angebracht, aber versehentlich nicht richtig verschlossen war. Die Kurierfahrer hätten ohne Auffälligkeiten im Tourenverlauf zufällig entdecken müssen, dass die Plombe nicht verschlossen war, hätten sich abstimmen müssen, den Umstand auszunutzen, um das Geld an sich zu nehmen, hätten demnach beide die Bereitschaft zu einer Straftat entwickeln, einen Plan erstellen und ihm umsetzen müssen. Da Babybrei und Waschmittel nicht zur gewöhnlichen Ausstattung eines Wachschutzfahrzeugs gehören, hätten sie diese Gegenstände besorgen und das Geld in ein sicheres Versteck bringen müssen. Das war unter Einhaltung der normalen Fahrzeiten und der normalen Fahrtroute nicht offenkundig möglich, mag die Klägerin nach ihren Feststellungen kleine Zeitfenster entdeckt haben.

Sie hatte die Möglichkeit und das Motiv, die Straftat zu begehen.

Für ihre Täterschaft spricht, dass sie die einzige Beteiligte ist, die den Tathergang so planen konnte, dass nicht zeitnah mit einer Kassenprüfung zu rechnen war. Sie war diejenigen, die die Geldbestellung zeitlich und der Höhe nach festgelegt hat. Dabei hat sie ein Mehrfaches der von dem Cash-Management vorgeschlagenen Summe von ca. 30.000 Euro bestellt. Es sind ausschließlich 50-Euro-Scheine geordert worden, die ungleich einfacher in den Geldkreislauf einzubringen sind als 200-Euro -Scheine oder gar 500-Euro-Scheine. Unerklärlich ist, dass sie bei Anlieferung der 115.000 Euro in 50-Euro-Scheinen – in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu der Geldbestellung – nicht nur 20.000 Euro in 500-Euro-Scheinen, sondern auch 40.000 Euro in 50-Euro-Scheinen zurückgegeben hat. Im Bestand waren zum Zeitpunkt der Bestellung 165.000 Euro in 50-Euro-Scheinen, jedoch keine 200-Euro-Scheine und nur 1.000 Euro in 100-Euro-Scheinen.

Die Klägerin kann bereits am Vortag der Geldlieferung 115 000 Euro aus der Bankfiliale an sich gebracht haben. Dafür spricht nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Bochum in der Anklageschrift vom 09.03.2017, dass sie an diesem Tag zum ersten Mal nach circa einem Jahr ihr Schließfach in der Hauptstelle der Beklagten aufgesucht hat, in dem am 29.06.2015 drei Briefumschläge mit Bargeld von insgesamt 37.000 Euro gefunden wurden, das allerdings nicht sichergestellt wurde. Die Klägerin hat weder im Ermittlungsverfahren noch im Kündigungsschutzprozess die Herkunft des Geldes erläutert. Es ist wenig nachvollziehbar, dass sie für die Tochter W 14.000 Euro angespart haben will, obwohl sie und ihr Ehemann über ein monatliches Einkommen von 3.958,09 Euro verfügten, aber Gesamtverbindlichkeiten von über 100.000 Euro abzutragen waren.

Es ist auch nicht lebensnah, dass sie angesichts der mehr als angespannten finanziellen Lage der Familie eigenes Geld in dem Bankschließfach aufbewahrte. Aus welchen Gründen die Mutter in der Lage und bereit war, 16.000 Euro in einem Bankschließfach ohne Zinserträge zu deponieren, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei der Durchsuchung ihrer Wohnung am 29.05.2015 insgesamt 3.100 Euro ausschließlich in 50-Euro-Scheinen aufgefunden wurden.

Sie war auch in der Lage, am 27.05.2015 115 000 Euro an sich zu bringen.

In der mündlichen Verhandlung hat sie zwar angegeben, ihr Kollege habe am Morgen des 28.05.2015 gesehen, wie sie in einer Transportbox 20 bis 25 Päckchen mit 50-Euro-Scheinen aus dem Haupttresor zum Kassentresor verbrachte habe. Selbst unter Abzug von 115.000 Euro befanden sich noch 50.000 Euro in 50-Euro-Scheinen in dem Kassenumlauf. Die Klägerin hat in ihrer Anhörung nicht angegeben, dass der Kollege T das Geld gezählt oder alle Päckchen in der Box gesehen hat. Deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass sich nur im einsehbaren oberen Bereich der Transportbox 50-Euro-Scheine befanden.

Die Erklärung der Klägerin, sie habe die Scheine aus dem Tresor genommen, um sie Bild auf Bild zu legen, erschließt sich der Kammer nicht, da eine Ordnung der Geldscheine schon durch die Zusammenfassung in Päckchen gegeben war.

Sie konnte sich am 27.05.2015 durchaus die Zeit nehmen, 115.000 Euro aus dem Kassentresor zu nehmen, in eine Tasche zu stecken und im Laufe des Tages, möglicherweise in der Mittagspause, anderweitig zu deponieren. Den Kassenbestand am Abend dieses Tages hat sie mit 217.195,19 Euro selbst festgestellt, ohne dass eine weitere Kontrolle erfolgte, da die Kassenaufnahme allein durch den Kassierer vorgenommen wird.

Da der Kassenraum erst ab Brusthöhe von außen einsehbar ist, konnte sie das Geld unbeobachtet aus dem Kassentresor nehmen.

Entgegen ihrer Auffassung war sie am 28.05.2015 nicht außer Stande, den Fehlbestand durch Zuführung des angelieferten Geldes auszugleichen. Es reichten wenige Minuten aus, das Geld aus dem Geldbehältnis zu nehmen, die Verpackung zu entfernen, es dem Kassentresor zuzuführen und Waschpulver und Babybrei, am Morgen mitgebracht, in die Transportbox zu legen. Um Fingerabdrücke auf dem Verpackungsmaterial zu vermeiden, bedurfte es nicht des gegebenenfalls auffälligen Tragens von Handschuhen. Es reichte der Schutz durch ein Kleidungsstück, durch ein unauffälliges Reinigungstuch aus.

Soweit die Klägerin eingewendet hat, sie hätte das Verpackungsmaterial der angelieferten Geldpäckchen nicht entsorgen können, es sei bei der Filialdurchsuchung kein Verpackungsmaterial gefunden worden, hat die Beklagte nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es sich um Müll handelt, der ständig in einer Sparkassenfiliale anfällt. Deshalb ist er bei der ersten Durchsuchung der Filiale am 28.05.2015 möglicherweise nicht als auffällig registriert worden. Nach Angabe der Kriminalpolizei in dem Ermittlungsbericht vom 13.11.2015 wurden die Räumlichkeiten am Tattag nicht gründlich durchsucht. Zum Beispiel wurde der Revisionsschacht im Untergeschoss nicht in Augenschein genommen.

Für die Dringlichkeit des Verdachts spricht des Weiteren ganz erheblich, dass die Klägerin das Vier-Augen-Prinzip verletzt hat. Ihre Einlassung, dieses sei ihr nicht bekannt gewesen, überzeugt schon deshalb nicht, weil sie anlässlich einer fehlerhaften Geldanlieferung in 2008 wie ihre Kollegen T und T1 in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt hat, sie hätten sich in Anbetracht einer Unstimmigkeit mit der Deutschen Bundesbank einige Wochen zuvor angewöhnt, Geldabgaben und –annahmen mindestens zu zweit zu kontrollieren. Im Übrigen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich eine Bankangestellte über die für ihren Arbeitsbereich geltenden Vorschriften des Arbeitgebers informiert, hier ohne weiteres im Intranet der Beklagten einsehbar.

bb. Die Beklagte hat jedoch nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären, denn sie hat die Klägerin nicht ausreichend angehört.

Die Anhörung des verdächtigen Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung.

Der Arbeitgeber hat erst dann alles ihm Zumutbare zur Sachverhaltsaufklärung getan, wenn er dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Die Notwendigkeit der Anhörung vor Erklärung der Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die Anhörung soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung getroffen wird. Der Umfang der Nachforschungspflicht und damit auch die Ausgestaltung der Anhörung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Anhörung muss sich aber immer auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen gegebenenfalls zu bestreiten, den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zu der Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen (BAG 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 – Rdnr. 56, BAGE 151, 1; 24.05.2012 – 2 AZR 206/11 – Rdnr. 32, 33, NZA 2013, 137).

Dabei muss dem Arbeitnehmer das Thema der Anhörung nicht grundsätzlich vorher bekannt gegeben werden. Ihm sind auch nicht unbedingt konkret formulierte Fragen vorzulegen. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (BAG 11.12.2015 a. a. O. Rdnr. 62, 63; 24.05.2012 a. a. O. Rdnr. 35).

Die Anhörung ist allerdings dann entbehrlich, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, es liege eine erwiesene schwere Pflichtverletzung vor (BAG 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – Rdnr. 38, NZA 2016, 161).

Angesichts der wenn auch nicht nahe liegenden Möglichkeit der Geldentnahme durch die Kurierfahrer konnte die Kammer nach den objektiven Tatsachen nicht von einer erwiesenen Tat ausgehen.

Die Beklagte hat die Klägerin zunächst in 2015 schriftlich aufgefordert, den Sachverhalt der Geldlieferung am 28.05.2017 aus ihrer Sicht insbesondere unter Berücksichtigung der Verletzung des Vier-Augen-Prinzips darzustellen. Sie hat in diesem Schreiben keinen Tatverdacht gegen sie geäußert, hat vielmehr auf ihre Strafanzeige gegen Unbekannt hingewiesen. Mit Schreiben vom 13.05.2015 hat die Klägerin eingeräumt, den Geldbehälter allein geöffnet zu haben. Sie hat sich dahin eingelassen, ihr Vorgehen habe der üblichen Verfahrensweise entsprochen, sie sei von den Kollegen der Filiale nicht beanstandet worden, eine Weisung, bei der Geldannahme das Vier-Augen-Prinzip zu wahren, sei ihr nicht bekannt gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt bestand noch kein Tatverdacht gegen die Klägerin, wie die Beklagte eingeräumt hat.

Sie hat sie auch nicht in 2016 mit dem Verdacht konfrontiert, sie habe am 28.05.2015 115.000 Euro veruntreut, stehe in dem Verdacht der (Allein-)Täterschaft.

Nach Eingang des Berichts der Innenrevision vom 01.04.2016 bei dem Vorstand der Beklagten am 04.04.2016, in dem eine Täterschaft der Klägerin vermutet wurde, ist diese zu einer persönlichen Anhörung geladen worden.

Die Einladung liegt dem Gericht nicht vor. Möglicherweise ist sie fernmündlich erfolgt. Ob und gegebenenfalls welche Anhörungsthemen der Klägerin genannt wurden, ist nicht vorgetragen.

Das Anhörungsgespräch am 07.04.2016 ist entgegen guter Übung nicht protokolliert worden. Die nach Behauptung der Beklagten von Gesprächsteilnehmern nachträglich erstellten Notizen wurden im Prozess nicht vorgelegt.

Nach ihrem Vortrag sind zwei Themen mit der Klägerin erörtert worden, zum einen die Höhe der Geldbestellung am 27.05.2015, zum anderen die Bareinzahlungen auf ihr Konto sowie die Kontobewegungen. Ergänzend hat sie behauptet, die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie – die Beklagte – nach der Durchsuchung des Bankschließfachs im Februar 2016 die Interne Revision mit der Aufarbeitung des Verlustes vom 28.05.2015 beauftragt habe und eine weitere Aufklärung durch das Gespräch erfolgen solle. Der Revisionsbericht ist der Klägerin offenkundig nicht vorgelegt worden. Das war allerdings auch nicht zwingend erforderlich (dazu BAG 12.02.2015 a. a. O. Rdnr. 65).

Stattdessen ist ihr nach Vorbringen der Beklagten mitgeteilt worden, er habe Fragen insbesondere im Hinblick auf die Geldbestellung und das Umsatz- und Transaktionsverhalten auf den Konten der Klägerin, ihrer Angehörigen und im Hinblick auf die Geldentnahmen aus dem Schließfach aufgeworfen.

Der für die Verdachtskündigung maßgebliche Sachverhalt ist der Vorwurf, am 28.05.2015 seien in der Transportbox der Deutschen Bundesbank Babybrei und Waschpulver vorgefunden worden, die 115.000 Euro seien ordnungsgemäß in der Filiale angeliefert worden und hätten dem Geldbehältnis nur in der Filiale von ihr entnommen werden können. Der ihr tatsächlich vorgehaltene Verstoß gegen die Pflichten einer Kassiererin, nur notwendige Bargeldbeträge zu bestellen, dabei die Versicherungsgrenze zu wahren, betrifft einen anderen Pflichtenkatalog. Die von der Beklagten dargestellte Einlassung der Klägerin bezog sich lediglich auf die Umstände der Geldbestellung, die sie hinsichtlich der Höhe rechtfertigte und einräumte, die Grenzen der Versicherungsfähigkeit von Bargeldbeständen in Filialen gekannt zu haben.

Die Höhe der Geldbestellung ist jedoch nur ein Indiz für ihre Täterschaft. Sie musste allein aus diesem Vorwurf nicht den Schluss ziehen, die Beklagte hege den dringenden Verdacht, sie habe das angelieferte Geld veruntreut.

In der mündlichen Verhandlung hat sie bestritten, mit dem Vorwurf konfrontiert worden zu sein, für den Verlust der 115.000 Euro verantwortlich zu sein. Die Beklagte hat im Termin über ihren schriftsätzlichen Vortrag hinausgehend lediglich behauptet, sie habe auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hingewiesen, Schwerpunkt des Gespräches seien aber die Kontobewegungen gewesen. Diese wurden jedoch nach ihrer eigenen Schilderung nicht in den Kontext einer vermuteten Täterschaft der Klägerin gestellt, mag die Beklagte sie jetzt als Indiz für die Tatbegehung ansehen. Konfrontiert wurde die Klägerin mit dem Verdacht des Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz. Dieser Vorwurf bildete nach Behauptung der Beklagten den Schwerpunkt der Anhörung. Selbst wenn die Klägerin eingeräumt haben sollte, sie habe die Transaktionen über die Konten der Mutter vorgenommen, weil sie Angst vor Nachfragen hinsichtlich der Herkunft des Geldes gehabt habe, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass ihr klar war, von der Beklagten hinsichtlich des Vorfalls am 28.05.2015 als Täterin verdächtigt zu werden. Ihre Einlassung kann sich auch auf die im Prozess immer noch unklare Herkunft des Geldes aus anderen Quellen beziehen.

Die Klägerin musste auch nicht vor dem Hintergrund des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens davon ausgehen, sie stehe bei der Beklagten in dem Verdacht der Untreue, des Diebstahls. Die Beklagte hatte zunächst Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und sie entsprechend informiert. Sie kannte zwar die gegen sie gerichteten Durchsuchungsbeschlüsse, hatte sich im Ermittlungsverfahren jedoch nicht als Beschuldigte eingelassen. Der Beschluss des Landgerichts Bochum über die Anordnung eines dinglichen Arrests datiert – soweit ersichtlich – auf den 30.05.2016, die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Hamm auf den 10.10.2016, die Anklageschrift auf den 09.03.2017.

Angesichts des von der Beklagten in der Anhörung gesetzten Schwerpunkts – Pflichtverletzungen i.S.d. Geldwäschegesetzes - musste sich ihr nicht aufdrängen, sie werde nunmehr einer Straftat verdächtigt.

Die Beklagte hätte die Themen der Anhörung klar benennen müssen.

b. Ein wichtiger, die Kündigung rechtfertigender Grund folgt nicht aus den von ihr behaupteten Verstößen der Klägerin gegen das Geldwäschegesetz (GWG).

aa. Sie geht insoweit nicht von einem Verdacht, sondern von einer Tatbegehung aus, wie die Anhörung des Personalrats am 13.04.2016 und ihr Prozessvortrag ausweisen.

Eine schwerwiegende Pflichtverletzung kann auch in der erheblichen und schuldhaften Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, § 241 Abs. 2 BGB, liegen. Danach ist jede Partei des Arbeitsverhältnisses zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden. Allerdings kann es die berechtigten Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich nur dann beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zu dienstlichen Tätigkeiten hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsvertrag hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (BAG 27.01.2011 – 2 AZR 825/09 – Rdnr. 31, BAGE 137, 54).

1) Der Vorwurf der Beklagten betrifft außerdienstliches Verhalten. Die Klägerin hat nicht während der Arbeitszeit gegen das GWG verstoßende Einzahlungen und Kontenbewegungen vorgenommen, sondern sie in ihrem privaten, außerdienstlichen Bereich veranlasst.

Es liegt aber insofern ein Bezug zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten vor, als die Beklagte nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GWG verpflichtet ist, als Teil der internen Sicherungsmaßnahmen geeignete risikoorientierte Maßnahmen zur Prüfung der Zuverlässigkeit der Beschäftigten zu veranlassen. Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 GWG ist zuverlässig, wer die Gewähr dafür bietet, dass er die Pflichten aus dem GWG, sonstige geldwäscherechtlichen Pflichten und die beim Verpflichteten eingeführten Grundsätze, Verfahren, Kontrollen und Verhaltensrichtlinien zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sorgfältig beachtet, Tatsachen nach § 11 Abs. 1 GWG meldet und sich selbst nicht an zweifelhaften Transaktionen oder Geldgeschäften aktiv oder passiv beteiligt.

Hier geht es um den Vorwurf der aktiven Beteiligung an nach dem GWG zweifelhaften Geschäften.

Als Kreditinstitut im Sinne des § 1 Abs. 1 Kreditwesengesetz ist die Beklagten nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 GWG zur Veranlassung angemessener interner Maßnahmen verpflichtet, die verhindern, dass sie zur Geldwäsche missbraucht wird. Dazu gehört es auch, bei schwerwiegenden Anhaltspunkten für die fehlende Zuverlässigkeit im Rahmen der arbeitsrechtlich zulässigen Möglichkeiten von einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in geldwäschesensiblen Bereichen Abstand zu nehmen (LAG Berlin-Brandenburg 23.10.2014 – 21 Sa 800/14 – Rdnr. 49, BB 2015, 698).

2) Nach von der Klägerin insoweit nicht bestrittenem Vortrag der Beklagten sind Kassierer verpflichtet, Bareinzahlungen besonders zu prüfen. Bei allen Bareinzahlungen ab 1.000 Euro – gleich, ob auf das eigene oder ein fremdes Konto – ist eine Kopie für den Geldwäschebeauftragten zu erstellen. Bei Bareinzahlungen ebenfalls ab 1.000 Euro – gleich, ob sich der Betrag aus einer oder mehreren Einzahlungen ergibt – ist der Einzahler zu identifizieren, sind seine Daten anhand eines Legitimationspapiers zu überprüfen, ist ein GWG-Identifizierungsbogen zu erstellen und ein Geldwäsche-GekO zu erfassen. Bei Bareinzahlungen zu Gunsten Dritter muss der tatsächliche Einzahler angegeben werden.

Es kann dahinstehen, in welchem Zeitraum bei Stückelung der Einzahlungen der Betrag von 1.000 Euro mit der Notwendigkeit einer Überprüfung erreicht ist.

a) Die Klägerin hat die von der Beklagten geschilderten, zunächst den Kassierer betreffenden Pflichten nicht verletzt. Die ihr vorgehaltenen Einzahlungs- und Überweisungsvorgänge haben Kollegen vorgenommen. In ihrem Bericht vom 01.04.2016 hat die Interne Revision diesbezügliche Mängel festgestellt und ausgeführt, vor dem Hintergrund, dass es sich um Geldgeschäfte einer Mitarbeiterin gehandelt habe, sei die notwendige Sorgfalt und gegebenenfalls kritische Hinterfragung der Geldgeschäfte im Hinblick auf die Einhaltung der geldwäscherelevanten Vorschriften nicht beachtet beziehungsweise nicht mit Nachdruck verfolgt worden.

b) Die Klägerin hat jedoch in Kenntnis der geltenden Vorschriften zum GWG insbesondere am 20.07.2015, 31.08.2015, 24.11.2015 und im Dezember 2015 „geldwäscherelevante“ Beträge von über 1.000 Euro auf das Konto ihrer Mutter eingezahlt (insgesamt 11.050 Euro). Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Einzahlungsscheine vom 20.07.2015 und 30.08.2015 enthalten diese die Angabe „eigene Einzahlung“ und weisen die Mutter als Einzahlerin aus. Tatsächlich hat die Klägerin zumindest den Zahlungsschein über 2.000 Euro ausgefüllt und die Einzahlung vorgenommen. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Mutter bei dem Einzahlungsvorgang in der Filiale befand. Die Klägerin bestreitet zwar, den Einzahlungsschein über 4.500 Euro ausgefüllt zu haben – nach ihrem Vortrag hat die Kassiererin den Beleg ausgefüllt –, räumt allerdings ein, dass die Mutter bei der Einzahlung nur zugegen war, das heißt, sie hat die Einzahlung nicht selbst vorgenommen, sondern wiederum durch die Klägerin vornehmen lassen.

Des Weiteren wurden am 15.01.2016 1.310 Euro und noch einmal im Januar 2016 1.300 Euro auf das Konto der Tochter der Klägerin eingezahlt. Im Übrigen handelt es sich um unter 1.000 Euro liegende Beträge, häufig um Kleinstbeträge, die die Klägerin auf das Konto eingezahlt haben soll. Sie hat eingeräumt, gelegentlich Einzahlungen aufgrund von Einzahlungsbelegen vorgenommen zu haben, die bereits von der Tochter unterzeichnet waren. Ihre Einlassung, sie sei als Botin tätig geworden, ist unerheblich. Sie hätte als Einzahlerin ausgewiesen werden müssen.

Soweit die Beklagte ihr vorwirft, tatsächlich aus einer Straftat erworbenes Geld im Bankschließfach deponiert, durch Überweisungen insbesondere von den Konten ihrer Mutter und ihrer Tochter intransparent in den Geldverkehr eingeführt zu haben, setzt dieser erhebliche Vorwurf voraus, dass die Kammer von dem gegen sie gerichteten Verdacht einer Straftat auszugehen hat. Das ist aber – wie ausgeführt – nicht der Fall, weil die Beklagte den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hat.

Die lückenlos überprüfbaren Überweisungen auf das Konto der Klägerin ohne den Hintergrund des Verdachts einer Straftat sind nicht an sich geeignet, einen wichtigen Kündigungsgrund darzustellen. Es verbleibt bei Pflichtverletzungen durch Verschleierung des tatsächlichen Einzahlers bei verschiedenen Bargeldtransaktionen, die nicht ausreichend schwerwiegend sind. Sie wurden erst dadurch ermöglicht, dass die die Bareinzahlungen entgegennehmenden Kollegen ihrerseits ihre Pflichten verletzt haben, wie die Interne Revision festgestellt hat. Für die Kollegen war es erkennbar, dass die tatsächliche Einzahlerin und die in den Belegen ausgewiesene Einzahlerin nicht identisch waren. Erst ihre Nachlässigkeit oder Kollegialität hat die Aktionen der Klägerin ermöglicht. Sie hätten die ausgestellten Einzahlungsbelege zurückweisen, auf Ausstellung von die Klägerin als Einzahlerin ausweisenden Belegen bestehen und gegebenenfalls die Vorschriften der Beklagten zur Geldwäsche anwenden müssen.

II.

Die zulässige, gegen die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 19.04.2016 gerichtete Kündigungsschutzklage ist ebenfalls begründet.

Nicht nur die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist, die zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs dann geboten ist, wenn bei unterstellter ordentlicher Kündbarkeit die Einhaltung der Kündigungsfrist zumutbar ist (BAG 13.04.2000 – 2 AZR 259/99 – Rdnr. 37, EzA § 626 BGB n. F. Nr. 180) erfordert nach § 626 Abs. 1 BGB das Vorliegen von Tatsachen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis fortzuführen (BAG 17.11.2016 – 2 AZR 730/15 – Rdnr. 21, NZA 2017, 394).

Hier fehlt es an einem wichtigen Kündigungsgrund.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.