FG Hamburg, Urteil vom 12.09.2018 - 2 K 108/18
Fundstelle
openJur 2018, 6526
  • Rkr:

1. Eine Lohnnachzahlung, die ein Arbeitnehmer aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils für frühere Jahre erhält, ist kein laufender Arbeitslohn, sondern stellt "sonstige Bezüge" im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 4 EStG dar, der als Lohn des Jahres der Nachzahlung zu erfassen ist.

2. Die für eine Anwendung des § 34 EStG notwendige Zusammenballung von Einkünften liegt im Falle einer Entschädigungszahlung gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige unter Einschluss der Entschädigungszahlung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (bei normalem Ablauf der Dinge) erhalten hätte.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerrechtlich zutreffende Zuordnung von Zahlungen des ehemaligen Arbeitgebers an den Kläger.

Dem Kläger war zum 31. Dezember 2011 von seinem ehemaligen Arbeitgeber gekündigt worden. Vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg kam es am ... 2013 zu einem Vergleich, der unter anderem folgende Regelung vorsah:

1. Das Arbeitsverhältnis wird durch fristgerechte Kündigung der Beklagten vom ... 2011 aus dringenden betrieblichen Erfordernissen mit dem 31. Dezember 2013 enden. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen auf der Basis eines monatlichen Bruttoeinkommens von 7.700 € und die sich ergebenden Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen, ....

2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger für die Jahre 2011/2012 und 2012/2013 im September 2013 eine Tantieme von jeweils 32.340 € brutto und für das Geschäftsjahr 2013/2014 im Dezember 2013 eine Tantieme i.H.v. 16.170 € zu zahlen.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG i.H.v. 50.000 € zu zahlen. Die Auszahlung erfolgt unter Berücksichtigung der steuerlichen Abzüge im Januar 2014.

Die Zahlungen in Höhe von 265.650 € (Lohnnachzahlung für 2012 und 2013 zuzüglich Tantiemen) sowie 50.000 € (Abfindung) erfolgten vereinbarungsgemäß in 2013 bzw. 2014, den Streitjahren.

Mit Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 25. November 2015 setzte der Beklagte im Wege der Schätzung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 264.650 € (laufender nachgezahlter Lohn für 2012 und 2013 zzgl. Tantiemen abzgl. Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 1.000 €) fest. Mit Bescheid vom selben Tage setzte der Beklagte ebenfalls im Wege der Schätzung bei der Einkommensteuer 2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. H. v. 49.000 € (50.000 € Abfindungszahlung abzgl. 1.000 € Arbeitnehmerpauschbetrag) fest.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 18. Dezember 2015 Einspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die nachträgliche Berechnung des Gehalts für die Monate Januar 2012 bis Dezember 2013 durch den Arbeitgeber rechnerisch richtig durchgeführt worden sei, jedoch der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug für alle Monate in einer einzigen Lohnsteuerbescheinigung vorgenommen habe, anstatt die Lohnsteuerberechnung den Lohnsteuerjahrestabellen der einzelnen Lohnzahlungszeiträume zuzuordnen. Infolge dieser fehlerhaften Zuordnung der Gehälter in einem Jahr anstatt in zwei Jahren, nämlich den Lohnzahlungszeiträumen 2012 und 2013, sei die Lohnversteuerung durch den Arbeitgeber in nur einem Jahr, im Jahr 2013, berechnet worden. Durch die fehlerhafte Lohnabrechnung, abweichend von den Lohnzahlungszeiträumen, sei ihm, dem Kläger, ein progressionsbezogener Steuerschaden von mehr als 10.000 € entstanden. Eine Änderung der Lohnsteueranmeldung durch den Arbeitgeber zu Gunsten des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers sei nach der Übermittlung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr möglich gewesen. Fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigungen seien im Wege der Einkommensteuerantragsveranlagung zu berichtigen. Zur Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer könne stets eine Erstattung erfolgen, wenn die beim laufenden Lohnsteuerabzug während des Jahres einbehaltene Lohnsteuer zu hoch gewesen sei und der Arbeitgeber den Ausgleich durch eine Änderung des Lohnsteuerabzugs oder ein Lohnsteuerjahresausgleich selbst nicht durchgeführt habe.

Die Abfindung/Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes stelle eine Abfindung im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar, die nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG unter die ermäßigt zu besteuernden Einkünfte falle.

Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2018 änderte der Beklagte für die Streitjahre unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages i. H. v. 3.504 € die Einkommensteuerbescheide und wies den Einspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück.

Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne § 19 Abs. 1 EStG ergäben sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Nach § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG i. V. m. § 25 EStG seien die Grundlagen für die Einkommensteuer jeweils für ein Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) nach dem Zufluss und Abfluss von Gütern und nicht nach der Veränderung des Vermögensbestandes zu ermitteln. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG seien Einnahmen und Ausgaben nach dem kalenderjahrbezogenen Zu- und Abschlussprinzip zu erfassen, sofern nicht eine abweichende gesetzliche Ausnahmeregelung eingreife. Dies bedeute für den Streitfall, dass die Zahlung des ehemaligen Arbeitgebers im Kalenderjahr des Zuflusses als Arbeitslohn, also in 2013, zu erfassen sei.

Für das Streitjahr 2014 könne die Steuerermäßigung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht gewährt werden, da es sich bei der Zahlung i. H. v. 50.000 € nach den §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht um eine Zusammenballung von Einnahmen handele. Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG bezwecke, diejenigen Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung ergäben. Es müsse sich daher um eine Zusammenballung von Einnahmen handeln, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, da andernfalls ein sachlicher Grund für die von der Vorschrift bezweckte Milderung der tariflichen Spitzenbelastungen nicht vorläge. Danach seien außergewöhnliche Einkünfte stets einmalige, für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Einkünfte, die das zusammengeballte Ergebnis mehrerer Jahre darstellten. Die zusammengeballten Einkünfte müssten geeignet sein, eine infolge der Progressionswirkung des Tarifs höhere steuerliche Belastung des gesamten Einkommens auszulösen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiterhin, dass nur die auf das Kalenderjahr 2013 entfallenden laufenden Monatsgehälter und die vertraglich vereinbarte Tantieme als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für das Jahr 2013 angesetzt werden und die nach dem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht zu zahlende Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes i. H. v. 50.000 € nach § 24 Nr. 1 EStG i. V. m. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG in 2014 ermäßigt besteuert wird.

Zur Begründung seiner Klage wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor:

Die Nachberechnung und Nachzahlung der Gehälter für die Monate Januar 2012 bis Dezember 2013 sei keine Auszahlung eines so genannten "sonstigen Bezugs" im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, für den das Zuflussprinzip nach § 11 Abs. 1 EStG gelte. Sonstige Bezüge seien Bezüge, die ihrem Wesen nach nicht zum laufenden Arbeitslohn gehörten. Die Nachzahlung von Monatsgehältern sei dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Arbeitnehmer grundsätzlich regelmäßig fortlaufend zuflössen und dem Lohnzahlungszeitraum zugeordnet werden könnten. Die Definition des laufenden Arbeitslohns sei vor dem Hintergrund der vorgeschriebenen Steuerberechnungsmethode für solche Lohnzahlungen zu sehen, die auf den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum abstellen würden. Es bestehe deswegen eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen den beiden Begriffen. Lohnzahlungszeitraum sei der Zeitraum, für den der laufende Arbeitslohn gezahlt werde, und umgekehrt sei laufender Arbeitslohn der Lohn, der für einen Lohnzahlungszeitraum gewährt werde. Allein durch eine rechtswidrig ausgesprochene Kündigung und den einseitigen Verzicht des Arbeitgebers auf Auszahlung der arbeitsvertraglich festgelegten Gehälter verlören diese nicht den Charakter einer Lohnzahlung. Für die Beurteilung als sonstige Bezüge komme es darauf an, dass sich diese sowohl durch den Rechtstitel, auf den sich der Anspruch begründe, als auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen unterschieden. Durch die nachträglich festgestellte Rechtswidrigkeit der Kündigung sei der arbeitsvertragliche Gehaltsauszahlungsanspruch nicht untergegangen. Die Nachzahlung der Gehälter für insgesamt zwei Kalenderjahre in einer Summe führe nicht zu einem sonstigen Bezug.

Der Kläger beantragt,den Bescheid für 2013 über Einkommensteuer vom 25. November 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2018 insoweit zu ändern, dass nur die auf das Kalenderjahr 2013 entfallenden laufenden Monatsgehälter und die vertraglich vereinbarte Tantieme als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt werden sowieden Bescheid für 2014 über Einkommensteuer vom 25. November 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2018 insoweit zu ändern, dass die Abfindung in Höhe von 50.000 € nach § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG ermäßigt besteuert wird.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich vollumfänglich auf den im Einspruchsverfahren geführten Schriftverkehr sowie auf die Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2018.

Der Senat hat am 12. September 2018 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Dem Gericht haben vorgelegen ein Hefter ESt-Vorgänge 2012 sowie ein Hefter ESt-Vorgänge 2013 und 2014 zur Steuernummer...

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.

1. Der Einkommensteuerbescheid 2013 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat zutreffend die dem Kläger 2013 zugeflossenen nachträglichen Lohnzahlungen in voller Höhe bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in diesem Jahr erfasst.

a) Gemäß § 11 Absatz 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nach dieser für die Überschusseinkünfte, zu denen auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zählen, geltenden Regelung, sind die im Streitfall zu beurteilenden Lohnnachzahlungen zutreffend im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2013 erfasst worden. Die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG hat für die vorliegend zu beurteilende Lohnnachzahlung keine Änderung durch § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG erfahren. Nach dieser Vorschrift gelten für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. Dort ist geregelt, dass laufender Arbeitslohn als in dem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Nicht als laufender Arbeitslohn gezahlte sonstige Bezüge sind dagegen in dem Kalenderjahr bezogen, indem sie dem Arbeitnehmer zufließen. Diese Regelung dient der Vereinfachung des Lohnsteuerabzugsverfahrens und behält durch die Anordnung in § 11 Abs. 3 Satz 4 EStG auch für die Jahresbesteuerung ihre Wirkung (BFH-Urteil v. 22. Juli 1993 VI R 104/92 BStBl II 1993, 795).

Für die Zahlung von nicht laufendem Arbeitslohn, also für die Zahlung sonstiger Bezüge, verbleibt es somit beim Zuflussprinzip, während bei gezahltem laufendem Arbeitslohn das Zuflussprinzip durchbrochen wird.

Der Gesetzgeber hat damit unter anderem dem Umstand Rechnung getragen, dass Lohnabrechnungszeiträume nicht stets vom ersten bis zum letzten Tag eines Monats, sondern auch über den Monatswechsel und damit auch über den 31. Dezember eines Jahres hinaus dauern können. Er hat für Lohnzahlungen die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG durch die Spezialnorm des § 11 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG ersetzt. Dadurch ist der Arbeitgeber der Pflicht enthoben, bei Lohnzahlungen für kalenderjahrübergreifende Lohnzahlungszeiträume den Arbeitslohn nach seinem wirtschaftlichen Gehalt auf das abgelaufene und das neue Kalenderjahr aufzuteilen. Statt Überlegungen zu den Tatbestandsmerkmalen des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG wie "kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres" und der wirtschaftlichen Zugehörigkeit von Einnahmen anstellen zu müssen, kann sich der Arbeitgeber an dem Ende des Lohnzahlungszeitraums orientieren.

Hieraus kann abgeleitet werden, dass von § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG nur solche Lohnbestandteile erfasst werden sollen, die zu Lohnzahlungszeiträumen um den Jahreswechsel gehören. Nicht von dieser Vorschrift erfasst werden hingegen Lohnzahlungen für Lohnzahlungszeiträume eines bereits abgelaufenen Jahres oder noch früherer Jahre. Denn eine solche Anwendung der Vorschrift würde ihren Zweck missachten, Schwierigkeiten bei der zeitgerechten Lohnermittlung um die Jahreswende Rechnung zu tragen (BFH-Urteil v. 22. Juli 1993 VI R 104/92 BStBl II 1993, 795 m. w. N.). Eine Lohnnachzahlung, die ein Arbeitnehmer aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils für frühere Jahre erhält, ist kein laufender Arbeitslohn, sondern stellt sonstige Bezüge im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 4 EStG dar, der als Lohn des Jahres der Nachzahlung zu erfassen ist (BFH-Beschluss v. 29. Mai 1998 VI B 275/97 BFH/NV 1998, 1477).

b) Nach den vorstehenden Grundsätzen handelt es sich der Lohnnachzahlung sowie den Tantiemezahlungen um "sonstige Bezüge" im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, auf die das Zuflussprinzip Anwendung findet, mit der Folge, dass dem Kläger die Einnahmen in voller Höhe in 2013 zugeflossen und dementsprechend auch in diesem Jahr zu versteuern sind.

2. Der Einkommensteuerbescheid 2014 ist ebenfalls rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht die Anwendung der begünstigten Besteuerung gemäß § 34 EStG abgelehnt, da zwar eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG, jedoch keine Zusammenballung im Sinne des § 34 EStG vorliegt.

Die von dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers gezahlte Abfindung in Höhe von 50.000 € erfüllt unzweifelhaft die Voraussetzungen einer Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.

Die an den Kläger gezahlte Abfindung führt jedoch nicht zu einer Zusammenballung von Einkünften im Sinne von § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG.

a) § 34 Abs. 1 EStG bezweckt, eine erhöhte Steuerbelastung infolge einer Zusammenballung der in § 34 Abs. 2 genannten Arten von Einkünften abzumildern. Eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG ist nur dann gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt, wenn sie zu einer Zusammenballung von Einnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums führt. Diese Voraussetzung ist dann nicht erfüllt, wenn die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums (Jahresende) entgehenden Einnahmen nicht übersteigt und der Steuerpflichtige keine weiteren Einnahmen bezieht, die er bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht bezogen hätte (BFH-Urteil vom 6. September 1995 XI R 71/94 BFH/NV 1996, 204; Urteil vom 4. März 1998 XI R 46/97 BStBl II 1998, 787). Die Zusammenballung von Einkünften ist nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige unter Einschluss der Entschädigung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte (ständige Rechtsprechung, vergleiche BFH-Urteile vom 9. Oktober 2008 IX R 85/07, BFH/NV 2009, 558; vom 27. Januar 2010 IX R 31/09 BStBl II 2011, 28; vom 8. April 2014 IX R 33/13 BFH/NV 2014, 1358; vom 13. März 2018 IX R 16/17 - juris; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. November 2013 BStBl I 2013, 1326, Rz. 10). Die dafür notwendige, hypothetische und prognostische Betrachtung orientiert sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, das dem Veranlagungszeitraum, in dem die Entschädigung zufließt, am nächsten liegt.

Im Rahmen der Vergleichsberechnung sind zwei Größen einander gegenüberzustellen: Die "Ist-Größe", also das, was der Steuerpflichtige in dem betreffenden Veranlagungszeitraum (Streitjahr) einschließlich der Entschädigung insgesamt erhält, und die "Soll-Größe", nämlich die Einkünfte, die der Steuerpflichtige bei ungestörter Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses (bei normalem Ablauf der Dinge) erhalten hätte (BFH-Beschluss vom 9. März 2011 IX R 9/10, BFH NV 2011, 1320). Nach dem oben beschriebenen Normzweck sind im Rahmen der Vergleichsberechnung zur Ermittlung der Ist-Größe nicht die Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder die Art der vereinnahmten Einkünfte im Streitjahr maßgebend, sondern die potentiell progressionssteigernde Wirkung der tatsächlich bezogenen Einkünfte (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1982 III R 136/79, BStBl II 1983, 221; vom 21. März 1996 XI R 51/95 BStBl II 1996, 416; vom 8. April 2014 IX R 33/13 BFH NV 2014, 1358).

b) Nach den vorstehenden Grundsätzen liegt im Streitfall keine Zusammenballung von Einkünften vor.

Der Kläger hat im Jahr 2014 zu berücksichtigende Einkünfte in Höhe von 49.000 € (50.000 € Abfindungszahlung abzgl. 1.000 € Arbeitnehmerpauschbetrag) sowie 29.209 € (dem Progressionsvorbehalt unterliegende und daher bei der Berechnung der Ist-Größe mit zu berücksichtigende Lohnersatzleistungen), insgesamt also in Höhe von 78.209 €, erzielt.

Dies sind geringere Einkünfte als er bei ungestörter Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses (bei normalem Ablauf der Dinge) erhalten hätte. Selbst wenn man die in der Vergangenheit erhaltenen Tantiemezahlungen außer Acht lässt und nur die monatlichen Lohnzahlungen von 7.700 €, wie sie aus dem vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg geschlossenen Vergleich ersichtlich sind, zugrunde legt, hätte der Kläger in 2014 Einkünfte in Höhe von mindestens 91.400 € (92.400 € abzgl. 1.000 € Arbeitnehmerpauschbetrag) erzielt. Da die potentiell progressionssteigende Wirkung der tatsächlich bezogenen Einkünfte maßgebend ist (BFH-Urteil vom 8. April 2014 IX R 33/13 BFH NV 2014, 1358), liegt daher keine Zusammenballung im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG vor.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.