OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.01.2009 - 6 W 4/09
Fundstelle
openJur 2012, 61146
  • Rkr:

Sind in einem Auskunftsersuchen nach § 101 Abs. 9 UrhG mehrere Anträge zusammengefasst, denen unterschiedliche Lebenssachverhalte zu Grunde liegen, handelt es sich gebührenrechtlich um mehrere Anträge, die jeweils eine gesonderte Gebühr nach § 128c KostO auslösen. Ein wesentlicher Unterschied im Sachverhalt liegt jedenfalls dann vor, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Ersuchen Verletzungshandlungen zu Grunde liegen, die mehrere Personen unabhängig voneinander begangen haben. Das ist zu bejahen, wenn ein Werk unter Verwendung unterschiedlicher Client-Programm-GUID zum Download angeboten worden ist. Dagegen begründet der Umstand, dass dasselbe Werk unter Verwendung unterschiedlicher IP-Adressen zum Download angeboten worden ist, noch keinen wesentlichen Unterschied im genannten Sinne.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 07.11.2008 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Kostenansatz für einen Antrag auf Anordnung zur Erteilung von Auskünften über die Inhaber von IP-Adressen.

Die Antragstellerin hat beim Landgericht Mannheim beantragt, der Beteiligten zu 2 zu gestatten, Auskunft darüber zu erteilen, welche Personen zu näher genannten, verschiedenen Zeitpunkten drei IP-Adressen verwendet haben. Hierzu hat sie folgendes vorgetragen:

Die Antragstellerin ist Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an einem Computerspiel. Mit Hilfe eines von ihr beauftragten Unternehmens hat sie in Erfahrung gebracht, dass dieses Spiel über das Peer-to-Peer-Netzwerk BitTorrent im Internet zum Download angeboten wurde. Die Antragstellerin konnte dabei nicht nur die IP-Adresse in Erfahrung bringen, unter der das Angebot erfolgte, sondern auch eine eindeutige Kennung (Globally Unique ID, GUID), die das für den Datenaustausch verwendete Client-Programm bei der Installation erzeugt hat. Eine solche GUID wird stets von neuem vergeben, wenn ein Client-Programm für den Zugriff auf das Peer-to-Peer-Netzwerk auf einem Rechner installiert wird - auch dann, wenn ein einzelner Nutzer dasselbe Client-Programm auf demselben oder verschiedenen Rechnern mehrfach installiert. Während sich die IP-Adresse bei privaten Internet-Anschlüssen in der Regel mindestens täglich ändert, bleibt die GUID erhalten, solange die jeweilige Installation des Client-Programms auf dem Rechner verbleibt.

Nach den Erkenntnissen der Antragstellerin wurde das in Rede stehende Computerspiel im Zeitraum vom 16. bis 17.09.2008 unter insgesamt drei verschiedenen GUID angeboten. Für jede dieser GUID wurden im angegebenen Zeitraum jeweils drei unterschiedliche IP-Adressen verwendet. Mit ihrem Antrag strebte die Antragstellerin Auskünfte über jeweils eine IP-Adresse zu jeder der drei verwendeten GUID an.

Das Landgericht hat die begehrte Anordnung mit Beschluss vom 24.09.2008 antragsgemäß erlassen. Mit Rechnung vom 01.10.2008 hat die Kostenbeamtin gemäß § 128c Nr. 4 KostO eine Gebühr von 600,00 Euro angesetzt. Mit ihrer erfolglos gebliebenen Erinnerung und ihrer daraufhin eingelegten Beschwerde begehrt die Antragstellerin eine Reduzierung der Gebühr auf 200,00 Euro.

Der zunächst zuständige Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 15.01.2009 gemäß § 14 Abs. 7 Satz 2 KostO auf den Senat übertragen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 14 Abs. 3 KostO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Kostenbeamtin hat für die vom Landgericht getroffene Entscheidung zu Recht gemäß § 128c Nr. 4 KostO eine Gebühr von insgesamt 600,00 Euro angesetzt.

1. Gemäß § 128c Nr. 4 KostO, der am 01.09.2008 in Kraft getreten ist, wird für die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG eine Gebühr von 200,00 Euro erhoben. Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass bei Anträgen, die auf Verletzungshandlungen mehrerer Personen gestützt sind, die genannte Gebühr für jeden Verletzer gesondert anfällt.

a) Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht eindeutig entnehmen, was als Antrag zu verstehen ist. Er lässt sowohl eine Anknüpfung an formale als auch an inhaltliche Kriterien zu. Der Sinn und Zweck der Gebührenvorschrift spricht nach Auffassung des Senats für eine am Inhalt des jeweiligen Begehrens orientierte Anwendung.

Nach den Gesetzesmaterialien trägt die in § 128c KostO vorgesehene Gebühr dem tatsächlichen Aufwand des Gerichts sowie der Bedeutung der abzuwägenden Gesichtspunkte Rechnung (Bundestags-Drucksache 16/5048, S. 36). Dies geschieht zwar nicht in der Weise, dass die Gebühr stets nach dem im Einzelfall konkret angefallenen Aufwand zu bemessen wäre. Gerade weil sich die Gebühr einerseits am Aufwand orientiert, andererseits auf einen Pauschalbetrag festgelegt wurde, kann die Gebührenbemessung nach Auffassung des Senats aber nicht allein nach formalen Kriterien erfolgen. Ein Antragsteller hätte es ansonsten - innerhalb der durch die kurzen Aufbewahrungsfristen vorgegebenen zeitlichen Grenzen - in der Hand, die Gebührenhöhe dadurch zu minimieren, dass er inhaltlich selbständige Anträge sammelt und in einer formal einheitlichen Antragsschrift zusammenfasst. Dies würde dem genannten Zweck der Gebührenvorschrift zuwiderlaufen. Bei der Zusammenfassung mehrerer inhaltlich nicht zusammengehöriger Anträge muss das Gericht jeden einzelnen Sachverhalt einer gesonderten inhaltlichen Prüfung unterziehen. Dabei mag zwar ein gewisser Degressionseffekt eintreten, soweit die für den Antrag relevanten Tatsachen in bestimmten Teilen übereinstimmen. Dennoch steigt der Aufwand für die Bearbeitung an, je mehr unterschiedliche Sachverhalte das Gericht zu beurteilen hat. Der Intention des Gesetzgebers, die Gebühr einerseits zu pauschalieren, andererseits aber am entstehenden Aufwand auszurichten, entspricht es vor diesem Hintergrund am besten, wenn auch im Falle der Zusammenfassung mehrerer inhaltlich unterschiedlicher Anträge für jeden Antrag eine gesonderte Gebühr anfällt.

b) Ob ein auf mehrere Auskünfte gerichtetes Begehren einen einheitlichen Antrag im Sinne von § 128c KostO bildet, ist nach Auffassung des Senats danach zu beurteilen, ob dem Antrag im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zu Grunde liegt. Unterscheidet sich der zur Begründung vorgetragene Lebenssachverhalt für einzelne Teile des Begehrens in einem wesentlichen Punkt, handelt es sich gebührenrechtlich um mehrere Anträge, die jeweils eine gesonderte Gebühr nach § 128c KostO auslösen.

c) Der vorliegende Fall erfordert keine abschließende Entscheidung über die Kriterien, die für die danach vorzunehmende Abgrenzung maßgeblich sind. Ein wesentlicher Unterschied im Sachverhalt liegt jedenfalls dann vor, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Ersuchen Verletzungshandlungen zu Grunde liegen, die mehrere Personen unabhängig voneinander begangen haben. Letzteres ist zu bejahen, wenn ein Werk unter Verwendung unterschiedlicher Client-Programm-GUID zum Download angeboten worden ist.

Der Umstand, dass dasselbe Werk unter Verwendung unterschiedlicher IP-Adressen zum Download angeboten wurde, begründet allerdings noch keinen wesentlichen Unterschied im genannten Sinne (im Ergebnis wohl ebenso OLG Köln GRUR-RR 2009, 38). Wie die Antragstellerin im Ansatz zutreffend darlegt, kann aus der Verwendung unterschiedlicher IP-Adressen nicht sicher darauf geschlossen werden, wie viele Personen eine Schutzrechtsverletzung begangen haben.

Anträge wegen Verletzungshandlungen, die unter Verwendung unterschiedlicher Client-GUID begangen wurden, sind demgegenüber grundsätzlich als inhaltlich unterschiedliche Anträge zu bewerten, die jeweils für sich eine Gebühr nach § 128c KostO auslösen. Angesichts des oben aufgezeigten Zusammenhangs zwischen GUID und einzelner Programminstallation kann zwar auch in dieser Konstellation nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass derselbe Verletzer unter Verwendung mehrerer GUID tätig war. Bei einer typisierenden Betrachtung, die angesichts der pauschalierten Gebührenregelung geboten erscheint, ist aber in der Regel davon auszugehen, dass sich hinter unterschiedlichen GUID auch unterschiedliche Nutzer verbergen. Besondere Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall eine abweichende Beurteilung nahelegen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der Einwand der Antragstellerin, aufgrund des technisch bedingten häufigen Wechsels der IP-Adressen sei mit exorbitanten Gebühren zu rechnen, die im wirtschaftlichen Ergebnis den einzelnen Verletzer belasteten, geht angesichts dessen ins Leere. Sofern ein Verletzer unter Verwendung derselben Client-GUID Verletzungshandlungen begeht, fällt zu seinen Lasten auch dann nur eine Gebühr pro Anordnungsverfahren an, wenn er eine Vielzahl von IP-Adressen verwendet hat. Wird ein Verletzer unter Verwendung mehrerer GUID tätig, ist die damit verbundene stärkere Kostenbelastung zumutbar, weil der Benutzer - anders als bei IP-Adressen - selbst bestimmen kann, wie viele GUID er erzeugt und einsetzt.

Ob eine wesentliche Abweichung und damit ein inhaltlich gesonderter Antrag auch dann anzunehmen ist, wenn ein Verletzer mehrere unterschiedliche Werke zum Download anbietet (so OLG Köln GRUR-RR 2009, 38) und ob die Zahl der verwendeten GUID und die Zahl der betroffenen Werke gegebenenfalls miteinander zu multiplizieren sind, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Die dem Gesuch der Antragstellerin zu Grunde liegenden Verletzungshandlungen betreffen alle dasselbe Werk.

2. Nach allem hat das Landgericht hier zu Recht eine Gebühr von 600,00 Euro festgesetzt. Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 9 KostO).