BVerfG, Beschluss vom 08.10.2007 - 2 BvR 1846/07
Fundstelle
openJur 2011, 25616
  • Rkr:
Tenor

Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Vergabe eines Beförderungsdienstpostens an einen Konkurrenten; er ist insbesondere der Auffassung, dass das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle unzutreffend festgelegt worden sei.

I.

1. Der Beschwerdeführer ist als Oberregierungsrat im Dienste des Landes Nordrhein-Westfalen tätig und wird seit 1981 als Anstaltspsychologe in verschiedenen Justizvollzugsanstalten eingesetzt. Im Jahr 1999 erwarb er die Approbation zum psychologischen Therapeuten. Ende des Jahres 2005 schrieb das Landesjustizministerium die Stelle eines Koordinators im psychologischen Dienst bei der Justizvollzugsanstalt B. (BesGr A 15) aus; Anfang des Jahres 2006 erfolgte eine weitere Ausschreibung für eine zweite in B. gelegene Justizvollzugsanstalt. Der Beschwerdeführer wandte sich jeweils gegen das Anforderungsprofil und trug vor, angesichts der nach der Stellenbeschreibung wahrzunehmenden Aufgaben müsse der Stelleninhaber aus gesetzlichen Gründen das Qualifikationsmerkmal psychologischer Psychotherapeut aufweisen. Indem das Anforderungsprofil hierauf verzichte, verstoße es gegen zwingende Vorgaben. Über die zu den Verwaltungsgerichten erhobenen Klagen auf erneute Ausschreibung der Stellen mit geändertem Anforderungsprofil ist noch nicht entschieden.

2. Das Justizministerium teilte dem Beschwerdeführer daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, die Stellen auf Mitbewerber - zunächst im Wege der Abordnung für die neunmonatige Probezeit - zu übertragen. Diese seien in den aus Anlass der Bewerbung erstellten Beurteilungen besser bewertet worden. Auf das Erfordernis der Approbation zum psychologischen Psychotherapeuten sei bewusst verzichtet worden, da für den Aufgabenbereich des Koordinators eine entsprechende Spezialisierung nicht im Vordergrund stehe. Der Schwerpunkt der diese Position auszeichnenden Tätigkeiten liege vielmehr im Bereich der Koordination und Leitung einer Fachgruppe im Gesamtverbund der Justizvollzugsanstalt. Ein zwingendes Erfordernis der Beschränkung auf psychologische Psychotherapeuten ergebe sich auch nicht aus den einzelnen Aufgabenbereichen. Denn der Koordinator müsse nicht zwangsweise unmittelbar psychotherapeutisch tätig werden. Vielmehr werde die gegebenenfalls durchzuführende Psychotherapie von anderen - gegebenenfalls auch anstaltsexternen - psychologischen Therapeuten vorgenommen. Die damit allein verbleibende Entscheidung darüber, ob die Voraussetzung für eine psychotherapeutische Behandlung gegeben ist und der Bewilligung empfohlen werden kann, setze aber die Zusatzqualifikation des psychologischen Psychotherapeuten nicht voraus. Hierfür sei das im Anforderungsprofil enthaltene Merkmal eines abgeschlossenen Studiums der Psychologie sowie der fachspezifischen Erfahrung im Justizvollzug ausreichend.

3. Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieben erfolglos und wurden letztinstanzlich durch Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juli 2007 zurückgewiesen.

4. Mit den Verfassungsbeschwerden rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 33 Abs. 2 GG; zugleich beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Zu Unrecht seien die Verwaltungsgerichte davon ausgegangen, dass für den Aufgabenbereich der ausgeschriebenen Stelle des Koordinators des psychologischen Dienstes einer Justizvollzugsanstalt die Qualifikation der Approbation als psychologischer Psychotherapeut nicht erforderlich sei. Richtigerweise müsse jedoch angesichts der von der Psychologenkonferenz vorzunehmenden Indikationsstellung für eine psychotherapeutische Behandlung von einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit im Sinne des Psychotherapeutengesetzes ausgegangen werden. Dem ausgewählten Mitbewerber, der nicht über diese Zusatzausbildung verfüge, fehle es daher bereits an der Eignung für die ausgeschriebene Stelle.

II.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Allerdings kommt dem Beschwerdeführer ein Anordnungsgrund für den im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung zu, obwohl Gegenstand der Personalentscheidung nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amtes, sondern nur die Übertragung eines Beförderungsdienstpostens war, so dass die Auswahlentscheidung gegebenenfalls ersetzt und die Übertragung des Dienstpostens auf einen Mitbewerber rückgängig gemacht werden könnte (vgl. BVerwGE 115, 58). Denn ausweislich der Feststellungen im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen führt die Bewährung auf dem Dienstposten nach Ablauf der Bewährungszeit unmittelbar zur Beförderung, so dass eine nachfolgende Auswahlentscheidung, die den Beschwerdeführer in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzen könnte, nicht mehr stattfindet. Effektiver Rechtsschutz zur Sicherung der Bestenauslesegrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG hat - wie von den Fachgerichten zutreffend angenommen - hier daher bereits im Zeitpunkt der Dienstpostenvergabe stattzufinden. Die Frage, ob bereits der unberechtigte Bewährungsvorsprung, den eine rechtswidrige Dienstpostenvergabe nach sich ziehen würde, die Notwendigkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zur Rechtswahrung des Mitbewerbers rechtfertigen könnte oder ob hierfür die Nichtberücksichtigung der Bewährungszeit im Rahmen der nachfolgenden Beförderungsentscheidung ausreichen könnte, bedarf daher keiner Entscheidung (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Juni 2005 - 2 BvR 221/05 -, ZBR 2006, S. 165).

2. Der geltend gemachte Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG liegt jedoch nicht vor.

a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen.

aa) Die Geltung dieses Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Bestenauslesegrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Art. 33 Abs. 2 GG gibt somit die entscheidenden Beurteilungsgesichtspunkte für die Bewerberauswahl zur Besetzung von öffentlichen Ämtern abschließend vor. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist (vgl. BVerwGE 122, 147 <149 f.>; 124, 99 <102>).

Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens; der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, S. 200 <201>).

bb) Aus Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG folgt daher die Möglichkeit des unterlegenen Bewerbers, in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen, ob er durch die Auswahlentscheidung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf fehlerfreie Auswahl verletzt worden ist.

Der Beamte kann dabei sowohl geltend machen, selbst in rechtswidriger Weise benachteiligt worden zu sein (vgl. etwa BVerwGE 122, 147 <151> zum Erfordernis eines Mindestdienstalters), als auch eine auf sachfremden Erwägungen beruhende unzulässige Bevorzugung des ausgewählten Konkurrenten rügen (vgl. etwa BVerwGE 124, 99 <103> für die Auswahl anhand der Wertigkeit des Dienstpostens, den der Mitbewerber innehatte). Der Fehler kann daher sowohl in der Qualifikationsbeurteilung des Beamten als auch in derjenigen des erfolgreichen Bewerbers oder im Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern liegen (vgl. Zängl, in: GKÖD, Bd. I, K § 8 Rn. 127).

cc) Dies gilt auch dann, wenn die Auswahlentscheidung auf einem Umstand beruht, der Bestandteil des Anforderungsprofils der ausgeschriebenen Stelle war (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2007 - 2 BvR 1972/07 -).

Zwar dient die Einrichtung und Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Hierdurch nimmt der Dienstherr keine Verpflichtung gegenüber seinen Beamten wahr; ein subjektives Recht auf Ausbringung einer bestimmten Planstelle besteht daher nicht. Über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten entscheidet der Dienstherr nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten (vgl. BVerwGE 101, 112 <114>; 115, 58 <59>; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 2 C 31/99 -, ZBR 2001, S. 140 <141>). Es obliegt daher auch seinem organisatorischen Ermessen, wie er einen Dienstposten zuschneiden will und welche Anforderungen demgemäß der Bewerberauswahl zugrunde zu legen sind. Er kann etwa wählen, ob er eine Stelle im Wege der Beförderung oder der Versetzung vergeben will (vgl. BVerwGE 122, 237 <242>).

Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist die öffentliche Verwaltung aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden; eine Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt kann deshalb nur aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 1999 - 2 BvR 1992/99 -, ZBR 2000, S. 377; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 2007 - 2 BvR 2494/06 -, Rn. 11). Eine starre Festlegung auf Frauen oder Männer etwa kommt demgemäß grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. etwa § 7 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen oder § 8 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes). Auch die Organisationsgewalt ist dem Dienstherrn nicht schrankenlos zugesprochen; dieser hat vielmehr die gesetzlichen Vorgaben - und damit insbesondere den Grundsatz der Bestenauslese (vgl. BVerwGE 110, 363 <368>; 122, 147 <153>) - zu berücksichtigen und darf sich nicht von sachwidrigen Erwägungen leiten lassen.

dd) Die Einhaltung dieser Maßstäbe unterliegt auch der gerichtlichen Kontrolle, weil mit der Festlegung des Anforderungsprofils ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen wird (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24. August 2004 - 5 ME 92/04 -, NdsRpfl 2004, S. 322 <323> sowie bereits Beschluss vom 21. November 1995 - 5 M 6322/95 -, NVwZ-RR 1996, S. 677; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. März 1994 - 13 B 10166/94 -, DÖD 1994, S. 294 <295>; Zängl, in: GKÖD Bd. I, K § 8 Rn. 8). Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest, an ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen (vgl. BVerwGE 115, 58 <60 f.>). Fehler im Anforderungsprofil führen daher grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Leistungsgrundsatz orientierten Gesichtspunkten beruhen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 29. Juli 1993 - 3 CE 93.1964 -, ZBR 1994, S. 350 <351>).

b) Diesen Maßstäben tragen die angegriffenen Entscheidungen Rechnung.

Die Einschätzung der Fachgerichte, dass die Approbation als psychologischer Psychotherapeut keine zwingende Voraussetzung für die Vergabe der ausgeschriebenen Stelle ist - und die ausgewählten Mitbewerber daher nicht von vornherein als ungeeignet bewertet werden müssen -, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Ausübung von Psychotherapie im Sinne des Psychotherapeutengesetzes nur die Ausübung von Heilkunde umfasst (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 3 Satz 3 PsychThG sowie BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 - 3 C 44/01 -, Rn. 17). Psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben, sind dagegen ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Psychotherapeutengesetzes ausgenommen. Die Beschwerde hat nicht dargetan, dass der Aufgabenbereich der ausgeschriebenen Stelle des Koordinators im psychologischen Dienst einer Justizvollzugsanstalt zwingend derartige heilkundlich psychotherapeutische Tätigkeiten beinhaltet. Zu Recht haben die Verwaltungsgerichte ausgeführt, dass die besonderen Anforderungen für die ausgeschriebene Stelle ausweislich der Stellenbeschreibung primär im Bereich des Managements und der Personalführung liegen.

Dies gilt auch in Ansehung der im Anforderungsprofil enthaltenen Aufgabenstellung ?Einberufung und Leitung der Psychologenkonferenz?. Selbst wenn hierfür therapeutische Kenntnisse nützlich sein sollten, handelt es sich jedenfalls nicht um die Ausübung von Psychotherapie und damit nicht um eine erlaubnispflichtige Tätigkeit, die allein dem durch eine Approbation zugelassenen Personenkreis eröffnet ist. Dies ist von den Verwaltungsgerichten ausführlich und zutreffend dargelegt worden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass in der Justizvollzugsanstalt sowohl anstaltsinterne Psychotherapeuten beschäftigt werden als auch auf anstaltsexterne Psychotherapeuten zurückgegriffen wird. Dem Koordinator steht daher die Möglichkeit offen, eine nach dem Psychotherapeutengesetz befähigte Person einzuschalten, wenn sich Anhaltspunkte für eine behandlungsbedürftige Störung ergeben. Angesichts dieser Sachlage ist nicht zu beanstanden, dass die Verwaltungsgerichte die Zusatzqualifikation als psychologischer Psychotherapeut nicht als zwingende Eignungsvoraussetzung für den Inhaber der ausgeschriebenen Stelle angesehen haben. Es steht im Ermessen des Dienstherrn, ob er beim Zuschnitt der Stelle eines Koordinators im psychologischen Dienst einer Justizvollzugsanstalt unmittelbare Therapietätigkeiten vorsieht oder nicht.

3. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird abgesehen (vgl. § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.