VG Berlin, Urteil vom 25.06.2009 - 3 A 319/05
Fundstelle
openJur 2011, 94443
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung des ihr von der Beklagten verliehenen Doktorgrades.

Die 1970 geborene Klägerin studierte von Oktober 1989 bis Dezember 1995 an der T. Betriebswirtschaftslehre und schloss das Studium als Diplom-Kauffrau ab. Parallel dazu hatte sie an einer Hochschule in Paris ebenfalls ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre erworben. Im Dezember 2000 zeigte sie der Beklagten an, dass sie die gleichzeitige Durchführung von Promotionsvorhaben an der Beklagten sowie an der Universität L. anstrebe, wogegen seitens der Beklagten unter der Voraussetzung, dass beiden akademischen Graden zwei unterschiedliche Dissertationen zugrunde liegen müssten, keine Bedenken erhoben wurden.

Unter dem 15. Januar 2001 beantragte die Klägerin die Zulassung zum Promotionsverfahren am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Beklagten gemäß der Promotionsordnung vom 27. Januar 1993. Die am 16. Januar 2001 unter Betreuung von Prof. D. fertig gestellte Dissertation zu dem Thema „Die Determinanten des südafrikanischen Investitionsklimas im Neuen Südafrika und ihre Auswirkungen auf ausländische Direktinvestitionen“ legte die Klägerin der Beklagten im Mai 2001 mit einer schriftlichen Erklärung unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 der Promotionsordnung vor, dass sie für die Dissertation folgende Hilfsmittel und Hilfen verwendet habe: „Siehe Literaturverzeichnis“ und dass sie auf dieser Grundlage die Arbeit selbstständig verfasst habe. Als Bestandteil der Arbeit fügte sie nach dem 21-seitigen „Quellen- und Literaturverzeichnis“ und einer Darstellung ihres Werdegangs eine eidesstattliche Erklärung an, dass sie „die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe“. Darin heißt es weiter: „die aus fremden Quellen (einschließlich elektronischer Quellen) direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.“ In einer der veröffentlichten Fassung der Dissertation vorangestellten „Danksagung“ sprach die Klägerin ihrem Doktorvater ganz besonderen Dank „für den Freiraum bei der Auswahl des Themas und dessen Bearbeitung“ aus.

In seinem Erstgutachten vom 25. Mai 2001 bewertete Prof. F. die Arbeit mit „cum laude (gut)“ und bemerkte am Ende des Gutachtens, die Arbeit sei „keine wissenschaftliche Meisterleistung, sondern ein Produkt gesunden Menschenverstandes und wohl organisierter empirischer Forschungsarbeit“. Der Zweitgutachter, Prof. D., schloss sich der Bewertung im Ergebnis an und bemerkte in seinem Gutachten: „In Inhalt wie Aufbau gleicht die Arbeit eher einer Studie, die für Unternehmen erstellt wird, die vor Investitionsentscheidungen in Südafrika stehen, als einer typischen Dissertation“ und „Die Leistung der Arbeit liegt denn auch weniger in ihrem im engeren Sinne wissenschaftlich-analytischen Gehalt als vielmehr darin, dass F. (die Klägerin) die Darstellung der Investitionsbedingungen und der Schwierigkeiten, vor denen Regierungen, Gewerkschaften und die Menschen in Südafrika im Allgemeinen stehen, gut und überzeugend gelungen ist“. Nach der mit „melius quam rite“ bewerteten Disputation verlieh der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Beklagten der Klägerin am 5. Juli 2001 den akademischen Grad einer Doktorin der Wirtschaftswissenschaft (Dr. rer. pol.) mit dem Gesamturteil „cum laude (gut)“.

Im Juni 2003 zeigte der Dekan der Fakultät Wirtschaft und Management der T. Universität B. dem Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Beklagten an, dass eine am Lehrstuhl von Prof. L. des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der T. Universität B. von Frau C. gefertigte und im Februar 1996 vorgelegte Diplomarbeit mit dem Titel „Die Determinanten des südafrikanischen Investitionsklimas - Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung ausländischer Direktinvestitionen“ nach Darstellung des Lehrstuhlinhabers „in weiten Teilen oft wörtlich und gänzlich ohne Zitat“ in der Dissertation der Klägerin verwendet worden sei. In einer dreiseitigen Auflistung, die diesem Schreiben beigefügt war, wurden knapp 90 Passagen als in beiden Arbeiten übereinstimmend bezeichnet.

Diese Diplomarbeit ist weder in dem „Quellen- und Literaturverzeichnis“ noch in einer der über 700 Fußnoten der Dissertation der Klägerin genannt.

Im Juli 2003 empfahl der Betreuer der Dissertation der Klägerin (Prof. F.) dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses (Prof. W.) die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrades und begründete dies damit, dass ihm der Plagiatsvorwurf nach Prüfung eindeutig erscheine. Titel und Aufbau der Arbeit seien von erheblicher Ähnlichkeit, der Dissertation seien einige Kapitel hinzugefügt, die in der Diplomarbeit fehlten, 95 von insgesamt 294 Seiten der Dissertation seien vom Plagiatsvorwurf nicht betroffen, im Übrigen gebe es eine sehr augenfällige Übereinstimmung, teilweise fast wörtliche Übernahmen. Dies beziehe sich auch auf die Darstellung von Fakten. In der Dissertation seien zahlreiche mit der Diplomarbeit „ganz bzw. fast übereinstimmende Formulierungen“ zu finden, zum Teil umfassten die Übereinstimmungen ganze Absätze.

Die mit Schreiben vom 14. Juli und 4. August 2003 in Kenntnis gesetzte Klägerin nahm mit Schreiben vom 4. September 2003 zu dem Plagiatsvorwurf Stellung: Es seien auch geringfügigste Übereinstimmungen aufgelistet worden, die Überstimmungen seien teilweise unvermeidlich, soweit Übereinstimmungen unverkennbar seien, seien diese zwangsläufig, weil es sich um überwiegend deskriptiv angelegte Kapitel handele. Ferner seien Übereinstimmungen durch die Benutzung derselben Quellen zu erklären, andererseits weise ihre Dissertation deutliche Unterschiede zu der Diplomarbeit auf, da sie die Entwicklung zwischen 1994 und 2001 berücksichtige. Sie räume ein, es versäumt zu haben, die Diplomarbeit „ordentlich zu zitieren“. Dies sei jedoch allein deshalb unterblieben, weil bei Fertigstellung der Dissertation ihr Kraftfahrzeug, in dem sich neben anderen Büchern auch die Diplomarbeit befunden habe, gestohlen worden sei und weil es ihr nicht gelungen sei, ein anderes Exemplar der Diplomarbeit zu erlangen. Mit der Verfasserin der Diplomarbeit habe sie sich mittlerweile durch Abschluss eines Vergleichs ohne Anerkennung einer Urheberrechtsverletzung geeinigt.

In diesem von der Beklagten im Verlauf des vorliegenden Klageverfahrens in Kopie übersandten „Rechtsanwaltsvergleich“ vom 24./26. März 2003 verpflichtete sich die Klägerin, die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Verwertung der veröffentlichten Fassung ihrer Dissertation sowie die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Verwertung der Diplomarbeit oder von Teilen dieser Arbeit zu unterlassen. Ferner erkannte die Klägerin das Urheberrecht der Verfasserin der Diplomarbeit an deren Arbeit an, verpflichtete sich, bis auf ein zum privaten Gebrauch bestimmtes Exemplar sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke ihrer Dissertation zu vernichten sowie Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (Schadensersatz wegen Verletzung des Urheberrechts) sowie eine Entschädigung gemäß § 97 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (Nichtvermögensschaden bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Urheberrechtsverletzung) zu leisten und der Verfasserin der Diplomarbeit deren Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

Der Zweitgutachter der Dissertation der Klägerin, Prof. N., schloss sich im September 2003 der Empfehlung, der Klägerin den Doktorgrad abzuerkennen, mit der Begründung an, es handele sich um einen gravierenden Fall von Plagiat, da die Texte stellenweise wörtlich identisch und da Struktur und Argumentation der Diplomarbeit übernommen worden seien. Bei vielen Einzelheiten deuteten die Formulierungen darauf hin, dass auch weitere, nicht direkt nachweisbare Anleihen bei der Diplomarbeit gemacht worden seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei der Dissertation der Klägerin nicht um eine sonderlich anerkennenswerte Leistung im analytisch-wissenschaftlichen Sinne gehandelt habe, sondern dass eher die stellenweise akribische Detailforschung und die überzeugende Gesamtdarstellung honoriert worden seien. Diese Leistungsdimensionen seien nunmehr weggefallen.

Die Beklagte leitete zunächst ein Verfahren nach ihrer Ehrenkodex-Satzung („Ehrenkodex Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“) ein. Prof. R. als Vertrauensperson des Ehrenkodex des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Beklagten bestätigte im Dezember 2003 gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, dass auch seiner Auffassung nach der Plagiatsvorwurf berechtigt sei; jedenfalls liege eine gravierende Verletzung des Zitiergebots vor. Im Januar 2004 übergab Prof. R. den Fall der zentralen Vertrauensperson, Prof. H., zur Durchführung eines förmlichen Untersuchungsverfahrens. Dies wurde der Klägerin mit Gelegenheit zur Stellungnahme im Februar 2004 bekannt gegeben, die auf ihre Stellungnahme vom 4. September 2003 verwies und eine Ergänzung und Vertiefung ankündigte, zu der ihr Ende Februar 2004 eine Frist von einer Woche gesetzt wurde.

Anfang März 2004 konstituierte sich die Untersuchungskommission, besprach Verfahrensfragen und bestimmte Prof. K. zum Berichterstatter. Dessen Votum vom 30. März 2004 fasste den Tatbestand zusammen, bezog sich dabei auf die vorliegenden Stellungnahmen derjenigen Hochschullehrer, die bereits mit dem Vergleich beider Arbeiten befasst waren und sprach sich dafür aus, einen Fall schwerwiegenden wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Form eines Plagiats festzustellen. In der zweiten Sitzung der Untersuchungskommission am 13. April 2004 folgten deren (fünf) Mitglieder einstimmig dieser Empfehlung. Das Ergebnis wurde der Klägerin, dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Beklagten, dem Präsidium der Beklagten und der T. Universität B. mitgeteilt.

Gegenüber dem Rechtsamt der Beklagten machte die Klägerin daraufhin geltend, sie habe keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten, insbesondere sei sie nicht mündlich angehört worden, wie es die Ehrenkodex-Satzung vorsehe. Anfang Juli 2004 beschloss das Präsidium der Beklagten, dass der - als Rechtsaufsichtsbeschwerde zu betrachtenden - Einwendung der Klägerin nicht abzuhelfen sei, da eine Anhörung der Klägerin stattgefunden habe. Der Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft wurde gebeten, auf Fachbereichsebene zu prüfen, welche akademischen Konsequenzen nunmehr zu ziehen seien. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass ihrem Anhörungsrecht entsprochen worden sei, da sie in der ersten Phase der Vorprüfung eine Stellungnahme abgegeben und sie die ihr in der zweiten Phase der förmlichen Untersuchung zu einer weiteren Stellungnahme gewährte Frist nicht genutzt habe. Eine mündliche Anhörung habe sie erst nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens begehrt.

Im September 2004 teilte der Promotionsausschuss des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, dem Leiter der Hochschule vorzuschlagen, ihr den Doktorgrad zu entziehen. In ihrer Stellungnahme vom 27. September 2004 wandte die Klägerin ein, dass die Aufstellung der angeblichen Übereinstimmungen von der Verfasserin der Diplomarbeit stamme, dass in zahlreichen der aufgelisteten Fälle tatsächlich keine Übereinstimmungen vorlägen, dass auch allgemeine und deskriptive Informationen als Plagiate dargestellt worden seien, obwohl die Verfasserin der Diplomarbeit insoweit nicht Urheberin sei, dass viele deskriptive Informationen aus identischen Quellen übernommen worden seien, dass Übereinstimmungen in der Gliederung fast zwangsläufig seien, wenn man Veröffentlichungen internationaler Unternehmensberatungen heranziehe, dass sich Wertungen und Kern ihrer Dissertation erheblich von der Diplomarbeit unterschieden, weil sie von einer um fünf Jahre aktuelleren Situation ausgegangen sei. Die Tatsache, dass sie über zwei Jahre an der Dissertation gearbeitet habe, schließe es aus, dass sie die Diplomarbeit nur mehr oder weniger übernommen habe. Vielmehr habe sie in großem Umfang eigene Analysen, eigene wissenschaftliche Untersuchungen und eine eigene Selektion als eigene geistige Leistung erbracht. Selbst bei thematischen Ähnlichkeiten habe sie stets aktuelle Zahlen und sonstige aktuelle Angaben verwandt, so dass kaum echte Übereinstimmungen bestünden.

Die Mitglieder der Promotionskommission sprachen sich im Oktober 2004 nach Kenntnisnahme der Stellungnahme der Klägerin im Umlaufverfahren für die Aberkennung des Doktorgrades aus, da der Plagiatsvorwurf nicht entkräftet worden sei. Im Dezember 2004 gab das Präsidium der Beklagten der Klägerin Gelegenheit, zu der ihr angekündigten Entziehung des Doktorgrades Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme erfolgte Anfang März 2005 durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Darin wurde hervorgehoben, dass der Sachverhalt im förmlichen Untersuchungsverfahren nicht ausermittelt worden sei. Die den Plagiatsvorwurf bestätigenden Hochschullehrer der T. Universität und der Beklagten hätten eine von der Verfasserin der Diplomarbeit zusammengestellte Liste angeblicher Übereinstimmungen ungeprüft als zutreffend erachtet. Tatsächlich gebe es nur in Teilbereichen Übereinstimmungen, die jedoch darauf beruhten, dass beide Verfasserinnen dieselben Quellen benutzt hätten. Der Vorwurf, die Klägerin habe nicht ordnungsgemäß zitiert, sei nicht konkretisiert worden. Der Vorwurf des Plagiats sei unberechtigt, da beide Verfasserinnen aus denselben Quellen zitiert und deren Strukturen übernommen hätten und die Diplomarbeits-Verfasserin insoweit keine Autorenschaft beanspruchen könne, derer sich die Klägerin angemaßt hätte.

Die Beklagte erwiderte darauf, dass eventuelle Fehler im Ehrenkodex-Verfahren die Rechtmäßigkeit der Entziehung nicht beeinträchtigten, da § 34 Abs. 7 und Abs. 8 BerlHG ein Ehrenkodex-Verfahren nicht voraussetze. Die Klägerin habe die Verwendung und die Nichtzitierung der Diplomarbeit zugegeben. Hierbei handele es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen § 7 Abs. 2 der Promotionsordnung, der vom Präsidenten der Beklagten eigenständig zu beurteilen sei. Feststehe, dass jedenfalls wesentliche Teile der gedanklichen Leistung der Diplomarbeits-Verfasserin ohne Zitat übernommen worden seien. Dabei sei unerheblich, ob es sich um deskriptive Informationen handele.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2005, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, entzog das Präsidium der Beklagten der Klägerin den ihr am 5. Juli 2001 verliehenen Doktorgrad und forderte sie zur Herausgabe der Promotionsurkunde unter Androhung eines Zwangsgeldes von 1.000 € auf. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass etwaige Verfahrensfehler im Ehrenkodex-Verfahren unerheblich seien, da es sich insoweit um ein lediglich internes Vorverfahren ohne Bindungswirkung handele. Die Entziehungsvoraussetzung nach § 34 Abs. 7 Nr. 1 BerlHG sei gegeben, da die Klägerin über das Vorliegen der Voraussetzungen zur Verleihung des Doktorgrades getäuscht habe; denn dadurch, dass sie die Diplomarbeit nicht zitiert habe, habe sie gegen ihre Pflicht gemäß § 7 Abs. 2 der Promotionsordnung zur Angabe sämtlicher Hilfsmittel und Hilfen verstoßen. Die Diplomarbeit sei ein solches Hilfsmittel gewesen. Deren gedanklichen Inhalt habe die Klägerin in wesentlichem Umfang übernommen. An mindestens 60 Stellen hätte sie die Diplomarbeit zitieren müssen. Auch in der Zusammenstellung und Ordnung deskriptiver Informationen liege eine wissenschaftliche Leistung. Schließlich habe die Klägerin auch durch Übernahme weiter Teile der Gliederung der Diplomarbeit deren Gedankenführung übernommen.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit am 13. Juni 2005 (einem Montag) bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, das Ehrenkodex-Verfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden. Die dem zugrunde liegende Satzung sei eine ermessensbindende Verwaltungsvorschrift im Rahmen des durch § 37 Abs. 4 BerlHG eröffneten Ermessens. Die Untersuchungskommission im Ehrenkodex-Verfahren habe den Sachverhalt unzureichend erforscht.

Wegen der vergleichbaren Aufgabenstellung und der Nutzung derselben, allgemein zugänglichen Quellen habe es unvermeidliche Parallelen gegeben. Bei den angeblich abgeschriebenen Textpassagen sei die geistige Urheberschaft der Verfasserin der Diplomarbeit nicht geprüft worden. Soweit diese selbst abgeschrieben habe, liege kein Plagiat vor. Soweit die Klägerin die Diplomarbeit als Anregung benutzt habe, sei dies eine nach § 24 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz zulässige „freie Benutzung“. Sie habe die Diplomarbeit einer „eigenpersönlichen, kritischen und fachlich fundierten Durchsicht und an vielen Stellen einer inhaltlichen Modifizierung unterzogen“. Ihre Dissertation sei „in großen Teilen von ihr völlig neu verfasst“ worden. Die Dissertation weise auch ein deutlich höheres Niveau auf. Ihr sei lediglich das Missgeschick geschehen, an einigen Stellen dem Zitiergebot nicht vollständig nachgekommen zu sein, indem sie lediglich die Primärquellen, nicht aber die Diplomarbeit benannte.

Übereinstimmungen seien bei feststehenden wirtschaftswissenschaftlichen Fachbegriffen, bei Wiedergabe allgemeingültiger Definitionen und bei Schilderung feststehender Fakten zwangsläufig. Thematische Übereinstimmungen, die in der Natur der Darstellung angelegt und daher unvermeidbar seien, rechtfertigten den Plagiatsvorwurf nicht. Allenfalls gebe es oberflächliche Ähnlichkeiten. Die bloße Zahl von Übereinstimmungen sei von „absolut nachrangiger, allenfalls marginaler Bedeutung“.

Der mit der Verfasserin der Diplomarbeit geschlossene Vergleich gelte nur inter partes, so dass man ihr die dort gemachten Zugeständnisse im vorliegenden Fall nicht entgegen halten könne. Die Klägerin sei auf die Forderungen der Verfasserin der Diplomarbeit nur eingegangen, um zu vermeiden, einem unberechtigten Plagiatvorwurf und einem auf Entziehung des Doktortitels gerichteten Verwaltungsverfahren ausgesetzt zu werden und das vorliegende Klageverfahren führen zu müssen. Ihr sei Vertraulichkeit zugesichert worden und sie habe darauf vertraut, dass der Vergleich die Beklagte hindern würde, gegen sie vorzugehen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der F. Universität B. vom 9. Mai 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu den Gründen des angefochtenen Bescheides trägt sie vor, dass die Klägerin, nachdem sie sich die Diplomarbeit von deren Betreuer, Prof. L., ausgeliehen und nach Lektüre zurückgegeben habe, den zuvor ihm gegenüber geäußerten Wunsch, bei ihm zu promovieren, nicht mehr weiterverfolgt habe. Im Rahmen des sodann an der Beklagten betriebenen Promotionsverfahrens habe sie das Thema selbst gewählt und ihrem dortigen Betreuer vorgeschlagen. Dabei habe sie das Thema der Diplomarbeit übernommen, ohne ihren Betreuer zu informieren. Daher könne sie sich nicht darauf berufen, dass es wegen vergleichbarer Aufgabenstellungen zu unvermeidlichen Parallelen gekommen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin darüber hinaus nicht nur zahlreiche Formulierungen, sondern auch Literaturangaben aus der Diplomarbeit übernommen habe. Sie habe wesentliche, ihr Thema betreffende, nach Fertigstellung der Diplomarbeit erschienene Publikationen nicht berücksichtigt, was dafür spreche, dass sie sich maßgeblich von der Diplomarbeit und der von dieser ausgewählten Literatur habe leiten lassen. Schließlich habe die Klägerin in dem mit der Verfasserin der Diplomarbeit geschlossenen Vergleich deren Urheberrecht anerkannt. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid vom 9. Mai 2005 dahin ergänzt, dass die Promotionsurkunde erst nach Bestandskraft der Entziehung des Doktorgrades herauszugeben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind – soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

I.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben, da der Bescheid vom 9. Mai 2005 gemäß § 41 Abs. 2 VwVfG am dritten Tag nach Aufgabe zur Post, d.h. am 12. Mai 2005, als bekanntgegeben galt und die Klage am Montag, dem 13. Juni 2005 bei Gericht eingegangen ist. Ein Vorverfahren war gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, 26 Abs. 2 Satz 1 AZG nicht durchzuführen.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten, mit dem der Klägerin der Grad einer Doktorin der Wirtschaftswissenschaft entzogen wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Beklagte hat ihre Entscheidung, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen, auf § 34 Abs. 7 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetzes - BerlHG -)in der Fassung vom 13. Februar 2003 (GVBl. S. 83), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Dezember 2004 (GVBl. S. 484), gestützt. Danach kann ein von einer staatlichen Hochschule des Landes Berlin verliehener akademischer Grad wieder entzogen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass er durch Täuschung erworben worden ist oder dass wesentliche Voraussetzungen für die Verleihung nicht vorgelegen haben. Gemäß Abs. 8 dieser Vorschrift entscheidet über die Entziehung der Leiter der Hochschule auf Vorschlag des Gremiums, das für die Entscheidung über die dem akademischen Grad zugrunde liegenden Prüfungsleistungen zuständig ist. Die Promotionsordnung – PromO - des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Beklagten vom 27. Januar 1993 (FU-Mitteilungen 28/1993 vom 8. November 1993) in der Fassung der Änderungsordnung vom 10. Mai 2000 (FU-Mitteilungen 22/2000 vom 5. Oktober 2000) enthält keine entsprechende Rechtsgrundlage, sondern verweist in § 19 darauf, dass die Aberkennung des Doktorgrades nach den hierfür geltenden gesetzlichen Vorschriften erfolgt. § 48 VwVfG ist hier nicht einschlägig (anders als in dem vom VG Frankfurt/M. durch Urteil vom 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05 – entschiedenen Fall, zitiert nach juris).

2. Verfahrensfehler weist die Entziehungsentscheidung nicht auf.

a) Die Entscheidung wurde zu Recht vom Präsidenten der Beklagten als deren Leiter auf Vorschlag der Promotionskommission getroffen.

Gemäß § 35 Abs. 4 Satz 2 BerlHG wird der Doktorgrad aufgrund einer Promotion verliehen. Gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 BerlHG ist Voraussetzung für eine Promotion eine mit mindestens „ausreichend“ bewertete Dissertation und deren erfolgreiche mündliche Verteidigung in Form einer Disputation. Über die Bewertung der Dissertation und der Disputation entscheidet gemäß § 35 Abs. 6 BerlHG ein vom Fachbereich benannter Prüfungsausschuss. Gemäß § 2 Abs. 1 PromO obliegt die organisatorische und verwaltungsmäßige Durchführung der Promotionsangelegenheiten dem Fachbereichsrat, der dazu einen Promotionsausschuss einsetzt. Dieser entscheidet gemäß § 3 Abs. 4 PromO über die Zulassung zum Promotionsverfahren, er bestellt gemäß § 8 Abs. 1 PromO die beiden Gutachter für die Dissertation und gemäß § 9 Abs. 1 PromO beruft er für die anstehende Promotion die Promotionskommission, welche aufgrund der vorliegenden Gutachten die Dissertation bewertet, die Disputation bewertet und die Gesamtnote bildet.

Indem der Vorsitzende des Promotionsausschusses, Prof. W., im Oktober 2004 eine Stellungnahme der sechs Mitglieder der Promotionskommission einholte, die im Jahr 2001 über die Promotion der Klägerin entschieden hatte, und sich die Mitglieder der Promotionskommission übereinstimmend dafür ausgesprochen hatten, der Klägerin den Doktorgrad zuzuerkennen, lag ein entsprechender Vorschlag des für die Entscheidung über die dem Doktorgrad zugrunde liegenden Prüfungsleistungen zuständigen Gremiums vor. Aufgrund dieses Vorschlages wurde die Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades mit Bescheid vom 9. Mai 2005 vom Präsidenten der Beklagten als deren Leiter getroffen, so dass Bedenken gegen die Zuständigkeit nicht bestehen.

b) Auch die gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG erforderliche Anhörung der Klägerin wurde durchgeführt. Diese Anhörung ist nicht gemäß § 2 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG entbehrlich; denn bei der Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades handelt es sich nicht um eine Tätigkeit „bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen“, auch wenn dieser Doktorgrad aufgrund von Prüfungsleistungen verliehen worden war. Im September 2004 hatte der Promotionsausschuss der Klägerin Gelegenheit gegeben, zu der in Aussicht genommenen Entziehung des Doktorgrades Stellung zu nehmen. Die Mitglieder der Promotionskommission votierten in Kenntnis der ausführlichen Stellungnahme der Klägerin für die Aberkennung des Doktorgrades. Im Hinblick auf die vom Präsidenten der Beklagten beabsichtigten Entziehung des Doktorgrades erhielt die Klägerin im Dezember 2004 erneut Gelegenheit zur Stellungnahme, und der Bescheid vom 9. Mai 2005 erging in Kenntnis ihrer im März 2005 abgegebenen weiteren Stellungnahme und nach deren Prüfung durch das Rechtsamt der Beklagten.

c) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob in dem von der Beklagten zunächst durchgeführten Verfahren nach der „Ehrenkodex-Satzung“ Verfahrensfehler, insbesondere eine unzureichende Anhörung der Klägerin, festzustellen sind, ist nicht entscheidungserheblich, da es sich bei diesem Verfahren nicht um das der Entziehung des Doktorgrades zugrunde liegende Verwaltungsverfahren bzw. einen notwendigen Teil dieses Verwaltungsverfahrens handelte. Nur dann käme es darauf an, ob die der Klägerin gegebene Gelegenheit, in der ersten Phase der Vorprüfung sowie in der zweiten Phase der förmlichen Untersuchung schriftlich Stellung zu nehmen, ausreichte oder ob sie auf ihr Recht, im Rahmen der förmlichen Untersuchung mündlich angehört zu werden (B.2.2 c Satz 4 der Satzung), ausdrücklich hätte hingewiesen werden müssen. Auch käme es dann darauf an, ob bei der Vorprüfung und der förmlichen Untersuchung im Rahmen dieses Verfahrens die Dissertation der Klägerin und die fragliche Diplomarbeit vorlagen, oder ob die Mitglieder der Untersuchungskommission gemäß Ehrenkodex sich lediglich auf die Stellungnahmen der beiden Betreuer der Dissertation (Prof. F. und Prof. N.) und der Vertrauensperson Ehrenkodex des Fachbereichs (Prof. R.), die den Tatbestand eines Plagiats festgestellt hatten, stützten.

Die vom Akademischen Senat der Beklagten am 16. Juni 1999 erlassene „Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ (FU-Mitteilungen 29/2002 vom 16. Dezember 2002) statuiert Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und benennt Tatbestände wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Für Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens gibt die Satzung eine Verfahrensordnung unter Benennung der zuständigen Untersuchungsorgane, der Verfahrensstufen (Vorprüfung und förmliche Untersuchung) sowie von Verfahrensgrundsätzen vor. Sanktionen für den Fall, dass wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt wird, sind in der Satzung nicht vorgesehen. Insoweit heißt es unter B.3. „Sanktionen“ lediglich, dass bei festgestelltem wissenschaftlichen Fehlverhalten weitere Maßnahmen durch die zuständigen Hochschulorgane (Dekanat, Präsidium, Fachbereich) „zu prüfen“ sind. Dabei ist der Entzug akademischer Grade lediglich als ein Beispiel der in diesem Zusammenhang zu prüfenden akademischen Konsequenzen genannt. Schon hieraus ergibt sich, dass das Verfahren nach der „Ehrenkodex-Satzung“ nicht zu dem der Entziehung des Doktorgrades zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens gehört und es auch nicht ersetzt. Auch § 34 Abs. 7 BerlHG lässt sich nicht entnehmen, dass die dem Leiter der Hochschule dort eingeräumte Befugnis, einen akademischen Grad zu entziehen, ein Verfahren nach der Ehrenkodex-Satzung voraussetzt.

Der Akademische Senat der Beklagten hat die Ehrenkodex-Satzung ausdrücklich auf die „Empfehlungen der DFG-Kommission ‚Selbstkontrolle in der Wissenschaft’ vom 9. Dezember 1997 und des HRK-Plenums vom 6. Juli 1998“ gestützt. Die Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat in ihren „Vorschlägen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ Grundregeln für den Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens aufgestellt und alle wissenschaftlichen Einrichtungen aufgerufen, dafür ein faires Verfahren auszugestalten und in Kraft zu setzen. Die Empfehlungen gehen dahin, dass die Hochschulen durch ihre dafür legitimierten Organe Verfahren zum Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens vorsehen sollen und dazu Tatbestände wissenschaftlichen Fehlverhaltens definieren, Zuständigkeiten, Verfahren und Fristen zur Feststellung des Sachverhalts, zur Anhörung Beteiligter, zur Wahrung der Vertraulichkeit sowie Sanktionen in Abhängigkeit vom Schweregrad des Fehlverhaltens sowie die Zuständigkeit für die Festlegung von Sanktionen regeln sollen. In den Erläuterungen zur Empfehlung 8 heißt es, dass die gesetzlich, z.B. im Recht der akademischen Grade vorgesehenen Sanktionen nicht ersetzt, sondern in Erinnerung gerufen und ergänzt werden sollen, zumal in den gesetzlichen Verfahren nicht alle Fälle von Fehlverhalten in der Wissenschaft erfasst seien. Das empfohlene Verfahren zur Feststellung wissenschaftlichen Fehlverhaltens finde seine Grenze dort, wo gesetzliche Regelungen greifen. Von daher spricht alles dafür, dass das nach der Ehrenkodex-Satzung vorgesehene Untersuchungsverfahren lediglich der Klärung eines Vorwurfs wissenschaftlichen Fehlverhaltens bzw. der Feststellung des wissenschaftlichen Fehlverhaltens dient und daher allenfalls eine an die zuständigen Hochschulorgane zu richtende Empfehlung vorsieht, welche nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen vorgesehenen Konsequenzen bzw. Sanktionen in Erwägung gezogen werden sollen. Wird - wie im vorliegenden Fall - mit der Feststellung wissenschaftlichen Fehlverhaltens zugleich ein Tatbestand beschrieben, der nach § 34 Abs. 7 BerlHG die Entziehung eines akademischen Grades rechtfertigt, so sind die dafür vorgesehenen Zuständigkeiten sowie das dafür vorgesehene Verfahren zu beachten bzw. durchzuführen. Dieses Verfahren kann nicht als durch das Untersuchungsverfahren nach der Ehrenkodex-Satzung durchgeführt angesehen werden.

Insbesondere ist der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, die Ehrenkodex-Satzung stelle eine selbstbindende Verwaltungsvorschrift der Beklagten dar, die sie sich im Rahmen des ihr nach § 34 Abs. 7 eingeräumten Ermessens gegeben habe. Ein Hinweis darauf lässt sich weder der Vorschrift des § 34 Abs. 7 BerlHG noch der Ehrenkodex-Satzung entnehmen. In dieser Satzung fehlt vielmehr jeder konkrete Bezug auf § 34 Abs. 7 BerlHG. Der Entzug akademischer Grade ist - wie oben bereits ausgeführt - lediglich beispielhaft als eine der bei wissenschaftlichem Fehlverhalten zu prüfenden Konsequenzen erwähnt. Hinzu kommt, dass das Ziel der Untersuchung nach der Ehrenkodex-Satzung die Feststellung eines Tatbestandes wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist, während die Entziehung eines akademischen Grades nach § 34 Abs. 7 BerlHG voraussetzt, dass der akademische Grad „durch Täuschung erworben worden ist“ oder „dass wesentliche Voraussetzungen für die Verleihung nicht vorgelegen haben“. Das Verfahren nach der Ehrenkodex-Satzung war nicht dazu bestimmt, den Entziehungstatbestand festzustellen, auch wenn dies - wie im vorliegenden Fall - im Ergebnis darauf hinauslaufen kann. Von daher sind die im Ehrenkodex-Verfahren durchzuführenden Anhörungen des Betroffenen auch nicht unter Inaussichtstellung einer beabsichtigten bzw. erwogenen Entziehung des Doktorgrades durchzuführen. Die mit der Entziehung des Doktorgrades befassten Organe der Hochschule haben den Sachverhalt für den Entziehungstatbestand eigenständig und unter Wahrung des Anhörungsrechts des Betroffenen zu ermitteln. Ob die von der Klägerin gerügten Verfahrensunzulänglichkeiten im Ehrenkodex-Verfahren überhaupt als Verfahrensfehler zu bezeichnen wären oder ob hier andere Maßstäbe als in einem auf Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes gerichteten Verwaltungsverfahren anzulegen sind, kann somit dahinstehen.

3. Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Promotionsordnung des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Beklagten enthält keinerlei eigenständige Regelung über die Entziehung eines Doktorgrades, sondern verweist in § 19 auf die „hierfür geltenden gesetzlichen Bestimmungen“, und damit auf § 34 Abs. 7 BerlHG. Der Tatbestand des § 34 Abs. 7 Nr. 1, 1. Alt. BerlHG, auf den die Beklagte ihre Entscheidung gestützt hat, ist erfüllt. Es hat sich nachträglich herausgestellt, dass die Klägerin den ihr verliehenen Doktorgrad durch Täuschung erworben hat. Das der Beklagten hinsichtlich der Frage, ob bei diesem Tatbestand der Doktorgrad wieder entzogen wird, eingeräumte Ermessen, ist fehlerfrei ausgeübt worden.

a) Die Dissertation, die gemäß § 35 Abs. 4 BerlHG Voraussetzung für eine Promotion ist, muss gemäß § 7 Abs. 1 PromO einen unveröffentlichten, selbstständigen Beitrag zur Forschung darstellen. Gemäß § 7 Abs. 2 PromO muss der Doktorand oder die Doktorandin „alle Hilfsmittel und Hilfen angeben und versichern, auf dieser Grundlage die Arbeit selbstständig verfasst zu haben“. Eine dementsprechende Erklärung gab die Klägerin in ihrem Promotionsverfahren unter dem 8. Mai 2001 und durch die eidesstattliche Erklärung in der Dissertation ab. Ihre Versicherung, dass sie für ihre Dissertation die in deren Literaturverzeichnis genannten Hilfsmittel und Hilfen verwendet und dass sie auf dieser Grundlage die Arbeit selbstständig verfasst habe, hat den unmissverständlichen Erklärungswert, dass sie sämtliche von ihr zur Anfertigung der Dissertation verwendeten Hilfsmittel und Hilfen im Literaturverzeichnis aufgeführt und allein auf deren Grundlage, d.h. nicht unter Heranziehung weiterer, von ihr nicht benannter Hilfsmittel, die Arbeit verfasst habe.

Es bedarf keiner näheren Ausführungen dazu, dass es sich bei der in Rede stehenden Diplomarbeit um ein „Hilfsmittel“ im vorliegenden Sinne handelt. Die Diplomarbeit stellt eine wissenschaftliche Arbeit dar, die sich zwar - wie dies bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht nur üblich, sondern auch erforderlich ist - auf zahlreiche, von der Diplomarbeitsverfasserin zitierte Quellen stützt, die sich jedoch erkennbar nicht darauf beschränkt, diese Quellen lediglich auszugsweise zu repetieren. Gegenstand der Diplomarbeit sind jedenfalls die Auswahl der zu dem Thema vorliegenden Quellen und deren Auswertung. Soweit die Klägerin ihr Argument, Übereinstimmungen zwischen ihrer Dissertation und der Diplomarbeit seien auf die jeweilige Verwendung derselben Quellen zurückzuführen, dahin verstanden wissen will, dass nicht die Diplomarbeit, sondern lediglich die sowohl von deren Verfasserin als auch die von ihr selbst verwendeten (und auch zitierten) Quellen die in der Dissertation verwendeten Hilfsmittel gewesen seien, kann ihr schon vom Ansatz her nicht gefolgt werden; denn die Diplomarbeit erschöpft sich - was keiner näheren Vertiefung bedarf - ganz offensichtlich nicht in einer, einer bloßen Bibliografie vergleichbaren Arbeit. Unstreitig kannte und verwendete die Klägerin die Diplomarbeit bei Erstellung ihrer Dissertation. So hat sie unter anderem vortragen lassen, sie habe die Diplomarbeit einer „eigenpersönlichen, kritischen und fachlich fundierten Durchsicht und an vielen Stellen einer inhaltlichen Modifizierung unterzogen“, und in der mündlichen Verhandlung hat sie eingeräumt, dass sie die Diplomarbeit nicht nur als Orientierung herangezogen habe, sondern dass ihr im späteren Verlauf der Erstellung ihrer Dissertation nicht mehr bewusst gewesen sei, was (davon) aus der Diplomarbeit stammte und was nicht, so dass sie die Diplomarbeit auch zitiert hätte, wenn sie ihr nicht abhanden gekommen wäre. Sie nannte diese Arbeit jedoch weder im Literaturverzeichnis ihrer Dissertation, noch zitierte sie sie in einer der über 700 Fußnoten, obwohl sich das Thema der Dissertation kaum vom Thema der Diplomarbeit unterscheidet, obwohl sich erhebliche Übereinstimmungen in den jeweiligen Gliederungen und in der Struktur der Darstellung zeigen und obwohl zahlreiche Textpassagen der Dissertation inhaltlich und oft auch wortgleich mit der Diplomarbeit übereinstimmen. Allein hieraus ergibt sich, dass die Klägerin bei ihrer Dissertation die Diplomarbeit nicht nur am Rande, sondern maßgeblich verwendete, so dass ihre wissentlich falsche Erklärung im Rahmen des Promotionsverfahrens, andere als die in der Dissertation genannten Hilfsmittel nicht verwendet zu haben, ohne Zweifel eine Täuschung darstellt. Dabei ist hervorzuheben, dass die Diplomarbeit der Klägerin offenkundig nicht nur als „Anregung“ diente, sondern von ihr als Vorlage für große und von ihr offensichtlich auch für wesentlich gehaltene Teile ihrer Arbeit benutzt wurde, die sie sonst eigenständig hätte verfassen müssen. Soweit die Dissertation bei der Eingrenzung des Themas, der Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes und des zu ermittelnden Befundes, der Gliederung, der Struktur und vieler Einzeldarstellungen mit der Diplomarbeit übereinstimmt, stellt sie keine eigene Leistung dar, gibt dies aber vor. Dies gilt unabhängig davon, inwieweit es sich dabei um „schöpferische“ Eigenleistungen der Verfasserin der Diplomarbeit oder um mehr oder weniger deskriptive Ausführungen handelt und inwieweit diese sich dabei auf Quellen Dritter gestützt hat. Soweit die Klägerin dahin verstanden werden will, dass textliche Übereinstimmungen ihr insoweit nicht vorgehalten werden dürften, widerspricht sie ihrem eigenen Vortrag, dass auch die „gedanklich fundierte Synthese von in Werken Dritter vorgefundenen Fakten und Ansichten“ die Anforderungen an eine schöpferische Leistung erfülle (Schriftsatz vom 31. März 2006).

Die Klägerin hat das wissenschaftliche Zitiergebot nicht nur marginal, sondern in ganz erheblichem Umfang verletzt:

- große Teile der Gliederung der Dissertation stimmen in Struktur und Inhalt mit dem Inhaltsverzeichnis der Diplomarbeit überein,

- in der Einleitung der Dissertation (S. 11 bis 12 und 14 bis 15) finden sich sehr weitgehende textliche Übereinstimmungen mit der Einleitung der Diplomarbeit (S. 1 bis 2),

- im wirtschaftsgeographischen Teil der Dissertation (S. 50 bis 51, 53, 55) finden sich teilweise wortgleiche Passagen aus der Diplomarbeit (S. 3, 5) wieder,

- dies gilt auch für den wirtschaftspolitischen Teil (S. 102 f. der Dissertation, S. 22 der Diplomarbeit),

- nahezu wortgleiche Ausführungen gibt es bei der Darstellung der südafrikanischen Unternehmensrechtsformen (S. 124 f., 125, 125 bis 126, 127 f., 128, 129, 131, 133 der Dissertation, S. 29 bis 30, 31, 32 f., 33 der Diplomarbeit),

- die Darstellung des Finanzsektors (S. 136 bis 139, 141, 142, 144, 146, 147, 149, 150, 151, 152, 153153 bis 154, 156, 157, 158, 159 der Dissertation) weist sehr weitgehende, oft bis in wortgleiche Formulierungen reichende Übereinstimmungen mit den entsprechenden Passagen der Diplomarbeit (S. 34 bis 36, 37, 38, 39, 40, 40 bis 41, 42, 44, 45, 46, 48, 47, 49, 50) auf,

- dies trifft auch zu für die Beschreibung des südafrikanischen Steuersystems (S. 161, 163, 165, 169, 170, 171, 173, 175 der Dissertation und S. 50, 51, 52, 53, 54, 55 der Diplomarbeit; S. 174, 175 der Dissertation und S. 56 der Diplomarbeit; S. 178, 179 der Dissertation und S. 57, 58 der Diplomarbeit; S. 181, 183 f. der Dissertation und S. 60, 61 der Diplomarbeit),

- weitere textliche Übereinstimmungen finden sich bei der Darstellung des Bildungswesens (S. 204 der Dissertation und S. 65 der Diplomarbeit),

- nahezu textgleiche Passagen enthält auch der dem Arbeitsrecht gewidmete Teil (S. 225, 226, 227 f., 229, 231 der Dissertation und S. 72 bis 73, 74, 75 f. der Diplomarbeit).

Dieses Ausmaß an Übereinstimmungen der Dissertation mit der Diplomarbeit ließ für die Klägerin keinen Entscheidungsspielraum zu, ob sie die Diplomarbeit im Quellen- und Literaturverzeichnis und an zahlreichen Stellen als Fußnote zu nennen hatte. Was die Klägerin mit ihrem Einwand, ihr sei lediglich das „Missgeschick“ geschehen, „an einigen Stellen“ dem Zitiergebot „nicht vollständig“ nachgekommen zu sein, indem sie lediglich die Primärquellen, nicht aber die Diplomarbeit benannte, zum Ausdruck bringen will, ist nicht nachvollziehbar.

b) In subjektiver Hinsicht genügt für die Täuschung der bedingte Vorsatz (vgl. auch VG Frankfurt/M. a.aO.). Die Klägerin nahm es zumindest billigend in Kauf, dass die Promotionskommission über die Urheberschaft wesentlicher Teile der Dissertation getäuscht wurde, indem sie nicht offen legte, dass und in welchem Umfang sie sich bei deren Abfassung der von der Verfasserin der Diplomarbeit geleisteten Vorarbeit bedient hatte. Dies war der Klägerin auch bewusst; denn es handelte sich nicht um fahrlässig bzw. durch unsachgemäße Zitierweise oder aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses unterbliebene Quellenangaben. Weder kann der Klägerin abgenommen werden, dass das Abhandenkommen der von ihr gefertigten Kopie der Diplomarbeit nach deren Auswertung der Grund für das Nichtzitieren war, noch dass sie das Nichtzitieren als mit wissenschaftlichem Arbeiten und mit ihren ausdrücklichen Erklärungen im Promotionsverfahren vereinbar ansehen durfte. Das Gericht ist vielmehr davon überzeugt, dass die Klägerin in großem Umfang und planmäßig fremde Passagen unmittelbar abgeschrieben, deren Formulierung teilweise nur geringfügig umgestellt und sie als Gegenstand eigener Arbeit ausgewiesen hat. Sie hat die von ihr bei der Diplomarbeit gemachten „Anleihen“ bewusst verschwiegen, um den Wert ihrer eigenen Leistung nicht zu schmälern. Die große Ähnlichkeit der - selbst gewählten - Themenstellung, der Gliederung, der Abfolge der Darstellung und die vielen, teils wortwörtlich übernommenen Passagen lassen keinen anderen Schluss zu. Um nicht den unzutreffenden Eindruck eigenständiger Ausführungen zu erwecken, hätte die Klägerin die aus der Diplomarbeit übernommenen Passagen zitieren, in vielen Fällen wohl auch durch Anführungszeichen kenntlich machen müssen, und zwar unabhängig davon, welche wissenschaftliche Tiefe diese Passagen aufweisen. Dieser Verpflichtung war die Klägerin selbst dann nicht enthoben, wenn sie sich – was nicht glaubhaft erscheint – keinerlei Aufzeichnungen über die aus der Diplomarbeit übernommenen Teile gemacht haben sollte und nach deren Verlust zu einer ordnungsgemäßen Zitierweise nicht mehr in der Lage gewesen sein will. Bei ihren in der mündlichen Verhandlung geschilderten Bemühungen um Wiedererlangung der Arbeit hat sie nach dem Eindruck des Gerichts die bestehenden Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, insbesondere nicht einmal den Versuch unternommen, von der ihr bekannten Verfasserin der Arbeit ein Exemplar zu erhalten.

Die zahlreichen Übereinstimmungen sind auch nicht dadurch zu erklären, dass sie sich durch Verwendung derselben Primärquellen sozusagen zwangsläufig ergeben hätten. Dies trifft schon vom Ansatz her nicht zu, soweit die Klägerin dazu auf englischsprachige Literatur und auf Literatur verweist, die erst nach Fertigstellung der Diplomarbeit publiziert wurde. Auch ansonsten ist die – damit offenbar gemeinte – Behauptung nicht glaubhaft, sie sei gewissermaßen parallel zu der Diplomarbeit vorgegangen, sei auf dieselben Quellen gestoßen und habe durch deren Auswertung unvermeidbar gleich- oder ähnlich lautenden Text produziert. Die in den von der Klägerin im Einzelnen bezeichneten „Primärquellen“ durchaus vorzufindenden thematischen Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten sind kein Beleg dafür, dass sie durch eigenständige Wiedergabe dieser Quellen nur zufällig bzw. zwangsläufig zu einer Art der Darstellung kam, die nach dem Eindruck des Gerichts nicht anders zu erklären ist, als dass in weiten Zügen aus der Diplomarbeit abgeschrieben wurde. Das hier festgestellte Ausmaß einer Vielzahl übereinstimmender Textpassagen ergibt sich nicht aus einem Vergleich der Dissertation mit diesen „Primärquellen“, sonders erst aus einem Vergleich mit der Diplomarbeit. Da feststeht, dass die Klägerin die Diplomarbeit kannte und nach eigenem Vortrag auch auswertete, konnte sie sich - insoweit - ohne eigenständige Recherche auch auf sämtliche in dieser Arbeit genannten Primärquellen stützen. Nicht beweisen zu können, dass sie trotz Kenntnis der Diplomarbeit so nicht vorgegangen sei, geht zu ihren Lasten.

c) Diese Täuschung war erkennbar auch ursächlich für den Erwerb des Doktorgrades. Gemäß § 35 Abs. 4 BerlHG setzt die Promotion eine mit mindestens ausreichend bewertete wissenschaftliche Arbeit voraus, die auf selbständiger Forschungsarbeit beruht. § 7 Abs. 1 der PromO fordert insoweit einen „selbständigen Beitrag zur Forschung“ und verlangt in Abs. 2, dass alle Hilfsmittel und Hilfen angegeben werden müssen und versichert werden muss, dass die Arbeit auf dieser Grundlage selbständig verfasst wurde. Damit sind wesensbestimmende Grundsatzmerkmale einer Dissertation beschrieben (vgl. Beschluss des Bad.-Württ. VGH vom 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08 -, zitiert nach juris).

Es ist völlig offen, wenn nicht gar höchst fraglich, ob die Promotionskommission die Dissertation der Klägerin als eine mindestens mit ausreichend zu bewertende wissenschaftliche Arbeit anerkannt hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass und in welchem Umfang die Klägerin auf die Diplomarbeit zurückgegriffen hatte. Durch gezieltes Verschweigen dieses Umstandes verfälschte die Klägerin die Beurteilungsgrundlage. Sie verhinderte einen der Promotionskommission ansonsten möglich gewesenen Abgleich mit der Diplomarbeit und eine zutreffende Bewertung der gegenüber dieser Arbeit bestehenden eigenen wissenschaftlichen Leistung der Klägerin. Dies gilt in besonderem Maße vor dem Hintergrund, dass die Dissertation der Klägerin von den Gutachtern als „keine wissenschaftliche Meisterleistung, sondern ein Produkt gesunden Menschenverstandes und wohl organisierter empirischer Forschungsarbeit“, bzw. ehe als eine einer „Studie, die für Unternehmen erstellt wird, die vor Investitionsentscheidungen in Südafrika stehen, als einer typischen Dissertation“ gleichende Arbeit angesehen wurde, deren Leistung „weniger in ihrem im engeren Sinne wissenschaftlich-analytischen Gehalt“ als vielmehr in einer „Darstellung der Investitionsbedingungen und der Schwierigkeiten, vor denen Regierungen, Gewerkschaften und die Menschen in Südafrika im Allgemeinen stehen“ liege. Wenn die Klägerin den vielen ihr vorgehaltenen (und von ihr als solche nicht offen gelegten) Übereinstimmungen entgegenhält, es handele sich hier weitgehend um Darstellung von Fakten bzw. um „deskriptive“ Ausführungen, so räumt sie damit ein, über die Authentizität von für die Beurteilung maßgeblichen Teilen ihrer Arbeit getäuscht zu haben. Soweit sie darauf verweist, dass sie „auf einem deutlich höheren Niveau“ als die Verfasserin der Diplomarbeit gearbeitet und über die Befunde dieser Arbeit hinausgehend größere Passagen (etwa zur Geschichte Südafrikas, zu den volkswirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, zur Kriminalitätsproblematik und zur Ausbreitung der Aids-Krankheit) „persönlich völlig neu geschaffen“ habe, ändert dies nichts an der Kausalität der Täuschung; denn die Beurteilung, wie die Dissertation unter Außerachtlassung der aus der Diplomarbeit übernommenen Teile bzw. im Falle einer vollständigen Angabe der verwendeten Literatur zu bewerten gewesen wäre, steht dem Gericht nicht zu. Für die Ursächlichkeit der von der Klägerin begangenen Täuschung ist nicht von Bedeutung, ob ihr für eine andere Arbeit, als die tatsächlich vorgelegte der Doktorgrad verliehen worden wäre. Derartige hypothetische Erwägungen im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion kommen hier nicht in Betracht (vgl. Bad.-Württ. VGH a.a.O.).

d) Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob die Dissertation in der Form, wie sie die Klägerin im Promotionsverfahren vorlegte, ein Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. UrhG darstellte und ob die Übernahme einer großen Zahl von Passagen aus der Diplomarbeit unter diesem Gesichtspunkt hinzunehmen wäre, weil die Klägerin damit lediglich eine „kritische(n) Überprüfung und eigenständige(n) Auswahl von bereits veröffentlichten textlichen Aussagen Dritter in früher erschienenen Werken“ vorgenommen, als eigene schöpferische Leistung aber eine „gedanklich fundierte Synthese von in Werken Dritter vorgefundenen Fakten und Ansichten“ geschaffen habe. Denn Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht die Frage, ob die Klägerin bei der „Verarbeitung“ der Diplomarbeit in ihrer Dissertation Urheberrechte der Verfasserin der Diplomarbeit verletzte oder ob es sich dabei urheberrechtlich um eine nach § 24 Abs. 1 UrhG zulässige freie Benutzung eines anderen Werkes handelte. Es liegt auf der Hand, dass die Beurteilung, ob eine wissenschaftlichen Standards entsprechende Leistung vorliegt und von welcher Qualität sie ist, unabhängig davon zu treffen ist, ob die Ähnlichkeit des zu beurteilenden Werkes mit einem anderen Werk urheberrechtlich hinzunehmen ist.

e) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Beklagte ging bei ihrer Entscheidung von einem vollständig ermittelten Sachverhalt aus und würdigte die Einwendungen der Klägerin gegen die ihr angekündigte Entscheidung. Unerheblich ist dabei, ob in der Begründung der Entscheidung die Zahl der als übereinstimmend angesehenen Passagen und die Zahl der Stellen, an denen die Diplomarbeit hätte zitiert werden müssen, in jeder Hinsicht zutreffend ist; denn die Beklagte hat deutlich zu erkennen gegeben, dass für sie insoweit nicht eine exakte quantitative Feststellung entscheidungserheblich war, sondern das sich bei einer Gesamtschau ergebende Ausmaß der ohne Quellenangabe übernommenen Teile der Arbeit. Die Beklagte hat auch das Gewicht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Klägerin zutreffend beurteilt und die Bedeutung der Entziehung des Doktorgrades für das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Fortkommen der Klägerin nicht verkannt-. Gerade wegen des Umfangs der Übernahme fremder Passagen und des Gewichts der darin liegenden Täuschung der Promotionskommission stellt sich die Entziehung des Doktorgrades nicht als unverhältnismäßig dar.

4. Als rechtmäßig erweist sich im Ergebnis auch die Aufforderung, die Promotionsurkunde herauszugeben. Die Beklagte hat sich insoweit auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt. Die Klägerin habe mit der Entziehung des Doktorgrades den Rechtsgrund für Eigentum und Besitz an der Urkunde verloren. Zutreffend daran ist der Ansatz, dass der - dem zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch (§§ 812 ff. BGB) nachgebildete - Erstattungsanspruch zwar grundsätzlich aber nicht nur dem Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen dient und daher auch auf die Herausgabe des Besitzes an einer Urkunde gerichtet sein kann. Seine gesetzgeberische Umsetzung erschöpft sich daher nicht in der Regelung des § 49 a VwVfG. Spezieller dürfte aber § 52 VwVfG sein, der – als Ermessensnorm – die Zurückforderung einer Urkunde ermöglicht, die aufgrund eines bestandskräftig widerrufenen oder zurückgenommenen Verwaltungsakts erteilt wurde und die zum Nachweis oder zur Ausübung der Rechte aus diesem Verwaltungsakt dient. Nicht einheitlich wird beurteilt, ob § 52 VwVfG Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ist(befürwortend: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 52 Rn. 4; zurückhaltend: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, Rn. 11 zu § 52). Im Ergebnis trägt § 52 VwVfG die Entscheidung unabhängig davon, ob die Norm genannt wurde, und alles spricht dafür, dass das durch die Norm eröffnete Ermessen im vorliegenden Fall auf Null reduziert war, weil keine sachgerechte Erwägung in Betracht kam, der Klägerin trotz bestandskräftiger Entziehung des Doktorgrades die Promotionsurkunde zu belassen.

Unschädlich ist auch, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid das Herausgabeverlangen zunächst nicht ausdrücklich unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts der Bestandskraft der Entziehung gestellt hatte; denn zum einen ist sie durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte klarstellende Ergänzung des Bescheidtenors etwaigen Bedenken entgegen getreten, zum anderen hatte sie auch in der Formulierung der Zwangsgeldandrohung hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer erst nach Bestandskraft eintretenden Herausgabepflicht ausgehe.

5. Die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall, dass die Klägerin der Herausgabepflicht nicht nachkommt, ist zu Recht auf §§ 5 Abs. 2 VwVfG Bln i.V.m. § 13 Abs. 1 VwVG gestützt worden. Das Zwangsgeld kommt gemäß § 11 VwVG bei einer nicht vertretbaren Handlung, wie sie hier in Rede steht, in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 709 ZPO.