VG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2010 - 11 K 2909/09
Fundstelle
openJur 2011, 72095
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 1) und 2) jeweils zur Hälfte; die Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, aber nicht begründet.

Die angefochtene Genehmigung findet ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 BImSchG. Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1), und andere öffentlichrechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2).

Die Kläger können nicht mit Erfolg geltend machen, die der Beigeladenen erteilte Genehmigung stehe zu ihren Lasten im Widerspruch zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass hierdurch schädliche Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Die Vorschrift entfaltet drittschützende Wirkung gegenüber der "Nachbarschaft". Die Kläger wohnen im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage und sind damit Nachbarn in diesem Sinne. Denn Nachbarschaft im Sinne der §§ 3-5 BImSchG kennzeichnet ein qualifiziertes Betroffensein, das sich deutlich abhebt von den Auswirkungen, die den Einzelnen als Teil der Allgemeinheit treffen können. Die Stellung als Nachbar wird immissionsschutzrechtlich vor allem - aber nicht nur - durch den Wohnsitz vermittelt.

BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 - 7 C 50/87 -, DVBl 1983, 183 f./juris Rdnr. 11-13; Jarass, BImSchG, 7. Auflage 2007, § 3 Rdnr. 33 ff.

Die durch die Genehmigung erlaubte Errichtung und der Betrieb der Windenergieanlage verursachen weder im Hinblick auf Lärm noch in optischer Hinsicht Immissionen, welche das den Klägern als Nachbarn zumutbare Maß überschreiten.

Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter welchen Voraussetzungen die von einer Windenergieanlage ausgehenden Geräuscheinwirkungen in diesem Sinne schädlich sind, wird durch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassenen TA Lärm vom 26. August 1998 bestimmt. Die TA Lärm 1998 gilt für Anlagen, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen den Anforderungen des zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterliegen (Nr. 1 Abs. 2 TA Lärm), und ist damit auch auf Windenergieanlagen anwendbar.

BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2/07 -, juris Rdnr. 11 ff.

Die Genehmigung stellt sicher, dass die von der Beigeladenen zur Genehmigung gestellte Windenergieanlage bei genehmigungskonformem Betrieb die maßgeblichen Lärmimmissionsrichtwerte einhält.

Nach Ziffer 6.1 d) und e) der TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel in allgemeinen Wohngebieten tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A), in reinen Wohngebieten tags 50 dB(A) und nachts 35 dB(A). Für Wohnhäuser in Außenbereichslage ist in Anlehnung an die für Mischgebiete nach der TA Lärm festgelegten Immissionsrichtwerte ein Lärmpegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts zumutbar.

OVG NRW, Urteil vom 18. November 2002 - 7 A 2140/00 -, juris Rdnr. 69 ff., sowie Beschluss vom 23. Januar 2008 - 8 B 237/07 -, jeweils m.w.N.

Für die Grundstücke der Kläger sind die zuletzt genannten Immissionsrichtwerte (60/45 dB(A)) maßgeblich. Die Häuser der Kläger gehören nach dem vorliegenden Kartenmaterial sowie dem Eindruck von der Örtlichkeit aus dem Ortstermin keinem im Zusammenhang bebauten Ortsteil an; sie liegen damit im Außenbereich.

Ortsteil ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Insbesondere die bandartige oder einzeilige Bebauung entlang nur einer Straßenseite kann die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ausschließen. Eine solche Bebauung kann regelmäßig nicht als weiterentwicklungsfähige organische Siedlungsstruktur eingestuft werden.

OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2008 - 10 A 1998/06 -, NVwZ-RR 2008, 682 ff./juris Rdnr. 31 ff.

Ein Bebauungszusammenhang (innerhalb oder mit einem Ortsteil) besteht, wenn die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Hierüber ist nicht nach geographischmathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall gegebenen konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Grundlage und Ausgangspunkt einer solchen wertenden und bewertenden Beurteilung sind jedoch die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie außerdem auch andere topographische Verhältnisse wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse u.dgl.). So kann auch eine Straße oder ein Weg je nach den Umständen des Einzelfalles einen Bebauungszusammenhang herstellen oder trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich haben. Zu berücksichtigen sind nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse. Die Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbarer Umstände kann dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang im Einzelfall nicht - wie dies allerdings der Regel entspricht - am letzten Baukörper endet, sondern dass ihm noch ein oder mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen sind.

BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 - 4 C 40/87 -, Rdnr. 22, Beschluss vom 10. März 1994 - 4 B 50.94 -, juris Rdnr. 3, Beschluss vom 18. Juni 1997 - 4 B 238.96 -, juris Rdnr. 4; OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2006 - 7 A 2974/05 -, juris Rdnr. 28 ff.

Mit Bebauung ist gemeint, dass die betreffenden Anlagen oder Flächen dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen sollen. Baulichkeiten, die ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken (Scheunen, Ställe) oder kleingärtnerischer Nutzung (Lauben) dienen, befestigte Reit- oder Stellplätze sind daher für sich allein genommen keine Bauten, die einen Bebauungszusammenhang begründen oder an seiner Entstehung mitwirken können.

BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2000 - 4 B 39/00 -, juris Rdnr. 5.

In Anwendung dieser Grundsätze gehört das Wohnhaus Pberg 50 nicht mehr dem Bebauungszusammenhang des Ortsteils Pberg an. Der Bebauungszusammenhang reißt spätestens hinter dem Haus Pberg 63 ab. Zwar ist der Abstand zwischen den Wohnhäusern Pberg 63 und Pberg 50 mit 25 m nur wenig größer als die Lücken zwischen den Häusern Nr. 60 und Nr. 61 (19 m) und Nr. 61 und Nr. 63 (15 m). Den Ausschlag gibt jedoch die geographische Situation, denn das Haus Pberg 50 liegt -anders als die Häuser 60 bis 63- nicht in der Senke Richtung Vberg, sondern am oberen Rand des Hangs. Zudem ist das Grundstück über einen Weg auf der Anhöhe, welcher am Pferdehof vorbeiführt und an den sich nach Passieren des Hauses Pberg 40 beiderseits Freiflächen anschließen, erschlossen.

Auch das Haus Vberg 77 liegt im Außenbereich. Ein Bebauungszusammenhang mit Pberg bzw. den sich an Pberg anschließenden Häusern Vberg 65 und 66 bis 70 besteht nicht. Dies folgt aus der Entfernung von 70 bis 75 m zwischen den genannten Häusern zum Haus Vberg 75, dem insoweit nächstgelegenen Haus. Hinzu kommt, dass die Häuseransammlung Vberg 75 bis 87 in einer Senke auf einer Höhe von etwa 197 bis 191 m ü.NN. liegen. Man erreicht die Häuser von Pberg kommend über einen Abzweig hinter dem Haus Vberg 65, wobei die Straße nach dem Abzweig zum Haus Vberg 75 hin deutlich abfällt. Die Häuser Vberg 65 und 66 bis 70 liegen demgegenüber auf einer Höhe von etwa 220 bis 210 m ü.NN. Bei den Häusern Vberg 75 bis 87 handelt es sich auch nicht um einen eigenständigen, im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Dem Bebauungskomplex mit insgesamt sieben Wohnhäusern kommt kein ausreichendes Gewicht zu; es fehlt darüber hinaus an einer organischen Siedlungsstruktur. Denn die Wohnbebauung findet sich lediglich bandartig auf der einen Seite der Straße. Anhaltspunkte dafür, dass entsprechende Siedlungsformen in der Gegend von T typisch sind, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Vielmehr zeigt der Vergleich mit der insoweit geschlossenen und dicht bebauten Ortslage Pberg, dass es sich bei den Häusern Vberg 75 bis 87 um einen typischen Siedlungssplitter im Außenbereich handelt.

Sind die Häuser der Kläger nach alledem dem Außenbereich zuzuordnen, werden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts eingehalten. Nach dem Schallgutachten wird bei einem nächtlichen Betrieb mit einem Schallleistungspegel von 98,7 dB(A), das entspricht ca. 1000 kW, an dem Haus Pberg 52 ein Beurteilungspegel (obere Vertrauensbereichsgrenze) von 36,2 dB(A) und am Haus Vberg 87 ein Beurteilungspegel (obere Vertrauensbereichsgrenze) von 38,9 dB(A) erreicht. Die genannten Immissionspunkte liegen näher an oder - bezogen auf Pberg 50 - allenfalls gleich weit entfernt zu der streitgegenständlichen Windkraftanlage. Hinsichtlich des Hauses Pberg 50 sei ergänzend angemerkt, dass selbst bei Annahme einer Zugehörigkeit der Bebauung zum Ortsteil Pberg der insoweit maßgebliche Immissionsrichtwert in jedem Fall eingehalten würde. Denn auch bei einem in einem reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich gelegenen Wohnhaus sind einer solchen Wohnnutzung Geräusche, die nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 oder der TA-Lärm beurteilt werden können, mit einem Beurteilungspegel von 55 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts zuzumuten.

So OVG Münster, Beschluss vom 4. November 1999 - 7 B 1339/99 -, juris Rdnr. 23 m.w.N.; Hess. VGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 6 B 2668/09 -, juris Rdnr. 12 m.w.N. der obergerichtlichen Rechtsprechung.

Die Einwände der Kläger gegen das Schallgutachten gehen fehl.

Soweit im Verwaltungsverfahren das Thema der Schallreflexionen an den Häusern V1 eine Rolle gespielt hat, so haben die Kläger das Entstehen von Schallreflexionen bezogen auf ihre Häuser nicht, jedenfalls nicht substantiiert behauptet. Die pauschale Bezugnahme auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren genügt insoweit nicht. Da bei Auftreten von Reflexionen die maximale Pegelerhöhung 3 dB(A) beträgt,

vgl. hierzu LANUV NRW, Stellungnahme vom 14. April 2008, Bl. 501, 502 der Beiakte Heft 4 zu 11 K 2863/09,

ergäben sich an den Häusern der Kläger Beurteilungspegel von maximal 39,2 dB(A) und unter 41,9 dB(A); der hier maßgebliche nächtliche Immissionsrichtwert von 45 dB(A) bliebe auch in diesem Falle gewahrt.

Die im Klageverfahren hinsichtlich der im Schallgutachten bei der Prognose berücksichtigten Unsicherheiten der Referenzmessung, des Prognoseverfahrens sowie der Serienstreuung werden bereits durch die Äußerung des LANUV NRW im Verwaltungsverfahren aber auch durch die weitere Stellungnahme vom 12. November 2009 entkräftet. In seiner Stellungnahme vom 14. April 2008 führt das LANUV aus, dass die im Schallgutachten angesetzte Gesamtprognoseunsicherheit von 2,5 dB(A) nicht zu beanstanden sei. Der Vortrag der Kläger ist demgegenüber unzutreffend, soweit sie behaupten, "die einschlägigen Normen" würden einen Zuschlag von 2 dB hinsichtlich der Produktionsstreuung (Serienstreuung) empfehlen. Vielmehr ist nach LANUV NRW in Anlehnung an die Hinweise zum Schallimmissionsschutz des Länderausschusses für Immissionsschutz ein Wert von 1,2 dB für die Serienstreuung anzusetzen.

Auch die Angriffe auf den der Immissionsprognose zu Grunde liegenden Referenzmessbericht der N vom 7. Mai 2007 gehen fehl. Der Messbericht ist nicht deshalb fehlerhaft, weil nicht dargestellt ist, weshalb keine Zuschläge für Ton-, Informations- oder Impulshaltigkeit vergeben worden sind. Aus dem "Auszug aus dem Prüfbericht" vom 27. April 2007 (Anhang E Seite 2 zum Schallgutachten) ergibt sich, dass bei Durchführung der Referenzmessung die Schallemission bezogen auf Ton- und Impulshaltigkeit 0 dB betrug, so dass ein entsprechender Zuschlag nicht zu vergeben war. In Anlehnung an die TA Lärm (A.3.3.5) steht dabei Tonhaltigkeit auch für Informationshaltigkeit (KT). Darüber hinaus führt das LANUV NRW in seiner Stellungnahme vom 16. November 2007 aus, dass im LANUV die vollständigen Messberichte für die Enercon E-82 für den Betrieb mit 1000 kW vorhanden seien und die vom Gutachter gewählten Emissionsansätze (also auch 0 dB für Ton-, Informations- und Impulshaltigkeit) in Übereinstimmung mit den in den vollständigen Messberichten dokumentierten Messergebnissen stünden. Dem entsprechend hat das LANUV NRW auch in seiner Stellungnahme vom 18. November 2009, welche sich mit den Rügen der Kläger befasst, keinen Grund zu Beanstandungen des Messberichts der N gefunden.

Werden demnach schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärmimmissionen durch den Betrieb der Anlage nicht entstehen, sind auch die Regelungen der Genehmigung zum Umfang des zulässigen Schattenwurfs nicht zu beanstanden. Bei Einhaltung der Vorgaben der Genehmigung wird das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der klägerischen Grundstücke vermieden.

Nach Nr. 7 der Nebenbestimmungen des Bescheides vom 9. März 2009 ist die Anlage so zu betreiben, dass die astronomisch maximal mögliche Gesamtbelastung durch Schattenwurfimmissionen aufgrund der von der Anlage verursachten Zusatzbelastung, unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch eventuell bereits vorhandene Windkraftanlagen, an den im Einwirkungsbereich der Anlage gelegenen Wohnhäusern, einschließlich deren intensiv genutzte Außenbereiche sowie an gewerblichen Betrieben, soweit dort Arbeitnehmer an Arbeitsplätzen im Sinne von § 2 Abs. 2 der Verordnung über Arbeitsstätten beeinträchtigt sind, insgesamt den Richtwert von 30 Stunden pro Jahr bzw. 30 Minuten pro Tag nicht überschreitet. Gleichzeitig darf die tatsächliche Beschattungsdauer an den einzelnen Immissionsorten insgesamt 8 Stunden pro Jahr bzw. 30 Minuten pro Tag nicht überschreiten.

Nach den einschlägigen, den Stand der Wissenschaft berücksichtigenden fachlichen Stellungnahmen zu dem von Windenergieanlagen verursachten periodischen Schattenwurf

Länderausschuss für Immissionsschutz, Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windenergieanlagen, Stand 13.03.2002; Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Sachinformation Optische Immissionen von Windenergieanlagen, März 2002; Staatliches Umweltamt Herten, Windenergiehandbuch, Stand Dezember 2006, S. 35 f.; Grundsätze für die Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen - WKA-Erlass - vom 21. Oktober 2005, 5.1.2 (S. 21 f.),

führt Schattenwurf regelmäßig nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen auf Seiten des betroffenen Nachbarn, wenn die astronomisch maximal mögliche Gesamtbelastung durch Schattenwurf am jeweiligen Immissionsort einen Richtwert von 30 Stunden pro Jahr, entsprechend einer Begrenzung der "realen", d.h. im langjährigen Mittel für hiesige Standorte zu erwartenden Einwirkungsdauer auf maximal acht Stunden pro Jahr nicht überschreitet, und darüber hinaus die Belastung nicht mehr als 30 Minuten pro Tag beträgt, wobei die Umstände des Einzelfalls in die Bewertung mit einzustellen sind.

OVG NRW, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 8 B 237/07 -; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2008 - 4 B 35/07 -, juris Rdnr. 19; vgl. hierzu auch die Ausführungen des LANUV NRW, Stellungnahme vom 14. April 2008, Seite 4 f., Beiakte Heft 4 zu 11 K 2863/09.

Im Fall der Kläger bestehen zum einen keine Besonderheiten, die Anlass zu der Annahme geben könnten, dass bei Einhaltung der genannten Werte dennoch schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Zum anderen werden die Kläger - wenn überhaupt - in wesentlich geringerem Umfang von Schattenwurf betroffen sein.

Nach dem Schattenwurfgutachten der T1 vom 8. Juni 2007 (dort S. 18, Anhang) liegen die Grundstücke der Kläger außerhalb der 5-Stunden-Linie, das heißt der maximal mögliche Schattenwurf (worstcase-Betrachtung) wird die Summe von 5 Stunden im Jahr jedenfalls nicht überschreiten. Auch die maximal zulässige tägliche Beschattungsdauer von 30 Minuten wird nicht erreicht werden. Am zum Haus der Kläger nächstgelegenen, im Gutachten berücksichtigten, von Schattenwurf betroffenen IP Pberg 68 beträgt die maximale Jahresbelastung rund 32 Stunden, die Tageshöchstbelastung gleichzeitig maximal 32 Minuten. Ausgehend von einem Jahreswert von unter 5 Stunden an den klägerischen Grundstücken liegt auf der Hand, dass eine Überschreitung der Tagesmaximalbelastung von 30 Minuten - auch ohne Berücksichtigung der Schattenabschalteinrichtung - nicht zu erwarten ist. Da nach dem Schattenwurfgutachten an dem Haus Vberg 87 überhaupt kein Schattenwurf auftreten wird, spricht im Übrigen einiges dafür, dass auch an dem wenig weiter westlich gelegenen Haus des Klägers zu 2. eine allenfalls minimale Belastung durch Schattenwurf entstehen wird.

Die angefochtene Genehmigung verstößt auch nicht wegen der zu erwartenden optischen Wirkungen der Windenergieanlage auf die Häuser der Kläger gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot, welches über § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auch im Immissionsschutzrecht Beachtung findet. Nach seinem objektivrechtlichen Gehalt schützt das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen. Es betrifft auch Fälle, in denen nicht schädliche Umwelteinwirkungen, sondern sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen. Dazu zählt die Rechtsprechung auch "optisch bedrängende" Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen.

BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 4 B 72/06 -, ZfBR 2007, 275 f./juris Rdnr. 4 m.w.N.

Für die Frage, ob eine Windkraftanlage im Einzelfall unzumutbar bedrängend wirkt, kommt es in der Regel weniger auf die Baumasse von Turm, Gondel und Rotor an als vielmehr auf die Höhe der Anlage insgesamt und die Rotorbewegung. Der in der Höhe wahrzunehmenden Drehbewegung des Rotors kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Ob das "Unruheelement", das der Rotor einer Windkraftanlage durch seine Bewegung schafft, so störend ist, dass das Maß des Zumutbaren überschritten und das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei gilt, dass die Bewegung des Rotors umso stärker spürbar wird, je geringer die Distanz zwischen der Windkraftanlage und dem Betrachter und je größer die Dimension der Bewegung ist.

BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 4 B 72/06 -, ZfBR 2007, 275 f./juris Rdnr. 10 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 9. August 2008 - 8 A 3726/05 -, DVBl 2006, 1532 ff./juris Rdnr. 73 ff.

Neben der Höhe der Windkraftanlage und dem Rotordurchmesser sind darüber hinaus die örtlichen Verhältnisse in die Einzelfallbewertung einzustellen. So ist u.a. die Lage bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster sowie von Terrassen u.ä. zur Windkraftanlage von Bedeutung. Weitere Gesichtspunkte, die für die Frage der Zumutbarkeit eine Rolle spielen, sind bestehende Abschirmungen, der Blickwinkel auf die Anlage, die Hauptwindrichtung, eine etwaige Vorbelastung sowie die Existenz möglicher und zumutbarer Ausweich- und/oder Abschirmungsmaßnahmen.

Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 9. August 2008 - 8 A 3726/05 -, DVBl 2006, 1532 ff./juris Rdnr. 77 ff.

Im Fall der Kläger kommt hinzu, dass ihre Wohngrundstücke im Außenbereich liegen. Wer im Außenbereich wohnt, muss grundsätzlich mit der Errichtung von in diesem Bereich privilegierten Windkraftanlagen - auch mehrerer - und ihren optischen Auswirkungen rechnen. Ihm sind eher Maßnahmen zumutbar, durch die er den Wirkungen der Windkraftanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt.

OVG NRW, Urteil vom 9. August 2008, a.a.O., Rdnr. 86-89 m.w.N.

Nach dem vorliegenden sowie im Internet allgemein verfügbaren Kartenmaterial,

vgl. www.geoserver.nrw.de,

beträgt die Entfernung zwischen der geplanten Windenergieanlage und dem Wohnhaus des Klägers zu 1. etwa 530 m und zu dem Wohnhaus des Klägers zu 2. etwa 510 m. Bei diesem Abstand, der über der dreifachen Gesamthöhe der Anlage (= 448,14 m) liegt, ist eine optisch bedrängende Wirkung in der Regel auszuschließen.

Vgl. hierzu die Orientierungswerte des OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, a.a.O., Rdnr. 90 ff., sowie Beschluss vom 22. März 2007 - 8 B 2283/06 -, BauR 2007, 1014 ff./juris Rdnr. 5 ff.

Auch in Anbetracht der konkreten Situation der klägerischen Grundstücke ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine unzumutbare optische Wirkung der geplanten Anlage.

Wie sich aus den Lageplänen, dem vorliegenden Karten- und Fotomaterial sowie dem von der Berichterstatterin der Kammer vermittelten Eindruck aus dem Ortstermin ergibt, liegt das Haus des Klägers zu 2. in einer vom Anlagenstandort abgewandten Tal- bzw. Hanglage. Der Geländeanstieg direkt hinter dem Haus ( ca. 12 m) führt - wenn nicht sogar zu einer völligen Unsichtbarkeit der Anlage vom Grundstück aus - jedenfalls dazu, dass aus eventuell nach Norden (hangseitig) gelegenen Fenstern die Anlage nicht zu sehen sein wird. Substantiierter Vortrag zur Beeinträchtigung der Innenräume ist nicht erfolgt. Die Außenwohnfläche zwischen den Häusern 75 und 77 ist nach Süden und damit vom Hang und der Windkraftanlage weg ausgerichtet; insoweit besteht auch eine Verdeckung durch das Wohnhaus selbst. Hinzu kommt, dass der Hang hinter dem Haus bis zum oberen Rand hin mit Laubbäumen und Büschen bestanden ist (Fotos Nr. 3 und 4).

Demgegenüber liegt das Haus des Klägers zu 1. in etwa auf derselben Höhe wie der Anlagenstandort; zwischen dem Standort und dem Haus des Klägers liegt im Wesentlichen freies Feld (Foto Nr. 1). Die Windkraftanlage wird damit von einem Standort vor oder neben dem Haus sowie aus allen nach Nordosten ausgerichteten Fenstern ohne Einschränkung zu sehen sein. Konkrete Einwände zur bedrängenden Wirkung hinsichtlich der Innenräume sind nicht geltend gemacht worden. Wie sich aus der vorliegenden Hausakte des Grundstücks Pberg 50 ergibt, gehören die drei nach Nordosten zur Windkraftanlage hin gehenden Fenster zum Treppenhaus. Dieses ist nicht zum dauernden Aufenthalt bestimmt und aus diesem Grund nicht so schutzwürdig wie etwa Wohnräume. Die Außenterrasse liegt längs vor der Südostwand des Hauses. Zur Windkraftanlage hin ist keine Sichtverschattung vorhanden. Die Beeinträchtigung dieser Außenwohnfläche ist aber nicht unzumutbar, da die Hauptblickrichtung von der Terrasse hangabwärts Richtung Süden geht; die Anlage erscheint nur seitwärts im Blickfeld. Es ist dem Kläger zu 1. zudem möglich und zumutbar, auf bzw. an der Terrasse durch hohe Topfpflanzen, z.B. einen Bambus o.ä., oder durch eine bauliche Sichtblende die Sichtbeziehung zur Windkraftanlage hin weiter zu minimieren.

Soweit die Kläger sich im Übrigen pauschal auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren beziehen, ist diese Bezugnahme im Hinblick darauf, dass bereits der angefochtene Bescheid unter Ziff. V. 1. hierzu Stellung genommen hat, nicht hinreichend substantiiert. Ob die Genehmigung im Einklang mit artenschutzrechtlichen Bestimmungen steht, kann offen bleiben. Auf eventuelle Rechtsverstöße können die Kläger sich nicht zu ihren Gunsten berufen. Denn die entsprechenden Rechtsvorschriften dienen nicht dem Schutz privater Dritter.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159, 162 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 100 ZPO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit, da die Beigeladene einen Sachantrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 173 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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