LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.12.2008 - L 8 R 239/07
Fundstelle
openJur 2011, 66736
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 55 (10) RJ 209/03
Tenor

Der zuständigen Geschäftsführerin der Beklagten, Frau L, wird wegen unentschuldigten Fehlens im Termin vom 3.12.2008 ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000 Euro auferlegt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem Gesetz über die Zahlbarmachung von Rentenansprüchen aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG), das der Deutsche Bundestag zur Schließung einer letzten Lücke in der Wiedergutmachung im Jahr 2002 einstimmig verabschiedet hat (Bundesgeseztblatt Teil I - BGBl I - 2002, Seite 2074).

Der Kläger wurde 1926 im westpolnischen Ort Piotrköw Tribunalski (später deutsch: "Petrikau") geboren. Dort hat er den deutschen Einmarsch im Zweiten Weltkrieg, die Errichtung eines jüdischen Ghettos und die Ermordung seiner Eltern erlebt. 1945 wurde er im Konzentrationslager Buchenwald befreit und wanderte danach über Frankreich nach Israel aus, wo er bis heute lebt. Während seines Berufslebens arbeitete der Kläger bei der Hafenbehörde in Haifa - am Ende als Abteilungsleiter. 1962 wurde der Kläger nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) als Verfolgte/r des Nationalsozialismus anerkannt. 1992 beantragte er bei der Beklagten Altersrente nach dem (unter anderem) für (frühere) Angehörige des so genannten deutschen Sprach- und Kulturkreises (dSK) geltenden Fremdrentengesetz (FRG). Diesen Antrag lehnte die Beklagte 1998 mit im Jahr 2000 bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid unter Hinweis auf die fehlenden Deutsch-Kenntnisse des Klägers ab. Im Juni 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung dieser Entscheidung und stellte zugleich einen Antrag auf Altersrente nach dem ZRBG für die von ihm im Ghetto Petrikau in der dortigen Glasfabrik "Hortensia" von 1940 bis 1942 geleistete Arbeit.

Die Beklagte zog die BEG-Entschädigungsakten des Klägers bei und übersandte ihm einen in deutscher Sprache verfassten ZRBG-Fragebogen über die geltend gemachte Beschäftigung im Ghetto Petrikau. Der Kläger vervollständigte die erbetenen Angaben über die dortige Tätigkeit ("an der Maschine, allerlei Glassachen hergestellt, auch bis zum Ofen") die Entlohnung ("jeden Freitag Lohn im Couvert -wieviel nicht mehr errinnerlich") sowie die Bewachung auf dem Weg und während der Arbeit ("erst durch jüdische Polizei, später durch bewaffnete SS-Soldaten"). Er bezeichnete seine Tätigkeit auf die Frage nach der Vermittlung dabei als "Zwangsarbeit". Ferner fügte er ein von ihm im Archiv von Yad Vashem aufgefundenes Verzeichnis von jüdischen Arbeitskräften der Glasfabrik Hortensia bei, in dem auch er als Arbeiter aufgeführt ist. Die Beklagte wies seinen Rentenantrag demgegenüber mit dem Hinweis auf die klägerischen Angaben zur Bewachung und die Bezeichnung als "Zwangsarbeit" zurück. Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) hat diese Entscheidung durch Entscheidung nach Aktenlage - unter Hinweis auf das schriftliche Vorbringen des Klägers im ZRBG-Fragebogen und seine früheren Angaben im BEG-Verfahren - im August 2007 bestätigt.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung. Zur Beweiserhebung und zur persönlichen Anhörung des Klägers hat der zuständige Berichterstatter des erkennenden Gericht nach §§ 155, 103,106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 17.11.2008 für den 3.12.2008 Termin in Tel Aviv anberaumt. Dazu hat das Gericht den Kläger und die Beklagte - letztere vorab per Fax und gegen Postzustellungsurkunde - am selben Tag persönlich gemäß §§ 106 Abs. 3 Nr. 7; 111 Abs. 1, 110 Abs. 2 SGG geladen. Gemäß §§ 103, 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG wurden die auf die Befragung, Behandlung und Begutachtung traumatisierter NS-Opfer spezialisierte Psychologin Frau Prof. Dr. Quindeau, Fachhochschule (FH) Frankfurt, sowie der auf die Verhältnisse in den jüdischen Ghettos im Zweiten Weltkrieg spezialisierte Historiker Dr. Lehnstädt, Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München als gerichtliche Sachverständige zum Termin hinzugezogen.

Die Ladung der Beklagten enthielt den ausdrücklichen Zusatz, dass die Anwesenheit eines gesetzlichen Vertreters angeordnet war. Als weitere Erläuterung beigefügt waren Kopien der Kommentierung des § 111 SGG durch Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008. Ergänzend wies das Gericht den Leiter der Auslandsabteilung der Beklagten nochmals fernmündlich auf die Verbindlichkeit der Ladung und der Teilnahme der Beklagten hin Am 21.11.2008 teilte die Beklagte durch einen Sachbearbeiter schriftlich "nach Rücksprache mit ihrer Geschäftsführung mit, dass ihr Behördenleiter aus den in der Zusammenkunft mit dem Präsidenten des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) Dr. Brand erläuterten Gründen nicht an den Terminen in Israel teilnehmen werde". Der als Richter zuständige Berichterstatter des des erkennenden Gerichts versandte daraufhin am 28.11.2008, nochmals per email und per Fax ein persönliches Schreiben an die nach § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zuständige Geschäftsführerin der Beklagten. Darin wurde sie darauf hingewiesen, dass ihre persönliche Anwesenheit als gesetzliche Vertretung der Beklagten nach §111 Abs. 1 SGG vom Gericht verbindlich angeordnet sei, dass aber nach § 141 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) auch eine Stellvertretung durch einen hinreichend informierten und bevollmächtigten Rechtsanwalt mit Sitz in Israel erfolgen könne. Schon zuvor hatte das Gericht die Beklagte in mehreren Streitsachen (u.a. im Verfahren L 8 R 134/06, in dem die Beklagte schon einmal trotz Ladung nicht im Termin in Israel erschienen war) auf die von der deutschen Botschaft in Israel empfohlenen Vertrauensanwälte und die entsprechende, von der örtlichen Konsularabteilung auf ihre Homepage gestellte Anwaltsliste aufmerksam gemacht. Auch wurde die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten im gerichtlichen Schreiben vom 28.11.2008 nochmals ausdrücklich auf die Möglichkeit des Ordnungsgelds in Höhe von bis zu 1000 Euro pro Verfahren und den Umstand, dass sich dies durch die Zahl der Verfahren ggf. addieren könne, hingewiesen.

Im Termin in Tel Aviv erschien sodann nach Aufruf der Sache für die Beklagte niemand. Der Berichterstatter verkündete daraufhin den aus dem Tenor ersichtlichen Ordnungsbeschluss gegen die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten in Höhe von 1000 Euro.

Nach Rückkehr aus Israel wurde dem Berichterstatter eine persönlich an ihn (und nicht an das Gericht) adressierte und im verschlossenen Umschlag ohne Vorab-Fax oder Vorab-Mail übermittelte Eingabe der zuständigen Geschäftsführerin der Beklagten vom 1.12.2008 vorgelegt, in welcher diese auf das gerichtliche Schreiben vom 28.11.2008 Bezug nahm und erklärt: Sie empfinde das gerichtliche Vorgehen als strafrechtliche Nötigung. Sie kündige einen Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter an und bitte die Justizministerin und den Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen um Vermittlung. Ferner behauptet sie darin, die Beklagte habe die Ladung erst am 19.11.2008 und damit nicht fristgerecht erhalten. Sie meint, i.Ü. sei das Gericht nach dem Konsulargesetz in Israel nicht zu Zwangsmaßnahmen befugt. Auch habe das Bundessozialgericht (BSG) zwischenzeitlich entschieden, dass persönliche Anhörungen von Ghettoüberlebenden in ZRBG-Verfahren nicht durchgeführt werden müssten. Schließlich sei der Beklagten der Termin wegen der großen Entfernung unzumutbar gewesen. Israelische Rechtsanwälte dürfe sie nicht bevollmächtigen, denn diese seien zur Vertretung von deutschen Sozialgerichten nicht zugelassen.

II.

Gemäß § 111 Abs. 1 SGG iVm § 141 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) und Art 6 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) war gegen die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten ein Ordnungsgeld zu verhängen, weil sie trotz ordnungsgemäßer Ladung und Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Gerichtstermin vom 3.12.200.8 nicht erschienen ist und sich auch trotz entsprechenden Hinweises nicht hat ordnungsgemäß vertreten lassen. Die Beklagte war - entgegen ihrer Darstellung - form- und fristgericht geladen. Der Einwand der Beklagten, die Ladungsfrist des § 110 Abs. 1 SGG sei nicht eingehalten, trifft nicht zu. Ausweislich sowohl des in den Gerichtsakten enthaltenen Fax-Sendeberichts der Ladung wie auch der Sendezeile auf der Faxkopie der bei der Beklagten angekommenen Terminsnachricht (die dem Gericht ebenfalls vorliegt) ist die Ladung bereits am 17.11.2008 bei der Beklagten eingegangen. Die im Schreiben vom 1.12.2008 gegenüber Gericht, Justiz- und Sozialministerium von NRW von der Beklagten vorgebrachte Behauptung, dies sei erst am 19.11.2008 der Fall gewesen, ist daher nachweislich falsch. Im Übrigen käme es hierauf rechtlich nicht an, weil die zwingende Ladungsfrist nach § 110 Abs. 1 SGG iVm § 217 ZPO lediglich drei Tage beträgt (Leitherer am angegebenen Ort - aaO - § 110 Rn 13, 14). Diese drei Tage sind selbst bei dem die Ladung erläuternden und konkretisierenden Schreiben des Berichterstatters vom 28.11.2008 an die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten gewahrt.

Auch der Einwand, das Gericht habe die Beklagte auf Anwälte verwiesen, die nach § 73 SGG vor deutschen Sozialgerichten nicht zugelassen, seien, ist unzutreffend. Denn über die Gleichstellung israelischer Versicherter mit Inländern gemäß Art 2 Abs. 1, Art 3 Abs. 1 a) und Art 4 Abs. 1 Satz 1 des Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommens (DISVA) vom 17. Dezember 1973 - BGBl. Teil II 246, 443 - in der Fassung des Änderungsabkommens vom 7. Januar 1986 - BGBl Teil II 863, 1099 in Verbindung mit (iVm) dem Haager Abkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozess (BGBl II 1958, 577) - sind auch israelische Anwälte in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten israelischer Versicherter zur Vertretung vor deutschen Sozialgerichten befugt - und werden dazu in allen Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit seit je her unbeanstandet zugelassen. Zudem enthält die der Beklagten vom Gericht bekannt gemachte Liste der von der deutschen Botschaft in Tel Aviv auf ihrer Homepage empfohlenen örtlicher Anwälte aus Israel auch solche mit einer deutschen Anwaltszulassung (www.telaviv.diplo.de/Vertretuna/telaviv/de/04Konsularischer Service/Rechtsanwaltsliste.propertv=Daten.Ddfl.

Auch Gründe für eine ordnungsgemäße Entschuldigung für ihre Abwesenheit oder für eine Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses aus anderen Gründen hat die Beklagte nicht dargetan. Einen Befangenheitsantrag, der vor einer Beweisaufnahme hätte beschieden werden müssen (§ 47 ZPO), hat die Beklagte nicht gestellt, sondern allenfalls angekündigt. Als eventuelle künftige Prozesserklärung ist diese Ankündigung rechtlich unbeachtlich. Auch die (grundsätzlich mögliche) Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen hat die Beklagte nicht wirksam, insbesondere nicht rechtzeitig beantragt Denn selbst bei theoretisch denkbarer Wertung der an den Berichterstatter persönlich adressierten Eingabe vom 1.12.2008 als entsprechende konkludente Antragstellung hätte es der Beklagten (die wusste, dass der Berichterstatter an diesem Tag bereits zu den am 2.12.2008 in Tel Aviv beginnenden Terminen anreisen musste) oblegen, dieses Schreiben so zu adressieren und zu versenden, dass es dem zuständigen Berichterstatter noch vor der Durchführung der Termine in Israel und nicht erst hinterher von der Geschäftsstelle des Gerichts vorgelegt werden konnte (zu dieser Obliegenheit vgl. z.B.Hessisches Landesarbeitsgericht (LAG) Beschluss vom 1.11.2005 - 12 Ca 309/04 -).

Die Beklagte bzw. die zuständige Geschäftsführerin als ihre gesetzliche Vertreterin konnte gemäß §§ 106, 110, 111 SGG auch zu einer Sitzung im Ausland geladen werden. Diese Normen sind entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch für die Termine des erkennenden Gerichts in Israel anwendbar. Völkerrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der Staat Israel hat der konsularischen Anhörung von israelischen Klägern in ZRBG-Verfahren durch ein deutsches Gericht auf seinem Hoheitsgebiet gem. Art. 15 ff des Haager Übereinkommens über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HBÜ) vom 18. März 1970 - BGBl Teil II 1274 - nach Vermittlung dieses Ersuchens durch die deutsche Botschaft in Tel Aviv mit diplomatischen Verbalnoten vom 5. Dezember 2006 und vom 13. Februar 2007 durch das Directorate of Courts in Jerusalem zugestimmt (zur Anwendbarkeit des HBÜ auf Israel: Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, 6. Auflage 2007, § 6 Nr. 27). Wie schon zuvor ist das Auswärtige Amt (AA) als Träger der auswärtigen Gewalt gemäß Art 32 Grundgesetz (GG) bei Erteilung der Dienstreisegenehmigung durch das Justizministerium von Nordrhein-Westfalen (JM NRW) auch im November 2008 erneut um Zustimmung gebeten worden und hat diese für die Termine vom 2. bis 4. 12.2008 erteilt. Völker- und konsularrechtlich ist dem nach § 155 SGG zuständigem Berichterstatter des erkennenden Gerichts von der Konsulin der Botschaft in Tel Aviv als Herrin des konsularischen Verfahrens vor Ort das umfassende Fragerecht eingeräumt worden. Die Termindurchführung erfolgte i.Ü. nach dem lex fori des erkennenden Gerichts, d.h. nach dem deutschen Sozialprozessrecht des SGG (allgemein zu dieser Möglichkeit und ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit wegen des Primats der auswärtigen Gewalt nach Art 32 GG auch im Verhältnis zu Art 92 GG: Hecker/Chorus, Handbuch der konsularischen Praxis, 2. Auflage 2005, § 5; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Auflage 2005, Randnummer - Rn - 260 ff; 447 ff; 2405 ff; Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung im Zivilprozess, 2001, Rn 412 ff).

Es bestanden und bestehen auch keine völkerrechtlichen Bedenken gegen die Androhung und die spätere Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten wegen ihres unentschuldigten Ausbleibens in Gestalt des ihr auferlegten Ordnungsgelds. Es ist nämlich verkürzt und daher rechtlich unzutreffend, wenn die Beklagte meint, dass bei einer konsularischen Beweisaufnahme nach den Art 15 ff HBÜ keine Zwangsmaßnahmen angewandt werden können. Korrekt und völkerrechtlich begründet ist diese Aussage lediglich in Bezug auf die der deutschen Gerichtsgewalt als Ausländer im Ausland grundsätzlich nicht unterliegenden Beweispersonen, hier also die vom erkennenden Gericht in Tel Aviv angehörten israelischen Staatsangehörigen (zum Begriff der Gerichtsgewalt zB Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Auflage 2006, Rn 131 ff). Diese konnten - und wurden - in der Tat ausschließlich auf freiwilliger Grundlage vom Gericht vernommen. Sie hatten die Möglichkeit, die Anhörung zu verweigern bzw. jederzeit abzubrechen. Die Anwendung von Zwangsmitteln gegen israelische Staatsangehörige vor Ort wäre in der Tat nur dann rechtlich möglich gewesen, wenn der Staat Israel dies nach Art 18 HBÜ ausdrücklich gestattet hätte (vgl. Geimer aaO Rn 450). Das ist aber nach dem zugrunde liegenden diplomatischen Notenwechsel vom 5. Dezember 2006 und vom 13. Februar 2007 hier ausdrücklich nicht der Fall.

Demgegenüber ändert auch die Durchführung eines Termins durch das deutsche Gericht im Ausland nichts daran, dass die inländischen deutschen Beteiligten nach wie vor uneingeschränkt der deutschen Gerichtsgewalt unterliegen. Hier verkennt die Beklagte den Unterschied und die Reichweite der Staats- und völkerrechtlichen Begriffe von Personal- und Gebietshoheit sowie den Unterschied zwischen der -unzulässigen - Anwendung von Zwang durch den konsularischen Vertreter nach Art 15 ff HBÜ im Ausland und dem - zulässigen - Zwang, den das innerstaatliche Gericht nach wie vor nach seinem eigenen Heimatrecht auf gerichtsunterworfene Inländer ausüben darf, um deren Tun oder Unterlassen im Ausland mit Zwangsmitteln durchzusetzen (näher dazu Geimer, aaO, Rn 169 ff; 176 ff; 180; 381; 427; 399c f; 400; 436a; 440; 448 ff, 2388 mwN; ebenso Schack, aaO Rn 709 ff, 712, 715). Es ist entgegen der rechtsirrigen Auffassung der Beklagten Staats- und völkerrechtlich unstreitig, dass die Befugnisse eines Staates gegenüber den eigenen Staatsangehörigen, bzw. juristischen Personen mit Sitz im Inland (und erst Recht den eigenen Körperschaften des innerstaatlichen öffentlichen Rechts, die wie hier die Beklagte gemäß § 29 SGB IV im Inland errichtet sind) weltweit gelten, so dass er durch seine Gerichte ihnen gegenüber auch jenseits der eigenen Grenzen Hoheitsund Gerichtsgewalt ausüben und sie dabei auch zu einem Tun oder Unterlassen im Ausland verpflichten/verurteilen kann (Bundesgerichtshof - BHG - Urteil vom 7.10.1997 - Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts 1999, 106; Urteil vom 2.10.1956, BGH Urteilssammlung in Zivilsachen Band 22,1,13; Geimer aaO Rn 179, 180, 436a). Die mit solchen Urteilen üblicherweise verbundene Androhung von Ordnungsgeld stellt schon deswegen keinen Eingriff in die Souveränität anderer Staaten dar, weil sie Geltung und Beachtung nur für die Hoheitssphäre der Bundesrepublik Deutschland beansprucht (Geimer aaO Rn 401, mwN). Daraus und aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs. 1 und 3 GG folgt unmittelbar, dass es keinen Ort der Erde gibt, an dem ein deutscher Sozialleistungsträger in seinem § 51 SGG unterfallenden sozialrechtlichen Handeln oder Unterlassen nicht der Gerichtsgewalt der deutschen Sozialgerichtsbarkeit unterliegt oder sich dieser entziehen könnte. Auch die Ladungsnormen des § 110 SGG bzw. des (parallelen) § 377 ZPO kennen aus innerstaatlicher Perspektive keinerlei geographische oder territoriale Begrenzung (Geimer aaO Rn 2383).

Eine solche Begrenzung ergibt sich völkerrechtlich nur, wenn und soweit andere Staaten ihrerseits jenseits des deutschen Hoheitsgebiets Souveränität beanspruchen. Soweit sie aber generell - oder wie hier im Einzelfall - gestattet haben, dass ein deutsches Gericht auf ihrem Staatsgebiet nach deutschem Recht tätig wird, bleibt ihre Souveränität völkerrechtlich unangetastet. Die Frage, wie und mit welchen (Zwangs-)Mitteln die der deutschen Gerichtsgewalt kraft Personalstatut unterworfenen natürlichen und juristischen deutschen Personen dann vom erkennenden deutschen Gericht zum Rechtsgehorsam gegenüber dem deutschen materiellen und prozessualen Recht verpflichtet werden, berührt den völkerrechtlichen Rechtskreis anderer Staaten nicht, wenn diese Sanktionen zur Durchsetzung - wie hier - vom deutschen Gericht diesen deutschen Gerichtsunterworfenen gegenüber innerstaatlich ergriffen und innnerhalb Deutschlands vollstreckt werden. Das heißt hier konkret: Das vorliegend in Deutschland vom erkennenden deutschen Gericht gegen die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten als deutsche Staatsangehörige verhängte und in Deutschland nach § 200 SGG zu vollstreckende Ordnungsgeld nach § 111 Abs. 1 SGG iVm § 141 Abs. 1 und 3 ZPO ist für die Rechtsstellung des Staates Israel ohne jeden völkerrechtlichen Berührungspunkt. Daher sind die völkerrechtlichen Einschränkungen des HBÜ - auf die sich ohnehin nur ausländische Staaten oder Beteiligte berufen könnten und die im konsularischen Verfahren von der örtlich zuständigen deutschen Botschaft des AA als Trägerin der auswärtigen Gewalt nach Art 32 GG gewahrt werden - in Bezug auf dieses konkrete Zwangsmittel insoweit unter keinem denkbaren Aspekt anwendbar.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile L 8 R 54/05 vom 6.6.2007; L 8 R 244/05 vom 20.6.2007 und L 8 74/05 vom 4.7.2007) handelt es sich nach alledem bei den in Israel durchgeführten Terminen aus innerdeutscher Perspektive in rechtlicher Hinsicht um eine reguläre richterliche Anhörung und Beweiserhebung gemäß § 106 SGG, die lediglich in eine konsularische Beweisaufnahme gemäß § 202 SGG iVm § 363 ZPO und § 19 Konsulargesetz (KonsG) sowie Art 15 ff HBÜ eingebettet war. Dabei war und ist nach der Senatsrechtsprechung auch die Erhebung echter Strengbeweise durch den anwesenden Richter in einem solchen Termin im Ausland möglich - etwa durch Vernehmung von Sachverständigen gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG. Im Übrigen handelte es sich bei der gerichtlichen Anhörung der Klägerinnen und Kläger selbst zwar nicht um eine (in der Tat im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige) eides- und damit strafbewehrte Parteivernehmung gemäß § 455 ZPO, sondern "nur" um eine nach §§ 103,106 in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellte Aufklärungsmaßnahme. Hierzu hat der erkennende Senat in den o.g. Entscheidungen indes ausgeführt, dass es ein Gebot der Verfahrensfairness ist, Klägern, denen - wie hier - widersprüchliches Vorbringen vorgehalten wird, die Möglichkeit zu geben, sich persönlich im Termin vor Gericht dazu zu äußern. Denn nur sie selbst können umfassend zu ihrem individuellen Schicksal Auskunft geben, weil es außer ihrer eigenen Erinnerung regelmäßig keine anderen Beweismöglichkeiten gibt. Sowohl zur Ausschöpfung aller bei der Amtsermittlung zu Gebote stehenden Möglichkeiten wie auch zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art 103 GG und § 62 SGG ist die persönliche Anhörung in ZRBG-Verfahren daher angemessen (so der erkennende Senat ebenda). Diese Senatsrechtsprechung ist auch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht etwa durch die zwischenzeitlich ergangenen Beschlüsse des 13. Senats des BSG vom 14. ,15. und 17. 10.2008 - B 13 RR 407/08 B -; B 13 R 333/08 B -; B 13 R 341/08 B - und des 5. Senats des BSG vom 22.9.2008 - B 5 R 104/08 B - in Frage gestellt worden. Vielmehr hat das BSG dort - noch über die bisherigen Urteile des erkennenden Senats hinaus gehend - ausdrücklich dargelegt, dass die persönliche Anhörung von ZRBG-Antragstellem im sozialgerichtlichen Verfahren nicht nur rechtlich möglich ist, sondern im Einzelfall durch eine Verringerung des tatrichterlichen Ermessens auf Null sogar zwingend geboten sein kann Der 13. und 5. Senat des BSG stehen damit im Übrigen (wie auch der erkennende Senat) in völliger Übereinstimmung mit der übrigen deutschen sowie der europäischen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BSG Urteil des 7a. Senats vom 31.10.2005 - B 7a AL 14/05 B - ; BGH Urteil vom 27.9.2005 - XI ZR 216/04 -; Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - Beschlüsse vom 8.3.2007 - 1 B 101/06 -; vom 10.5.2002 - 1 B 392/01 -; vom 7.7.1999 - 9 B 401/99 und vom 14.6.1999 - 7 B 47.99 - jeweils JURIS; Bundearbeitsgericht - BAG -Beschluss vom 22.5. 2007 - 3 AZN 1155/06 -; Bundesverfassungsgericht - BverfG -, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 1999 - 2 BvR 86/97 -; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juli 1996-2 BvR 1416/94 -JURIS; BVerfGE 67, 43, 61 f, ferner Beschlüsse 2 BvR 1613/07 vom 20.9.2007 und 2 BvR 542/07 vom 23.10.2007; Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht -. EGMR - Urteil vom 27.10.1993 - Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1995, 1413.

Dabei kommt es sowohl für das "ob" als auch für das "wann", "wo" und "wie" einer richterlichen Terminierung nicht auf die eigenen Erwägungen der Verfahrensbeteiligten an, sondern allein auf die Prognose und die darauf gestützte Ermessenentscheidung des Gerichts im Rahmen der richterlichen Ladung. Das gilt auch für die dabei nach §§ 103, 106 iVm 110, 111 SGG durch den Vorsitzenden bzw. im vorbereitenden Verfahren wie hier gemäß § 155 SGG durch den Berichterstatter als gesetzlichem Richter zu fällende Entscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens. Die Beteiligten haben nicht die Möglichkeit ihre Auffassung eigenmächtig an die Stelle derjenigen des Gerichts zu setzen (I.Ü. sind die von der Beklagten anlässlich einer früheren Besprechung mit dem Präsidenten des LSG NRW vorgebrachten Bedenken über mögliche Gefahren der Termine in Israel durch eine mittlerweile umfangreiche tatrichterliche Anhörungspraxis in weit mehr als 60 Fällen vor Ort widerlegt).

Leitend für das richterliche Ermessen über das "ob" einer Anordnung des persönlichen Erscheinens sind (und waren auch hier) die Normen des § 111 Abs. 1 SGG iVm § 141 ZPO. Diese Bestimmungen sollen - und können - bei Beachtung verhindern, dass die Erfolgsaussichten einer mündlichen Verhandlung und/oder Beweisaufnahme vor Gericht dadurch beeinträchtigt werden, dass sich Beteiligte auf nach der Aktenlage vorgefasste Auffassungen und starre Forderungen versteifen können und sich einer argumentativen Erörterung dieser unter Einbeziehung der Meinung des Gerichts und des Gegners entziehen. Die Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens dient damit zwar nicht der Vergleichserzwingung - dies lässt der § 111 Abs. 1 SGG iVM § 141 Abs. 3 ZPO ungeachtet § 279 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zu -wohl aber des Eintritts von Rechtsfrieden durch rasche vergleichsweise Auseinandersetzung in der mündlichen Verhandlung. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn beide Beteiligte bereit sind, die Standpunkte von Gericht und Gegner in einer mündlichen Verhandlung zur Kenntnis zu nehmen (Hessisches LAG Beschluss vom 1.11.2005 - 12 Ca 309/04 -; LAG Brandenburg Beschluss vom 23.5.2000 - 3 Sa 83/00 -). Die Präsenz der Verfahrensbeteiligten dient gerade auch der Prozessförderung in vorher nicht vorhersehbaren Situationen, wie hier der mit Sachverständigen anberaumten Beweisaufnahme. Auch das SGG macht davon keine Ausnahme und verdeutlicht die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweisaufnahme in §§ 106,117 SGG.

Diese prozessualen Garantien laufen ins Leere, wenn nicht sichergestellt ist, dass beide Beteiligte an dem jeweiligen Termin teilnehmen. Ohne Anwesenheit aller Beteiligter ist die vom Gesetz in §§ 106, 117 SGG vorgesehene Beweisaufnahme unter Nutzung der Erkenntnisvorteile eines durch die Parteirollen vorgegebenen kontradiktorischen Verfahrens unmöglich (vgl. auch § 118 Abs. 3 SGG). Denn je nach Interessenlage beleuchten die Beteiligten den Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven (v. Renesse, Entscheidung und Verantwortung, 1999, Seite 77). Eine Bezugnahme auf schriftlich vorgebrachte Einwände einer Seite genügt hierfür nicht, denn ein Richter darf deren Position allenfalls im Sinne eines zurückhaltend formulierten Vorhalts nennen, um sich in einem Termin nicht einseitig zum Gehilfen eines (abwesenden) einzelnen Beteiligten zu machen. Ein hierüber hinaus gehendes Verhalten würde die zwingend vorgegebenen Grenzen der unterschiedlichen Parteirollen von Beklagter und Richter verwischen und wäre mit der Unabhängigkeit und der Neutralität eines Gerichts unvereinbar. Ohne Anwesenheit beider Beteiligter im Termin vor Ort können daher Rückfragen, die sich aus der jeweiligen unterschiedlichen Perspektive notwendig unterschiedlich ergeben, nicht im wünschenswerten Umfang unmittelbar gestellt, beantwortet und geklärt werden (vgl auch die seit Erlass des Gesetzes zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes (ZSchG) vom 30.4.1998 geltende und weit über das Strafverfahren hinaus beispielhafte Konkretisierung behördlicher Mitwirkungspflichten in Verfahren mit traumatisierten Beteiligten oder Zeugen in Nr. 19a und Nr. 127 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren - RiStBV -).

Hinzu kommt, dass auch die Beklagte - ungeachtet ihrer prozessualen Parteirolle im sozialgerichtlichen Verfahren - auch materiellrechtlich als Hoheitsträger immer an geltendes deutsches Recht gebunden bleibt (Art 20 Abs. 3 GG) und danach gemäß § 2 Abs.2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zur möglichst weit gehenden Verwirklichung der sozialen Rechte verpflichtet ist, zu denen auch die gesetzlichen Ansprüche israelischer Antragsteller nach den §§ 1-3 ZRBG gehören. Dabei war die Beklagte im Übrigen schon im Verwaltungsverfahren in gleicher Weise wie das Gericht gemaß §§ 23 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) zur Amtsermittlung angehalten. Diese Ermittlungen mussten und müssen sich nach dem ausdrücklichen gesetzlichen Wortlaut auf sämtliche erreichbaren Beweismittel beziehen. Auch das materielle Recht macht keinen Unterschied, ob sich die Beweismittel im In- oder Ausland befinden. Sie müssen lediglich erreichbar sein, was hier durch die Zustimmung der israelischen Seite zur Beweisaufnahme vor Ort der Fall war.

Die nachträgliche Auswertung des Protokolls durch die Beklagte ist kein Ersatz für die o.g. rechtlichen Funktionen ihrer Anwesenheit im Termin vor Ort. Denn kein Protokoll - selbst in Form der vom Gericht gefertigten Videoaufnahmen - kann den unmittelbaren persönlichen Eindruck eines Menschen mit allen Details seiner Gestik und Mimik vollständig wiedergeben. Zwischen der Beschäftigung mit einer Akte aus Papier und dem Gespräch mit einem lebenden Menschen liegen Welten, Allein die persönliche Präsenz ermöglicht den übrigen Beteiligten einen umgehenden Eindruck von vorhandener oder fehlender Glaubhaftigkeit von Beteiligten und Zeugen. Dieser Eindruck kann nur vor Ort anhand von flexiblen Nachfragen und spontanen Antworten erhärtet oder widerlegt werden. Verbunden mit vorangehender Aktenanalyse erweist sich dieses Vorgehen - auch aus der Perspektive der gerichtlichen Sachverständigen - als weit zeitsparender und ökonomischer als die langwierigen Analysen der Transkriptionen sowie des Videomaterials und den anschließenden schriftlichen Nachfragen und Klärungsversuchen. So ist es auch nach den gerichtlichen Erfahrungen mit den Anhörungen Ghettoüberlebender aus Israel fast in allen ZRBG-Fällen später dazu gekommen, dass die Beklagte, die bislang in keinem dieser Termine vertreten war, nach Auswertung der Sitzungsmitschrift vermeidbare, aber kosten- und zeitaufwändige Rückfragen gestellt hat und es (selbst in Bezug auf die im Termin erstatteten Sachverständigengutachten) zu Missverständnissen kam, die sich vor Ort unter Einbeziehung des Betroffenen und der zum Termin geladenen Sachverständigen leicht unmittelbar hätten klären lassen (exemplarisch zB das Verfahren L 8 R 209/07). Dadurch ist es nicht nur zu Verlusten an für die Kläger unwiederbringlicher (Lebens-)Zeit gekommen. Einige der schwer Traumatisierten mussten mehrfach gehört werden und die für sie belastenden Erlebnisse wiederholt vor Gericht schildern. So sind durch die Abwesenheit der Beklagten in den Terminen in hohem Maße sonst vermeidende Belastungen für die übrigen Beteiligten, Zeitverluste und Kosten für die Justiz des Landes NRW entstanden, zumal auch die Verfahrensverzögerung nach der o.g. Rechtsprechung des EGMR am Ende zu Schadensersatzansprüchen von bis zu 10.000 Euro pro Verfahren gegen das Land NRW als Träger der Justiz führen kann (vgl. EGMR Urteil vom 26. Oktober 2000, Az 30210/96 (Rechtssache Kud&322a./. Polen, NJW 2001, 2694; vgl. auch BSG Beschluss vom 13.12.2005 - B 4 RA 220/04 B -).

Die Anwesenheit beider Beteiligter entspricht i.Ü. der durchgehenden Verfahrenswirklichkeit in allen sonstigen sozialgerichtlichen Streifverfahren, in denen außer Frage steht, dass sich die Sozialleistungsträger ihrer Verantwortung auch vor Gericht nicht entziehen und die von ihnen gefällten Entscheidungen in richterlich anberaumten Terminen gegenüber den Betroffenen persönlich erläutern. Die israelischen Klägerinnen und Kläger der ZRBG-Verfahren haben insofern einen Anspruch auf Gleichbehandlung (Art 3 Abs. 1 und 3 GG) mit allen übrigen Klägern. Dass sie ihren Wohnsitz als Folge der deutschen Verfolgung nach dem Krieg und der Vernichtung des jüdischen Lebens in Europa in Israel nehmen mussten, kann ihnen dabei von deutschen Behörden oder Gerichten aus historischen, aber auch aus den Rechtsgründen der o.g. Art 2 ff DISVA sowie des Haager Abkommens über den Zivilprozess nicht entgegen gehalten werden.

Auch hinsichtlich des "Wo", d.h. des Orts der Terminierung sind (und waren hier) die besonderen Belange aller Beteiligten richterlich gegeneinander abzuwägen. In diesem Rahmen war das Gericht aus rechtsstaatlichen Gründen insbesondere gehalten, das Erscheinen beider Beteiligter nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch - ggf. durch Übernahme der Reisekosten oder die heimatnahe Terminierung - zu ermöglichen, und zwar, ohne dass dies von einer vorherigen Prüfung der Erfolgsaussichten abhängig gemacht werden durfte (BSG Urteil vom 15.7.1992 - 9a RV 3/91 - unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 12.2.1992 - 1 BvL 1/89; ebenso Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 12.2.2008 - 19 C 08.1 -). Insofern konnte und durfte das Gericht gemäß § 110 Abs. 2 SGG auch Sitzungen außerhalb des Gerichtssitzes, und damit in Tel Aviv abhalten, weil dies zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens notwendig war und ist. Denn der Kläger der die Ermordung seiner Mutter und seines Vaters als Kind im Ghetto Petrikau erlebt hatte und später im KZ Buchenwald war, ist aufgrund seiner im Krieg erlittenen Verfolgung sowie seines hohen Alters nicht in der Lage, einen Termin in Deutschland wahrzunehmen. Nicht nur dem Gericht, auch der Beklagten waren diese Umstände aus der Akte bekannt, die es dem Kläger wie den meisten Ghettoüberlebenden als Folge des schweren Verfolgungsschicksals und der dabei erlittenen Traumatisierung in nachzuvollziehender und zu respektierender Weise unmöglich machen, das Land der Täter zu betreten. Diese generell bekannten Umstände traten i.Ü. auch in der individuellen Anhörung zu Tage. So berichtete der Kläger in der psychologischen Exploration ausführlich davon, dass bei einer Busfahrt durch Europa, an der er vor rund zehn Jahren teilnahm, die Route der ganzen Reisegruppe für ihn an der deutschfranzösischen Grenze entgegen der vorgesehenen Strecke durch den Schwarzwald in Süddeutschland geändert werden musste, weil er bei dem geplanten Grenzübertritt in Richtung Freiburg am ganzen Körper zu zittern begann und nicht mehr weiter fahren konnte. Dieser auch rechtlich nach Art 1 Abs. 1 Satz 2 GG von allen Trägern deutscher Staatsgewalt zu achtenden Reaktion gegenüber bedeutete es für die Beklagte keinen nennenswerten bürokratischen Aufwand, einen der von der deutschen Botschaft empfohlenen Vertrauensanwälte aus Isreal zu beauftragen, ihm die Vollmacht und die Handakte per Post bzw. per Fax nach Israel zu senden und eventuelle Details für den Termin am Telefon mit ihm/ihr zu besprechen. Dabei war zur Erfüllung dieser, die Beklagte treffenden prozessualen Pflichten nicht einmal ein Verlassen des deutschen Hoheitsgebiets oder gar des Verwaltungsgebäudes am Sitz der Beklagten in Düsseldorf erforderlich.

Auch die schließlich bei der Ladung zu beachtenden Kostengründe (dazu: Leitherer aaO § 110 Rn 9) sprachen für die Ladung in Tel Aviv. Denn bei Durchführung der Termine in Deutschland und der dann nach § 111 Abs. 1 SGG anzuordnenden auf Kosten des Gerichts durchzuführenden Anreise aller israelischer Beteiligter und Zeugen nebst der für sie auf Grund ihres Alters medizinisch regelmäßig erforderlichen Begleitpersonen und der jeweiligen Unterbringung im Hotel wäre ein Vielfaches dessen angefallen, was an Aufwand für die Entsendung des Berichterstatters und der Sachverständigen sowie bei gedachter Terminwahrnehmung auf Seiten der Beklagten auch für diese entstanden ist bzw. bei ordnungsgemäßem Verhalten entstanden wäre.

Die bei der Bemessung des Ordnungsgeldes zu beachtenden Ermessensmaßstäbe, (näher dazu Sächsisches LAG Beschluss vom 3.2.1999 - 2 Ta 321/98) geboten hier die volle Ausschöpfung des nach Art 6 EGStGB vorgesehenen Rahmens.

Denn durch den Pflichtverstoß der Beklagten ist es zu erheblichen Auswirkungen für den Kläger, das Verfahren und für das Land NRW als Träger der Justiz gekommen: Die verschuldeten Auswirkungen des Pflichtverstoßes der Beklagten bestehen zum einen in der nun eintretenden Verfahrensverzögerung zu Lasten des hochbetagter Klägers, dessen Beweischancen mit jedem Tag schlechter werden und dem aufgrund seines Alters und seines Gehirntumors jederzeit Verhandlungsunfähigkeit oder Tod drohen - dies obgleich im Termin (vorbehaltlich weiterer Beweiserhebung und der Würdigung durch den gesamten Senat) sowohl nach Einschätzung der anwesenden historischen und psychologischen Sachverständigen sowie des Berichterstatters nach dem persönlichen Eindruck glaubhaft sowie glaubwürdig festgestellt werden konnte, dass es sich bei den Umständen, die dem ZRBG-Rentenanspruch des Klägers bislang entgegengehalten wurden, im Wesentlichen um sprachlich bedingte Missverständnisse und Kommunikationsbrüche zwischen ihm und den deutschen Behörden bzw. Gerichten handelt.

Zum anderen sind unabhängig vom Verfahrensausgang durch die Abwesenheit der Beklagten erhebliche sonst vermeidbare Kosten entstanden. Denn an Stelle einer einvernehmlichen Regelung, die das Gericht im Termin aufgrund des Beweisergebnisses sofort hättte anregen können und die nun als Folge der Abwesenheit der Beklagten nicht möglich war, muss jetzt zum einen die Transcription des Anhörung für ca. 1500 bis 2000 Euro gefertigt werden. Parallel müssen das psychologische und das historische Sachverständigengutachten in schriftlicher Form erstattet und vom Gericht bzw. aus dem Haushalt des Landes NRW bezahlt werden (ebenfalls jeweils ca. 1500 bis 2000 Euro). Erst dann kann - falls die Beklagte nicht noch weitere Rückfragen vorbringt - über die Sache im Senat beraten und entschieden werden. All das wird bei realistischer Einschätzung ca. ein Jahr dauern. Ob der Kläger das Ende seines Verfahrens damit noch erlebt, bzw. bei Rückfragen des Senats wegen seines Alters und bei ihm fortschreitenden Gehirntumors dann noch verhandlungsfähig sein wird, ist ungewiss.

Schließlich war das Ordnungsgeld auch gegen die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten und nicht gegen die Beklagte als Körperschaft zu verhängen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Normzweck von § 111 Abs. 1 SGG iVm § 141 Abs. 1 ZPO. Denn die Beklagte als juristische Person konnte (und sollte) als solche nicht im Termin erscheinen, sondern nur ihre gesetzliche Vertreterin. Die Erscheinenspflicht wurde hier durch die auf § 34 SGB IV gestützte Satzung der Beklagten, in der die für den Rentenbereich nach § 36 SGB IV zuständige Geschäftsführerin benannt ist, sowie durch den ergänzenden an sie persönlich gerichteten gerichtlichen Hinweis vom 28.11.2008 individualisiert. Was für die Auslegung des § 141 Abs. 1 ZPO gilt, greift entsprechend für die daran anknüpfende Norm des § 141 Abs. 3 ZPO ein. Nur eine natürliche Person kann einerseits schuldhaft säumig und andererseits verhindert iSd § 141 Abs. 3 Satz 1, 381 ZPO sein. Kommt es daher auf das persönliche Verschulden des geladenen gesetzlichen Vertreters an, muss auch die Rechtsfolge des Verschuldens - das festgesetzte Ordnungsgeld - diese Person treffen (Hessisches LAG, Beschluss vom 1.11.2005 - 4 Ta 475/05 -; und Beschluss vom 16.2.2005 - 18/04 Ta 686/04 - OLG Nürnberg 28.3.2001 - 1 W 887/01 - OLG Hamburg 10.10.2002 - 1 W 40/02 -; ebenso für das sozialgerichtliche Verfahren Leitherer aaO § 111 Rn 6b). Dies ist hier durch die persönliche Tenorierung des Ordnungsgeldbeschlusses berücksichtigt. Die Beachtung dieses Tenors ist durch die Vollstreckungsvorschrift des § 200 SGG sowie haushaltsrechtlich über die §§ 67 ff SGB IV iVm § 42 SGB VI und strafrechtlich über § 266 StGB gewährleistet. Ein bei der zuständigen Geschäftsführerin der Beklagten möglicherweise bestehender Rechtsirrtum über die -vermeintlichen - völkerrechtlichen Grenzen der deutschen Gerichtsgewalt ist zwar -wie in der Literatur ausdrücklich hervorgehoben (Schack aaO Rn 712) - weit verbreitet, kann aber dennoch für sie nicht entschuldigend berücksichtigt werden, weil das erkennende Gericht sie rechtzeitig, ausführlich, eindrücklich und mehrfach über ihre rechtlichen Verpflichtungen aufgeklärt hatte. Soweit sie in diesem Zusammenhang meint, die ihr - wie i.Ü. jedem anderen Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens auch - erteilten richterlichen Hinweise hätten den Charakter einer strafrechtlichen Nötigung, so verkennt sie die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung und Anhörung nach § 62 SGG. Schließlich ist auch die im Schreiben vom 1.12.2008 ausdrücklich geäußerte Bitte an die Justizministerin sowie an den Arbeits- und Sozialminister des Landes NRW um "Vermittlung" zwischen Beklagter und Gericht unverständlich. Denn nach dem Rechtsstaats- und Gewaltenteilungsprinzip des Art 20, Art 92 GG kommt eine derartige Einflussnahme durch ein Mitglied einer Landesregierung von NRW auf ein schwebendes Gerichtsverfahren und die unabhängige Justiz unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht.

Vor diesem Hintergrund musste das zu verhängende Ordnungsgeld für die zuständige Geschäftsführerin der Beklagten als Adressatin persönlich schuldangemessen und hoch genug sein, um (weitere) Wiederholungen ihrer rechtlich unbegründeten Weigerung, einer Ladung mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens in Israel Folge zu leisten, zu verhindern. Angesichts ihrer beruflichen Position und ihrer danach entsprechend § 287 ZPO gerichtlich zu schätzenden wirtschaftlichen Verhältnisse erschien das festgesetzte Ordnungsgeld in Höhe von 1000 Euro hier fühlbar, aber auch für sie verkraftbar und damit i.E. als angemessen, um diesen Zweck zu erreichen

Eine Verringerung des Ordnungsgelds wegen der Addierung von Ordnungsgeldern aus der Vielzahl der von der Beklagten in Tel Aviv nicht wahrgenommene Termine kam rechtlich nicht in Betracht. Denn jeder Kläger ist individuell zu betrachten und gleich wichtig. Zudem hatte das Gericht zuvor ausdrücklich auf diese Rechtsfolge hingewiesen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.