OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.02.2008 - 20 A 1368/07
Fundstelle
openJur 2011, 58650
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.

Unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertentscheidung wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe greift. Das Antragsvorbringen lässt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufkommen (1.) und erhellt auch weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3).

1. Die Richtigkeit des vom Kläger im wesentlichen angegriffenen Ausgangspunktes des Verwaltungsgerichts, dass eine Person, die bestimmungsgemäß eine historische Armbrust nutzt, d.h. mit ihr feste Körper verschießt, mit dieser Waffe gemäß § 1 Abs. 3 WaffG Umgang hat, wird durch das Antragsvorbringen nicht ernstlich in Frage gestellt. Entsprechendes gilt für die Schlussfolgerung, dass damit auch in den vom Kläger zur Entscheidung gestellten Fällen, in denen Kinder im Alter von 12 und 13 Jahren unter Aufsicht und auf Anweisung eines (kundigen) Erwachsenen die Armbrust auf einer Schießstätte für Armbrüste nutzen, das generelle Verbot aus § 2 Abs. 1 WaffG greift.

Die Vorstellung, dass derjenige, der einen Gegenstand, der gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG Schusswaffen gleichgestellt ist, wie die hier streitige Armbrust ( vgl. Anlage 1 (zu § 1 Abs. 4) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.2.2), bestimmungsgemäß nutzt, dabei nicht der Altergrenze des § 2 Abs. 1 WaffG unterliegt, findet auch für die vorgestellten Fälle der Aufsicht durch eine kundige Person im Gesetz keine sachliche Anknüpfung. Sie beruht auf einem Verständnis auslegungsbedürftiger gesetzlicher Regelungen, das - wie die Ausführungen des Verwaltungsgerichts belegen - in der Systematik des Gesetzes keine Stütze findet und zudem die in der Gleichstellung von Armbrüsten mit Schusswaffen zum Ausdruck gelangte gesetzgeberische Gefahreneinschätzung außer Acht lässt. Das gilt unabhängig davon, ob sich die vorgestellten Vorgänge dem "Schießen" als einer der in § 1 Abs. 3 WaffG genannten Umgangsformen zurechnen lässt. Nach der Definition Anlage 1 (zu § 1 Abs. 4 ) Abschnitt 2 Nr. 7 schießt (nur), wer mit einer Schusswaffe durch einen Lauf die dort näher aufgeführten Geschosse bzw. Munition verschießt bzw. abschießt. Das ist bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Armbrust nicht der Fall. Das rechtfertigt indes nicht die Schlussfolgerung, dass derjenige, welcher gleichgestellte Gegenstände - wie etwa eine Armbrust - bestimmungsgemäß verwendet, mit diesen nicht im Sinne des Gesetzes umgeht. Insoweit ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat - vor allem einzustellen, dass der Gesetzgeber bei der hier einschlägigen gesetzlichen Definition von gleichgestellten Waffen als ein wesentliches Kriterium an die Nutzung zum Verschießen von festen Körpern anknüpft, also von einer vergleichbaren Gefährlichkeit der bestimmungsgemäßen Verwendung ausgeht. Schon dies impliziert notwendig das Verständnis, dass eine bestimmungsgemäße Verwendung dieser Waffe einen Umgang i.S.d. § 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 1 WaffG darstellt, der aus Gründen der Gefahrenvorsorge den im Waffengesetz geregelten Umgangsbeschränkungen, namentlich der in § 2 Abs. 1 WaffG statuierten Altersgrenze unterliegen soll.

Derjenige, der bestimmungsgemäß einen festen Körper mit einer Armbrust verschießt, hat faktisch denknotwendig in der gegebenen Situation Sachherrschaft über die Waffe und besitzt sie im Sinne der Definition in Anlage 1(zu § 1 Abs. 4) Abschnitt 2 Nr. 2. Das für die Umgangsform "Besitzen" maßgebliche Kriterium ist erfüllt, weil der Schütze die Waffe selbständig frei in Händen hat und den Abschuss mit eigenen Kräften durchführt. Das gilt auch in den vom Kläger vorgestellten Fällen der bestimmungsgemäßen Verwendung einer Armbrust auf einer dafür vorgesehenen Schießstätte unter kundiger Anleitung und Aufsicht. Die von ihm in der Antragsfassung zum Ausdruck gebrachte Bewertung, dass in diesen Fällen ausschließlich die Aufsichtsperson die tatsächliche Sachherrschaft über die Waffe ausübe, geht tatsächlich wie rechtlich an den Realitäten vorbei. Auch einem Kind, das unter Anweisung eines Erwachsenen die Armbrust bedient, ist die Sachherrschaft über die Waffe eingeräumt; beim Schießen soll sie ausgeübt werden. Eine Unterscheidung danach, ob im zivilrechtlichem Sinne in der konkreten Situation die tatsächliche Gewalt als Besitzdiener (§ 855 ZPO) für einen anderen ausgeübt oder mit einem anderen geteilt wird, enthält die gesetzliche Definition nicht. Sie ist auch nicht ergänzend hineinzulesen. Dies verdeutlicht insbesondere die Freistellung von bestehenden Erlaubnispflichten für den Besitz und Erwerb von Waffen nach § 12 Abs. 1 WaffG, die namentlich zivilrechtliche Besitzmittlungsverhältnisse erfasst (z.B. § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b oder Nr. 5 WaffG). § 3 Abs. 1 WaffG, der den Umgang mit Waffen durch Jugendliche in Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnissen unter Aufsicht eines weisungsbefugten Waffenberechtigten betrifft, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen. Für Schießstätten verdeutlichen gerade Absatz 1 Nr. 5 und Absatz 4 Satz 1 des § 12, dass das "Schießen" typischerweise mit "Erwerb/Besitz" einhergeht.

Die in der Antragsschrift erwähnten Ausführungen des Vizepräsidenten L. des E. Schützenbundes e.V. aus dem Jahre 2003, der die Ansicht des Klägers teilt, dass Kinder und Jugendliche unter Aufsicht mit der Armbrust trainieren und schießen dürfen, ohne dass Altersgrenzen zu beachten wären, führt auf keine andere Bewertung. Die von ihm zum Beleg der in den vorgestellten Situationen angenommenen fehlenden waffenrechtlichen Relevanz der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Kindes bzw. Jugendlichen auf die Armbrust herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 29. Oktober 1974 - StR 5/74 -, BGHSt 26,12) ist nicht einschlägig. Sie betrifft schon eine andere Fallkonstellation, nämlich das Fehlen eigener tatsächlicher Gewalt über die Waffe im Falle der Sicherstellung derselben durch die Behörde. Zudem lässt die Veröffentlichung andere einschlägige Rechtsprechung außer acht, die begründet, warum das Überlassen einer Waffe wie der Erwerb keine Besitzübertragung im zivilrechtlichen Sinne erfordert, sondern das Innehaben der tatsächlichen Sachherrschaft, wie in Fällen der Besitzdienerschaft, ausreicht.

Vgl. BayObLG, Beschluss vom 30. Dezember 1976 - RReg. 4 St 108/76 -, BayVBl. 1977, 376; BayVGH, Beschluss vom 18. Januar 1996 - 19 CS 95.3151 -, BayVBl. 1996, 535; BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 - 3 StR 38/00, NStZ 2000, 541.

Anlass, den Kläger zu den vorstehenden, über die vom Verwaltungsgericht angesprochenen Erwägungen hinausgehenden Aspekten zu hören, sieht der Senat nicht. Denn die Frage möglicher Zuordnung der streitanlassgebenden Sachverhalte zur Umgangsform "Besitzen" stand notwendig bereits erstinstanzlich in Mitten des Streites, wenn man mit dem Kläger eine Zuordnung zur Umgangsform "Schießen" ablehnt. Das war auch dem Kläger gegenwärtig, wie nicht zuletzt in der erfolgten wertenden Umschreibung des Sachverhaltes in der Formulierung des erstinstanzlich gestellten Hauptantrages zum Ausdruck gekommen ist und im weiteren im Zulassungsverfahren die Bezugnahme auf die Veröffentlichung des E. Schützenbundes e.V. belegt.

Das Antragsvorbringen führt auch auf keine Zweifel, soweit das Verwaltungsgericht in den vom Kläger zur Entscheidung gestellten Fällen eine gesetzliche Ausnahme von der in § 2 Abs.1 WaffG statuierten Altersgrenze verneint hat. Insbesondere ist vom Kläger nicht aufgezeigt, warum § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG greifen sollte, wonach Kindern im Alter von 12 und 13 Jahren unter näher bezeichneten Vorgaben in nach § 27 Abs. 1 WaffG genehmigten Schießstätten das Schießen mit im einzelnen aufgeführten Schusswaffen gestattet werden darf.

Das gilt unabhängig davon, ob die Ansicht des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass Armbrust-Schießstätten schon keine nach § 27 Abs. 1 WaffG erlaubnispflichtigen Schießstätten sind. Darauf kommt es in den vom Kläger zur Entscheidung gestellten Fällen nicht an. Denn selbst wenn Schießstätten für Armbrüste - wie vom Beklagten vorgestellt - unter den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 1 WaffG fallen sollten, betrifft die Ausnahmeregelung des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG ausdrücklich nur den bestimmungsgemäßen Gebrauch einzelner namentlich aufgeführter Schusswaffen. Gründe dafür, dass ungeachtet der enumerativen Aufzählung bestimmter Waffen die Bestimmung auf andere Waffen wie die Hocharmbrust anwendbar ist, lässt das Antragsvorbringen nicht erkennen. Dies gilt zumal auch vor dem Hintergrund der Erwägungen des Beklagten zur besonderen Gefährlichkeit der bestimmungsgemäßen Verwendung einer historischen Hocharmbrust im Vergleich etwa zur Verwendung einer Flacharmbrust oder zum "Kinderkönigsschießen", die aus den vom Verwaltungsgericht im Einzelnen aufgeführten Gründen überzeugen.

Diese Erwägungen, denen der Kläger mit seinem Antragsvorbringen nichts Erhebliches entgegengesetzt hat, verdeutlichen zugleich, dass der Beklagte in der vom Kläger mit dem Hilfsantrag zur Entscheidung gestellten Fallkonstellation die Erteilung einer Ausnahme vom Alterserfordernis nach § 3 Abs. 3 WaffG zu Recht abgelehnt hat. Sie führen auf entgegenstehende besondere Gründe und öffentliche Interessen; insbesondere bieten sie hinreichend sachliche Gründe dafür, dass der Beklagte hier trotz der in Anlage 2 (zu § 2 Abs. 2 bis 4) Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 gleichermaßen geregelten Erlaubnisfreiheit des Erwerbs und Besitzes von Armbrüsten (Nr. 1.10) und von den Schusswaffen, die in § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG enumerativ genannt sind (Nr. 1.1 und 1.2), im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 WaffG eine Freigabe für Kinder im Alter von 12 und 13 Jahren allenfalls für Flacharmbrüste in Erwägung zieht, nicht aber für die in Streit stehenden Hocharmbrüste.

2. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO lässt das Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht hervortreten. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, lassen sich die maßgeblichen rechtlichen Ausgangspunkte der Entscheidung ohne weiteres aus den gesetzlichen Vorschriften ableiten. Eine besondere Komplexität der Fragestellungen in tatsächlicher Hinsicht erschließt sich dem Gericht ebenfalls nicht.

3. Schließlich greift auch die Grundsatzrüge nicht. Im Hinblick auf die aufgeworfene Frage,

ob mit einer Armbrust auch nach der Legaldefinition der Anlage 1 Abschnitt 2 Ziffer 7 zum WaffG geschossen werden kann oder das - umgangssprachlich - "Schießen" mit der Armbrust einen Umgang mit einer Waffe im Sinne des § 1 Abs. 3 WaffG darstellt,

ist ein die Durchführung einer Berufung erfordernder Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

Wie sich aus vorstehenden Erwägungen zu 1. ergibt, lässt sich die aufgeworfene Frage, ob, wer mit einer Armbrust feste Körper verschießt, mit ihr im waffenrechtlichen Sinne umgeht und den geregelten Umgangsbeschränkungen des Waffenrechts namentlich der Altergrenze unterfällt, ohne weiteres im Sinne der Bewertung des Verwaltungsgerichts aus dem Gesetz heraus beantworten. Dass die im weiteren angesprochene Frage, ob der waffenrechtliche Begriff "Schießen" im Rahmen seiner Verwendung in § 1 Abs. 3 WaffG oder in § 27 WaffG um das Verschießen von festen Körpern mittels einer Armbrust zu erweitern ist, für die Bewertung der vom Kläger zur Entscheidung gestellten Fälle relevant sein könnte, wird nicht aufgezeigt. Die Notwendigkeit einer obergerichtlichen Befassung mit der aufgeworfenen Fragestellung ist danach nicht dargetan.

Anlass, die Berufung zur Wahrung der Rechtseinheit zuzulassen, sieht der Senat ebenfalls nicht. Mit dem nicht weiter erläuterten Hinweis des Klägers, dass in der Literatur, insbesondere im Aufsatz von L. die Ansicht vertreten werde, dass das Schießen mit einer Armbrust unter Aufsicht weder Schießen noch überhaupt ein Umgang mit Waffen sei, ist ein Bedarf für eine obergerichtliche Entscheidung zur Abwendung unterschiedlicher erstinstanzlicher Entscheidungen nicht aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG; mangels Anknüpfungspunkten für eine andere monetäre Bewertung der Interessenlage ist vom Regelstreitwert auszugehen. Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.