VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28.02.2008 - 16 K 105/06
Fundstelle
openJur 2011, 58163
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Abschleppmaßnahme des Beklagten.

Der Kläger parkte sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen °°-°° °°° am 1. Mai 2002 auf der C. Straße in F. mit zwei Rädern auf dem Gehweg. Die gemessene Restwegbreite betrug 0,49 m. Nach Erteilung einer Verwarnung um 15.32 Uhr ließ eine Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung des Beklagten das Fahrzeug um 16.11 Uhr durch die Firma S. abschleppen. Der Kläger holte das Fahrzeug am selben Tag beim Abschleppunternehmen ab.

Im Rahmen der Anhörung bestritt der Kläger, gegen § 12 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen zu haben. Durch das Abstellen seines Fahrzeugs sei weder eine Behinderung des fließenden noch des ruhenden Verkehrs eingetreten. Als Vater zweier kleiner Kinder habe er besonders darauf geachtet, dass neben dem abgestellten Fahrzeug ausreichend Platz für einen Kinderwagen und einen Rollstuhlfahrer verbleibe.

Mit Leistungsbescheid vom 3. Dezember 2002 machte der Beklagte gegenüber dem Kläger die ihm vom Abschleppunternehmer in Rechnung gestellten Abschleppkosten nebst einem Zuschlag für die Herausgabe an einem Feiertag sowie die eigenen Verwaltungsgebühren geltend. Er bezifferte seine Forderungen im Einzelnen wie folgt:

Abschleppkosten 87,00 Euro

Herausgabe zu ungünstigen Zeiten 36,00 Euro

Verwaltungsgebühren 51,00 Euro

Gesamtbetrag 174,00 Euro

Zur Begründung seines Leistungsbescheides wies der Beklagte darauf hin, dass durch das verbotswidrige Parken auf dem Gehweg eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden habe, die nach Abwägung der unterschiedlichen Interessenlagen das Abschleppen des Fahrzeugs zur Folge gehabt habe.

Dagegen legte der Kläger am 17. Dezember 2002 Widerspruch ein; gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der Vollziehung. Den Widerspruch begründetet er damit, dass der Beklagte das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit in eklatanter Weise verletzt habe. Der Wagen sei nur 35 Minuten abgestellt gewesen und wäre von ihm in der Halbzeitpause eines Fußballspiels weggestellt worden. Es wäre ein milderes Mittel gewesen, die Halter der verkehrswidrig abgestellten Fahrzeuge durch den Stadionsprecher in dem 150 m entfernten H. -N. -Stadion ausrufen zu lassen; so werde in anderen Städten - z.B. in N1. - verfahren.

Den Widerspruch wies die Bezirksregierung E. mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2006 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 11. Januar 2006 Klage erhoben. Darin wiederholt und vertieft er sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, dass der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen habe, die bevorstehende Ersatzvornahme durch den Stadionsprecher anzudrohen. Aus dem Widerspruchsbescheid gehe hervor, dass beim Beklagten seit dem Jahr 2003 die Praxis zum Ausrufen der Halter verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge durch den Stadionsprecher bestehe, so dass eine Selbstbindung der Verwaltung vorliege. In dem Widerspruchsbescheid heiße es, dass durchaus versucht werde, Kontakt mit dem Stadionsprecher aufzunehmen, um auf diese Weise mittels Durchsage aufzufordern, verbotswidrig geparkte Fahrzeuge vom Abstellort zu entfernen. Er - der Kläger - hätte das Auto dann in maximal fünf bzw. sogar drei Minuten entfernen können. Darüber hinaus rügt er, dass der angefochtene Bescheid auf fehlerhafter Tatsachengrundlage basiere, da sein Fahrzeug nicht auf der C. Straße, sondern auf der I.---- straße abgestellt gewesen sei. Schließlich erhebt er die Einrede der Verjährung: die lange Dauer des Verwaltungsverfahrens und die Nichthinnehmbarkeit weiterer Belastungen aus seinem geringfügigen Verkehrsverstoß hätten das Erlöschen des staatlichen Ahndungsinteresses zur Folge.

Der Kläger beantragt,

den Leistungsbescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 4. Januar 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass es keine Verpflichtung zur Durchsage durch den Stadionsprecher vor Durchführung einer Abschleppmaßnahme gebe. Die damit verbundenen ungewissen Erfolgsaussichten führten dazu, dass bestehende Verkehrsbehinderungen und die Nutzbarkeit von extrem eingeschränkten Gehwegen weiter bestehen bleiben würden. Im Übrigen verweist er zur Begründung des Klageabweisungsantrags auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid.

Mit Beschluss vom 25. Januar 2008 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten und des Widerspruchsvorgangs der Bezirksregierung E. Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 42 Abs. 1, 1. Fall der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Leistungsbescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 4. Januar 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte erhebt vom Kläger zu Recht Gebühren und Auslagen in Höhe von 174,00 Euro.

I.

Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den Abschleppkosten, d.h. den dem Beklagten vom Abschleppunternehmer in Rechnung gestellten Betrag für eine durchgeführte Abschleppfahrt in Höhe von 87,00 Euro, sowie den ebenfalls dem Beklagten in Rechnung gestellten Zuschlag für die Herausgabe zu ungünstigen Zeiten in Höhe von 36,00 Euro ist § 77 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Nr. 7 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz (KostO NRW). Nach diesen Vorschriften sind Kosten (Gebühren und Auslagen) der Vollzugsbehörde vom Pflichtigen zu erstatten. Zu den Auslagen gehören insbesondere Beträge, die bei der Ersatzvornahme an Beauftragte und an Hilfspersonen zu zahlen sind; dabei geht es nicht um die staatliche Ahndung eines Verkehrsverstoßes. Wie sich im Umkehrschluss aus § 14 Abs. 1 KostO NRW ergibt, ist eine rechtmäßige Ersatzvornahme Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Klägers.

Die ordnungsbehördlich veranlasste Entfernung eines halt- bzw. parkverbotswidrig abgestellten Kraftfahrzeugs kann, wie der Beklagte und die Widerspruchsbehörde es getan haben, als eine Ersatzvornahme beurteilt werden.

Der Beklagte hat das Abschleppen des Fahrzeugs des Klägers zu Recht angeordnet. Nach § 59 Abs. 1 VwVG NRW kann die Vollzugsbehörde auf Kosten des Betroffenen die Handlung selbst ausführen oder einen anderen mit der Ausführung beauftragen, wenn die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt wird. Im vorliegenden Fall wurde die Verpflichtung des Klägers, sein Fahrzeug vom Gehweg in der C. Straße in F. zu entfernen, von ihm selbst nicht erfüllt, so dass der Beklagte hiermit ein Abschleppunternehmen beauftragen konnte.

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung des Verwaltungszwangs lagen vor. Nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW kann der Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.

Der Beklagte handelte hier innerhalb seiner Befugnisse. Nach § 14 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden - Ordnungsbehördengesetz (OBG) - können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren. Das Fahrzeug des Klägers stellte hier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG zählt die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung insgesamt. Vorliegend verstieß das halbseitige Parken des Fahrzeugs des Klägers auf dem Gehweg der C. Straße in F. gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO. Demnach ist zum Parken der rechte Seitenstreifen, dazu gehören auch entlang der Fahrbahn angelegte Parkstreifen, zu benutzen; sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Hingegen ist das Parken auf Gehwegen nicht erlaubt, wie insbesondere der Zusammenhang mit § 12 Abs. 4a StVO zeigt, der eine besondere Gehwegbenutzung für Kraftfahrzeuge nur im Falle des ausdrücklich erlaubten Gehwegparkens durch besondere Kennzeichnung vorsieht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1992 - 3 C 3.90 -, BVerwGE 90, 189 (190).

In dem Abschnitt der C. Straße, in dem der Kläger am 1. Mai sein Fahrzeug abgestellt hatte, war das Gehwegparken nicht erlaubt, da dort weder das dafür erforderliche Zeichen 315 StVO (Parken auf Gehwegen) noch eine entsprechende Parkflächenmarkierung auf dem Gehweg nach § 41 Abs. 3 Nr. 7 StVO vorhanden war.

Die Gefahr durch das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug des Klägers war gegenwärtig im Sinne des § 55 Abs. 2 VwVG NRW. Der verkehrsordnungswidrige Zustand bestand seit dem Abstellen des Fahrzeugs bis zum Abschleppen durch die Firma S. um 16.11 Uhr.

Da der Kläger den verkehrswidrigen Zustand durch eigenes Tun verursachte, war er Verhaltensstörer im Sinne des § 17 Abs. 1 OBG.

Das Abschleppen des Fahrzeugs des Klägers war auch notwendig. Notwendigkeit im Sinne des § 55 Abs. 2 VwVG NRW liegt nur dann vor, wenn der Zeitraum zwischen der Feststellung der Gefahr und dem voraussichtlichen Eintritt des Schadens so gering ist, dass die mit der Einhaltung des gestreckten Verfahrens verbundene Verzögerung die Wirksamkeit der Abwehrmaßnahme unmöglich machen oder wesentlich beeinträchtigen würde.

Engelhardt/App, Kommentar zum Verwaltungsvollstreckungs- und - zustellungsgesetz, 7. Auflage 2006, § 6 VwVG Rn. 24; Sadler, Kommentar zum Verwaltungsvollstreckung- und -zustellungsgesetz, 6. Auflage 2006, § 6 VwVG Rn. 143.

Hier war schon - wie bereits ausgeführt - durch den Parkverstoß ein Schaden für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit eingetreten. Da im Zeitpunkt der Entscheidung nicht ersichtlich war, wann der Kläger zu seinem Fahrzeug zurückkehren würde, wäre bei Einhaltung des gestreckten Verfahrens eine effektive Beseitigung der Störung nicht mehr gewährleistet gewesen.

Der sofortige Vollzug eines bestimmten Zwangsmittels kann ferner dann nicht notwendig sein, wenn die Gefahr durch andere und zumutbare Mittel abgewendet werden kann als gerade durch den vorgenommenen Vollzug. Dies setzt somit auch die Verhältnismäßigkeit des konkreten Vollzugs voraus.

Es verstieß nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Verwaltungszwang ohne vorherige Androhung bzw. Festsetzung anzuwenden. Das Abschleppen war zur sofortigen Freiräumung des Gehweges geeignet. Es war auch erforderlich, weil der Kläger als Verantwortlicher nicht sofort zu erreichen war. Die Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung des Beklagten war nicht gehalten, zunächst Nachforschungen nach dem Verbleib des Fahrers des Fahrzeugs anzustellen. Gesicherte Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Fahrers lagen ihr nicht. Aus der hier maßgeblichen ex ante-Sicht ist nicht zwingend, dass sich jeder Fahrer der in Stadionnähe abgestellten Fahrzeuge unbedingt im Stadion aufhalten müsse. Schon aus diesem Grund war sie nicht gehalten, den Fahrer vor Einleitung der Abschleppmaßnahme über den Stadionsprecher ausrufen zu lassen. Zudem stehen einem derartigen Versuch regelmäßig die ungewissen Erfolgsaussichten und nicht abzusehende weitere Verzögerungen entgegen.

BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2002 - 3 B 149/01 -, NJW 2002, 2122 (2123) unter Hinweis auf seine langjährige Rechtsprechung.

Es besteht Unsicherheit darüber, ob und wann der Betroffene tatsächlich kommt, insbesondere wenn er sich wie hier zunächst aus einer großen Menschenmenge aus dem Stadion heraus nach draußen „vorarbeiten" muss. Der zeitliche Aufwand für die Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung des Beklagten vergrößert sich, wenn sie zunächst eine Weile abwarten müsste, um im Falle des Nichterscheinens des Fahrers dann erst den Abschleppunternehmer zu beauftragen und auf dessen Eintreffen zu warten. Im Übrigen ist schon der bloße Versuch der Kontaktaufnahme mit einem Stadionsprecher während eines Fußballspiels mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden. Schließlich würde die Verpflichtung zum vorherigen Ausrufen im Stadion dem verbotswidrigen Abstellen von Fahrzeugen in Stadionnähe Tor und Tür öffnen, da sich dann jeder Fahrer darauf verlassen würde, dass ihm vor dem Abschleppen erst noch die Chance zum Wegfahren eingeräumt würde. Die Verkehrsregelungen betreffend das Parken sind jedoch dazu da, von vornherein beachtet zu werden und nicht erst, wenn das verbotswidrige Abstellen der Verkehrsüberwachung aufgefallen ist.

Eine Verpflichtung des Beklagten, die Fahrer der verbotswidrig abgestellten Fahrzeuge zunächst durch den Stadionsprecher ausrufen zu lassen, ergibt sich auch nicht daraus, dass in anderen Städten so verfahren wird, da die Handhabung in anderen Kommunen nicht bindend für das Handeln des Beklagten ist.

Eine Verpflichtung aufgrund einer Verwaltungspraxis bestand ebenfalls nicht. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf ein Ausgerufenwerden aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Vorliegend bestand zum damaligen Zeitpunkt keine Verwaltungspraxis des Beklagten, die diesen gebunden hätte, auch den Kläger vor Einleitung der Abschleppmaßnahme zunächst ausrufen zu lassen. Eine für das Vorliegen einer Verwaltungspraxis einheitliche Handhabung durch behördliches Handeln ist nicht ersichtlich. Eine derartige Praxis lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen. Im Widerspruchsbescheid heißt es auf Seite 3 unten, dass „durchaus versucht" werde, „Kontakt mit dem Stadionsprecher aufzunehmen". Das Wort „durchaus" ist eine Abschwächung, wodurch zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich hier nicht um eine zwingend durchzuführende Regelmäßigkeit in jedem Fall eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs handelt. Darüber hinaus geht es lediglich um einen Versuch der Kontaktaufnahme mit dem Stadionsprecher. Dass nicht jeder Versuch erfolgreich ist, liegt schon begriffsnotwendig auf der Hand. Des Weiteren hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung - nach vorheriger Erkundigung beim zuständigen Bereichsleiter - deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine derartige Verwaltungspraxis zu keinem Zeitpunkt bestanden habe. Nach seinen Worten gab und gibt es keine Vorgabe an die Ordnungskräfte, verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge über den Stadionsprecher ausrufen zu lassen. In der Vergangenheit wurden Fahrzeuge mal ausgerufen und mal nicht.

Im Übrigen kann die Frage nach dem Vorliegen einer Verwaltungspraxis sogar dahingestellt bleiben. Selbst wenn eine entsprechende Verwaltungspraxis bestünde, so wäre bei Befolgung dieser - unterstellten - Praxis seitens des Beklagten das Abschleppen des Fahrzeugs des Klägers nach dessen eigenen Vortrag nicht verhindert worden. Wie dem Widerspruchsbescheid auf Seite 4 oben zu entnehmen ist, erfolgen Durchsagen in den Fällen, in denen sie durch den Stadionsprecher getätigt werden, aus datenschutzrechtlichen Gründen lediglich mit Ortsangabe und mit dem Hinweis, falsch geparkte Fahrzeuge zu entfernen; die amtlichen Kennzeichen werden nicht durchgegeben. Im Falle des Klägers wäre somit der Hinweis erfolgt, falsch geparkte Fahrzeuge von der C. Straße zu entfernen. Auf diesen Hinweis hätte der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht reagiert, da er sich nicht angesprochen gefühlt hätte: während des Klageverfahrens hat der Kläger mit Vehemenz vorgetragen, nicht auf der C. Straße, sondern auf der I.----straße geparkt zu haben (S. 2 der Klageschrift, S. 3 des Schriftsatzes vom 26. April 2006, S. 2 des Schriftsatzes vom 6. Juli 2006, S. 1 des Schriftsatzes vom 13. Juli 2006). Dass es sich vorliegend gleichwohl um die C. Straße gehandelt hat - wenn auch nicht um den Teil der Straße, der mehrspurig ausgebaut ist, sondern um ein Anhängsel mit demselben Straßennamen -, ergibt sich u.a. aus dem Foto auf Blatt 30 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten („C. Str. 180-244").

In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass der Widerspruchsbescheid nicht - wie vom Kläger vorgetragen - auf einem sachlichen Irrtum über den Standort des Fahrzeugs beruht. Wenn es im Widerspruchsbescheid auf Seite 4 oben heißt, dass Durchsagen zudem nur bei Straßen vorgenommen werden, welche innerhalb eines Zeitraumes von max. zehn Minuten erreicht werden können, so ist diese Aussage nicht dahingehend zu verstehen, dass das Auto des Klägers nicht innerhalb eines solchen Zeitraumes vom Stadion aus hätte erreicht werden können. Vielmehr ist dieser Satz im Zusammenhang mit den vorstehenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid zu lesen. Es handelt sich generell um eine Einschränkung in räumlicher Hinsicht: Wenn überhaupt verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge durch den Stadionsprecher ausgerufen werden, dann allenfalls diejenigen, die in der angegebenen Zeit vom Stadion aus zu Fuß erreicht werden können. Weiter entfernt stehende Fahrzeuge werden demnach in gar keinem Fall ausgerufen.

Der Sofortvollzug war schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die damit für den Kläger verbundenen Nachteile standen nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg. Bei der gebotenen Abwägung sind als Nachteile des Klägers seine Kosten und Zeitversäumnisse bei der etwa erforderlichen Wiedererlangung des Wagens zu berücksichtigen. Diesen Nachteilen gegenüber überwog das öffentliche Interesse an der Freihaltung des Gehweges. Zwar rechtfertigt der bloße Verkehrsverstoß nicht ohne Weiteres das Vorgehen im Wege des Verwaltungszwangs.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1992 - 3 C 3.90 -, NJW 1993, 870.

Über den bloßen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung hinaus muss eine besondere Lage gegeben sein, die die sofortige Beseitigung der Störung nahe legt, etwa wenn Kraftfahrzeuge andere Verkehrsteilnehmer behindern.

Hiervon geht das Gericht im vorliegenden Fall aus; eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer lag bei einer verbleibenden Restbreite des Gehweges von 0,49 m mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte, an der vor Ort gemessenen Restbreite zu zweifeln. Die ohne die Erbringung eines Nachweises vom Kläger aufgestellte Behauptung, es sei ausreichend Platz für einen Kinderwagen und Rollstuhlfahrer verblieben, vermag die angegebene Breite nicht substantiiert zu widerlegen. Nach dem in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten enthaltenen Foto ist es offenkundig, dass ein bequemes und ungehindertes Passieren von Personen mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern bzw. ein Begegnungsverkehr auf dem schmalen Gehweg, ohne sich an dem rechtswidrig abgestellten Fahrzeug zu beschmutzen, nahezu unmöglich ist; die Fußgänger waren gezwungen, auf die Fahrbahn auszuweichen.

Dabei ist vorliegend erschwerend zu berücksichtigen, dass an dem in Rede stehenden Tag in dem in der Nähe gelegenen H. -N. -Stadion ein Fußballspiel stattfand, das auch der Kläger besuchte. Bei derartigen Großveranstaltungen ist indessen in den umliegenden Straßen jedenfalls vor und nach der Veranstaltung nicht nur mit einem erhöhten Kraftfahrzeugverkehr, sondern auch mit einem erhöhten Fußgängeraufkommen zu rechnen. Diesen Fußgängern bzw. Fußgängergruppen ist es nicht zuzumuten, etwa hintereinander um die auf dem Gehweg geparkten Fahrzeuge herumzugehen. Rollstuhlfahrern ist es nur sehr schwer oder gar nicht möglich, die Bordsteinkante herunter- und anschließend wieder heraufzufahren. Hinzu kommt eine besondere Gefährlichkeit für die Fußgänger gerade an dieser Stelle unmittelbar vor der Einmündung in die viel befahrene I.----straße .

Unerheblich ist, ob an diesem Nachmittag Fußgänger mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer die Stelle tatsächlich passieren wollten. Das Recht der Gefahrenabwehr dient gerade dazu, den Eintritt einer Behinderung abzuwehren, bevor sich die damit verbundene Gefahr realisiert.

Die Höhe der vom Abschleppunternehmer in Rechnung gestellten Abschleppkosten (87,00 Euro) entspricht dem seitens des Beklagten mit dem Abschleppunternehmer vertraglich ausgehandelten Pauschalpreis (§ 8 Abs. 1 Ziff. 1.2 des Vertrages) und ist nicht zu beanstanden. Es sind die Kosten für eine volle Abschleppfahrt entstanden und zu Recht in Rechnung gestellt worden.

Auch der Herausgabezuschlag für eine Herausgabe zu ungünstigen Zeiten (36,00 Euro) entspricht der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Abschleppunternehmen (§ 8 Abs. 1 Ziff. 5 des Vertrages) und hat in jahrelanger Rechtsprechung der Kammer seine Billigung gefunden.

Vgl. z.B. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. August 2006 - 16 K 1573/06 - .

Diese Vereinbarung findet ihre Rechtfertigung darin, dass dem Abschleppunternehmen durch diese Sonderleistung zusätzlicher Aufwand entsteht. So muss er Personal vorhalten, welches seinerseits an Feiertagen höher zu entlohnen ist als zu den gewöhnlichen Arbeitszeiten an Werktagen.

II.

Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der Verwaltungsgebühren in Höhe von 51,00 Euro ist § 77 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW in Verbindung mit § 7a Abs. 1 Nr. 7 KostO NRW. Danach werden Verwaltungsgebühren für das Abschleppen eines zugelassenen Kraftfahrzeugs im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme in Höhe von 25,00 bis 150,00 Euro erhoben. Angesichts dieses Gebührenrahmens begegnet die Höhe der hier erhobenen Verwaltungsgebühr keinen rechtlichen Bedenken. Die Gebührenhöhe wird grundsätzlich nicht anlässlich eines konkreten Abschleppfalls ermittelt. Sie bemisst sich vielmehr an dem von der Behörde im Voraus bestimmten durchschnittlichen tatsächlichen Verwaltungsaufwand des Beklagten (Personal- und Sachkosten) bei der Durchführung einer Abschleppmaßnahme sowie dem Erlass des nachfolgenden Leistungsbescheides. Die Gebührenpraxis des Beklagten entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer, die sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen befindet.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 2000 - 5 A 2625/00 -, NWVBl 2001, 181 ff; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Januar 2001 - 16 K 5652/00 u.a. -.

III.

Die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Soweit er damit Kostenfestsetzungsverjährung geltend machen möchte, sei darauf hingewiesen, dass dahinstehen kann, ob sich selbige vorliegend nach § 77 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2003 (GV NRW 2003, S. 156) in Verbindung mit § 20 Abs. 1 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NRW) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 2002 (GV NRW 2003, S. 24) richtet, oder ob auf die im Zeitpunkt der Entstehung des Kostenanspruchs (Abschleppmaßnahme vom 1. Mai 2002) geltende Rechtslage abzustellen ist, wonach mangels ausdrücklicher Regelung in § 77 VwVG NRW a.F. nach §§ 195,199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) analog in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung (vgl. Art. 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum BGB - EGBGB -) zu entscheiden wäre. Nach den erstgenannten Normen würde die Kostenfestsetzungsverjährungsfrist vier Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres betragen, in welchem der Kostenanspruch entstanden ist, nach den letztgenannten Normen betrüge die Kostenfestsetzungsverjährungsfrist drei Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres, in welchem der Kostenanspruch entstanden ist. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Leistungsbescheides vom 3. Dezember 2002 war die Frist nach beiden Fristberechnungen noch nicht verstrichen.

Auch Zahlungsverjährung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW in Verbindung mit § 20 Abs. 2 GebG NRW) ist nicht eingetreten. Ein festgesetzter Anspruch erlischt nach den zitierten Normen ebenfalls durch Verjährung (Zahlungsverjährung). Die Frist beträgt fünf Jahre, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW in Verbindung mit § 17 GebG NRW werden Kosten mit der Bekantgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner fällig, wenn die Behörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt. Hier trat Fälligkeit auf Grund des Bescheides vom 3. Dezember 2002 am 14. Januar 2003, dem Ende der gesetzten Zahlungsfrist (§ 271 Abs. 2 BGB analog) ein. Zahlungsverjährung würde damit erst am 31. Dezember 2008 eintreten. Die Zahlungsverjährungsfrist wurde im Übrigen jedoch durch die Aussetzung der Vollziehung durch den Beklagten am 9. Januar 2003 auf den Widerspruch des Klägers vom 17. Dezember 2002 und seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unterbrochen, § 77 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW in Verbindung mit § 20 Abs. 4 Satz 1 GebG NRW.

Die Befugnis des Beklagten zum Erlass des angefochtenen Leistungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides war auch nicht nach den Grundsätzen der Verwirkung ausgeschlossen. Zwar kann die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes im Einzelfall nach den Grundsätzen der Verwirkung ausgeschlossen sein, wenn die Behörde die Geltendmachung eines Anspruchs entgegen Treu und Glauben (Umstandselement) in illoyaler Weise über längere Zeit (Zeitelement) hinaus verzögert hat, obwohl sie wusste, dass der betroffene Bürger darauf vertraute, dass von der Befugnis kein Gebrauch mehr gemacht würde, und er sich darauf eingerichtet hat.

Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Auflage 2008, § 53 Rn. 41.

Vorliegend sind aber bereits - abgesehen von dem bloßen Zeitablauf, der sicherlich nicht wünschenswert ist - keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Geltendmachung, d.h. die Weiterverfolgung des Anspruches durch den Beklagten entgegen Treu und Glauben hinausgezögert wurde. Der Beklagte hat auch nicht den Eindruck erweckt, auf die mit Leistungsbescheid vom 3. Dezember 2002 geltend gemachten Kosten verzichten zu wollen. Vielmehr hat er mit Eingangsbestätigung vom 16. Januar 2003 zu dem vom Kläger eingelegten Widerspruch auf nicht absehbare Bearbeitungszeiten infolge erheblichen Arbeitsanfalls im Sachgebiet hingewiesen und den Kläger nochmals mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 über den Sachstand informiert.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.