OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.09.2008 - 13 B 929/08
Fundstelle
openJur 2011, 57705
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

In Bezug auf die für die Beschwerdeentscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts ist der vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegte Sachverhalt, auf den Bezug genommen wird, insoweit zu ergänzen, als die Antragsgegnerin der Beigeladenen nach dem erstinstanzlichen Beschluss vom 27. Mai 2008 durch Bescheid vom 03. Juni 2008 die einstweilige Erlaubnis (§ 20 PBefG) für das (aus 12 Linien bestehende) Linienbündel V "L. " erteilt hat und die Antragsteller dagegen Widerspruch eingelegt haben. Nach dem Erörterungstermin des Beschwerdegerichts hat die Antragsgegnerin, die wegen einer in dem Widerspruch enthaltenen Zeitangabe ("zwei Monate" nach Bekanntgabe des Gerichtsbeschlusses in diesem Beschwerdeverfahren) zunächst davon abgesehen hatte, am 29. August 2008 die sofortige Vollziehung der einstweiligen Erlaubnis vom 03. Juni 2008 angeordnet.

Die Antragsteller haben daraufhin das zunächst nur den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts nach § 123 VwGO betreffende Begehren um ein solches nach §§ 80, 80a VwGO erweitert. Sie beantragen nunmehr - zusammengefasst -,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte einstweilige Erlaubnis vom 03. Juni 2008 wiederherzustellen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin zu 1. nach Maßgabe der konkreten Antragsfassung einstweilige Erlaubnisse für die im Linienbündel V "L. " zusammengefassten Linien zu erteilen.

Wegen des konkreten Antragsbegehrens, auf dessen wörtliche Wiedergabe wegen des Entscheidungsergebnisses zum Nachteil der Antragsteller verzichtet werden kann, wird Bezug genommen auf deren Schriftsätze vom 30. Juni 2008 und 02. September 2008.

II.

U. a. zwecks Vermeidung weiterer kostenträchtiger Verfahren berücksichtigt der Senat unabhängig von der Begrenzung des Prüfungsrahmens im Beschwerdeverfahren durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die gegenüber der Entscheidung des Verwaltungsgerichts veränderten Umstände sowohl in prozessualer als auch in materieller Hinsicht. Die Erweiterung des Antragsbegehrens ist sachgerecht.

In Frage steht im Ausgangspunkt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Zusammenhang mit einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 Personenbeförderungsgesetz - PBefG -, deren Erteilung an die Antragstellerin zu 1. die Antragsteller erstreben und deren Erteilung an die Beigeladene durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 03. Juni 2008 sie für fehlerhaft halten. Die Bescheide der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2008, durch die die Genehmigung für das Linienbündel V der Beigeladenen erteilt wurde bzw. entsprechende Genehmigungsanträge der Antragstellerin zu 1. und der Kommunalen Verkehrsgesellschaft M. mbH - KVG - abgelehnt wurden, sind hingegen nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, Gegenstand des Verfahrens. Das an § 20 PBefG anknüpfende Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist der Besonderheit der personenbeförderungsrechtlichen Regelungen geschuldet, dass einem Antragsteller die Genehmigungsurkunde erst nach der Unanfechtbarkeit einer Entscheidung über den Genehmigungsantrag erteilt und eine Genehmigung nicht vorläufig oder mit einem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden darf (§ 15 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 PBefG). Dem "Schwebezustand", der sich bis zur Unanfechtbarkeit einer Genehmigungsentscheidung ergibt, trägt § 20 PBefG Rechnung, indem er die im öffentlichen Verkehrsinteresse liegende Durchführung/Bedienung eines Linienverkehrs für einen Übergangszeitraum durch Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis ermöglicht. Da aber auch im Rahmen des § 20 PBefG - ebenso wie bei einer Linienverkehrsgenehmigung - das u. a. aus § 13 Abs. 2 PBefG (Schutz des öffentlichen Verkehrsinteressen, bezogen auf ein vorhandenes Verkehrsangebot und die darin tätigen Unternehmer) ableitbare "Verbot der Doppelbedienung" von Verkehrslinien relevant ist, kann auch eine einstweilige Erlaubnis nach § 20 PBefG grundsätzlich nur einem, nicht aber mehreren Verkehrsunternehmern gleichzeitig erteilt werden soll. Das (vorrangige) Begehren der Antragsteller, dass die Antragstellerin zu 1. die einstweilige Erlaubnis an Stelle der Beigeladenen erhält, ist deshalb nur realisierbar, wenn zugleich die Erteilung derselben an die Beigeladene als rechtswidrig angesehen bzw. deren Vollziehbarkeit ausgesetzt wird.

vgl. BVerwG, Urteile vom 02. Juli 2003 - 3 C 46/02 -, NJW 2003, 2696, und vom 06. April 2000 - 3 C 6/99 -, DVBl. 2000,1614; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02. Januar 2007 - 3 S 2675/06 -, juris; VG Braunschweig, Beschluss vom 08. Juli 2005 - 6 B 370/05 -, juris.

III.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Dabei lässt der Senat im Rahmen dieses auf summarische Prüfung angelegten Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes dahinstehen, ob auch bezüglich des Antragstellers zu 2. eine Antragsbefugnis zu bejahen ist. Der Antragsteller zu 2., der nicht selbst eine Linienbedienung durchgeführt hat bzw. durchführen will und die Erteilung der einstweiligen Erlaubnis an die Antragstellerin zu 1. erstrebt, leitet seine Beteiligungsfähigkeit aus seiner Eigenschaft als Aufgabenträger ab. In der Rechtsprechung wird jedoch, soweit ersichtlich, bei einer einem anderen Unternehmer erteilten einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG zwar eine Anfechtungsberechtigung des unterlegenen Verkehrsunternehmers angenommen, eine Verletzung eigener subjektiver Rechte auch des Aufgabenträgers aber diesbezüglich nicht erwähnt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1968 - VII C 90.66 -, NJW 1969, 708; OVG Rh.- Pf., Urteil vom 29. Februar 2000 - 7 A 11343/99 -, ZfSch 2000, 273; OVG M.-V., Beschluss vom 23. Januar 1996 - 1 M 1/96 -, NVwZ-RR 1997, 139; VG Braunschweig, Beschluss vom 08. Juli 2005 - 6 B 370/05 -, a. a. O.; VG Gießen, Urteil vom 08. Mai 2008 - 6 K 30/08.GI -, juris.

Demnach erscheint die Möglichkeit der Verletzung eigener subjektiver Rechte, die sich aus der Eigenschaft des Antragstellers zu 2. als Aufgabenträger ableiten, derzeit nicht naheliegend. Die vom Antragsteller zu 2. im Rechtsschutzantrag vom 02. April 2008 (S. 13) zur Begründung seiner Antragsbefugnis genannten Gerichtsentscheidungen zwingen nicht zur Annahme seiner Antragsbefugnis, weil sie zum Teil einen anderen Sachverhalt betreffen, in der Sache nicht überzeugend erscheinen und zudem die Entscheidungen noch nicht rechtskräftig sind. Eine fehlende Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2., der auch nicht als Adressat einer der Bescheide der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2008 eine "formelle" Antragsbefugnis für sich in Anspruch nehmen kann, für eine Anfechtung der der Beigeladenen erteilten einstweiligen Erlaubnis würde sich wegen der wechselseitigen Abhängigkeit des Antragsbegehrens auch bei dem auf § 123 VwGO gestützten Antragsteil auswirken. Eine abschließende Wertung der Frage der Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2. in diesem Verfahren ist jedoch entbehrlich, weil das Beschwerdebegehren in der Sache nicht begründet ist.

Wegen der wechselseitigen Abhängigkeit der Antragsbegehren und des selben Entscheidungsergebnisses ist eine bestimmte Rangfolge des Begehrens der Antragsteller nicht vorgezeichnet. Ein Erfolg nach § 123 VwGO setzt, da es sich bei § 20 PBefG um eine Ermessensentscheidung handelt, die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise voraus, dass allein die Erlaubniserteilung an die Antragsteller als richtig anzusehen ist. Der Erfolg eines Rechtsschutzbegehrens nach § 80a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO ist davon abhängig, dass im Rahmen der anstehenden Interessenabwägung die Rechtswidrigkeit der Erlaubniserteilung an die Beigeladene erkennbar ist. Bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anstehenden summarischen Prüfung können beide Kriterien nicht bejaht werden. Weder ist in diesem Verfahren die Rechtswidrigkeit der einstweiligen Erlaubnis vom 03. Juni 2008 an die Beigeladene noch ein rechtlicher Zwang zur Erteilung der einstweiligen Erlaubnis an die Antragsteller feststellbar.

Da die Geltung der vom Linienbündel V erfassten Linienverkehrsgenehmigungen überwiegend zum 31. Mai 2008 endete und dieses Datum im Nahverkehrsplan als Harmonisierungsstichtag vorgesehen war, war die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis aus Gründen des öffentlichen Verkehrsinteresses grundsätzlich geboten, um nach dem Auslaufen der bisherigen Genehmigungen eine Verkehrsbedienung in dem betreffenden Bereich auch für den Folgezeitraum sicherzustellen. Der Bescheid vom 3. Juni 2008 mit der Erteilung der einstweiligen Erlaubnis an die Beigeladene enthält zwar keine ausdrücklichen Ermessensüberlegungen u. a. zur Auswahl des Erlaubnisadressaten, die wegen der vorliegenden entsprechenden Anträge sowohl der Antragstellerin zu 1. als auch der Beigeladenen an sich geboten gewesen wären.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02. Januar 2007 - 3 S 2675/06 -, a. a. O.

Der Bescheid vom 03. Juni 2008 ist jedoch vor dem Hintergrund der als interessengerecht anzusehenden Handhabung der Antragsgegnerin, zunächst die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in dem von den Antragstellern anhängig gemachten Verfahren nach § 123 VwGO abwarten zu wollen, und dem damit verbundenen engen Zeitfenster für eine den Folgezeitraum betreffende Entscheidung zu sehen. Durch den den Antrag der Antragsteller nach § 123 VwGO ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Mai 2008, den Beteiligten zugestellt am 29. bzw. 30. Mai 2008, einschließlich seiner Begründung war die Entscheidung der Antragsgegnerin, die einstweilige Erlaubnis nach § 20 PBefG der Beigeladenen zu erteilen, praktisch vorgezeichnet. Diese Situation minderte die Erforderlichkeit der Darlegung von Ermessenserwägungen in dem Bescheid. Deren Fehlen begründet deshalb nach Auffassung des Senats nicht die - unheilbare - Rechtswidrigkeit der einstweiligen Erlaubnis vom 03. Juni 2008 mit der Folge, dass - wie geschehen - mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 29. August 2008 auch noch Ermessenserwägungen zum Bescheid vom 03. Juni 2008 dargelegt werden konnten.

Aus der Überlegung heraus, dass für die Genehmigungsbehörde im Verfahren nach § 20 PBefG grundsätzlich kein Anlass zu einer erneuten Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen besteht, wenn bereits eine positive Entscheidung über den Betrieb einer oder mehrerer Linien getroffen wurde, ist es im Grundsatz sachgerecht und nicht ermessensfehlerhaft, wenn dem Unternehmer, dem die endgültige Linienverkehrsgenehmigung nach § 15 Abs. 1 PBefG erteilt worden ist, auch die einstweilige Erlaubnis nach § 20 PBefG bis zur Unanfechtbarkeit der Genehmigungsentscheidung erteilt wird. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage Anlass für eine erneute Prüfung der Behörde gibt oder wenn bei der Erteilung der Genehmigung ganz offensichtlich eine falsche Rechtsanwendung erfolgt ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1968 - VII C 90.66 -, a. a. O.; OVG S.-A.; Beschlüsse vom 23. Oktober 2007 - 1 M 148/07 - und vom 9. Februar 2007 - 1 M 267/06 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02. Januar 2007 - 3 S 2675/06 -, a. a. O.; VG Braunschweig, Beschluss vom 08. Juli 2005 - 6 B 370/05 -, a. a. O.

Beides ist hier, soweit bei summarischer Prüfung beurteilbar, nicht der Fall. Es ist nicht erkennbar, dass die die Genehmigungserteilung an die Beigeladene bzw. die Ablehnung der Genehmigungsanträge der Antragstellerin zu 1. und der KVG enthaltenden Bescheide der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2008 offensichtlich rechtswidrig sind. Dies gilt auch im Hinblick auf das im Vordergrund des Vorbringens der Antragsteller stehende Argument, die Antragsgegnerin hätte den Genehmigungsantrag der Beigeladenen nach der Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens nach § 13a PBefG und der in dessen Verlauf erfolgten Zuschlagserteilung an die Antragstellerin zu 1. am 05. Juli 2007 nicht als eigenwirtschaftlichen Antrag nach § 13 PBefG genehmigen dürfen.

Wird eine Linienverkehrsgenehmigung von mehreren Unternehmen beantragt, hat die Genehmigungsbehörde eine im Ermessen stehende Auswahlentscheidung zu treffen, die in erster Linie am Maßstab der in Frage stehenden Verkehrsbedürfnisse und ihrer befriedigenden Bedienung zu orientieren ist. Für das Verhältnis eines Antrags bzw. einer Genehmigung zur Durchführung eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs zu einem gemeinwirtschaftlichen Antrag/einer gemeinwirtschaftlichen Genehmigung enthalten die §§ 13, 13a PBefG keine Abgrenzungs- oder Anwendungskriterien. Nach der Gesetzessystematik erfolgt die Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre nach § 13 PBefG und ergeben sich die Genehmigungsvoraussetzungen für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen dagegen aus § 13a PBefG.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2006 - 3 C 33.05 -, BVerwGE 127, 42 = NVwZ 2007, 330.

Der Umstand fehlender Abgrenzungs- oder Anwendungskriterien der genannten Verkehre in den maßgebenden Genehmigungsvorschriften hindert nicht grundsätzlich die Einbeziehung anderer personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften bei der Bestimmung ihres Anwendungsbereichs und Verhältnisses zueinander. Als solche kommt hier § 8 Abs. 4 PBefG in Betracht, auch wenn diese Vorschrift im Personenbeförderungsgesetz nicht im Abschnitt II ("Genehmigungen") steht, und gerade deshalb, weil ihre Stellung im Abschnitt I ("Allgemeine Vorschriften") für eine Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auch im Rahmen der nachfolgenden Vorschriften spricht.

§ 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG legt als Grundsatz fest, dass Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen sind. § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG enthält eine Definition der eigenwirtschaftlichen Verkehre und § 8 Abs. 4 Satz 3 PBefG bestimmt, dass, soweit eine ausreichende Verkehrbedienung nicht entsprechend Satz 1 möglich ist, die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs maßgebend ist. Nach dem o. a. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2006 stellen die Regelungen des § 8 Abs. 4 PBefG und der §§ 13,13a PBefG insgesamt eine rechtssichere Teilbereichsausnahme von der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 dar. Dem schließt sich der Senat derzeit an. Es besteht in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine zwingende Veranlassung, dies im Hinblick auf das Vorbringen der Antragsteller, die Beigeladene sei nicht nur als ÖPNV- Unternehmen tätig, sondern biete sich auch als Werkstattunternehmen (Reparaturleistungen) an und könne als Tochterunternehmen der Deutsche Bahn AG nicht von der Teilbereichsausnahme Gebrauch machen, einer erneuten Wertung zu unterziehen.

Die gestufte Konstruktion bzw. das Stufenverhältnis nach § 8 Abs. 4 PBefG und die dazu ergangenen gerichtliche Entscheidungen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2006 - 3 C 33.05 -, a. a. O.; vorgehend: Nds. OVG, Urteil vom 16. September 2004 - 7 LB 3545/01 -, NVwZ-RR 2005, 105, s. auch Schl.-H. VG, Urteil vom 25. September 2007 - 3 A 104/06 -, n. r.,

versteht der Senat bei summarischer Prüfung dahin, dass ein Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre vor gemeinwirtschaftlichen Verkehren besteht und dass gemeinwirtschaftliche Verkehre subsidiär in Betracht kommen, wenn eine ausreichende Verkehrsbedienung eigenwirtschaftlich nicht möglich ist. Diese Sichtweise erscheint nicht zuletzt deshalb angezeigt und richtig, weil bei einem eigenwirtschaftlichen Verkehr regelmäßig von einem geringeren Zuschussanteil der öffentlichen Hand ausgegangen werden kann als bei einem gemeinwirtschaftlichen Verkehr und dies der generellen Zielvorstellung für den öffentlichen Personennahverkehr, den Verkehr durchzuführen, der den geringsten finanziellen Aufwand der Allgemeinheit erfordert, eher entspricht. Dies gilt gerade auch in diesem Fall, weil der Antragsteller zu 2. die Erwartung hegt, den der Beigeladenen genehmigten (eigenwirtschaftlichen) Verkehr nicht bezuschussen zu müssen.

Die im Sinne eines Vorrangs des eigenwirtschaftlichen Verkehrs und eines nur subsidiär in Betracht kommenden gemeinwirtschaftlichen Verkehrs im Personennahverkehr zu verstehende Gesetzessystematik hat u. a. die Konsequenz, dass der Unternehmer zwar nicht ein Wahlrecht zwischen einer Genehmigung nach § 13 oder § 13a PBefG hat , aber ein Wahlrecht, ob er auf eigenes Risiko mit den ihm zur Verfügung stehenden Finanzmitteln einen Linienverkehr betreiben will oder nicht. Bejaht er die Frage, steht ihm der Genehmigungsweg nach § 13 PBefG offen und hat er einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung, sofern keiner der gesetzlichen Versagungsgründe eingreift. Eine Initiative des Aufgabenträgers für ein Genehmigungsverfahren nach § 13a PBefG ist dementsprechend erst, aber auch nur dann gefragt, wenn ein Genehmigungsverfahren nach § 13 PBefG für einen eigenwirtschaftlichen Verkehr nicht durchgeführt oder u. U. nicht abgeschlossen wird. Bei dem zu Grunde zu legenden Verständnis des § 8 Abs. 4 PBefG und angesichts dessen, dass weder in dieser Bestimmung noch in den §§ 13, 13a PBefG eine zeitliche Fixierung für einen Antrag auf Durchführung eines eigenwirtschaftlichen Verkehrs enthalten ist, muss die Vorrangigkeit des Genehmigungswegs nach § 13 PBefG konsequenterweise dann auch unabhängig vom konkreten Zeitpunkt der Antragstellung für einen solchen Verkehr gelten. Zeitliche Grenzen für einen solchen Antrag können sich wohl nur insoweit ergeben, als der Anfangs- und Endzeitpunkt in einem am verwaltungsmäßig und betrieblich notwendigen Vorlauf orientierten angemessenen zeitlichen Rahmen vor dem geplanten Geltungsbeginn der Linienverkehrsgenehmigung liegen sollten und der letztmögliche Endzeitpunkt für einen Antrag auf Durchführung eines eigenwirtschaftlichen Verkehrs letztlich durch eine mögliche Genehmigungserteilung nach § 13a PBefG begrenzt wird. Auch unter Berücksichtigung der mit der Annahme eines Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehrsleistungen und dem genannten Zeitrahmen für einen eigenwirtschaftlichen Antrag zwangsläufig verbundenen Folge, dass u. U. ein zunächst eingeleitetes Verfahren wegen gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen kurzfristig gegenstandslos werden kann und sich dementsprechend die Vorarbeiten der an jenem Verfahren Beteiligten als nicht (mehr) relevant und nutzlos erweisen können, schließt sich der Senat hingegen nicht der Ansicht des VG Gießen im - nicht rechtskräftigen - Urteil vom 13. November 2007 (- 6 E 44/07 - DVBl. 2008, 472) an, wonach jedenfalls mit der Zuschlagserteilung in einer Ausschreibung für eine gemäß § 13a PBefG gemeinwirtschaftlich zu erbringende Verkehrsleistung der Genehmigungsweg nach § 13 PBefG für eine eigenwirtschaftlich zu erbringende Verkehrsleistung nicht mehr offen steht. Dass der vorbenannte Zeitrahmen hier bei dem eigenwirtschaftlichen Antrag der Beigeladenen missachtet worden ist, ist nicht erkennbar. Im Übrigen kann - auch wenn dies aus der Erwägung heraus erfolgt sein sollte, sich alle Möglichkeiten für den Erhalt der Linienverkehrsgenehmigung offen halten zu wollen - gerade auch der Antrag der KVG als Tochterunternehmen des Antragstellers zu 2. vom 12. November 2007 auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Verkehr, der ebenso wie der maßgebende Antrag der Beigeladenen nach der Zuschlagserteilung am 05. Juli 2007 an die Antragstellerin zu 1. gestellt wurde, als Indiz und Ausdruck dafür gewertet werden, dass der vorherigen Behandlung der Sache nach § 13a PBefG keine Bedeutung mehr zukommen sollte.

Die Antragsgegnerin hat in den Genehmigungs- bzw. Ablehnungsbescheiden vom 25. Februar 2008, deren konkreter und umfassender Regelungsgehalt sich aus der Gesamtheit der Bescheide erschließt, auch zutreffend ausgeführt, dass der Genehmigungserteilung an die Beigeladene keine Versagungsgründe nach § 13 PBefG entgegenstehen. Unabhängig davon, ob die Antragsteller das Fehlen subjektiver Genehmigungsvoraussetzungen bei der Beigeladenen überhaupt rügen können, gilt das auch in Bezug auf die von den Antragstellern bezweifelte finanzielle Leistungsfähigkeit der Beigeladenen schon deshalb, weil einerseits auch die Gewährung von Zuschüssen die Einstufung als eigenwirtschaftlichen Verkehr nicht entfallen lässt und andererseits bei der Beurteilung des Kriteriums der finanziellen Leistungsfähigkeit etwaige zu erwartende Defizite aus dem zur Genehmigung gestellten Linienverkehr und die Frage der künftigen Finanzierung dieses Verkehrs von der Genehmigungsbehörde nicht zu berücksichtigen sind.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Oktober 2006 - 3 C 33.05 -, a. a. O. und vom 06. April 2000 - 3 C 6.99 -, a. a. O.; Nds. OVG, Urteil vom 16. September 2004 - 7 LB 3545/01 -, a. a. O.

Das Argument der Antragsteller, angesichts der Zuschlagserteilung an die Antragstellerin zu 1. für einen gemeinwirtschaftlichen Verkehr und der zu erwartenden Genehmigung nach § 13a PBefG sei von einer befriedigenden Bedienung des Verkehrs mit vorhandenen Verkehrsmitteln auszugehen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG), ist schon wegen des angenommenen Vorrangs einer eigenwirtschaftlichen Verkehrsbedienung nicht tragfähig.

Die Antragsgegnerin hat zudem die ihr vorliegenden Genehmigungsanträge im Rahmen des § 8 Abs.4 PBefG gewertet und die (zwei) eigenwirtschaftlichen Genehmigungsanträge in eine wertende Relation zueinander gestellt und auch am Maßstab des maßgebenden Nahverkehrsplans beurteilt. Dies ist ebenso ermessensgerecht wie die Berücksichtigung und Einschätzung des zu Gunsten der Beigeladenen angenommenen Altunternehmerprivilegs nach § 13 Abs. 3 PBefG. Eine Übergewichtung und einen absoluten Vorrang gegenüber anderen Gesichtspunkten hat die Antragsgegnerin dem letzteren Kriterium richtigerweise nicht zuerkannt,

vgl. Bay. VGH, Urteil vom 06. März 2008 - 11 B 04.2449 -, GewA 2008, 307; VG Minden, Beschluss vom 15. Juni 2007 - 7 L 226/07-,

sondern diesen Punkt bei der Auswahlentscheidung als einen Abwägungsbelang von mehreren gewertet.

Eine massive und nicht tolerierbare Fehlgewichtung einzelner Abwägungsbelange durch die Antragsgegnerin unter der Prämisse einer hinreichenden Verkehrsbedienung ist nicht feststellbar.

Im Übrigen steht der Genehmigungsbehörde bei der abwägenden Bewertung von (öffentlichen) Verkehrsbedürfnissen und ihrer befriedigenden Bedienung sowie der Gewichtung der öffentlichen Verkehrsinteressen wegen der damit verbundenen prognostischen, verkehrs- und raumordnungspolitischen Wertungen ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, BVerwGE 82,260 = NVwZ 1990, 161.

Diese Bewertung ist nicht etwa nur dem Aufgabenträger vorbehalten. Angesichts dessen, dass das Personenbeförderungsgesetz nach wie vor die differenzierende Benennung von Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde enthält, kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die zumindest als Mitverantwortlichkeit bestehende Kompetenz der Genehmigungsbehörde für das Bestehen befriedigender Verkehrsdienstleistungen durch das Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs - Regionalisierungsgesetz - vom 27. Dezember 1993 (BGBl. S. 2395) oder durch das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen - ÖPNVG NRW - vom 07. März 1995 (GV. NRW S. 196), in denen auf die Funktion von Aufgabenträgern verwiesen wird, beseitigt werden sollte. Auch wenn ein Zusammenführen der beiden Behörden u. U. sinnvoll wäre, bestehen nach § 8 PBefG Genehmigungsbehörde und Aufgabenträger nebeneinander mit der Folge, dass auch beiden Behörden Kompetenzen zukommen.

Dass die Antragsgegnerin die Genehmigungsvoraussetzungen und/oder gesetzlichen Versagungsgründe in nicht mehr hinnehmbarer Weise verkannt oder sie den ihr als Genehmigungsbehörde eingeräumten Spielraum überschritten hat, ist im Rahmen dieses Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erkennbar. Dies gilt auch im Hinblick auf - nach Ansicht der Antragsteller vorhandene - etwaige Schwächen bezüglich einer zeitlich umfassenden Verkehrsbedienung im Bereich des betreffenden Linienbündels, zumal bei realistischer Betrachtungsweise eine alle Interessen gleichermaßen befriedigend bedienende Verkehrsdienstleistung kaum erreichbar sein wird. Insoweit bestehende unterschiedliche Einschätzungen und Bewertungen des Aufgabenträgers und der Genehmigungsbehörde begründen aber nicht die Fehlerhaftigkeit oder Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Genehmigungsbehörde.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, § 100 Abs. 1 ZPO. Da sich die Beigeladene durch Stellung eines Antrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG. Sie orientiert sich im Ausgangspunkt am Beschwerdebegehren der Antragsteller sowie an der Zahl der von dem betreffenden Linienbündel erfassten Linien, ohne diese im Einzelnen wertmäßig zu quantifizieren. Angezeigt erscheint vielmehr eine pauschalierende wertmäßige Einschätzung eines Linienbündels mit der Hälfte des Wertes der von dem Bündel erfassten Linien. Für das Begehren auf Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG bzw. wegen Anfechtung einer solchen durch einen Dritten legt der Senat wegen der im Verhältnis zu einer Linienverkehrsgenehmigung deutlich geringeren Wirkung ein Viertel des sich so ergebenden Streitwerts zu Grunde.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2007 - 13 B 983/07 -; ähnlich OVG S.- A., Beschlüsse vom 23. Oktober 2007 - 1 M 148/07 - und vom 09. Februar 2007 - 1 M 267/06 - (allerdings abstellend auf die halbe Anzahl der von einem Linienbündel erfassten bisherigen Linien), juris; VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 02. Januar 2007 - 3 S 2675/06 -, juris.

Eine deutlich geringere Streitwertannahme (vgl. z. B. OVG M.-V., Beschluss vom 23. Januar 1996 - 1 M 1/96 -, NVwZ-RR 1997, 139 (1.000 DM für vier Linien)) wird dem Interesse des Rechtsschutzbegehrenden ersichtlich nicht gerecht.

Bei Zugrundelegung eines Streitwerts von 20.000 EUR je Linie, was der Empfehlung in Nr. 47.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) entspricht, würde sich somit im Beschwerdeverfahren für 12 vom Linienbündel V "L. " erfasste Linien ein Wert von 240.000 EUR bzw. für das Linienbündel ein solcher von 120.000 EUR ergeben, was zu einem Wert von 30.000 EUR für die einstweilige Erlaubnis und daher für dieses Verfahren führt. Eine Reduzierung dieses Wertes, weil es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, ist angesichts der einem Hauptsacheverfahren gleichkommenden Bedeutung des Verfahrens ebenso wenig angezeigt wie andererseits eine Streitwerterhöhung auch nicht wegen des zweifachen Antragsbegehrens erfolgt. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird abgesehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.