OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.11.2006 - 8 A 1679/04
Fundstelle
openJur 2011, 45744
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der erstinstanzliche Tenor wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, dem Kläger entsprechend seinem Antrag vom 16. Juli 2002 Zugang zu gewähren

a) zu der Matrix, die für sämtliche Wahlgruppen und Wahlbezirke den Anteil an der bezirklichen Wirtschaftskraft angibt,

b) zu der zur Matrix gehörenden Liste mit der Zuordnung der kammerzugehörigen Unternehmen nach dem NACE-Code zu den einzelnen Wahlgruppen,

c) zu den internen Vermerken zu Óberlegungen zur Einrichtung neuer Wahlgruppen im Zuge der Änderung der Wahlordnung

d) zu den Berechnungsschemata zur Verteilung der Sitze auf die Wahlgruppen,

e) zu der Niederschrift der Sitzung der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000, in der die Wahlordnung verabschiedet worden ist,

f) zu dem Auszug der Niederschrift der Sitzung des Präsidiums vom 9. November 2000, in der die Verabschiedung der Wahlordnung vorbereitet worden ist,

g) zu der mit "Ergebnis der Wahl 2001 zur Vollversammlung der Kammer" überschriebenen Anlage der Ergebnisniederschrift der 3. Sitzung des Wahlausschusses am 22. Oktober 2001.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Geschäftsführer der N. GmbH, die Mitglied der Beklagten ist. Bei der Wahl zur Vollversammlung der Beklagten im Jahre 2001 wurde er als ordentliches Mitglied in die Vollversammlung gewählt.

Im November 2001 bat der Kläger im Namen der N. GmbH u.a. um Informationen zu der durchgeführten Wahl und um Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen. Nachdem die Beklagte dies im Wesentlichen abgelehnt hatte, erhob die N. GmbH, vertreten durch den Kläger als ihren Geschäftsführer, am 16. Januar 2002 Klage (VG Düsseldorf - 3 K 335/02 -), mit der sie zum einen die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung über die Anzahl der Wählerstimmen insgesamt, die Anzahl der abgegebenen Stimmen insgesamt, die Wahlbeteiligung in Prozenten, die Aufgliederung der vorgenannten Daten nach Wahlgruppen und die Anzahl der Stimmen pro Kandidat in absoluten Zahlen und in Prozenten bezogen auf die jeweilige Gruppe sowie zum anderen die Verpflichtung der Vollversammlung der Beklagten begehrte, die Wahl zur Vollversammlung im Jahr 2001 für ungültig zu erklären und insoweit eine Wiederholungswahl anzuordnen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7. Mai 2002 wies der zum Einzelrichter bestellte Berichterstatter der Kammer daraufhin, dass das Vorliegen eines Informationszugangsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW fraglich sei, da die N. GmbH keine natürliche Person sei.

Mit Urteil vom 7. Mai 2002 - 3 K 335/02 - wies das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage der N. GmbH im vollen Umfang ab.

Auf eine Anfrage des Klägers teilte die Landesbeauftragte für Datenschutz NRW unter dem 24. Juni 2002 diesem mit, sie habe sein Anliegen gegenüber der Beklagten aufgegriffen und empfohlen, ihm den beantragten Informationszugang zu den Wahlunterlagen zu gewähren.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW "als Privatperson und Mitglied der Vollversammlung", ihm Zugang zu den Wahlunterlagen zu ermöglichen, aus denen

die Kriterien für die Einteilung der Wahlgruppen für die Wahl zur Vollversammlung im Jahre 2001 zu entnehmen seien und

die Anzahl der Wahlberechtigten pro Wahlgruppe, die Anzahl der abgegebenen Stimmen und die Auszählungsergebnisse der Stimmzettel hervorgingen.

In Beantwortung dieses Antrags verwies die Beklagte unter dem 5. August 2002 darauf, dass sie es aus verfahrensökonomischen Gründen für sinnvoll erachte, den Antrag erst dann weiter zu verfolgen, wenn das gerichtliche Verfahren der N. GmbH abgeschlossen sei.

Am 12. August 2002 bat der Kläger um Bescheidung seines Antrags unabhängig vom Ausgang des beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahrens. Unter dem 3. Oktober 2002 erinnerte der Kläger an sein Bescheidungsbegehren.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2002 teilte die Landesbeauftragte für Datenschutz NRW dem Kläger mit, dass sie das Verhalten der Beklagten, dem Kläger den beantragten Informationszugang zu den Wahlunterlagen nicht zu gewähren, beanstandet habe, da die von der Beklagten für die Verweigerung des Informationszugangs genannten Gründe nicht eingriffen.

Auf Antrag der N. GmbH ließ das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen mit Beschluss vom 21. November 2002 - 8 A 2398/02 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 - 3 K 335/02 - zu.

Am 2. Januar 2003 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Informationszugang weiterverfolgt.

In dem Berufungsverfahren der N. GmbH - 8 A 2398/02 - (OVG NRW) legte die Beklagte u.a. die Sitzungsprotokolle des Wahlausschusses, die Wahlniederschrift und die die Wahlanfechtung betreffenden Verwaltungsvorgänge vor.

In der am 12. März 2003 in dieser Sache durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bot der Vorsitzende des Senats dem Kläger an, in die in dem Verfahren vorliegenden Beiakten Einsicht zu nehmen. Da dies mit dem Hinweis verbunden war, dass diese irrelevant seien, und der Kläger den weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht verzögern wollte, nahm der Kläger von einer Einsichtnahme Abstand.

Mit Urteil vom 12. März 2003 - 8 A 2398/02 - stellte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen wegen übereinstimmender Erledigungserklärungen das Berufungsverfahren der N. GmbH ein, soweit diese einen Auskunftsanspruch begehrt hatte. Im Weiteren wurde die Vollversammlung der Beklagten verpflichtet, ihre Wahl 2001 für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. August 2003 - 6 B 43.03 - zurück.

Bei der daraufhin durchgeführten Wiederholungswahl wurde der Kläger erneut als ordentliches Mitglied in die Vollversammlung gewählt.

Im vorliegenden Verfahren hat das Verwaltungsgericht mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2004 ergangenen Urteil dem Antrag des Klägers,

"die Beklagte zu verurteilen, ihm entsprechend seinem Antrag vom 16. Juli 2002 Einsicht in die Wahlunterlagen zur IHK-Vollversammlung 2001 zu gewähren",

stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig. Insbesondere fehle es dem Kläger nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da er die in Rede stehenden Unterlagen bisher tatsächlich nicht eingesehen habe und die Ungültigkeitserklärung der Wahl, auf die sich diese Unterlagen bezögen, sein Interesse an einer Einsichtnahme nicht habe entfallen lassen. Auch das Fehlen eines Vorverfahrens und eines ablehnenden Bescheids der Beklagten stehe der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da die Beklagte über den Antrag des Klägers ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden habe. Die Klage sei auch begründet. Ein Anspruch auf Einsicht in die Wahlunterlagen ergebe sich aus § 4 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes NRW. Der Anwendbarkeit dieses Gesetzes stehe nicht entgegen, dass die Errichtung der Industrie- und Handelskammern sowie deren Aufgaben bundesrechtlich geregelt seien. Auch an § 14 Abs. 2 der Wahlordnung der Beklagten scheitere der geltend gemachte Anspruch nicht. Aus dieser Bestimmung ergebe sich zwar, dass die Beklagte im Hinblick auf das Wahlergebnis lediglich verpflichtet sei, die gewählten Bewerber allgemein bekannt zu machen. Diese beschränkte Bekanntmachungsverpflichtung schließe aber einen weitergehenden individuellen Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht aus.

Auf Antrag der Beklagten ist mit Beschluss vom 11. April 2005, der Beklagten zugestellt am 15. April 2005, die Berufung zugelassen worden. Am 6. Mai 2005 hat die Beklagte ihre Berufung begründet.

Am 26. April 2006 hat ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats stattgefunden. In diesem Termin hat der Kläger erklärt, das im vorliegenden Verfahren verfolgte Begehren allein als Bürger (natürliche Person) und nicht aus seiner Organwalterstellung geltend zu machen. Die Beklagte hat sich - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - damit einverstanden erklärt, dass die Beiakten Hefte 2, 3 und 5 aus dem Verfahren 8 A 2398/02 (OVG NRW) dem Prozessbevollmächtigten des Klägers im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat beantragt, ihm die Beiakten zum Zwecke der Akteneinsicht in seine Büroräume zu übersenden.

Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2006 hat die Beklagte die Beiakten Hefte 2, 3 und 5 aus dem Verfahren 8 A 2398/02 (OVG NRW) zur Gerichtsakte gereicht. Die Beiakte Heft 2 jenes Verfahrens (nunmehr Beiakte Heft 4) beinhaltet u.a. eine von der Beklagten als Matrix bezeichnete Aufstellung über die Sitzverteilung in den einzelnen Wahlgruppen und eine zugehörige Liste mit der Zuordnung der kammerzugehörigen Unternehmen nach dem sog. NACE-Code zu den einzelnen Wahlgruppen. Bei der Beiakte Heft 5 jenes Verfahrens (nunmehr ebenfalls Beiakte Heft 5) handelt es sich um den Verwaltungsvorgang des Wahlausschusses für die Wahl der Vollversammlung im Jahre 2001, in dem sich u.a. eine mit "Ergebnis der Wahl 2001 zur Vollversammlung der Kammer" überschriebene Anlage der Ergebnisniederschrift der 3. Sitzung des Wahlausschusses am 22. Oktober 2001 befindet. Die Beiakten sind dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit gerichtlicher Verfügung vom 16. Mai 2006 zur Akteneinsicht übersandt worden.

Unter dem 15. Mai 2006 hat die Beklagte die aus ihrer Sicht für die Einteilung der Wahlgruppen relevanten Unterlagen zur Gerichtsakte gereicht. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um interne Vermerke vom 20. Juni 1996, 4. Februar 2000 und 21. Juli 2000, um Berechnungsschemata zur Verteilung der Sitze auf die Wahlgruppen, um die Niederschrift der Sitzung der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000 und um einen Auszug aus der Niederschrift über die Präsidiumssitzung vom 9. November 2000. Diese Unterlagen sind dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auf einen am 31. Oktober 2006 gestellten Antrag mit gerichtlicher Verfügung vom selben Tag zur Akteneinsicht übersandt worden.

Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte an: Dem Kläger habe der getend gemachte Informationszugangsanspruch nicht zugestanden. Das Informationsfreiheitsgesetz NRW finde auf die Industrie- und Handelskammern keine Anwendung. Die kompetenzrechtliche Sperre des Art. 31 GG hindere den Landesgesetzgeber daran, auch die Industrie- und Handelkammern in den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW einzubeziehen. Die innere Organisation der Industrie- und Handelskammern sei durch den Bundesgesetzgeber in dem IHK-Gesetz abschließend geregelt und die nähere Ausgestaltung sei allein den Industrie- und Handelskammern als Selbstverwaltungskörperschaften überlassen. Dies belege auch der Wortlaut und der Zweck des § 12 Abs. 1 des IHK-Gesetzes, in dem die Landeszuständigkeiten abschließend aufgezählt seien. Zum Satzungsrecht der Industrie- und Handelskammern gehörten aber auch Vorschriften über die Vertraulichkeit und über Auskunfts- und Einsichtsrechte. Das Informationsfreiheitsgesetz NRW sei nicht zum Verfahrensrecht nach Art. 84 GG zu rechnen, sondern sei eine materiellrechtliche Frage der Organisationsgewalt. Es sei nicht möglich, die verfahrensabhängigen Auskunfts- und Einsichtsrechte von einem selbständigen verfahrensunabhängigen Informationsanspruch zu trennen. Im Weiteren scheitere der vom Kläger geltend gemachte Informationsanspruch auch an § 14 der Wahlordnung, wonach lediglich die Ergebnisse der Kammerwahl veröffentlicht würden, die Wahlniederschrift des Wahlausschusses dagegen als vertraulich anzusehen sei. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine abweichende Regelung im Sinne von § 4 Abs. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes NRW. Die Matrix, die für die Wahlgruppen und Wahlbezirke den Anteil an der bezirklichen Wirtschaftskraft angebe, und die dazu gehörende Liste der Zuordnung der kammerzugehörigen Unternehmen nach dem NACE-Code zu den einzelnen Gruppen stellten ebenso der Willensbildung einer öffentlichen Stelle dienende Unterlagen dar wie die Sitzungsprotokolle des Präsidiums und der Vollversammlung sowie die internen Vermerke. Bei den von ihr mit Schriftsatz vom 15. Mai 2006 vorgelegten Statistiken handele es sich um Angaben aus einer amtlichen Quelle, die von jedermann im Internet abgerufen werden könnten. Die Anlage zum Wahlprotokoll über die Zusammenfassung der Wahlergebnisse berühre den Datenschutz, da sie personenbezogene Daten beinhalte.

Der Kläger hat seinen erstinstanzlichen Antrag dahingehend umgestellt, dass er nunmehr beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, dem Kläger entsprechend seinem Antrag vom 16. Juli 2002 Zugang zu gewähren

zu der Matrix, die für sämtliche Wahlgruppen und Wahlbezirke den Anteil an der bezirklichen Wirtschaftskraft angibt,

zu der zur Matrix gehörenden Liste mit der Zuordnung der kammerzugehörigen Unternehmen nach dem NACE-Code zu den einzelnen Wahlgruppen,

zu den internen Vermerken zu Überlegungen zur Einrichtung neuer Wahlgruppen im Zuge der Änderung der Wahlordnung

zu den Berechnungsschemata zur Verteilung der Sitze auf die Wahlgruppen,

zu der Niederschrift der Sitzung der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000, in der die Wahlordnung verabschiedet worden ist,

zu dem Auszug der Niederschrift der Sitzung des Präsidiums vom 9. November 2000, in der die Verabschiedung der Wahlordnung vorbereitet worden ist,

zu der mit "Ergebnis der Wahl 2001 zur Vollversammlung der Kammer" überschriebenen Anlage der Ergebnisniederschrift der 3. Sitzung des Wahlausschusses am 22. Oktober 2001.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich auf das angefochtene Urteil und führt ergänzend an: Das Informationsfreiheitsgesetz NRW müsse auch auf die Industrie- und Handelskammern Anwendung finden. Er habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, da ihm die Beklagte die Unterlagen lediglich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht überlassen habe und es zu befürchten sei, dass ihm in Zukunft erneut eine Einsichtnahme verwehrt werde. Dies habe sich schon gezeigt, als er Einsicht in die Unterlagen über die Wahl zur Vollversammlung 2004 habe nehmen wollen und ihm dies versagt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte zu diesem Verfahren und zum Verfahren 3 K 335/02 (VG Düsseldorf) sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.

Die Umstellung von der ursprünglich erhobenen Verpflichtungsklage auf die nunmehr verfolgte Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch noch im Berufungsverfahren möglich und nicht an die Voraussetzungen des § 91 VwGO gebunden.

Vgl. BVerwG, 22. Januar 1998 - 2 C 4.97 -, NVwZ 1999, 404, m.w.N.; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., 2006, § 113 Rn. 241 und 290; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, § 91 Rn. 9.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass auch bei Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig ist, wenn die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig gewesen ist, ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und ein Feststellungsinteresse vorliegt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Januar 1992 - 7 C 24.91 -, NVwZ 1992, 563, und vom 27. März 1998 - 4 C 14.96 -, NVwZ 1998, 1295.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage war zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass vor Klageerhebung weder ein ablehnender Bescheid ergangen noch ein Vorverfahren durchgeführt worden war. Denn für die vom Kläger erhobene Klage lagen die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage im Sinne von § 75 VwGO vor. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist eine Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Widerspruch oder einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist; nach Satz 2 kann die Klage regelmäßig nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden. Vorliegend hatte der Kläger seinen Antrag auf Informationszugang mit Schreiben vom 16. Juli 2002 gestellt. Im Zeitpunkt der Klagerhebung am 2. Januar 2003 war dieser Antrag des Klägers schon mehr als drei Monate unbeschieden. Ein hinreichender Grund dafür war weder nach dem Vorbringen der Beklagten noch ansonsten ersichtlich. Insbesondere war dem Hinweis der Beklagten auf ein Parallelverfahren vor dem Verwaltungsgericht ein solcher Grund nicht zu entnehmen, zumal der Kläger ausdrücklich um die Bescheidung seines Antrags gebeten hatte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlte es dem Kläger für die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage auch nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Weder die ihm in dem Verfahren 8 A 2398/02 (OVG NRW) eingeräumte Möglichkeit zur Einsichtnahme in die dort beigezogenen Beiakten noch eine durch die Beklagte in dem genannten Verfahren erfolgte Mitteilung über den Inhalt der Akten, in die der Kläger Einsicht begehrte, vermochten das Rechtsschutzinteresse des Klägers entfallen zu lassen. Denn eine tatsächliche Einsichtnahme in die Unterlagen, wie sie Gegenstand der Verpflichtungsklage war, war dem Kläger von der Beklagten noch nicht gewährt worden.

Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage liegen vor. Mit der - über die Akteneinsicht im Rahmen des Berufungsverfahrens erfolgte - Gewährung des vom Kläger beantragten Informationszugangs hat sich das mit der Verpflichtungsklage verfolgte Begehren erledigt. Die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Zugang zu den Informationen hatte, stellt ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Ein Feststellungsinteresse für den Kläger folgt aus der Gefahr, dass sich der Streit über das Bestehen eines Anspruchs auf Zugang zu Unterlagen der im Antrag bezeichneten Art wiederholen könnte, die sich im Übrigen bereits dadurch manifestiert hat, dass die Beklagte dem Kläger den Zugang zu den die Wahl der Vollversammlung im Jahre 2004 betreffenden Unterlagen ebenfalls verwehrt hat.

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hatte bis zum Eintritt der erledigenden Ereignisse einen Anspruch darauf, dass ihm hinsichtlich des im Antrag vom 16. Juli 2002 unter 1. genannten Begehrens (Informationen über die Kriterien für die Einteilung der Wahlgruppen) Zugang gewährt wird

zu der Matrix, die für sämtliche Wahlgruppen und Wahlbezirke den Anteil an der bezirklichen Wirtschaftskraft angibt,

zu der zur Matrix gehörenden Liste mit der Zuordnung der kammerzugehörigen Unternehmen nach dem NACE-Code zu den einzelnen Wahlgruppen,

zu den internen Vermerken zu Überlegungen zur Einrichtung neuer Wahlgruppen im Zuge der Änderung der Wahlordnung,

zu den Berechnungsschemata zur Verteilung der Sitze auf die Wahlgruppen,

zu der Niederschrift der Sitzung der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000, in der die Wahlordnung verabschiedet worden ist, und

zu dem Auszug der Niederschrift der Sitzung des Präsidiums vom 9. November 2000, in der die Verabschiedung der Wahlordnung vorbereitet worden ist,

sowie dass ihm hinsichtlich des im Antrag vom 16. Juli 2002 unter 2. genannten Begehrens (Informationen über die Anzahl der Wahlberechtigten pro Wahlgruppe, die Anzahl der abgegebenen Stimmen und die Auszählungsergebnisse der Stimmzettel) Zugang gewährt wird

zu der mit "Ergebnis der Wahl 2001 zur Vollversammlung der Kammer" überschriebenen Anlage der Ergebnisniederschrift der 3. Sitzung des Wahlausschusses am 22. Oktober 2001.

Dieser Anspruch ergab sich aus dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein- Westfalen - IFG NRW -) vom 27. November 2001 (GV. NRW. S. 806).

1. Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen findet auf die Industrie- und Handelskammern Anwendung.

Vgl. ebenso Axler, CR 2002, 847 (849); Innenministerium des Landes NRW, Das Recht auf freien Informationszugang (Leitfaden zum Informationsfreiheitsgesetz NRW), S. 10.

Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ist in dessen § 2 im Einzelnen beschrieben. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung fallen darunter die Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen. Die Beklagte ist als Industrie- und Handelskammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHK-G -) und damit eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie unterliegt auch der Aufsicht des Landes (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern im Lande Nordrhein- Westfalen - IHKG -).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 2 Abs. 1 IFG NRW nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Industrie- und Handelskammern von der Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausgenommen sind.

Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, es fehle an einer Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Regelung von Informationszugangsansprüchen gegenüber den Industrie- und Handelskammern. Das Land NRW kann sich vielmehr auf eine, sich aus Art. 70 Abs. 1 des Grundgesetzes in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung - GG - ergebende Gesetzgebungskompetenz berufen. Nach dieser Bestimmung haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Diese Vorschrift greift vorliegend ein, da keine die Zuständigkeit der Länder verdrängende Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht.

Die Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Begründung eines Informationszugangsanspruchs gegenüber den Industrie- und Handelskammern ist nicht nach Art. 84 Abs. 1 Halbsatz 2 GG ausgeschlossen.

Gemäß Art. 84 Abs. 1 Halbsatz 1 GG regeln grundsätzlich die Länder die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, wenn sie - wie im vorliegenden Zusammenhang die Industrie- und Handelskammern als unter der Aufsicht des Landes stehende Körperschaften des öffentlichen Rechts bei der Ausführung des IHK-Gesetzes - Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen. Nach dem Halbsatz 2 des Art. 84 Abs. 1 GG gilt dies aber nur insoweit, als nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Nach Art. 84 Abs. 1 Halbsatz 2 GG besteht deshalb für die Länder in den Bereichen keine Gesetzgebungskompetenz (mehr), in denen der Bund eine abschließende Regelung über das Verfahren erlassen hat.

Es ist schon fraglich, ob es sich bei den einen Anspruch auf Informationszugang begründenden Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW überhaupt um Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG handelt.

Als Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG sind gesetzliche Bestimmungen anzusehen, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln. Dabei kann ein materieller Gesetzesbefehl eine Ausgestaltung erhalten, die auch das "Wie" des Verwaltungshandelns verfahrensmäßig bindend festlegt. Solche - möglicherweise verdeckten - Regelungen eines "Wie" des Verwaltungshandelns liegen dann vor, wenn die den Bürger betreffende materiellrechtliche Vorschrift zugleich die zwangsläufige Festlegung eines korrespondierenden verfahrensmäßigen Verhaltens der Verwaltung bewirkt. Festgelegt werden muss danach nicht nur irgendein, sondern ein verfahrensmäßiges Verhalten der Verwaltung. Das ist nicht der Fall, wenn eine Norm einen materiellrechtlichen Anspruch gewährt und damit zwar ein Handeln der Behörde erzwingt, aber das Verfahren hierfür - auch indirekt - nicht mit festlegt.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01 und 2/01 -, BVerfGE 105, 313 = DVBl. 2002, 1269 = NJW 2002, 2543, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 909/82 u.a. -, BVerfGE 75, 108 = DVBl. 1987, 941 = NJW 1987, 3115, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvR 3/77 -, BVerfGE 55, 274 = DÖV 1981, 135 = NJW 1981, 329, sowie Beschluss vom 25. Juni 1974 - 2 BvR 2/73 und 3/73 -, BVerfGE 37, 363 = DÖV 1975, 162 = DVBl. 1975, 96 = NJW 1974, 1165.

Ausgehend davon kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die einen Anspruch auf Informationszugang begründenden Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG darstellen. Denn insoweit handelt es sich um Regelungen, die für den Bürger einen verfahrensunabhängigen eigenständigen Informationsanspruch statuieren. Angesichts dessen könnte daran zu denken sein, dass es sich bei dem Informationsanspruch um einen materiellrechtlichen Anspruch handelt, weil er nicht Teil der Ausgestaltung oder eine Modalität eines materiellrechtlich auf ein anderes Ziel ausgerichteten Verfahrens ist, sondern weil er selbst der eigentliche Verfahrensgegenstand und das Verfahrensziel ist. Anders als etwa der Anspruch auf Akteneinsicht anlässlich eines laufenden Verwaltungsverfahrens besteht der Informationszugangsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW unabhängig davon, ob der um Zugang nachsuchende Antragsteller Beteiligter des Verwaltungsverfahrens ist oder ob überhaupt ein Verwaltungsverfahren eingeleitet ist. Der Zugangsanspruch wird um seiner selbst willen eröffnet und nicht als Teil der Ausgestaltung eines Verwaltungsverfahrens.

Vgl. Röger, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, S. 65 (111); Rickert, in: Wirtschaft und Verwaltung (Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv) 2004, S.153 ( 167 f.); Raabe/ Helle-Meyer, NVwZ 2004, 641 (644); Kopp/ Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 44 a Rn. 4 a; Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12. Juni 2001, LT-Drucks. 13/1311, S. 9; Innenministerium des Landes NRW, Das Recht auf freien Informationszugang (Leitfaden zum Informationsfreiheitsgesetz NRW), S. 7; für das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes: Scheel, in: Berger/ Roth/Scheel, IFG, 2006, § 1 Rn. 5.

Gleichwohl wäre auch denkbar, den Informationszugangsanspruch als "Verfahrensannex" im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG zu verstehen.

Vgl. Röger, a.a.O., S. 111; Rickert, a.a.O., S. 167 f.

Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, da unabhängig von ihrer Beantwortung eine Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht ausgeschlossen ist.

Sollten die einen Anspruch auf Informationszugang begründenden Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nicht als Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG anzusehen sein, ist schon der Regelungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG nicht betroffen.

Sieht man demgegenüber die in Rede stehenden Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW als Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG an, fehlt es an einer die Zuständigkeit der Länder verdrängende Gesetzgebung des Bundes. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bund im Sinne des Halbsatzes 2 des Art. 84 Abs. 1 GG "etwas anderes bestimmt" hat. Die insofern allein in Betracht kommenden Vorschriften des - unter Zustimmung des Bundesrats erlassenen - IHK- Gesetzes stellen für den Bereich der Gewährung eines Informationszugangs keine abschließenden Regelungen dar, die ein Tätigwerden des Landesgesetzgebers ausschließen.

A.A. Rickert, a.a.O., S. 167; Röger, a.a.O., S. 108 f.

Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass § 12 Abs. 1 IHK-G eine abschließende Aufzählung von Bereichen enthält, in denen durch Landesrecht ergänzende Vorschriften erlassen werden können. Die in dieser Bestimmung liegende Beschränkung des Landesgesetzgebers ist aber allein relevant für landesgesetzliche Regelungen, die den Vollzug des IHK-Gesetzes betreffen. Darum geht es bei der Gewährung eines Informationszugangsanspruchs aber nicht. Aufgrund seines eigenständigen Charakters betrifft der Informationszugangsanspruch nicht den Vollzug des IHK-Gesetzes. Die aus dem Informationsfreiheitsgesetz NRW folgenden Informationspflichten der Industrie- und Handelskammern werden vielmehr allenfalls gelegentlich des Vollzugs des IHK-Gesetzes relevant.

Vgl. Röger, a.a.O., S. 120.

Aus demselben Grunde greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, mit § 12 Abs. 1 IHK-G habe der Gesetzgeber einer Zersplitterung des Rechts der Industrie- und Handelskammern entgegenwirken und ein einheitliches Recht für alle Industrie- und Handelskammern schaffen wollen.

Ebenso wie die Beklagte: Grütters, GewArch 2002, 270 (273), und GewArch 2003, 271 (273); Rickert, a.a.O., S. 168; für Bekanntmachungsvorschriften OVG Rh.-Pf., Urteil vom 11. Oktober 1988 - 6 A 9/88 -, GewArch 1981, 20.

Denn durch die landesgesetzliche Einräumung eines eigenständigen Informationszugangsanspruchs wird der bundesweit einheitliche Vollzug des IHK-Gesetzes durch die Industrie- und Handelskammern nicht in Frage gestellt. Ebenso wie die Industrie- und Handelskammern etwa bei Baumaßnahmen die jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen des Bauordnungsrechts zu beachten haben, haben sie bei Bestehen eines landesrechtlichen Informationsfreiheitsgesetzes auch dessen Vorschriften zu beachten. Der Vollzug der Aufgaben nach dem IHK-Gesetz wird davon nicht berührt.

Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht mit dem Hinweis darauf rechtfertigen, dass die Regelung des § 9 Abs. 6 IHK-G, der die Datenschutzgesetze der Länder ausdrücklich für anwendbar erklärt, gerade wegen der Sperrwirkung des IHK-Gesetzes erforderlich gewesen sei.

So aber Grütters, GewArch 2003, 271 (273); Rickert, a.a.O., S. 169.

Zwar trifft es zu, dass die Landesdatenschutzgesetze verfahrensunabhängige Ansprüche des Einzelnen gegenüber der Verwaltung begründen. Daraus lässt sich für die vorliegende Fragestellung aber nichts herleiten. Denn der Einwand verkennt die Regelungswirkung des § 9 Abs. 6 IHK-G. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit den vorangehenden Absätzen zu sehen. In den Absätzen 1 bis 5 des § 9 IHK-G befinden sich gesonderte, von den allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen abweichende Regelungen, die die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Daten sowie die Übermittlung von Daten an nicht- öffentliche Stellen durch die Industrie- und Handelskammern betreffen. In Abgrenzung dazu sieht der Absatz 6 des § 9 IHK-G lediglich vor, dass im Übrigen - nämlich für das Verändern, Sperren und Löschen von Daten sowie die Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen - für die Industrie- und Handelskammern die allgemeinen landesrechtlichen Vorschriften der Datenschutzgesetze gelten. Der Regelungsgehalt des § 9 Abs. 6 IHK-G geht damit über eine klarstellende Wirkung nicht hinaus, da die Datenschutzgesetze der Länder für diese Bereiche mangels einer abweichenden Bestimmung im IHK-Gesetz ohnehin Anwendung finden.

Schließlich ist auch nicht mit der den Industrie- und Handelskammern eingeräumten Satzungsautonomie eine landesgesetzliche Regelung über einen Informationszugangsanspruch ausgeschlossen worden. Denn die mit der Satzungsautonomie verbundene Befugnis zur selbständigen Rechtssetzung bezieht sich allein auf Regelungen der inneren Ordnung. Nicht davon erfasst werden hingegen Regelungen der Außenrechtsbeziehungen, zu denen insbesondere auch die vorliegend in Rede stehenden Informationszugangsansprüche von außen stehenden Personen zu zählen sind.

Der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Begründung eines Informationszugangsanspruchs gegenüber den Industrie- und Handelskammern steht auch keine die Zuständigkeit der Länder verdrängende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus den Art. 71 ff. GG entgegen.

Eine ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich des Informationszugangsrechts findet sich in den Art. 71 ff. GG nicht. Keiner der dort im Einzelnen benannten Gegenstände der ausschließlichen, konkurrierenden und rahmensetzenden Gesetzgebung erfasst das Informationsfreiheitsrecht als eigenständige Materie.

Allerdings stehen dem Bund in äußerst engen Grenzen auch ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen zu. Solche bestehen zum einen, wenn nach der Natur der Sache allein eine Bundesregelung in Betracht kommt, zum anderen wenn der Bund von einer ihm ausdrücklich eingeräumten Kompetenz nicht ohne Zugriff auf eine den Ländern zustehende Materie sinnvoll Gebrauch machen kann (Annexkompetenz und Kompetenz kraft Sachzusammenhangs). Das Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung reicht dafür nicht aus. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs stützt und ergänzt vielmehr eine zugewiesene Zuständigkeit nur dann, wenn die entsprechende Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also das Übergreifen unerlässliche Voraussetzung für die Regelung der zugewiesenen Materie ist.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998, - 1 BvR 2306/96 u.a. -, BVerfGE 98, 265 = NJW 1999, 841.

Ausgehend davon könnte daran zu denken sein, dass die Regelung von Informationszugangsansprüchen gegenüber den Industrie- und Handelskammern infolge Sachzusammenhangs dem Recht der Wirtschaft im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen ist, für das eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht. Dies unterstellt, wäre nach Art. 72 Abs. 1 Halbsatz 2 GG eine Gesetzgebungskompetenz der Länder aber nur dann ausgeschlossen, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit in diesem Bereich bereits Gebrauch gemacht hätte. Dies ist aber nicht der Fall.

Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift über die Regelung eines Informationszugangsanspruchs gegenüber den Industrie- und Handelskammern existiert nicht. Weder im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, das nur für Bundesbehörden sowie sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit sie öffentlichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, gilt (§ 1 Abs. 1 IFG Bund), noch im IHK-Gesetz findet sich eine entsprechende Bestimmung.

Ein "Gebrauchmachen" im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Halbsatz 2 GG ist aber auch dann anzunehmen, wenn der Bund bewusst für einen bestimmten Bereich keine Regelung trifft. Der Bund kann also von einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs auch durch erkennbaren, absichtsvollen Regelungsverzicht mit Sperrwirkung gegenüber den Ländern Gebrauch machen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998, - 1 BvR 2306/96 u.a. -, a.a.O.

Ein solcher absichtsvoller Regelungsverzicht, dem eine Sperrwirkung gegenüber einer Gesetzgebungskompetenz der Länder zukommen könnte, ist aber nicht festzustellen.

Dass das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes lediglich Bundesbehörden sowie sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit sie öffentlichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, erfasst, stellt keinen absichtsvollen Regelungsverzicht hinsichtlich eines Informationszugangsanspruchs gegenüber den Behörden des Landes dar. Die unterbliebene Einbeziehung der Landesbehörden beruhte vielmehr auf einem politischen Kompromiss, weil der Bund wegen der verfahrensrechtlichen Ergänzungsvorschriften eines Informationsfreiheitsgesetzes auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen war und die Länder dem Bund kein umfassendes, auch die Landesverwaltungen einbeziehendes Regelungsrecht einräumen wollten.

Vgl. dazu im Einzelnen Röger, a.a.O., S. 117.

Ein absichtsvoller Regelungsverzicht kann auch nicht darin gesehen werden, dass das IHK-Gesetz keine Regelung über einen Informationszugangsanspruch enthält. Es besteht kein Anhalt dafür, dass der Bund bei Erlass des IHK-Gesetzes oder in der Zeit danach zu irgendeinem Zeitpunkt die Frage eines Informationszugangsanspruchs gegenüber den Industrie- und Handelskammern überhaupt nur thematisiert hätte. Erst recht besteht deshalb kein Anhalt dafür, dass der Bund bewusst einen solchen Informationszugangsanspruch ausschließen wollte.

Dass aus § 12 Abs. 1 und § 9 Abs. 6 IHK-G und aus der den Industrie- und Handelskammern eingeräumten Satzungsautonomie nichts anderes folgt, ist bereits im Einzelnen dargelegt worden.

2. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers war § 4 Abs. 1 IFG NRW. Danach hat jede natürliche Person nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung waren vorliegend erfüllt.

Bei dem Kläger handelt es sich um eine natürliche Person. Als solche hatte er auch den mit der vorliegenden Klage verfolgten Anspruch geltend gemacht. Dass er in seinem Antragsschreiben vom 16. Juli 2002 angegeben hatte, den Antrag "als Privatperson und Mitglied der Vollversammlung" zu stellen, steht dem nicht entgegen, da er damit zum Ausdruck gebracht hat, das Begehren jedenfalls auch als natürliche Person geltend zu machen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war es dem Kläger auch möglich, sich trotz seiner organschaftlichen Stellung als Mitglied der Vollversammlung auf einen Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW zu berufen. Die organschaftliche Stellung schränkt den Rechtskreis des Klägers als natürliche Person nicht ein. Vielmehr stehen ihm sowohl die mit der Organwalterstellung verbundenen als auch die an seine Eigenschaft als natürliche Person anknüpfenden Rechte zu. Dass dies zur Konsequenz haben kann, dass der Kläger als natürliche Person über weitergehende Zugangsrechte verfügt, als sie sich aus seiner Stellung als Vollversammlungsmitglied ergeben, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dieser Umstand ist vielmehr allein der Existenz des Informationsfreiheitsgesetzes NRW und des mit diesem begründeten allgemeinen Informationszugangsanspruch sowie dem mit diesem Gesetz verfolgten Zweck der Gewährleistung des freien Zugangs zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen geschuldet. Etwaige Beschränkungen des Zugangsanspruchs aus dem Informationsfreiheitsgesetz NRW können sich allein aus den Ausschlussgründen dieses Gesetzes ergeben. Dass die beiden Rechtskreise nebeneinander stehen, ist auch sachgerecht. Es ist kein Grund erkennbar, die dem Kläger aus dem Informationsfreiheitsgesetz NRW zustehenden Rechte nur deshalb einzuschränken, weil er zugleich auch eine Organwalterstellung innehat. Vielmehr hat es die Beklagte hinzunehmen, dass sich ihre Vollversammlungsmitglieder - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - sowohl auf die aus der organschaftlichen Stellung folgende Rechte als auch auf die Zugangsrechte aus dem Informationsfreiheitsgesetz NRW berufen können.

Die Unterlagen, in die der Kläger Einsicht begehrt hat, sind bei der Beklagten vorhandene amtliche Informationen im Sinne von § 4 Abs. 1 IFG NRW.

3. Die Subsidiaritätsklausel aus § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW stand dem geltend gemachten Zugangsanspruch nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung treten die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen.

Als eine besondere, den Informationszugangsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW ausschließende Rechtsvorschrift sieht die Beklagte vorliegend § 14 Abs. 2 der - auf § 5 Abs. 3 IHK-G gestützten - Wahlordnung in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000 - WO 2000 - an. Nach dieser Bestimmung stellt der Wahlausschuss das Wahlergebnis unverzüglich nach Abschluss der Wahl fest, fertigt über den Wahlablauf eine Niederschrift an und gibt die gewählten Bewerber bekannt. Ausgehend davon könnte eine Anwendung dieser Bestimmung allenfalls in Betracht kommen für die Frage eines Zugangsanspruchs zu der mit "Ergebnis der Wahl 2001 zur Vollversammlung der Kammer" überschriebenen Anlage der Ergebnisniederschrift der 3. Sitzung des Wahlausschusses am 22. Oktober 2001. Bei § 14 Abs. 2 WO 2000 handelt es sich aber nicht um eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW.

Schon das Tatbestandsmerkmal "soweit" zeigt, dass jedenfalls nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen sind, die denselben Sachverhalt abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = NWVBl. 2002, 441; Partsch/Schurig, DÖV 2003, 482 (485).

Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist.

Vgl. Franßen, NWVBl. 2003, 252 (253 f.); Nordmann, RDV 2001, 71 (82).

Wenn spezialgesetzliche Regelung für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb im Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zur Anwendung.

Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, DÖV 2005, 832 = NJW 2005, 2028 = NWVBl. 2006, 296.

Ausgehend davon kann entgegen der Auffassung der Beklagten die Bestimmung des § 14 Abs. 2 WO 2000 nicht als eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW angesehen werden.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, ergibt sich aus § 14 Abs. 2 WO 2000 zwar, dass die Beklagte im Hinblick auf das Wahlergebnis verpflichtet ist, die gewählten Bewerber allgemein bekannt zu machen.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch Nds. OVG, Urteil vom 15. Juni 1992 - 8 L 43/90 -, GewArch 1992, 420; VG Karlsruhe, Urteil vom 11. April 2002 - 9 K 778/01 -, juris.

Damit stellt die Wahlordnung aber lediglich Mindestanforderungen für eine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Wahlergebnisses auf. Ein weitergehender Regelungsgehalt kommt § 14 Abs. 2 WO 2000 nicht zu. Insbesondere lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen, dass auch ein allgemeiner Informationszugangsanspruch auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausgeschlossen sein soll.

4. Dem geltend gemachten Informationszugangsanspruch stand auch keine der einschränkenden Regelungen aus §§ 6 ff. IFG NRW entgegen. Bei der Prüfung der sich aus diesen Vorschriften ergebenden Ausschlussgründe ist nach den einzelnen Unterlagen zu differenzieren, aus denen sich die vom Kläger begehrten Informationen ergeben.

(a) Hinsichtlich der Matrix, die für sämtliche Wahlgruppen und Wahlbezirke den Anteil an der bezirklichen Wirtschaftskraft angibt, wäre denkbar, diese Unterlage als Arbeit zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung anzusehen, für die nach § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist. Die Frage, ob es sich tatsächlich um eine von § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW erfasste Vorbereitungsarbeit handelte, bedarf indessen keiner Vertiefung. Denn für den Fall, dass dies zu bejahen wäre, käme die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 IFG NRW zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift sind Informationen, die nach § 7 Abs. 1 IFG NRW vorenthalten worden sind, nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens zugänglich zu machen. Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben, da das Verfahren zur Änderung der Wahlornung der Beklagten mit dem Erlass der WO 2000 seinen Abschluss gefunden hatte.

Der im Weiteren in Betracht zu ziehende Ausschlussgrund des § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW war ebenfalls nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift soll ein Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn sich der Inhalt der Information auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen öffentlichen Stellen bezieht.

Zweck der Bestimmung ist es, die nach außen vertretene Entscheidung einer Behörde nicht dadurch angreifbar zu machen, dass interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen zwischen mehreren beteiligten Stellen veröffentlicht werden. Das Prinzip der Einheit der Verwaltung soll dazu führen, dass staatliche Maßnahmen nicht als Entscheidung einer bestimmten Person oder einer Organisationseinheit, sondern als solche des Verwaltungsträgers wahrgenommen werden. Aufgrund dessen ist zwischen den Grundlagen und Ergebnissen der Willensbildung auf der einen Seite und dem eigentlichen Prozess der Willensbildung zu unterscheiden. Der Ausschlussgrund greift deshalb nur für Anordnungen, Äußerungen und Hinweise ein, die die Willensbildung steuern sollen. Soweit hingegen der Inhalt der Entscheidung betroffen ist, wie etwa bei der Mitteilung von Tatsachen oder Hinweisen auf die Rechtslage, ist dies nicht als ein Teil des Willensbildungsprozesses anzusehen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nicht vorliegen.

Vgl. Haurand/Stollmann, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Stand: April 2003, § 7 Anm. 3.

Ausgehend davon fiel die Matrix nicht unter den Ausschlussgrund aus § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW. Sie betraf nicht den eigentlichen Prozess der Willensbildung innerhalb der Beklagten, weil sie nicht auf eine Steuerung der Willensbildung angelegt war. Vielmehr gibt sie lediglich das Ergebnis wieder, das aus der - vorgegebenen - Anwendung und insbesondere Gewichtung der Kriterien für die Einteilung der Wahlgruppen folgt.

(b) Hinsichtlich der der Matrix zugehörigen Liste lag ebenfalls kein Ausschlussgrund aus §§ 6 ff. IFG NRW vor.

Soweit diese als Arbeit zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung im Sinne von § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW anzusehen gewesen wäre, wäre die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 IFG NRW zur Anwendung gekommen.

Der weiter in Betracht kommende Ausschlussgrund des § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW stand dem Zugangsanspruch nicht entgegen, weil die der Matrix zugehörige Liste bloße Sachinformationen über die Zuordnung und Anzahl der kammerzugehörigen Unternehmen nach dem NACE-Code zu den einzelnen Wahlgruppen und die Anzahl der in den Unternehmen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten enthielt.

(c) Hinsichtlich der internen Vermerke, die Überlegungen zur Einrichtung neuer Wahlgruppen im Zuge der Änderung der Wahlordnung enthalten, war ebenfalls kein Ausschlussgrund aus §§ 6 ff. IFG NRW einschlägig.

Der Ausschlussgrund aus § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW scheiterte ebenfalls an der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 IFG NRW.

Der weiterhin in Betracht kommende Ausschlussgrund aus § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW griff ebenfalls nicht ein. Die Vermerke dienten nicht der Willensbildung innerhalb des Beklagten im Sinne dieser Bestimmung.

Der an den Hauptgeschäftsführer S. gerichtete interne Vermerk vom 20. Juni 1996 diente allein als Grundlage für die Willensbildung und war deshalb nicht dem eigentlichen Prozess der Willensbildung zuzurechnen. In ihm waren die in dessen Anlage wiedergegebenen tabellarischen Darstellungen der Beschäftigungsentwicklung der Dienstleistungsbranchen im Zeitraum von 1980 bis 1995 ausgewertet worden. Es handelte sich um eine bloße Zusammenfassung der Ergebnisse aus den tabellarischen Darstellungen.

Gleiches gilt für den an Herrn H. gerichteten Vermerk vom 4. Februar 2000. In ihm waren die Größen der Wahlgruppen angegeben, wie sie sich auf der Grundlage einer vorgegebenen neuen Konzeption darstellen würden. Angesichts dessen diente der Vermerk lediglich als Grundlage für die Willensbildung und gehörte nicht zum eigentlichen Prozess der Willensbildung.

Bei dem Vermerk vom 21. Juli 2000, der von Herrn H. erstellt und an den Hauptgeschäftsführer S. gerichtet war, handelte es sich um einen Vorschlag für die Einteilung der Wahlgruppen für eine anstehende Vollversammlungswahl. Bei einer allein auf den Wortlaut abstellenden Auslegung des § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW könnte daran zu denken sein, dass dieser Ausschlussgrund eingreift, weil es sich um den Vorschlag eines nachgeordneten Bediensteten handelt, der darauf gerichtet ist, auf die Willensbildung seines Vorgesetzten einzuwirken. Ein derart weitgehendes Verständnis des Ausschlussgrundes hätte allerdings zur Folge, dass zu sämtlichen internen Vorbereitungsmaßnahmen innerhalb einer gestuften Verwaltung, wie sie regelmäßig vorzufinden ist, kein Informationszugangsanspruch bestünde. Damit käme aber dem Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW, der einen Zugangsanspruch nur für Arbeiten und Beschlüsse zur unmittelbaren Vorbereitung von Entscheidungen ausschließt, nahezu keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Angesichts dessen bedarf der Ausschlussgrund aus § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW einer an dessen Schutzzweck orientierten einschränkenden Auslegung. Da dieser Ausschlussgrund den Zweck verfolgt, die nach außen vertretene Entscheidung einer Behörde nicht dadurch angreifbar zu machen, dass interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen zwischen mehreren beteiligten Stellen veröffentlicht werden, ist jedenfalls für solche Unterlagen ein Zugangsanspruch in der Regel nicht ausgeschlossen, die weder interne Meinungsverschiedenheiten noch unterschiedliche Auffassungen innerhalb einer Behörde oder zwischen verschiedenen Behörden erkennen lassen. Bei einem derartigen Verständnis bleibt einerseits genügend Raum für eine selbständige Bedeutung des Ausschlussgrundes aus § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW und andererseits wird dem Schutzzweck des Ausschlussgrundes aus § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW hinreichend Rechnung getragen. Ausgehend von diesen Erwägungen stand § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW einem Zugangsanspruch zu dem Vermerk vom 21. Juli 2000 nicht entgegen; diesem ließen sich keine unterschiedlichen Meinungen oder Auffassungen innerhalb der Beklagten entnehmen.

(d) Auch hinsichtlich der Berechnungsschemata zur Verteilung der Sitze auf die Wahlgruppen lag kein Ausschlussgrund aus §§ 6 ff. IFG NRW vor.

Soweit diese als Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung im Sinne von § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW anzusehen gewesen wären, hätte wiederum die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 IFG NRW eingegriffen.

Der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 2 Buchst. a IFG NRW war ebenfalls nicht einschlägig. Auch die Berechnungsschemata waren nicht auf eine Steuerung der Willensbildung angelegt, sondern gaben lediglich Sachinformationen wieder.

(e) Hinsichtlich der Niederschrift der Sitzung der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000 lagen auch nicht die Voraussetzungen eines Ausschlussgrundes aus §§ 6 ff. IFG NRW vor.

Als Ausschlussgrund kam zunächst § 7 Abs. 1 Fallvariante 3 IFG NRW in Betracht. Danach ist der Antrag auf Informationszugang für Protokolle vertraulicher Beratungen abzulehnen.

Bei einer Sitzung der Vollversammlung der Beklagten handelt es sich aber nicht um eine vertrauliche Beratung im Sinne von § 7 Abs. 1 Fallvariante 3 IFG. Zwar sieht die am 2. Dezember 1999 von der Vollversammlung beschlossene Satzung der Beklagten in § 4 Abs. 8 Satz 1 vor, dass die Sitzungen der Vollversammlung - nur - für Kammerzugehörige und Personen, die unmittelbar von Beschlüssen der Vollversammlung betroffen sein können, öffentlich sind. Der in dieser Regelung liegende Ausschluss der allgemeinen Öffentlichkeit, von der der Kläger im Übrigen als Kammermitglied gar nicht betroffen ist, rechtfertigt es aber nicht, die Sitzungen der Vollversammlung als vertrauliche Beratungen einzustufen. Erforderlich für die Annahme einer vertraulichen Beratung ist, dass die Beratung aus bestimmten Gründen eine gewisse Vertraulichkeit genießt. Diese Gründe haben sich an dem Schutzzweck der Norm zu orientieren, der darin liegt, dass eine offene Meinungsbildung und ein freier Meinungsaustausch geschützt werden soll, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

Vgl. Haurand/Stollmann, a.a.O., § 7 Anm. 2.2.

Ausgehend davon ist weder für die Sitzungen der Vollversammlung allgemein noch für die vorliegend in Rede stehende Sitzung vom 5. Dezember 2000 ersichtlich, dass besondere Gründe vorliegen könnten, aus denen eine gewisse Vertraulichkeit besteht.

Im Weiteren könnte daran zu denken sein, dass die Voraussetzungen des Ausschlussgrund aus § 9 Abs. 1 IFG NRW vorgelegen haben, weil in der Sitzungsniederschrift die einzelnen Redebeiträge unter Angabe des Namens des jeweiligen Vollversammlungsmitglieds niedergelegt sind. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten offenbart werden, es sei denn eine der unter den Buchstaben a bis e genannten Ausnahmen liegt vor.

Insofern ist zwar festzustellen, dass es sich bei den in der Niederschrift enthaltenen Angaben der Namen der Vollversammlungsmitglieder um personenbezogene Daten handelt, die bei der Gewährung eines Informationszugangs offenbart würden. Vorliegend kam aber die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 3 Buchst. a IFG NRW (zumindest analog) zur Anwendung.

Nach dieser Bestimmung soll dem Antrag auf Informationszugang in der Regel stattgegeben werden, soweit sich die Angaben auf u.a. Name, Titel, akademischen Grad sowie Berufs- und Funktionsbezeichnung beschränken und die betroffene Person als Amtsträger an dem jeweiligen Vorgang mitgewirkt hat, es sei denn, der Offenbarung stehen schutzwürdige Belange der betroffenen Person entgegen.

Die Angaben in der Niederschrift der Sitzung der Vollversammlung beschränken sich auf die Wiedergabe der Namen der Vollversammlungsmitglieder. Eine Mitwirkung "an dem jeweiligen Vorgang" ist darin zu sehen, dass die benannten Personen an den Sitzungen der Vollversammlung in ihrer Eigenschaft als deren Mitglied teilnehmen. Zwar sind sie damit noch nicht zu Amtsträgern im eigentlichen Sinne des Begriffs geworden. Mit der Verwendung des Begriffs des Amtsträgers soll aber lediglich auf die Verbindung zwischen der amtlichen Funktion und den personenbezogenen Daten abgestellt werden. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die in § 9 Abs. 3 Buchst. a IFG NRW beschriebenen Angaben regelmäßig unbedenklich offenbart werden können und daher ein Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person nicht besteht.

Vgl. Haurand/Stollmann, a.a.O., § 9 Anm. 5.

Ausgehend davon besteht keine Veranlassung, die Angaben der Namen der Vollversammlungsmitglieder in der Sitzungsniederschrift weitergehend gegenüber Informationszugangsansprüchen zu schützen als die Angabe des Namens eines Sachbearbeiters - und damit eines Amtsträgers in eigentlichen Sinne des Begriffs - in einem Verwaltungsvorgang, zu dem Zugang begehrt wird.

Ein Anhalt dafür, dass schutzwürdige Belange der Vollversammlungsmitglieder einer Offenbarung dieser Angaben entgegenstünden, ist nicht ersichtlich.

(f) Hinsichtlich des Auszugs aus der Niederschrift der Sitzung des Präsidiums vom 9. November 2000 griff ebenfalls kein Ausschlussgrund aus §§ 6 ff. IFG NRW ein.

Als Ausschlussgrund kam auch insofern allein § 7 Abs. 1 Fallvariante 3 IFG NRW in Betracht. Dabei kann allerdings dahinstehen, ob es sich bei der Niederschrift der Sitzung des Präsidiums um das Protokoll einer vertraulichen Beratung im Sinne der vorgenannten Bestimmung handelt. Denn selbst wenn dies anzunehmen gewesen wäre, würde der Ausschlussgrund nicht durchgreifen, da die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW Anwendung fand. Danach sind die im Protokoll festgehaltenen Ergebnisse vertraulicher Beratungen nach Abschluss des jeweiligen Vorgangs zugänglich zu machen. Diese Voraussetzungen lagen hier vor, da das Verfahren zur Änderung der Wahlordnung des Beklagten mit dem Erlass der WO 2000 seinen Abschluss gefunden hatte und der vorliegend in Rede stehende Auszug der Niederschrift der Sitzung des Präsidiums lediglich einen Ergebnisvermerk beinhaltet.

(g) Schließlich kam auch hinsichtlich der mit "Ergebnis der Wahl 2001 zur Vollversammlung der Kammer" überschriebenen Anlage der Ergebnisniederschrift der 3. Sitzung des Wahlausschusses am 22. Oktober 2001 kein Ausschlussgrund aus §§ 6 ff. IFG NRW zur Anwendung.

Denkbar könnte allenfalls ein Eingreifen des Ausschlussgrundes aus § 9 Abs. 1 IFG NRW sein.

Insofern weist die Beklagte zwar zutreffend darauf hin, dass es sich bei den in der Anlage der Niederschrift enthaltenen Angaben zu den Namen der gewählten und nicht gewählten Kandidaten um personenbezogene Daten handelt, die bei der Gewährung eines Informationszugangs offenbart würden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kandidaten allein aufgrund der Tatsache ihrer Kandidatur sich im Sinne der unter Buchstabe a genannten Ausnahme mit der Offenbarung dieser personenbezogenen Daten einverstanden erklärt haben. Jedoch kam wiederum die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 3 Buchst. a IFG NRW (zumindest analog) zur Anwendung.

Die Angaben in der Anlage zur Ergebnisniederschrift der Sitzung des Wahlausschusses beschränken sich auf die Wiedergabe der Namen der gewählten und nicht gewählten Kandidaten. Eine Mitwirkung "an dem jeweiligen Vorgang" ist darin zu sehen, dass die benannten Personen sich mit ihrer Kandidatur für die Mitgliedschaft in der Vollversammlung an dem Wahlvorgang beteiligt haben. Zwar sind auch sie damit noch nicht zu Amtsträgern im eigentlichen Sinne des Begriffs geworden. Da mit der Verwendung des Begriffs des Amtsträgers aber lediglich auf die Verbindung zwischen der amtlichen Funktion und den personenbezogenen Daten abgestellt werden soll, stellt sich die Angabe der Namen der gewählten und nicht gewählten Kandidaten in der Anlage zur Wahlniederschrift ebenfalls nicht anders dar als die Angabe des Namens eines Sachbearbeiters in einem Verwaltungsvorgang.

Einer Offenbarung entgegenstehende schutzwürdige Belange der Kandidaten sind auch hier nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.