OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.01.2006 - 18 B 1772/05
Fundstelle
openJur 2011, 38426
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 L 737/05

1. Will ein geduldeter Ausländer erreichen, dass die ihm erteilte Duldung um die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung erweitert wird, ist gerichtlicher Rechtsschutz im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und im Hauptsacheverfahren im Wege der Verpflichtungsklage zu erreichen.

2. Für einen derartigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht jedenfalls dann ein Anordnungsgrund, wenn der Ausländer bereits in einem Arbeitsverhältnis steht und dieses im Falle der Versagung der begehrten Erlaubnis beendet zu werden droht.

3. Die unzureichende Mitwirkung bei der Passbeschaffung kann grundsätzlich einen Versagungsgrund im Sinne des § 11 Satz 1 BeschVerfV darstellen; sie muss allerdings kausal dafür sein, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

4. Ein Anspruch auf Erweiterung einer Duldung dahin, dass die Ausübung einer Beschäftigung gestattet wird, setzt voraus, dass eine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist. Ist das nicht festzustellen, kann ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag gegeben sein.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit 1997 in Deutschland auf. Nachdem er ohne Erfolg ein Asylverfahren betrieben hatte, wurden ihm ab dem Jahre 2000 Duldungen erteilt. Seit November 2004 war er bei dem Betrieb "Auto L. Kfz-Handel" als Wagenwäscher beschäftigt. Hierzu hatte ihm zunächst die Bundesanstalt für Arbeit eine Arbeitsgenehmigung erteilt; im Februar 2005 erteilte ihm der Antragsgegner eine Duldung mit dem als "Nebenbestimmung" bezeichneten Zusatz "Erwerbstätigkeit b. Fa. L. , Iserlohn gestattet".

Der Antragsgegner versucht seit Jahren - bislang erfolglos -, den Antragsteller zur hinreichenden Mitwirkung an der Passbeschaffung zu veranlassen. Der Antragsteller sprach im Mai und im August 2005 beim Antragsgegner wegen der Verlängerung seiner Beschäftigungserlaubnis vor. Dabei wurde er im Mai zum wiederholten Mal auf seine Mitwirkungspflichten und darauf, dass widrigenfalls die Ausübung einer Beschäftigung nicht mehr erlaubt würde, hingewiesen. Der Antragsgegner erteilte dem Antragsteller am 8. August 2005 schließlich eine Duldung mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht mit den Anträgen,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nebenbestimmung zur Duldung, wonach Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist, anzuordnen,

hilfsweise, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, dem Antragsteller vorläufig die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit bei der Firma Auto L. Kfz-Handel, L1. -B. -Str. ,

J. , zu gestatten durch entsprechende Aufnahme einer Nebenbestimmung zur Duldung.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller hat Beschwerde erhoben.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht zunächst zu Recht dessen als Hauptantrag formulierten Antrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nebenbestimmung zur Duldung, wonach Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist, anzuordnen,

als unstatthaft angesehen. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, wie er damit formuliert wurde, ist statthaft, wenn im entsprechenden Hauptsacheverfahren für den Rechtsschutz die Anfechtungsklage gegeben ist und dem Rechtsschutzinteresse durch die Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts bzw. die Rückgängigmachung einer bereits stattgefundenen Vollziehung Genüge getan ist, § 123 Abs. 5 VwGO.

Vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2005, § 80 Rn. 12.

So liegt es hier nicht. Denn im Gegensatz zu der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage, nach der es sich bei dem einer Duldung beigefügten Verbot einer Erwerbstätigkeit um eine isoliert anfechtbare Auflage im Sinne von § 56 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AuslG 1990 handelte und daher diesbezüglich ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft war,

vgl. Senatsbeschluss vom 8. August 2003 - 18 B 2511/02 -, AuAS 2003, 272 = NVwZ-Beil. I 2004, 18 = EZAR 632 Nr. 37 = EildStNRW 2004, 178,

bedürfen nach den in §§ 4 Abs. 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG und § 10 Beschäftigungsverfahrensverordnung - BeschVerfV - getroffenen Regelungen geduldete Ausländer, die - wie der Antragsteller - eine Beschäftigung ausüben wollen, einer dahingehenden mit der Duldung verknüpften Erlaubnis, über deren Erteilung nach Antrag ein Bescheid zu ergehen hat, so dass eine positive Bescheidung gegebenenfalls mit einem Verpflichtungsbegehren zu erstreiten ist. Die bloße Beseitigung des Vermerks "Erwerbstätigkeit nicht gestattet", wie er sich bei der dem Antragsteller unter dem 8. August 2005 erteilten Duldung findet, führt nicht bereits zu der von diesem erstrebten und benötigten Rechtskreiserweiterung. Vorläufiger Rechtsschutz ist demnach durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu erlangen.

So etwa Senatsbeschluss vom 22. April 2005 - 18 B 574/05 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris; VG Sigmaringen, Beschluss vom 20. April 2005 - 6 K 2362/04 -; VG Karlsruhe, Beschluss vom 14. April 2005 - 10 K 493/05 -, AuAS 2005, 194; Bartelheim, InfAuslR 2005, 458 (460); Leineweber, InfAuslR 2005, 302 (304); Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Loseblatt, § 4 Rn. 62; Marx, ZAR 2005, 48 (53 f.); Stiegeler, Asylmagazin 6/2005, 5 (7); Zühlcke, ZAR 2005, 317 (322).

Hiervon ausgehend bietet - anders, als der Antragsteller meint - auch der Umstand, dass er einen Arbeitsplatz bereits innehatte, keinen Ansatz für die Annahme, dass vorliegend ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft wäre. Die Rechtskreiserweiterung, die der Antragsteller nach §§ 4 Abs. 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 10 BeschVerfV zu erstreiten hat, liegt in der Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung und nicht in einem - möglicherweise bereits begründeten - Arbeitsverhältnis. Insofern ist auch nicht erkennbar, inwieweit es für die Frage der Statthaftigkeit des gestellten Hauptantrags von Bedeutung sein könnte, dass - wie der Antragsteller geltend macht - mögliche Erwerbsansprüche über Art. 14 GG geschützt sein sollen und mit dem AufenthG das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sein soll. Angemerkt sei, dass die diesbezügliche Argumentation der Beschwerde zudem in mehrfacher Hinsicht fehlgehen dürfte. So schützt die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG - kurz gesprochen - nur das bereits Erworbene, nicht aber Erwerbschancen und Verdienstmöglichkeiten; Eingriffe der öffentlichen Gewalt in solche Möglichkeiten unterfallen dem Schutzbereich des (Deutschen-)Grundrechts des Art. 12 Abs. 1 GG.

Vgl. Papier in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Loseblatt, Art. 14 Rn. 222 mit weiteren Nachweisen.

Diese Differenzierung des Verfassungsgebers hinsichtlich der grundrechtlichen Gewährleistung der Berufsfreiheit kann nicht durch Rückgriff auf andere Verfassungsnormen ausgehebelt werden.

Vgl. Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Loseblatt, C1 Rn. 12 mit weiteren Nachweisen.

Im Übrigen dürfte es sich bei den Einschränkungen, die die Bestimmungen über Arbeitserlaubniserfordernisse für Ausländer normieren, um zulässige Inhalts- bzw. Schrankenbestimmungen des Eigentums handeln.

Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. April 1983 - 1 B 7.83 -, Buchholz 402.24 § 7 AuslG Nr. 22.

Schließlich gilt nach herrschender Auffassung das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht für Schrankenbestimmungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sowie - erst recht - Art. 2 Abs. 1 GG.

Vgl. Scholz in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O., Art. 12 Rn. 301; Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O., Art. 19 Rn. 54 f.

2. Der vorliegend formulierte Hilfsantrag,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, dem Antragsteller vorläufig die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit bei der Firma Auto L. Kfz-Handel, L1. -B. -Str. , J. , zu gestatten durch entsprechende Aufnahme einer Nebenbestimmung zur Duldung,

ist nach allem grundsätzlich statthaft. Der Senat versteht ihn allerdings klarstellend dahin, dass beantragt wird,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig - bis zur Entscheidung in der Hauptsache - zu verpflichten, die dem Antragsteller erteilte Duldung dahin zu erweitern, dass ihm die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit bei der Firma Auto L. Kfz-Handel, L1. -B. -Str. , J. , erlaubt wird.

Diese Klarstellung erscheint veranlasst, weil der zur Verdeutlichung der gesetzlich vorgesehenen untrennbaren Verknüpfung des Beschäftigungsrechts mit dem Aufenthaltstitel bzw. der Duldung gewählte Begriff der "Nebenbestimmung" in § 84 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG

vgl. auch BT-Drs. 15/240, S. 69 re. Sp; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris,

offensichtlich in einem von § 36 VwVfG (hier von § 36 VwVfG NRW) abweichenden Sinne verwendet wird. Eine Nebenbestimmung im Sinne des § 36 VwVfG liegt nämlich nicht vor; insbesondere handelt es sich nicht um eine Auflage gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, da dem Betreffenden kein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Der Argumentation, es liege eine Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG vor, weil dem geduldeten Ausländer mit der Erlaubnis (auch) vorgeschrieben werde, jede andere als die erlaubte Beschäftigung zu unterlassen,

so wohl Marx, ZAR 2005, 48 (52),

kann nicht gefolgt werden. Dieses Verständnis verzerrt den rechtlichen Gehalt der Beschäftigungserlaubnis. Dafür, dass die Behörde mit der Erlaubnis nicht nur eine bestimmte Tätigkeit erlauben, sondern darüber hinaus weitere verbieten will, besteht regelmäßig kein Anhalt und auch kein Bedürfnis; denn jede andere, nicht ausdrücklich erlaubte Beschäftigung ist dem geduldeten Ausländer bereits kraft Gesetzes verboten, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.

So zutreffend Bartelheim, InfAuslR 2005, 458 (460).

Mit der genannten Antragsfassung ist auch klargestellt, dass es vorliegend nicht um die Neuerteilung einer Duldung geht, so dass für die begehrte Erweiterung der Duldung nicht deren Erteilungsvoraussetzungen vollständig zu prüfen sind.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht begründet.

Ob die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht sind, kann offen bleiben. Die insoweit erforderliche Dringlichkeit der gerichtlichen Entscheidung zur Abwendung wesentlicher Nachteile

- bei deren Vorliegen dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht entgegenstehen dürfte, vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris -

ist regelmäßig unter anderem dann anzunehmen, wenn - wie es hier geltend gemacht wird - der Verlust eines bereits rechtmäßig innegehaltenen Arbeitsplatzes droht.

Vgl. VG Hannover, Beschluss vom 14. März 2003 - 2 B 1087/05 -, InfAuslR 2005, 204; auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris; Leineweber, InfAuslR 2005, 302 (304).

Es unterliegt indes erheblichen Zweifeln, ob vorliegend hinreichend glaubhaft gemacht ist, dass der Arbeitsplatz bei der Firma L. für den Antragsteller noch zur Verfügung steht. Die eingereichten Unterlagen über die Beschäftigung bei der Firma L. weisen lediglich aus, dass der Antragsteller dort im Juli 2005 und damit vor rund einem halben Jahr zuletzt gearbeitet hat. Trotz der bereits seitens des Verwaltungsgerichts geäußerten Zweifel hat der Antragsteller weitere Unterlagen nicht vorgelegt. Er hat mit der Beschwerde im Gegenteil vorgetragen, er habe einen Arbeitsplatz innegehabt, "den er auch hätte behalten können". Danach spricht viel dafür, dass dies inzwischen nicht mehr der Fall ist.

Der Frage muss jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Denn wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, bleibt der auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erweiterung der dem Antragsteller erteilten Duldung um die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung gerichtete Hilfsantrag ohne Erfolg, weil der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Erlaubnis nicht glaubhaft gemacht hat. Dem steht der Versagungsgrund des § 11 BeschVerfV entgegen.

Anspruchsgrundlage für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an geduldete Ausländer wie den Antragsteller sind §§ 4 Abs. 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 10 BeschVerfV. Der Antragsteller erfüllt die in § 10 BeschVerfV aufgeführten persönlichen Merkmale, weil er sich nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens seit dem Jahre 2000 geduldet in Deutschland aufhält. Nach § 11 Satz 1 BeschVerfV darf die Arbeitserlaubnis allerdings dann nicht erteilt werden, wenn der Ausländer sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, oder wenn bei dem Ausländer aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Zu vertreten hat ein Ausländer gemäß § 11 Satz 2 BeschVerfV die Gründe insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch Täuschung über seine Identität und seine Staatsangehörigkeit oder durch falsche Angaben herbeiführt.

Vorliegend bestehen für das Gegebensein der ersten Alternative des § 11 Satz 1 BeschVerfV keine Anhaltspunkte. In Betracht kommt allein, dass bei dem Antragsteller aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil er seinen Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung von Reisepapieren nur unzureichend nachgekommen ist. Dass eine solche Sachverhaltskonstellation gegeben ist, hat das Verwaltungsgericht festgestellt. Der Antragsteller tritt diesen Feststellungen mit der Beschwerde nicht entgegen; sie sind mithin zugrunde zu legen.

Darüber, dass die mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 11 Satz 2 BeschVerfV einen Versagungsgrund im Sinne des § 11 Satz 1 BeschVerfV darstellen kann, besteht - soweit ersichtlich - Einigkeit.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 5. September 2005 - 17 B 1118/05 - und vom 28. Oktober 2005 - 17 B 1815/05 -; Nds. OVG, Beschluss vom 8. November 2005 - 12 ME 397/05 -, juris; VG Sigmaringen, Beschluss vom 20. April 2005 - 6 K 2362/04 -; Fehrenbacher, HTK-AuslR / § 11 BeschVerfV 12/2005 Nr. 3; Leineweber, InfAuslR 2005, 302 (304); Marx, ZAR 2005, 48 (53); Stiegeler, Asylmagazin 6/2005, 5 (7); Zühlcke, ZAR 2005, 317 (321).

Dem Verständnis ist beizupflichten. Zunächst lässt sich die mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung zwanglos unter den Wortlaut des § 11 Satz 1 BeschVerfV subsumieren. Der Ausländer kann dadurch, dass er an der Beschaffung der Papiere nicht genügend mitwirkt, verhindern, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen vollzogen werden. Er hat dies zu vertreten, wenn die Gründe, die der Vollziehung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entgegenstehen, in seinen Verantwortungsbereich fallen.

Vgl. hierzu Fehrenbacher, HTK-AuslR / § 11 BeschVerfV 12/2005 Nr. 3 mit weiteren Nachweisen.

Dies wird bei Verletzung seiner Mitwirkungspflichten regelmäßig - mögliche Ausnahmen sind im Folgenden noch zu erörtern - der Fall sein und ist auch vorliegend anzunehmen.

Die Betonung der Mitwirkungspflichten durch das AufenthG unterstützt dieses Verständnis. Bereits unter Geltung des AuslG 1990 war höchstrichterlich geklärt, dass die Behörde die Untersagung der Erwerbstätigkeit in Zusammenhang mit den Anforderungen an die Mitwirkung bei der Passbeschaffung stellen und den Betreffenden so zur Mitwirkung zu veranlassen versuchen durfte.

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. September 1981 - 1 B 90.81 -, Buchholz 402.24 § 7 Nr. 12; Senatsbeschluss vom 19. November 2003 - 18 B 2161/02 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen.

Die entsprechenden Mitwirkungspflichten sind nunmehr ausdrücklich im AufenthG normiert: Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1, § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV ist ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, verpflichtet, an der Beschaffung derartiger Papiere mitzuwirken und alle hierfür erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen vorzulegen sowie die geforderten Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass den Behörden diese zuvor anerkannte Möglichkeit, den Ausländer zur Mitwirkung zu veranlassen, nunmehr versperrt werden sollte.

Vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 14. April 2005 - 10 K 493/05 -, AuAS 2005, 194 und Zühlcke, ZAR 2005, 317 (320), jeweils mit weiteren Nachweisen; Bartelheim, InfAuslR 2005, 458 (460).

Auch der Intention des Verordnungsgebers dürfte es entsprechen, die unzureichende Mitwirkung bei der Passbeschaffung als Versagungsgrund gemäß § 11 Satz 1 BeschVerfV einzuordnen. Danach sollten zur näheren Bestimmung des Vertretenmüssens im Sinne des § 11 Satz 1 BeschVerfV die Kriterien des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG übernommen werden, was die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen einschließt.

Vgl. Text der Verordnungsbegründung unter www.aufenthaltstitel.de/beschverfvinfos.html.

Der Vergleich mit § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG ergibt nicht, dass die fehlende Mitwirkung an der Passbeschaffung als Versagungsgrund im Sinne des § 11 Satz 1 BeschVerfV ausscheidet. Zwar wird in § 25 Absatz 5 Satz 4 AufenthG darauf abgestellt, dass aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründe die (freiwillige) Ausreise nicht möglich ist, während für § 11 Satz 1 BeschVerfV maßgeblich ist, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen - worunter hoheitliche Maßnahmen zu verstehen sein dürften - nicht vollzogen werden können. Da aber die fehlende Mitwirkung an der Passbeschaffung sowohl die Ausreise als auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen hindern kann, schließt diese - grundsätzlich zu beachtende - Differenzierung es nicht aus, dass eine solche Verhaltensweise auf einen Versagungsgrund im Sinne des § 11 Satz 1 BeschVerfV führen kann, sofern sie - wie das hier der Fall ist - eben nicht nur der freiwilligen Ausreise, sondern aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entgegensteht.

Einzuräumen ist allerdings, dass in § 11 Satz 2 BeschVerfV als Regelbeispiele zur näheren Kennzeichnung des Verschuldens zwar die übrigen in § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG aufgeführten Verhaltensweisen (falsche Angaben oder Identitätstäuschung), aber gerade nicht das Nichterfüllen zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen genannt ist. Aus diesem Umstand allein kann aber nach Auffassung des Senats angesichts des Gewichts entgegenstehender Anhaltspunkte nicht geschlossen werden, dass das Nichterfüllen zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung von - hier - Abschiebungshindernissen nicht unter § 11 Satz 1 BeschVerfV zu subsumieren ist. In § 11 Satz 2 BeschVerfV wird beispielhaft hervorgehoben, in welchen - schwerwiegenden - Fallgestaltungen ein Vertretenmüssen "insbesondere" gegeben ist. Das schließt nicht aus, dass auch in anderen Fällen, in denen die in Rede stehenden Verhaltensweisen möglicherweise von geringerem Unwertgehalt sind, ein Vertretenmüssen angekommen werden kann.

So auch Zühlcke, ZAR 2005, 317 (321).

Da - wie oben ausgeführt - die unzureichende Mitwirkung bei der Passbeschaffung unter Geltung des AuslG 1990 als Grund für die Versagung der Beschäftigungserlaubnis herangezogen werden durfte und in der Praxis auch häufig herangezogen wurde, wäre vielmehr zu erwarten gewesen, dass der Verordnungsgeber es ausdrücklich geregelt hätte, wenn gerade dieses Verhalten nunmehr keine Berücksichtigung mehr finden dürfte.

Der Auffassung des Antragstellers, § 11 BeschVerfV sei nicht erfüllt, wenn der Betreffende - wie hier - an der Beschaffung von Reisepapieren nicht hinreichend mitwirkt, weil die von ihm zu vertretenden Gründe einen ebensolchen Unwertgehalt aufweisen müssten wie die in § 11 Satz 2 BeschVerfV genannten Verhaltensweisen, ist dementsprechend nicht beizutreten; für sie besteht kein Anhalt. Angemerkt sei, dass vorliegend überdies Vieles dafür spricht, dass die beharrliche Weigerung des Antragstellers, an der Beschaffung von Reisepapieren mitzuwirken, einen den in § 11 Satz 2 BeschVerfV genannten Verhaltensweisen vergleichbaren Unwertgehalt hat. Denn der Antragsteller dürfte in diesem Zusammenhang mehrfach Adressen von Bekannten falsch angegeben und wahrheitswidrig behauptet haben, seine Verwandten in Syrien - der Antragsteller hat seinen Angaben bei der Anhörung im Rahmen des Asylverfahrens zufolge (mindestens) mehrere Geschwister, die dort leben - hätten nicht "mit Erfolg" "tätig werden" können, so dass sich durchaus argumentieren lässt, er habe das Abschiebungshindernis durch falsche Angaben herbeigeführt.

Es ist allerdings einschränkend zu verlangen, dass das in Rede stehende Verhalten - hier die fehlende Mitwirkung an der Passbeschaffung - kausal dafür ist, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Auch das ist ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 11 Satz 1 BeschVerfV abzuleiten: Ist das Verhalten nicht kausal, wird die Voraussetzung nicht erfüllt, dass bei dem Ausländer aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

So auch Nds. OVG, Beschluss vom 8. November 2005 - 12 ME 397/05 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris; Fehrenbacher, HTK-AuslR / § 11 BeschVerfV 12/2005 Nr. 3; Leineweber, InfAuslR 2005, 302 (304); Stiegeler, Asylmagazin 6/2005, 5 (7); Zühlcke, ZAR 2005, 317 (321).

Vorliegend ist jedoch mit der Beschwerde nicht dargetan und besteht auch sonst kein Anhalt dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen beim Antragsteller aus anderen als den von ihm zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können.

Den weiteren Fragestellungen, ob das in Rede stehende Verhalten noch gegenwärtig sein muss,

so Nds. OVG, Beschluss vom 8. November 2005 - 12 ME 397/05 -, juris; Leineweber, InfAuslR 2005, 302 (304),

und ob erforderlich ist, dass die Behörde den Betreffenden zur Mitwirkung an der Passbeschaffung aufgefordert hat,

vgl. dazu Stiegeler, Asylmagazin 6/2005, 5 (7),

muss anlässlich des vorliegenden Falles nicht nachgegangen werden, denn hier ist weder mit der Beschwerde dargetan noch sonst ersichtlich, dass unter einem dieser Gesichtspunkte eine Einschränkung veranlasst sein könnte. Der Senat merkt allerdings Folgendes an: Das Erfordernis der Gegenwärtigkeit des fraglichen Verhaltens dürfte als Frage der Kausalität zu behandeln sein. Hat der Betreffende sein Verhalten geändert und wirkt nunmehr an der Passbeschaffung mit, kann aber gleichwohl nicht abgeschoben werden, besteht kein von ihm zu vertretendes Abschiebungshindernis mehr. Liegen seine Mitwirkungspflichtverletzungen in der Vergangenheit, wirken aber noch fort und hindern aufenthaltsbeendende Maßnahmen weiterhin, kann darin ein Versagungsgrund liegen. Einer vorausgegangenen Aufforderung, im Rahmen der sich jedem Ausländer erschließenden Pflichten an der Passbeschaffung mitzuwirken, bedarf es nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht.

Vgl. näher nur Senatsbeschluss vom 25. Juli 2005 - 18 E 667/05 - mit weiteren Nachweisen.

Dem seitens des Antragstellers formulierten Vornahmeantrag bleibt überdies deshalb der Erfolg versagt, weil die für die - auch vorläufige - Verpflichtung der Behörde, die Duldung um den begehrten Zusatz zu erweitern, erforderliche Ermessensreduzierung auf Null nicht anzunehmen ist. Hinsichtlich der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis wird der Behörde in § 10 BeschVerfV Ermessen eingeräumt, wie die Wendung "kann ...erteilt werden" verdeutlicht.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2005 - 17 B 1485/05 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris.

Der hier allein geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis kann mithin im Grundsatz nur bei einer Verdichtung des dem Antragsgegner eröffneten Ermessens auf Null dahin, dass dem Antragsteller die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit durch entsprechende Erweiterung der Duldung zu gestatten ist, gegeben sein. Demgemäß hätte es dem Antragsteller oblegen darzulegen, dass und warum die Entscheidung, ihm die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit zu gestatten, sich vorliegend als einzig rechtmäßig darstellte. Hierzu verhält sich die Beschwerde indessen nicht.

Für eine derartige Ermessensreduzierung ist auch nichts ersichtlich. Ergänzend sei angemerkt, dass es - griffe nicht schon der Versagungsgrund gemäß § 11 BeschVerfV ein - ausgehend vom oben Ausgeführten keinen Bedenken unterliegen dürfte, den Umstand, dass der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung nicht hinreichend nachgekommen ist, jedenfalls im Rahmen des Ermessens zu seinem Nachteil zu berücksichtigen. Zwingende Gründe, die dem entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich.

So auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 11 S 1011/05 -, juris; VG Karlsruhe, Beschluss vom 14. April 2005 - 10 K 493/05 -, AuAS 2005, 194; Zühlcke, ZAR 2005, 317 (321); anders Stiegeler, Asylmagazin 6/2005, 5 (7) für Handlungen oder Unterlassungen, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 11 BeschVerfV gehören, aber den tatbestandlichen Anforderungen nicht genügen.

Auch einem möglichen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Erweiterung der Duldung dahin, dass ihm die Ausübung einer Beschäftigung gestattet wird, steht der Versagungsgrund des § 11 Satz 1 BeschVerfV entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil dies nicht der Billigkeit entspricht, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat im Verfahren keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Kostenrisiko ausgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 GKG. Der Senat bemisst den Wert eines allein auf die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 10 BeschVerfV gerichteten Begehrens eines geduldeten Ausländers in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit 1.250,-- EUR.

Vgl. Senatsbeschluss vom 18. April 2005 - 18 E 420/05 - und OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2005 - 17 B 1815/05 -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.