VG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2005 - 25 K 3730/04
Fundstelle
openJur 2011, 34107
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird unter entsprechender teilweiser Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 5. April 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2004 verpflichtet, der Klägerin die Genehmigung zur Fällung der beiden straßenseitigen Ahornbäume auf dem Grundstück T Straße 274 in P zu erteilen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks T Str. 274 in P. Das Grundstück ist mit einem zweieinhalbgeschossigen Wohnhaus mit drei Wohnungen bebaut. Das Gebäude ist von der Straße zurückgesetzt, in dem Vorgarten stehen drei große Ahornbäume in sieben bis acht Metern Entfernung vom Haus.

Am 23. März 2004 beantragte die Klägerin die Genehmigung zum Fällen der Bäume und gab zur Begründung an, durch die Bäume werde den Fenstern der Zufluss von Licht und Sonne in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Der zuständige Mitarbeiter des Beklagten stellte fest, dass die Bäume in einem relativ guten Zustand seien und westlich des Hauses stünden. Die Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse halte sich in ortüblichem Maße. Mit Bescheid vom 5. April 2004 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung der Fällgenehmigung ab und führte zur Begründung aus, der Zufluss von Licht und Sonne werde nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 27. April 2004 Widerspruch ein und legte dar, eine zweckentsprechende Nutzung der straßenseitig gelegenen Räume ihres Hauses sei nicht mehr ohne künstliche Beleuchtung möglich. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 2004 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 3. Juni 2004 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung ergänzt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Sie weist insbesondere darauf hin, dass die Vertreter des Beklagten sich nicht persönlich davon überzeugt hätten, wie dunkel es in den Räumen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 5. April 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2004 zu verpflichten, ihr die Genehmigung zum Fällen von drei Ahornbäumen auf dem Grundstück T Str. 274 in P zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führte zur Begründung aus, sowohl bei der ersten Ortsbesichtigung als auch auf den von der Klägerin eingereichten Fotos sei die Verschattung des Hauses zu erkennen gewesen. Dieser Umstand allein stelle aber noch keinen ausreichenden Grund zur Erteilung der Fällgenehmigung dar. Bei der Beurteilung der ortsüblichen Verschattung sei zugunsten des vorhandenen Baumbestandes zu berücksichtigen, dass gerade auch die gebäudenahen Bäume, die regelmäßig für das Stadtbild eine besondere Bedeutung entfalteten, grundsätzlich den gleichen Schutz genießen müssten wie gebäudeferne Bäume. Er wies außerdem darauf hin, dass durch einen fachmännischen Schnitt unter Beachtung der Kronenform sowie die Entfernung der nicht unter den Schutzbereich der Baumschutzsatzung fallenden Koniferen im Vorgarten eine Verbesserung der Lichtverhältnisse erreicht werden könne.

Aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 28. Juli 2004 hat die Berichterstatterin am 15. Oktober 2004 einen Ortstermin durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Protokoll (Blatt 34 der Akte) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der ablehnende Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit damit die Fällung der beiden straßenseitigen Ahornbäume versagt wurde. Die Versagung der Fällgenehmigung für den näher am Haus stehenden großen Ahorn in der Mitte des Vorgartens ist hingegen rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat nach den im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnissen nur Anspruch auf die Genehmigung zur Fällung der beiden straßenseitigen Ahornbäume in ihrem Vorgarten.

Bei den drei Ahornbäumen im Vorgarten der Klägerin handelt es sich um nach § 3 Abs. 1 der Baumschutzsatzung der Stadt P geschützte Bäume. Gemäß § 4 Abs. 1 der Baumschutzsatzung ist es verboten, geschützte Bäume zu entfernen, zu zerstören, zu schädigen oder ihren Aufbau wesentlich zu verändern. Nach § 6 Abs. 1 Ziff. f) der Baumschutzsatzung kann eine Ausnahme von den Verboten nach § 4 der Satzung erteilt werden, wenn durch den Baum vor Fenstern der Zufluss von Licht und Sonne in unzumutbarere Weise beeinträchtigt wird. Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt vor, wenn Fenster so beschattet werden, dass dahinterliegende Wohnräume während des Tages nur mit künstlichem Licht benutzt werden können, aber ohne Einwirkung der betroffenen Bäume ohne künstliches Licht im Rahmen der gewöhnlichen Zweckbestimmung nutzbar wären.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die drei Ahornbäume verschatten die Fenster des Wohnhauses der Klägerin in unzumutbarer Weise. Die drei Bäume bilden eine gemeinsame dichte Krone, die den Lichteinfall in die Wohnräume des Hauses der Klägerin so erheblich einschränkt, dass eine Benutzung der Räume ohne künstliches Licht nur in Ausnahmefällen möglich ist. Wie die Besichtigung des Hauses bei dem Ortstermin ergeben hat und der Kammer auch anhand der Fotos vermittelt worden ist, wird der Tageslichteinfall in den Wohnräumen der Erdgeschosswohnung so stark behindert, dass allenfalls in unmittelbarer Nähe des Fensters das Lesen ohne künstliches Licht möglich wäre. Bei normaler Nutzung des Raumes in einigem Abstand zum Fenster muss beim Lesen oder Handarbeiten das Licht eingeschaltet werden. Auch die Räume im Dachgeschoss waren stark verschattet, sie konnten ebenfalls praktisch nur mit künstlichem Licht benutzt werden. Die Mieter der Wohnung im ersten Obergeschoss haben gleichermaßen bestätigt, dass sie praktisch ganztägig in ihren Wohnräumen elektrisches Licht einschalten müssen.

Wesentlicher Grund dafür ist, dass die Baumkronen über das Dach hinübergewachsen sind und den Lichteinfall in den Fenstern der Straßenfront nicht nur von den Seiten und von vorn, sondern auch von oben her behindern. Dabei ist zwar auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Haus der Klägerin um einen Altbau handelt, der verglichen mit Neubauten relativ kleine Fenster aufweist. Dass die Bäume vor dem Haus jedoch der wesentliche Grund für die starke Verschattung der Wohnräume sind, ergibt sich aus einem Vergleich mit den rückwärtigen Räumen des Hauses, die deutlich heller sind. Insbesondere für das Dachgeschoss war dies im Ortstermin zu bemerken.

Es ist der Klägerin und den anderen Bewohnern des Hauses nicht möglich, die Wohnsituation entscheidend durch eine Verlegung der Wohnräume in den rückwärtigen Bereich des Hauses zu verbessern. Wie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Plänen des Hauses ergibt, sind die tragenden Wände, das Treppenhaus und die Sanitärräume so angelegt, dass eine Verlegung der Wohnräume in den rückwärtigen Bereich des Hauses mit erheblichen baulichen Maßnahmen verbunden wäre. Insbesondere für die Wohnung im ersten Obergeschoss würde eine derartige Verlegung der Räume so starke Umbaumaßnahmen nach sich ziehen, dass dies einem Neubau des Hauses gleichkäme.

Unter diesen Umständen hat der Schutz der Bäume hinter dem Recht der Klägerin auf eine übliche Nutzung ihrer Wohnräume zurückzutreten. Die beiden straßenseitigen, verhältnismäßig schwachen Bäume müssen dem Anspruch der Klägerin auf eine bestimmungsgemäße Nutzung der Wohnräume ihres Hauses weichen. Sie nehmen insbesondere das seitlich einfallende Licht und verschatten die Räume auch am Nachmittag, wenn die Sonne von Westen auf die Fassade trifft.

Zwar ist bei dem näher am Haus stehenden Baum zu berücksichtigen, dass er durch seine über das Hausdach hinaus gewachsene Krone den Lichteinfall in die Wohnräume im Haus der Klägerin weiterhin nachhaltig beeinträchtigt. Wenn die beiden anderen Bäume gefällt werden, dürfte es jedoch ausreichen, diesen Baum fachgerecht zu beschneiden. Wie der Beklagte bereits in seinem Schriftsatz vom 26. Juli 2004 dargelegt hat und die fachkundigen Vertreter des Beklagten im Ortstermin weiter erläutert haben, kann die Klägerin diesen Baum im Kronenbereich so zurückschneiden, dass die Krone nicht mehr so dicht über das Dach des Hauses wächst und so ein Lichteinfall auch von oben in Wohnräume ermöglicht wird.

Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse, insbesondere der von der Klägerin vorgelegten Fotos und des Eindrucks, den die Berichterstatterin im Ortstermin von der Situation des Grundstücks gewonnen und den anderen Kammermitgliedern vermittelt hat, reicht es bei einem Zurückschneiden der Krone des näher am Haus stehenden Baumes aus, wenn nicht alle Bäume, sondern nur die beiden straßenseitigen Bäume gefällt werden. Diese beiden Bäume sind zwar deutlich schwächer als der in der Mitte, näher am Haus stehende Baum, der eine sehr dichte und ausladende Krone hat. Wenn diese Bäume gefällt werden, ergibt sich für das Haus der Klägerin jedoch die gleiche Situation, wie sie in zahlreichen anderen Häusern im Innenstadtbereich besteht, in denen Straßenbäume die Wohnräume verschatten. Bei einem einzelnen Baum wandert die Sonne um den Baum herum, zumindest zeitweise kann das Licht ungehindert einfallen. Eine zeitweise Verschattung erscheint bei einer Wohnung in der Stadt im Hinblick auf den ökologischen Nutzen der Straßenbäume jedoch zumutbar, während eine durchgängige Verschattung, wie sie im vorliegenden Fall durch die drei dicht nebeneinanderstehenden Bäume eintritt, nicht mehr hinzunehmen ist.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der stärkere Schattenwurf auf das Haus der Klägerin von dem mittleren, näher am Haus der Klägerin stehenden Baum ausgeht. Dieser Baum steht nicht nur näher am Haus, er hat auch die ausladendere und dichtere Krone gebildet. Dennoch ist es der Klägerin wegen des hohen ökologischen Wertes dieses Baumes zuzumuten, zunächst eine Fällung der beiden straßenseitigen Bäume und einen Rückschnitt der Krone dieses Baumes vornehmen zu lassen, um eine Verbesserung der Lichtverhältnisse in ihrem Haus zu erreichen. Wie die fachkundigen Vertreter des Beklagten erläutert haben, müssten bei einer Fällung des mittleren Baumes die beiden äußeren schwächeren Bäume ebenfalls gefällt werden, weil ihre Kronen mit dem Baum in der Mitte verwachsen sind und davon auszugehen ist, dass sie allein nicht mehr standsicher wären. Sollte sich nach dem Fällen der beiden schwächeren straßenseitigen Bäume herausstellen, dass die Krone des mittleren Baumes trotz des Rückschnitts weiterhin für die Räume im Wohnhaus der Klägerin unzumutbare Lichtverhältnisse begründet, könnte ein weiterer Antrag auf Erteilung der Fällgenehmigung auch für diesen Baum Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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