LAG Köln, Beschluss vom 29.01.2002 - 7 Ta 285/01
Fundstelle
openJur 2011, 21401
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 Ca 4489/01

Eine in einem Kündigungsschutzprozess wegen einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung vergleichsweise vereinbarte Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht während der Kündigungsfrist rechtfertigt keine Erhöhung des Vergleichsstreitwerts, wenn die Parteien nicht vor Vergleichsschluss über die Freistellungsfrage gerichtlich oder außerge-

richtlich gestritten haben (anders noch LAG Köln 13 Ta 144/95 vom 27.07.1995, AR-Blattei ES 160.13 Nr. 199; wie hier: LAG Hamm MDR 1994, 625 f.i. LAG Schleswig-Holstein MDR 1999, 814 f.; Wenzel, Anm. zu LAG Köln a.a.O.).

Tenor

Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln in Sachen 8 Ca 4489/01 vom 10.07.2001 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

Der Kläger hatte gegen eine arbeitgeberseitige ordentliche betriebsbedingte Kündigung Feststellungsklage erhoben. Im Gütetermin vom 10.07.2001 schlossen die Parteien einen verfahrensbeendenden Vergleich. Wegen des Vergleichswortlauts wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.07.2001 Bezug genommen. In dem Vergleich wurde unter anderem eine ca. viermonatige unwiderrufliche Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht während der Kündigungsfrist vereinbart.

Auf Antrag und nach Anhörung der Parteivertreter setzte das Arbeitsgericht mit Streitwertbeschluss vom 10.07.2001 für den Fall der Rechtswirksamkeit des Vergleichs den Streitwert für das Verfahren auf 17.400,00 DM (= 3 Bruttomonatsgehälter) und für den Vergleich auf 29.000,00 DM fest.

Mit seiner Streitwertbeschwerde vom 28.08.2001 macht der Klägervertreter geltend, dass der Vergleichsstreitwert auf 40.600,00 DM hätte festgesetzt werden müssen. Wegen der in dem Vergleich vereinbarten Freistellung des Klägers für vier Monate sei der Vergleichsstreitwert um vier Monatsgehälter höher anzusetzen als der Verfahrensstreitwert. Der Klägervertreter beruft sich für seine Auffassung auf eine Entscheidung der 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27.07.1995 (AR-Blattei ES 160.13 Nr. 199).

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach richtiger Auffassung führt die Vereinbarung einer Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht während der Kündigungsfrist im Rahmen eines einen Kündigungsschutzprozess beendenden Vergleichs überhaupt nicht zu einer Erhöhung des Vergleichsstreitwerts gegenüber dem Verfahrensstreitwert, es sei denn, dass die Parteien bereits vor Vergleichsschluss über die Frage der Freistellung von der Arbeitspflicht gerichtlich oder außergerichtlich gestritten haben. Der Streitwert des Vergleichs ist nämlich gleichbedeutend mit dem Wert der Streitgegenstände, die durch den Vergleich beigelegt wurden. Er ist dagegen nicht gleichbedeutend mit dem Wert der Leistungen, die sich die Parteien in dem Vergleich im Wege des gegenseitigen Nachgebens gegenseitig versprechen (so auch Wenzel in seiner Anmerkung zu LAG Köln a.a.O.).

Für den verfahrensbeendenden Vergleich in einem Kündigungsschutzprozess folgt das Ergebnis zusätzlich aus einer entsprechenden Anwendung von § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG. Wenn in § 12 Abs. 7 Satz 1 letzter Halbsatz ArbGG angeordnet ist, dass selbst eine Abfindung nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist, so muss dies ebenso für die vergleichsweise vereinbarte Freistellung gelten, da diese regelmäßig ebenfalls nichts anderes darstellt als eine Gegenleistung des Arbeitgebers dafür, dass der Arbeitnehmer sich vergleichsweise mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses "abfindet" (im Ergebnis wie hier: LAG Schleswig-Holstein, MDR 1999, 814 f.; LAG Hamm MDR 1994, 625 f.).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Arbeitgeber nach Ausspruch einer ordentlichen fristgerechten Kündigung in vielen Fällen unabhängig von einem eventuell bestehenden Kündigungsrechtsstreit ohnehin gewillt sind, den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist freizustellen. In solchen Fällen hätte die Bestätigung einer solchen Freistellung in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich ohnehin nur deklaratorischen Charakter.

Aber auch auf der Grundlage der Gegenmeinung, die dafürhält, dass eine vergleichsweise vereinbarte Freistellung streitwerterhöhend zu berücksichtigen sei, muß im vorliegenden Fall die Beschwerde erfolglos bleiben; denn auch die Gegenmeinung hält mehrheitlich lediglich eine Streitwerterhöhung im Umfang von zehn bis fünfundzwanzig Prozent der auf den Freistellungszeitraum entfallenden Vergütung für angemessen (LAG Düsseldorf FA 1998, 387; LAG Köln AnwBl 1986, 205; LAG Schleswig-Holstein LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 113).

Vorliegend hat das Arbeitsgericht den Vergleichsstreitwert um zwei Monatsgehälter höher angesetzt als den Verfahrensstreitwert. Da andere Gründe für eine Erhöhung des Vergleichsstreitwerts nicht erkennbar sind, hat es die im Vergleich enthaltene Freistellungsvereinbarung damit bereits mit fünfzig Prozent der im Freistellungszeitraum zu erzielenden Vergütung bewertet und hätte damit sogar der von Arand/Faecks (NZA 1998,281 ff.) vertretenen Auffassung genüge getan.

Die noch weitergehende Ansicht des Klägervertreters (ebenso LAG Köln AR-Blattei ES 160.13 Nr. 199 mit ablehnender Anmerkung von Wenzel; LAG Sachsen-Anhalt LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 104) erscheint dagegen zur Überzeugung des Beschwerdegerichts jedenfalls in einer Fallkonstellation, wie sie hier vorliegt, nicht begründbar.

Nach zutreffender Auffassung wäre vorliegend kein erhöhter Vergleichsstreitwert gerechtfertigt gewesen. Von einer Neufestsetzung wird jedoch im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot abgesehen. Keinesfalls kann indessen die in dem Vergleich vom 10.07.2001 enthaltene Freistellungsvereinbarung mit einem höheren Teilstreitwert als mit fünfzig Prozent der im Freistellungszeitraum zu erwartenden Vergütung angesetzt werden.

Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben.

(Dr. Czinczoll)