LG Arnsberg, Urteil vom 16.10.2015 - 2 O 323/14
Fundstelle
openJur 2015, 20423
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die von dem Beklagten am 11.04.2013 freigelassenen Wisente und deren Abkömmlinge die dem Kläger gehörenden Waldgrundstücke der Gemarkung P, Flur xx, Flurstücke x und xx betreten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Maßnahmen in Bezug auf frei lebende Wisente.

Der Kläger ist Eigentümer der im Tenor genannten Waldgrundstücke, die er forstwirtschaftlich nutzt. Die Grundstücke sind überwiegend mit Buchen bewachsen.

Der Beklagte ist ein Verein, dessen Zweck die Wiederansiedlung und Erhaltung des Wisents im S ist. Der Verein wurde im Nachgang zur am 25.06.2008 erfolgten Unterzeichnung des öffentlichrechtlichen Vertrags "Wisente im S" gegründet. Auf der Grundlage dieses öffentlichrechtlichen Vertrags begann der Beklagte im Jahr 2010 mit der Ansiedlung einer achtköpfigen Herde von Wisenten, zunächst in einem eng begrenzten und abgesperrten Gebiet, das zuletzt eine Größe von etwa 88 ha aufwies.

Am 08.04.2013 wurde ein weiterer öffentlichrechtlicher Vertrag unterzeichnet. Mit diesem sollte die sogenannte Freisetzungsphase beginnen. Vertragspartner waren der Kreis T-X als untere Landschafts- und Jagdbehörde, als Veterinär- und Straßenverkehrsbehörde und als Aufsichtsbehörde über die örtlichen Ordnungsbehörden im Projektgebiet, die Bezirksregierung B als höhere Landschafts- und Straßenverkehrsbehörde, der Y als Forstbehörde und obere Jagdbehörde, die X-C Rentkammer als Vertreterin des Grundeigentümers des Projektgebiets und der Beklagte als Projektträger. Ziel des Vertrags sollte die dauerhafte Etablierung einer frei lebenden Wisentpopulation von maximal 25 Tieren in einem auf rund 4300 ha begrenzten Projektgebiet sein. Der öffentlichrechtliche Vertrag sollte in diesem Zusammenhang alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen für die Freisetzungsphase ersetzen. Nach Vorstellung der Vertragspartner sollte der Beklagte zunächst Eigentümer und Halter der Wisente bleiben, wobei als endgültiges Ziel aber formuliert wurde, dass die Tiere herrenlos werden sollten. Hierzu sollte jedoch nach Durchführung der auf mehrere Jahre angelegten Freisetzungsphase unter Berücksichtigung deren Ergebnisse ein weiterer öffentlichrechtlicher Vertrag über die Herrenlosigkeitsphase geschlossen werden. Zunächst sollten die Tiere in der Freisetzungsphase nicht herrenlos werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten über die vereinbarten Regelungen wird auf den zu den Akten gereichten öffentlichrechtlichen Vertrag vom 08.04.2013 Bezug genommen (Bl. 12 ff. der Akte).

Der Beklagte entließ im Sinne des öffentlichrechtlichen Vertrags am 11.04.2013 die Wisente aus dem abgesperrten Gatter mit dem Ziel, sie in dem Projektgebiet auszuwildern. Seit diesem Zeitpunkt streift die Wisentherde durch das S und vergrößerte sich durch Fortpflanzung auf inzwischen 17 Tiere. Die Tiere verlassen dabei auch das Projektgebiet und halten sich wiederholt auf den Grundstücken des Klägers auf, insbesondere in den Sommermonaten, in denen sie eigenes Futter im Wald finden und nicht mehr durch Fütterung zu steuern sind.

Die Tiere fressen unter anderem die Rinde von den Buchen ab (sogenanntes "Schälen"), wodurch Schäden an den Bäumen des Klägers entstanden. Bislang entstandene Schäden wurden von einem Sachverständigen begutachtet und beziffert; der Beklagte ersetzte dem Kläger die so berechneten Schäden. Er zahlte bisher etwa 10.000,00 EUR an den Kläger. Zudem wurde mittlerweile ein auch mit öffentlichen Mitteln finanzierter Entschädigungsfonds in Höhe von 50.000,00 EUR pro Jahr aufgelegt, aus dem die durch die Wisente entstandenen Schäden beglichen werden sollen. Der Fonds hat zunächst eine Laufzeit bis zum 31.12.2017.

Im Winter 2014/2015 hielten die Wisente sich im Bereich einer Schalenwildfütterung im Projektgebiet auf; im Frühjahr und Sommer 2015 verließen sie das Projektgebiet aber wieder und betraten auch erneut das Grundstück des Klägers.

Der Kläger meint, der Beklagte sei für die freigelassenen Tiere immer noch verantwortlich. Er müsse dafür sorgen, dass sie die außerhalb des Projektgebiets liegenden Grundstücke des Klägers nicht betreten. Der Kläger behauptet, das Schälen der Buchen könne zur Folge haben, dass die Buchen absterben, ohne dass man ihnen dies ansehe, und ohne Vorwarnung auch bei Windstille abbrechen und Waldbesucher und Waldarbeiter gefährden. Insoweit habe auch kein vollständiger Schadensausgleich durch den Beklagten stattgefunden. Der Kläger behauptet, der Beklagte könne die Wisente weiterhin nach Belieben verfolgen bzw. orten und immobilisieren; er begreife sich nach wie vor als "Herr über Leben und Tod" der Wisente.

Der Kläger beantragt nach teilweiser Klageerweiterung,

1. a) den Beklagten zu verurteilen, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die von dem Beklagten am 11.04.2013 freigesetzten Wisente und deren Abkömmlinge die dem Kläger gehörenden Waldgrundstücke der Gemarkung P, Flur xx, Flurstücke x und xx betreten;

b) hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, die von ihm am 11.04.2013 freigesetzten Wisente und deren Abkömmlinge so zu halten, dass ein Betreten der Grundstücke des Klägers (Gemarkung P, Flur xx, Flurstücke x und xx) durch die Wisente verhindert wird;

2. den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis 2 Jahre, zu unterlassen, das Eigentum an den von ihm gehaltenen Wisenten aufzugeben;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, allen weitergehenden zukünftigen Schaden, der durch Aufenthalt der im Klageantrag zu 1) bezeichneten Wisente auf den Grundstücken des Klägers entsteht, zu ersetzen;

4. festzustellen, dass der Beklagte weiterhin Tierhalter der genannten Wisentherde ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Tiere hätten die Gewohnheit abgelegt, in ihr ursprüngliches Gehege zurückzukehren; sie verhielten sich wie wilde Tiere. In der Freiheit hätten sie ihre natürliche Fluchtauslösedistanz von bis zu 70 Metern wieder angenommen. Eine Narkotisierung sei teilweise bereits nicht mehr möglich. Der Beklagte habe jeden Einfluss auf die Lebensweise der Tiere aufgegeben und verloren. Auch sei es nur mit einem Zeitaufwand von regelmäßig zwei Stunden möglich, die Tiere tatsächlich ausfindig zu machen. Eine Immobilisierung sei nicht in jedem Fall möglich. Hinsichtlich der nach der Freilassung geborenen Kälber sei es noch nicht gelungen, jedem Tier einen Mikrochip einzusetzen. Durch geplante weitere Maßnahmen wie die teilweise Umgestaltung des Projektgebiets und den Zukauf von Flächen seien zudem wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Projektgebiet für die Wisente attraktiver werde.

Der Beklagte meint, die Wisente seien herrenlos. Er ist der Ansicht, er sei deshalb nicht mehr für das Verhalten der Wisente verantwortlich. Im Übrigen sei es ihm aus jagdrechtlichen und naturschutzrechtlichen Gründen verboten, die Tiere zu stören und Maßnahmen zu ergreifen, um sie wieder einzufangen oder ihren Lebensraum zu beeinträchtigen bzw. zu begrenzen. Jedenfalls müsse der Kläger die Beeinträchtigungen durch die Wisente hinnehmen und sich darauf beschränken, Ersatz für die von den Tieren verursachten Schäden von dem Beklagten bzw. nunmehr aus dem Entschädigungsfonds zu verlangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat mit dem Antrag zu 1 a) Erfolg. Im Übrigen ist die Klage teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.

A.

I.

Unzulässig ist der Klageantrag zu 4). Dem Kläger fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der Feststellung, dass der Beklagte weiterhin Tierhalter der Wisentherde ist. Denn auf die Frage, ob der Beklagte Halter der Tiere ist, kommt es weder für die Entscheidung dieses Rechtsstreits an (dazu sogleich), noch kann der Kläger aus dieser Feststellung irgendeinen relevanten Vorteil ziehen. Die Feststellung, dass der Beklagte Halter der Wisente ist, ist als solche nicht geeignet, eine subjektive aktuell gefährdete Rechtsposition des Klägers zu sichern. Dies ist aber Voraussetzung für das Vorliegen eines Feststellungsinteresses.

II.

Im Übrigen ist die Klage zulässig. Insbesondere ist das Landgericht B für die Entscheidung des Rechtsstreits nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach § 32 ZPO örtlich zuständig. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO umfasst auch die hier streitgegenständlichen Ansprüche aus § 1004 BGB.

Der Feststellungsantrag zu 3) ist ebenfalls zulässig, weil der Kläger ein anerkennenswertes Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten für die Zukunft hat, nachdem bereits Schäden eingetreten sind.

B.

I.

Der Klageantrag zu 1) ist im Hauptantrag begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, dass der Beklagte geeignete Maßnahmen ergreift, damit die Wisente die Grundstücke des Klägers nicht betreten. Der Anspruch folgt aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.

1.

§ 1004 BGB sieht vor, dass im Fall einer Eigentumsbeeinträchtigung der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung und, wenn weitere Beeinträchtigungen drohen, Unterlassung verlangen kann. Mit dem Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Eigentümer von dem Störer dabei nicht nur ein Unterlassen im Sinne von künftiger Untätigkeit verlangen, sondern auch ein Verhalten, das bewirkt, das keine (weitere) Eigentumsbeeinträchtigung eintritt (BGH NJW 2004, 1035, 1037).

a)

Die erforderliche Eigentumsbeeinträchtigung ist dadurch eingetreten, dass die Wisente gegen den Willen des Klägers dessen Buchen "geschält" haben.

b)

Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Selbst wenn die Wisente im einsetzenden Winter die Grundstücke des Klägers nicht betreten sollten, ist damit zu rechnen, dass sie dies im nächsten Sommer wie in den vergangenen Jahren wieder tun werden. Die bisher getroffenen Maßnahmen des Beklagten haben sich als unzureichend herausgestellt, um dies zu verhindern; der Beklagte geht auch selbst davon aus, dass die Wisente möglicherweise erneut die Grundstücke des Klägers betreten.

c)

Der Beklagte ist als Störer anzusehen. Er ist sowohl mittelbarer Handlungsstörer als auch Zustandsstörer.

Mittelbarer Handlungsstörer kann sein, wer beeinträchtigende Natureinwirkungen mit seiner Handlung auslöst oder verstärkt (Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1004 Rn. 18 mit Einzelfallnachweisen). Im Freilassen der Wisente ist eine solche Handlung zu sehen, die letztendlich zu den schädlichen Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers geführt hat.

Der Beklagte ist auch Zustandsstörer. Zustandsstörer ist grundsätzlich der Eigentümer oder Besitzer einer Sache, von der eine Beeinträchtigung ausgeht, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückzuführen ist; ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall durch wertende Betrachtung zu entscheiden (BGH NJW-RR 2011, 739). Der Eigentümer oder Besitzer bleibt jedoch auch im Fall der Eigentums- bzw. Besitzaufgabe Zustandsstörer, jedenfalls dann, wenn die Wiedererlangung und damit die Beseitigung bzw. die Unterlassung der Störung noch möglich ist (BGH NJW 2007, 2182).

Der Beklagte war zunächst unstreitig Eigentümer und Besitzer der Wisente. Ob er das Eigentum an den Wisenten verloren hat, ist für den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB irrelevant, weil zumindest unstreitig die Möglichkeit besteht, die Wisente zu orten, zu immobilisieren und wieder einzufangen, auch wenn dies nach dem Vortrag des Beklagten mit gewissem Aufwand verbunden sein mag. Die Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers ist zudem jedenfalls mittelbar auf den Willen des Beklagten zurückzuführen, weil erst dessen eigene Handlung - das Freilassen der Wisente - dazu geführt hat, dass die Tiere überhaupt auf das Grundstück des Klägers gelangen konnten (vgl. auch Fritsche, in: Beck-OK, 34. Ed. 2015, § 1004 Rn. 24 m.w.N.).

Die Störereigenschaft des Beklagten ist auch für die in Freiheit geborenen Wisente anzunehmen. Denn der Beklagte hat sie unstreitig tiermedizinisch untersucht und gekennzeichnet oder plant dieses noch für die Kälber, bei denen es noch nicht geschehen ist. Insoweit ist davon auszugehen, dass er zumindest zwischenzeitlich Besitzer der Kälber ist oder war. Wie die übrigen Tiere kann er sie nach wie vor verfolgen und gegebenenfalls betäuben und an einen anderen Ort verbringen kann. Der Besitzer haftet, wie oben dargelegt, wie der Eigentümer als Zustandsstörer aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (BGH NJW-RR 2011, 739).

2.

Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nach § 1004 Absatz 2 BGB zur Duldung der auf die Wisente zurückzuführenden Beeinträchtigungen verpflichtet wäre. Eine solche Duldungspflicht besteht nicht.

a)

Aus dem öffentlichrechtlichen Vertrag vom 08.04.2013 über die Freisetzungsphase folgt keine Duldungspflicht. Zum einen ist der Kläger nicht Partei dieses Vertrags, der auch keine Drittwirkung entfaltet; zum anderen bezieht sich der Vertrag auf die Freisetzung im Projektgebiet, zu dem die Grundstücke des Klägers nicht gehören.

b)

Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus einer Einschränkung des Eigentumsrechts des Klägers aus § 242 BGB i.V.m. Art. 14 Abs. 2 GG.

(1)

Das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG i.V.m. § 903 BGB kann durch § 242 BGB beschränkt sein, wenn eine Einwirkung nach Treu und Glauben hinzunehmen ist (Palandt/Bassenge a.a.O, 72. Aufl. 2013, § 903 Rn. 12). Über § 242 BGB können die Wertentscheidungen der Grundrechte mittelbare Drittwirkung auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse entfalten (BGH NJW 1986, 2944).

Nicht anwendbar sind im vorliegenden Fall die spezielleren Vorschriften des Nachbarrechts (§§ 906 ff. BGB), weil Grenzüberschreitungen zumindest von größeren Tieren keine Einwirkungen im Sinne von § 906 BGB sind (LG Bonn, NJW-RR 2010, 310).

(2)

Im Rahmen der Anwendung von § 242 BGB ist stets eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (Roth/Schubert, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 49). Auch diese Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall jedoch nicht zu einer Duldungspflicht zulasten des Klägers.

(a)

Ausgangspunkt der Überlegungen der Kammer ist die Entscheidung des BGH vom 05.05.1988 (Az. III ZR 116/87, VersR 1988, 1022), in welcher der Grundsätze aufgestellt hat, die bei der Abwägung zwischen Eigentümerinteressen und Auswilderungsprojekten zu berücksichtigen sind.

Der BGH geht davon aus, dass gewisse Wildschäden hingenommen werden müssen. Der Eigentümer ist grundsätzlich gehalten, sich drohender Wildschäden mit eigenen Kräften und auf eigene Kosten zu erwehren (BGH VersR 1988, 1022, Rz. 27). Außerhalb der Sozialbindung liegen danach nur solche Wildschäden, die mit den nach Lage des Falls geeigneten und dem Betroffenen zumutbaren Mitteln nicht verhindert werden können (BGH a.a.O.). Entscheidend sind dabei auch die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks und die Einbettung in die Natur. Es ist zu fragen, ob ein vernünftiger und einsichtiger Eigentümer, der auch das Gemeinwohl nicht aus den Augen verliert, von sich aus im Blick auf die Lage und die Umweltverhältnisse seines Grundstücks von bestimmten Formen der Nutzung absehen würde. Von Bedeutung hierfür sind in der Regel die bisherige Nutzung und der Umstand, ob die Benutzungsart in der Vergangenheit schon verwirklicht war (BGH a.a.O., Rz. 25).

(b)

Nach diesen Maßstäben muss der Kläger das Betreten seiner Grundstücke durch die Wisente nicht hinnehmen.

Zunächst ist dem Kläger die Art und Weise der Nutzung seiner Grundstücke nicht anzulasten. Er nutzte die ihm gehörenden Flächen bereits vor Ansiedelung der Wisente seit Jahren zur Beforstung mit Buchen und zieht hieraus wirtschaftliche Vorteile. Diese Nutzung steht im Einklang mit den Schutzzwecken des hier betroffenen Natura-2000-Gebiets "U" (Nr. xxxxxxxxx), in dem hauptsächlich Buchen-, Misch- und Auenwälder als Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse nach der FFH-Richtlinie (92/43/EWG) definiert sind (Informationen aus dem öffentlich zugänglichen Fachinformationssystem für Natura-2000-Gebiete in NRW, www.naturschutzinformationennrw.de). Arten von gemeinschaftlichem Interesse in dem betroffenen Gebiet sind ausschließlich Vogelarten. Insoweit geht auch der Hinweis des Beklagten fehl, ihm sei eine Einflussnahme auf die Wisente bereits deshalb verwehrt, weil er dabei gegen naturschutzrechtliche Vorschriften verstoßen würde. Zwar verbietet § 33 Abs. 1 S. 1 BNatSchG Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können. Die Wisente sind aber gerade nicht maßgeblich für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck des Gebiets "U", sondern umgekehrt soll ein nachhaltiger Waldbestand geschützt werden. Die Störungen im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 BNatSchG gehen dementsprechend vielmehr von den Wisenten aus, die Schäden in den Wäldern anrichten; im Rahmen der Interessenabwägung sind die Belange des Naturschutzes in dem betroffenen FFH-Gebiet deshalb zugunsten des Klägers zu berücksichtigen und nicht zugunsten des Beklagten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Wisent - worauf der Beklagte zurecht hinweist - ebenfalls auf verschiedenen naturschutz- und jagdrechtlichen Ebenen streng geschützt ist, auch in der FFH-Richtlinie. Es kommt aber nicht auf den abstrakten Schutz der Tiere an, sondern auf das Verhältnis zu den Grundstücken des Klägers. Dort ist aus naturschutzrechtlicher Sicht wegen der Bestimmungen für das Natura-2000-Gebiet der Schutz der Buchenwälder über die Verbreitung der Wisente zu stellen.

Es ist angesichts dieser Feststellungen auch nicht erkennbar, dass ein hypothetischer vernünftiger Eigentümer, auf den der BGH abstellt, von einer Nutzung der Grundstücke zur Forstbewirtschaftung mit Buchenholz abgesehen hätte. Ganz im Gegenteil ist sogar kaum eine andere Nutzung für die Flächen denkbar als diejenige, die der Kläger vornimmt.

(c)

Zu berücksichtigen ist auch, dass dem Kläger keine eigenen zumutbaren Maßnahmen zur Verfügung stehen, um sich gegen die von den Wisenten verursachten Schäden zur Wehr zu setzen.

Zum einen darf der Kläger seinen Wald nicht mit Zäunen versehen oder sonst dauerhaft absperren, weil das Betreten des Waldes nach § 14 BWaldG für jedermann möglich sein muss. Zwar kann eine dauerhafte Genehmigung zur Sperrung des Walds erteilt werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt und die Sperrung unter Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit vertretbar ist (§ 4 Abs. 3 LFoG NRW); hierbei handelt es sich aber um eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf eine solche Genehmigung hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass nach dem Kläger auch andere Waldbauern für ihre Grundstücke eine Sperrung gegen die Wisente verlangen würden, was letztendlich den Zweck des § 14 BWaldG, den Wald offen zu halten, unterlaufen würde.

Zum anderen kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, dass er die Wisente von seinen Grundstücken vertreiben kann. Zwar ist der Eigentümer grundsätzlich nach § 26 BJagdG berechtigt, zur Verhütung von Wildschäden das Wild von seinem Grundstück zu verjagen. Allerdings müsste der Kläger, um den durch die Wisente verursachten Schaden zu vermeiden, seine Grundstücke dauerhaft und flächendeckend überwachen und Maßnahmen treffen, die es ihm erlauben, kurzfristig vor Ort eingreifen zu können, um die Wisente zu verscheuchen. Diese Art der Überwachung kann von dem Kläger nicht mit verhältnismäßigem Aufwand geleistet werden und ist deshalb nicht von ihm zu erwarten.

Auch jagen kann der Kläger die Wisente nicht; denn diese dürfen nicht bejagt werden (Umkehrschluss aus § 1 LJZeitVO NRW).

(d)

Hinzu kommt, dass die Planungen des Beklagten, die Wisente ausschließlich im Projektgebiet freizulassen, fehlgeschlagen sind. Der Kläger sollte nach dem öffentlichrechtlichen Vertrag vom 08.04.2013 von der Freilassung gar nicht betroffen sein. Der öffentlichrechtliche Vertrag entfaltet zwar als solcher keine Wirkungen in Bezug auf den Kläger, auch keine Schutzwirkung; allerdings kann die Tatsache, dass das in § 7 Abs. 1 S. 2 des öffentlichrechtlichen Vertrags formulierte Ziel, die Wisente im Projektgebiet zu halten, in die Interessenabwägung im Rahmen des § 1004 Abs. 2 BGB einfließen.

Wie sich nunmehr durch das vorgelegte Gutachten des Herrn Q von der G beim M (Bl. 200 ff. der Akte) herausgestellt hat, fehlt es den Wisenten vor allem an ausreichenden für sie zugänglichen Grünlandflächen, weshalb sie unter anderem die Bäume "schälen". Wenn im Projektgebiet keine ausreichenden Äsungsflächen für die Wisente vorhanden sind, kann dies aber nicht zum Nachteil des Klägers gehen. Die Geeignetheit des Projektgebiets einschließlich der für die Äsung zur Verfügung stehenden Vegetation steht allein in der Verantwortung des Beklagten als Projektträger.

(e)

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass dem Kläger sämtliche entstandenen Schäden ersetzt worden sind. Zum einen ist dies für die Zukunft, insbesondere auch über den 31.12.2017 hinaus, keineswegs sichergestellt; zum anderen muss der Kläger die Beeinträchtigung seines Eigentums gemäß § 1004 BGB selbst dann nicht hinnehmen, wenn er weiß, dass ihm sämtliche Schäden ersetzt werden (kein "Dulde und liquidiere"). Zwar kann die Berufung auf § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend § 275 Abs. 2 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Beseitigungsaufwand unverhältnismäßig und bei Abwägung der Interessen der Beteiligten unbillig wäre (BGH NZM 2010, 174). Zum einen ist aber schon unklar, welche Schäden in Zukunft noch entstehen können; zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte immer noch eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Wisente hat, indem er sie orten und - wenn auch im Einzelfall mit einigem Aufwand - immobilisieren und gegebenenfalls an einen anderen Ort verbringen kann. Dieser Aufwand ist für den Beklagten in seiner Eigenschaft als Projektträger nicht unverhältnismäßig; ihm stehen das notwendige Personal (etwa der Wisent-Ranger und die Biologin, die der Beklagte als Zeugen benannt hat) und die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung. Dem Kläger hingegen fehlen diese Mittel.

(f)

Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass er ein bislang einmaliges Projekt geschaffen hat, das jedenfalls insofern von Erfolg gekrönt ist, als die freigelassenen Wisente sich ohne menschliche Eingriffe in der Natur fortbewegen und auch vermehren. Allerdings ist die von dem Beklagten vorgenommene Freisetzung der Tiere - unabhängig davon, ob sie im jagdrechtlichen Sinne (§ 31 LJagdG NRW) zulässig war oder nicht - als solche kein dem Eigentumsrecht des Klägers übergeordneter Wert. Die Wiederansiedelung ausgestorbener Tiere ist weder grundrechtlich noch durch die Vorschriften des Tierschutz-, Naturschutz- oder Jagdrechts vorgegeben. Entsprechende Maßnahmen sind zwar aus wissenschaftlicher und, wie auch im vorliegenden Fall, potenziell aus touristischer Sicht attraktiv; es gibt aber kein höherrangiges Recht auf Auswilderung insbesondere von nicht (mehr) heimischen Tieren.

II.

Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte sein Eigentum an den Wisenten nicht aufgibt. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Beklagte überhaupt noch Eigentümer der Wisente ist oder ob die Tiere herrenlos sind. Es ist keine Anspruchsgrundlage erkennbar, aus der sich ein Recht für den Kläger ergeben könnte, den Beklagten an der Eigentumsaufgabe nach § 960 Abs. 2 oder 3 BGB zu hindern.

III.

Der Feststellungsantrag zu 3) ist ebenfalls unbegründet. Denn Schadensersatz kann der Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB in der Zukunft nur dann verlangen, wenn der Beklagte schuldhaft gegen die ihm im Tenor auferlegte Pflicht verstößt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Betreten der Grundstücke des Klägers durch die Wisente zu verhindern. Ob dies der Fall sein wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Aus § 833 S. 1 BGB folgt ebenfalls keine Schadensersatzpflicht für die Zukunft. Denn selbst wenn der Beklagte jetzt noch Halter der Tiere sein sollte, was Voraussetzung für eine Haftung nach § 833 S. 1 BGB ist, kann sich dies in der Zukunft ändern, wenn nämlich die Tiere herrenlos werden (sofern sie nicht bereits herrenlos sein sollten). Da der Kläger - wie oben gezeigt - den Beklagten auch nicht an der Aufgabe des Eigentums hindern kann, kann er sich nicht für die Zukunft auf § 833 S. 1 BGB berufen, weil dessen Voraussetzungen bei kommenden Schadensereignissen nicht zwingend erfüllt sein werden.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

V.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 30.000,00 EUR.